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Gericht: Oberlandesgericht Köln
Urteil verkündet am 21.03.2003
Aktenzeichen: 19 U 194/02
Rechtsgebiete: BGB, AGBG, ZPO
Vorschriften:
BGB § 123 I | |
BGB § 142 aF. | |
BGB § 124 I | |
BGB § 124 II | |
AGBG § 9 | |
AGBG § 24 | |
AGBG § 24a | |
ZPO § 91 | |
ZPO § 543 II | |
ZPO § 708 Nr. 10 | |
ZPO § 713 n.F. |
Oberlandesgericht Köln Im Namen des Volkes Urteil
Verkündet am: 21.03.2003
In dem Rechtsstreit
hat der 19. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln auf die mündliche Verhandlung vom 14.2.2003 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Jaeger, den Richter am Oberlandesgericht Conzen und den Richter am Landgericht Knechtel
für Recht erkannt:
Tenor:
Auf die Berufung der Beklagten wird das am 8.10.2002 verkündete Urteil des Landgerichts Aachen - 41 O 42/01 - abgeändert und wie folgt neu gefaßt:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe:
I.
Unter dem 4.8.1994 schloß die österreichische Firma "Q Gesellschaft für Software" in H, deren 100%ige Gesellschafterin die Klägerin ist, mit der Beklagten einen Softwareüberlassungsvertrag ab, der unter Einhaltung einer Frist von drei Monaten zum Ende eines jeden Kalenderjahres gekündigt werden konnte. Im Jahr 1998 übersandte die Klägerin der Beklagten mit Anschreiben vom 9.4.1998, auf dessen Inhalt später eingegangen werden soll, einen Formularvertragsentwurf über die Überlassung von Software, der - neben der Geltung deutschen Rechts und des Gerichtsstands Aachen - die Regelung enthielt, daß eine Kündigung frühestens nach 60 Monaten möglich sei. In diesem Vertrag ist die Klägerin als Lizenzgeberin aufgetreten, ferner ist in § 12 Ziff. 4 bestimmt, daß die bisher erteilte Lizenz erlischt, an Dritte geleistete Zahlungen jedoch angerechnet werden. Dieser Vertrag wurde von der Beklagten unterzeichnet zurückgesandt. Mit Schreiben vom 31.5.2000 teilte die Beklagte der Klägerin, mit Schreiben vom 5.6.2000 sodann auch der österreichischen Firma Q mit, daß sie die Zusammenarbeit zum 31.12.2000 kündige und die letzte Zahlung für das vierte Quartal 2000 erfolge.
Mit dem angefochtenen Urteil, auf dessen tatsächliche Feststellungen Bezug genommen wird, ist die Beklagte zur Zahlung der von ihr begehrten Lizenzgebühren für das erste und zweite Quartal 2001 verurteilt worden.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung der Beklagten, die unter Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vortrages im wesentlichen vorbringt, der neue Softwareüberlassungsvertrag sei ihr "quasi untergejubelt" worden; die Mindestbindungsfrist sei unwirksam.
II.
Die form- und fristgerecht eingelegte und auch im übrigen zulässige Berufung hat auch in der Sache Erfolg.
Die Klage ist abzuweisen, da die Beklagte den im April 1998 geschlossenen Softwareüberlassungsvertrag mit der Folge dessen Nichtigkeit wirksam wegen arglistiger Täuschung angefochten hat, §§ 123 I, 142 BGB aF. Den im Jahr 1994 geschlossenen Vertrag hat die Beklagte unter Einhaltung der dort vorgesehenen Kündigungsfrist wirksam zum Ende des Jahres 2000 gekündigt.
Das Schreiben der Klägerin vom 9.4.1998, mit dem sie der Beklagten die neuen Verträge übersandt hat, stellt eine arglistige Täuschung i.S.d. § 123 I BGB dar.
Um dies zu verdeutlichen, wird das Anschreiben im Wortlaut wiedergeben:
Betreff: EURO/Umstellung / Jahr 2000 Umstellung
Sehr geehrter Herr Kollege,
es ist uns ein Anliegen, die in der Vergangenheit gute Zusammenarbeit mit Ihrem Hause auch in der Zukunft in positiver und erfolgreicher Weise fortzuführen und weiterzuentwickeln.
Wir haben deshalb die Prosys (r) Print Software um Funktionen erweitert, die die Umstellungsfähigkeit auf den EURO und auf das Jahr 2000 garantieren.
Die hierzu notwendigen Zusatzprogramme erhalten Sie von uns im Rahmen des beiligenden Software-Überlassungsvertrages kostenfrei. Die monatlichen Gebühren für Lizenz und Wartung erhöhen sich ebenfalls nicht.
Wir hoffen, daß unser Angebot bei Ihnen Zustimmung findet und bitten Sie, die beigefügten zwei Exemplare der Verträge unterschrieben bis zum 30.4.1998 zurückzusenden, um eine rasche Erledigung der erforderlichen Maßnahmen sicherstellen zu können.
Der Inhalt des ersten Absatzes ist unrichtig. Es gab - rein rechtlich - keine Zusammenarbeit zwischen den Parteien. Vertragspartner der Beklagten war die österreichische Firma, die bis auf den Zusatz "Support" namensgleich mit der Klägerin war.
Zu der im zweiten Absatz erwähnten Erweiterung war der Vertragspartner der Beklagten vertraglich verpflichtet. Durch die Formulierung des Anschreibens wird demgegenüber bewußt der Eindruck erweckt, die Beklagte könne nur durch die (alsbaldige !) Unterzeichnung des beigefügten Vertrages die Umstellfähigkeit auf das Jahr 2000 und den EURO sicherstellen, ohne daß hiermit sonstige erhebliche Vertragsänderungen verbunden seien. Diese Umstellfähigkeit schuldete der Beklagten indes - neben der Wartung der Software - bereits die österreichische (Tochter-) Firma Q. Gleichwohl bot die Klägerin der Beklagten im vorgenannten Schreiben die für die Umstellung notwendigen Zusatzprogramme unter ausdrücklichem Hinweis darauf an, daß sich die monatlichen Gebühren für Lizenz und Wartung nicht erhöhen, machte deren Übersendung aber zugleich von der Unterzeichnung der neuen Vertragsformulare abhängig, um die erforderlichen Maßnahmen sicherstellen zu können. Um die "erforderlichen Maßnahmen sicherstellen zu können", mußte die Beklagte aber nichts tun, erst recht mußte sie nicht den "beigefügten" Vertrag unterzeichen.
Das Schreiben ist nicht nur wegen seines Inhaltes eine arglistige Täuschung, sondern auch und erst recht wegen unterbliebener Hinweise bezüglich der im zu unterzeichnenden Vertrag enthaltenen Änderungen. Einen Hinweis auf die weiteren, ganz wesentlichen Änderungen des Vertrages enthielt das Anschreiben nicht; mit dem Vertrag, der den ursprünglichen Vertrag zwischen der österreichischen Firma und der Beklagten ersetzen sollte, wurde tatsächlich aber nicht nur der Vertragspartner der Beklagten ausgetauscht, sondern es wurden die Geltung deutschen Rechts und der Gerichtsstand Aachen vereinbart und es wurden überdies die Laufzeit des Vertrages geändert sowie eine längere Kündigungsfrist vereinbart. Nicht aber wegen der im Anschreiben erwähnten Punkte, sondern ausschließlich wegen dieser nicht erwähnten Vertragsänderungen war "die Unterzeichnung" des neuen Vertrages "erforderlich". Ein solches Vorgehen ist arglistig und eines Kaufmannes unwürdig. Dies hat auch das Landesgericht Graz im Urteil vom 28.1.2002 - 12 Cg 253/00 g - deutlich zum Ausdruck gebracht.
Die dagegen von der Klägerin im nachgelassenen Schriftsatz vorgebrachten Argumente überzeugen nicht. Sie wirft dem Geschäftsführer der Beklagten vor, sich nicht mit der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns verhalten zu haben, weil er den Vertrag - im Vertrauen auf den listigen Inhalt des Anschreibens der Klägerin - ungelesen unterzeichnet habe. Dies war jedoch gerade der Zweck der List der Klägerin. Daraus, daß der Geschäftsführer der Beklagten die Täuschung nicht erkannt hat, kann die Klägerin keine Rechte herleiten. Die Beklagte in Person ihres Geschäftsführers ist zur Unterzeichnung des neuen Vertrages durch eine arglistige Täuschung veranlaßt worden, indem seitens der Klägerin durch das Übersendungsschreiben bewußt der falsche Eindruck vermittelt wurde, die rasche Unterzeichnung des Vertrages sei für die Umstellung erforderlich, ohne dabei auf die weiteren durch Vertragsunterzeichnung sich ergebenden Änderungen hinzuweisen. Die Beklagte hat aufgrund dieser Täuschung die Zusatzsoftware bestellt, ohne daß demgegenüber ein nachvollziehbarer Grund ersichtlich wäre, aus dem die Beklagte entgegen ihren Interessen mit der Vereinbarung über die Zusatzprogramme das Vertragsverhältnis insgesamt hätte neu regeln wollen.
Auch die gegenteilige Argumentation des Landgerichts überzeugt nicht. Der Umstand, daß die Beklagte die Lizenzgebühren für 1999 und 2000 an die Klägerin gezahlt hat, bedeutet deshalb nicht, daß ihr der Wechsel des Vertragspartners bekannt war, weil auf der Rechnung vom 2.12.1998 für das Jahr 1999 ein Konto mit dem Hinweis "Achtung! Neue Bankverbindung" angegeben war. Entgegen der Annahme des Landgerichts hat die Beklagte die Kündigung auch nicht gegenüber der Klägerin, sondern gegenüber dem österreichischen Vertragspartner ausgesprochen/aussprechen wollen. Die Firmenbezeichnung der Lizenzgeberin enthält nämlich nicht den Zusatz "Support" und gekündigt wird der Vertrag vom 2.8.1994.
Die Beklagt hat auch - rechtzeitig - angefochten, indem sie Klage vor dem Gericht in Graz erhob. Das gilt selbst dann, wenn man von einer Irrtumsanfechtung ausgeht. Die Anfechtung wegen arglistiger Täuschung hat die Beklagte innerhalb der Jahresfrist des § 124 I BGB gegenüber der Klägerin erklärt. Diese Anfechtungsfrist begann gemäß § 124 II BGB mit dem Zeitpunkt, in dem die Beklagte die Täuschung entdeckt hat, vorliegend mit Erhalt des Schreibens der Klägerin vom 8.6.2000, mit dem die mit Schreiben der Beklagten vom 31.5.2000 ausgesprochene Kündigung unter Hinweis auf den neuen Vertrag zurückgewiesen wurde. Die Anfechtung erfolgte sodann mit der von der Beklagten am 21.11.2000 beim Landesgericht Graz eingereichten Klage gegen die hiesige Klägerin und die österreichische Firma Q, gerichtet auf die Feststellung, daß die Vertragsbeziehungen mit dem 31.12.2000 beendet seien.
Soweit die Klägerin aufgrund der Erörterung in der mündlichen Verhandlung mit nachgelassenem Schriftsatz vom 26.2.2003 nunmehr Beweis dafür antritt, daß zwischen dem Zeugen S und dem Geschäftsführer der Beklagten ausdrücklich über den Neuabschluß des Vertrages, über die Auswechselung des Vertragspartners und über den geänderten Inhalt des Vertrages gesprochen worden ist, ergibt sich weder aus diesem Vortrag noch aus den in Bezug genommenen Unterlagen, daß über die Vertragsänderungen und nicht nur - was der Auszug aus der zum Beleg vorgelegten "Datenbank" aber im Gegenteil gerade nahelegt - über technische Fragen gesprochen worden ist. Denn der Vermerk über das in Bezug genommene Gespräch vom 20.4.1998 enthält nicht den behaupteten Gesprächsinhalt bezüglich der Vertragsänderungen, sondern lediglich die Erörterung technischer Einzelfragen. Nachdem die Frage der Wirksamkeit des neuen Vertrages unter anderem im Hinblick auf den in Österreich geführten Rechtsstreit bereits im Verfahren vor dem Landgericht behandelt worden ist, hat die Beklagte in der Berufungsbegründung vertieft ausgeführt, der Vertrag sei nur deshalb unterzeichnet worden, weil ihr Geschäftsführer davon ausgegangen sei, hierdurch lediglich die Y2K- und eurofähige Software kostenlos zu erhalten, während von einer Novation des mit der Tochtergesellschaft der Klägerin geschlossenen Ursprungsvertrages keine Rede gewesen sei.
Zu einer anderen Beurteilung führt auch nicht der neue und damit nicht zuzulassende Vortrag, der Beklagten habe bereits im Jahr 1996 ein Vertragsentwurf mit geänderter Laufzeit vorgelegen, den diese zurückgewiesen habe. Dies spricht gegen die Auffassung der Klägerin und ist für die vorliegende Fragestellung einer mangelnden Aufklärung hinsichtlich der gravierenden Vertragsänderungen ersichtlich ohne Belang.
Unabhängig von der wirksamen Anfechtung ist die Kündigungsfrist in § 11 I des Vertrages vom April 1998 jedenfalls gemäß §§ 9, 24, 24a AGBG unwirksam (so auch das Urteil des Senates vom 6.9.2002 - 19 U 71/02). Mit Schreiben vom 9.4.1998 hat die Klägerin der Beklagten die kostenfreie Überlassung von Zusatzprogrammen, die die Umstellungsfähigkeit der Software auf den EURO und das Jahr 2000 garantieren, unter Hinweis darauf angeboten, daß sich die monatlichen Gebühren für Lizenz und Wartung nicht erhöhen. Dieses Angebot entsprach indes ohnehin dem, wozu die österreichische Firma Q bereits aufgrund des Wartungsvertrages verpflichtet war, nämlich der Vorbereitung der Software auf das "Jahr 2000-Problem". Nach dem Wortlaut des Schreibens durfte die Beklagte davon ausgehen, daß die angebotenen Zusatzprogramme für sie in jeder Hinsicht kostenlos sein sollten. Dann ist es aber treuwidrig, daß die Klägerin versucht, durch die Verwendung allgemeiner Geschäftsbedingungen die im ursprünglichen Wartungsvertrag vereinbarte 3-monatige Kündigungsfrist auf eine mit Vertragsunterzeichnung beginnende Mindestlaufzeit von 6 Jahren mit einer Kündigungsfrist von 12 Monaten zu verlängern. Es widerspricht dem Gebot von Treu und Glauben, das Angebot eines kostenlosen Zusatzprogramms mit einer solchen Verlängerung der Laufzeit zu koppeln. Diese Regelung in § 11 des Vertrages benachteiligt mithin die Beklagte unangemessen im Sinne des § 9 AGBG und ist daher unwirksam. Auf sie könnte sich die Klägerin daher selbst dann nicht berufen, wenn der ursprüngliche Vertrag mit der kurzen Kündigungsfrist durch den späteren Vertrag vom April 1998 ersetzt worden wäre.
Die Revision ist nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 543 II ZPO nicht vorliegen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO n.F..
Streitwert für das Berufungsverfahren: 5.563,83 EUR
Ende der Entscheidung
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