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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Köln
Urteil verkündet am 21.06.2002
Aktenzeichen: 19 U 23/02
Rechtsgebiete: HGB, ZPO


Vorschriften:

HGB § 86
ZPO § 711 n.F.
ZPO § 97 Abs. 1
ZPO § 91 Abs. 1
ZPO § 708 Nr. 10
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT KÖLN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

19 U 23/02

Anlage zum Protokoll vom 21. Juni 2002

Verkündet am 21. Juni 2002

In dem Rechtsstreit

hat der 19. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln auf die mündliche Verhandlung vom 17. Mai 2002 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Jaeger und die Richterinnen am Oberlandesgericht Göhler-Schlicht und Caliebe

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Beklagten gegen das am 26. Oktober 2001 verkündete Urteil der 2. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Aachen - 42 O 97/01 - wird zurückgewiesen.

Es wird festgestellt, dass auch die seitens der Beklagten mit Schreiben vom 27.11.2001 ausgesprochene fristlose Kündigung des Handelsvertretervertrages mit dem Kläger unwirksam ist.

Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Beklagte.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagten wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch Leistung einer Sicherheit von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages abzuwenden, falls nicht der Kläger zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Die Sicherheit kann auch durch die selbstschuldnerische Bürgschaft einer bundesdeutschen Großbank oder öffentlich-rechtlichen Sparkasse erbracht werden.

Die Revision wird zugelassen.

Gründe:

I. Der Kläger wendet sich mit der Klage gegen die fristlose Kündigung seines Handelsvertretervertrages.

Der Kläger war für die Beklagte seit 1987 als Gebietsvertreter tätig. Nach § 12 des Handelsvertretervertrages war es ihm untersagt, innerhalb der von K. zu vertretenden Warengruppe Erzeugnisse anderer Firmen zu kaufen oder zu vertreten oder sich an anderen Unternehmen, die mit K. in Konkurrenz stehen, zu beteiligen.

Die Beklagte kündigte dem Kläger ohne vorherige Abmahnung am 14.05.2001 fristlos, weil der Kläger einem ihrer Kunden, der Fa. B.B. GmbH in Z., dessen Kunden abgeworben habe, so dass dieser Kunde die Geschäftsbeziehungen zur Beklagten abgebrochen und einen vorgesehenen Auftrag nicht erteilt habe. Die Beklagte lehnte in der Folgezeit die Annahme von Kundenaufträgen durch den Kläger ab.

Gegen diese Kündigung wendet sich der Kläger mit der im Juni 2001 erhobenen Feststellungsklage. Im Laufe des Rechtsstreits hat die Beklagte mit einem am 1.10.2001 bei Gericht eingegangenem Schriftsatz erneut die Kündigung wegen dreier Vorfälle ausgesprochen: Im Jahre 2000 habe der Kläger eine Kundin der Fa. Hamburger K. abgeworben, so dass diese ihre Geschäftsbeziehungen zur Fa. B. abgebrochen habe. Im Juni 2000 habe die Beklagte einer Fa. E. in A. ein Angebot über die Lieferung von zwei Neuanlagen und die Versetzung einer vorhandenen K.-Anlage unterbreitet. Der Kläger habe den Auftrag für die Versetzung der Anlage nicht an die Beklagte weitergeleitet, sondern durch eine Firma Kälte W. im Dezember 2000 ausführen lassen. Außerdem habe der Kläger, wie unstreitig, im Juni 2001 den Zeugen We., der sich für eine Kältenanlage interessiert habe, unter Hinweis auf die Kündigung des Handelsvertreterverhältnisses an das Konkurrenzunternehmen Co.-Kältetechnik weitergeleitet.

Das Landgericht hat der Klage, mit der der Kläger die Feststellung begehrte, dass die fristlosen Kündigungen vom 14.5. und 1.10.2001 unwirksam sind, stattgegeben, weil die Beweisaufnahme ergeben habe, dass das Verhalten des Klägers gegenüber der Fa. B.B. für die Beklagte nicht geschäftsschädigend gewesen sei, weil die Beklagte auch weiterhin mit der Unternehmensgruppe des Zeugen K. Geschäfte machen könne, sofern sie konkurrenzfähig sei. Auch die Kündigung vom Oktober 2001 sei nicht berechtigt; der Sachvortrag der Beklagten hierzu sei verspätet.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung der Beklagten. Im Laufe des Berufungsverfahrens hat die Beklagte mit Schreiben vom 27.11.2001 erneut die fristlose Kündigung ausgesprochen, weil der Kläger, wie ebenfalls unstreitig, in der Zeit vom 13. bis 15.10.2001 für die Co. GmbH in entsprechender Firmenkleidung auf deren Stand bei der Sachsenbackwarenmesse in Leipzig tätig gewesen war. Der Kläger hat daraufhin im Wege der Klageerweitung die Feststellung begehrt, dass auch die Kündigung vom 27.11.2001 unwirksam ist.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf das angefochtene Urteil sowie auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

II.

Die zulässige Berufung der Beklagten hat in der Sache keinen Erfolg. Auch die erweiterte Klage, mit der der Kläger die Feststellung der Unwirksamkeit der fristlosen Kündigung vom 27.11.2001 begehrt, ist zulässig und begründet.

1) Fristlose Kündigung vom 14.5.2001:

Zu Recht hat das Landgericht angenommen, dass die Kündigung der Beklagten vom 14.5.2001 als fristlose Kündigung unberechtigt ist.

Die inzwischen von dem Kläger eingeräumte Beteiligung als Treugeber an der Fa. FBM (F. B. & M.) GmbH (GA 185) stellt keinen Verstoß gegen die Konkurrenzklausel in § 12 des Vertrages dar. Denn der Kläger ist nicht in Konkurrenz zur Beklagten getreten, sondern in Konkurrenz zu deren Kunden, ein Sachverhalt, der von der Vertragsklausel nach deren eindeutigem Wortlaut und Sinn nicht erfasst wird. Eine Konkurrenztätigkeit zu Kunden der Beklagten fällt nicht unter die Wettbewerbsklausel, wonach dem Vertreter nur untersagt wird, innerhalb der von der Beklagten zu vertretenden Warengruppe Erzeugnisse anderer Firmen und verkaufen oder zu vertreten oder sich an anderen Unternehmen, die mit K. in Konkurrenz stehen, zu beteiligen. Der Kläger hat sich aber nicht an einem Unternehmen beteiligt, das kältetechnische Geräte herstellt und verkauft, sondern an einem Unternehmen, das mit der Erzeugung und Verteilung von Backwaren befasst ist. Eine solche Beteiligung kann unter die Konkurrenzklausel nicht subsumiert werden.

Dem Kläger kann auch nicht vorgeworfen werden, eine unerlaubte Mehrfirmenvertretung vorgenommen zu haben oder in unerlaubter Weise neben seiner Tätigkeit für die Beklagte anderweitig tätig geworden zu sein. Die getroffene Wettbewerbsabrede genügt hierfür nicht, weil die Tätigkeit für Nichtwettbewerber oder als Nichtwettbewerber möglich bleibt (Baumbach/Hopt, HGB, 30. Aufl., § 92 a Rn. 3). Dem Kläger ist es also grundsätzlich gestattet, neben seiner Tätigkeit für die Beklagte auch andere Tätigkeiten auszuüben, sofern er damit nicht in Konkurrenz zum Unternehmen des Prinzipals tritt. Dies widerspräche nur dann der allgemeinen Interessenwahrungspflicht des § 86 HGB, wenn er durch die anderweitige Tätigkeit seine Pflichten gegenüber dem Unternehmen vernachlässigte, wofür die Beklagte keinen hinreichenden Sachvortrag gebracht hat. Angesichts der Tatsache, dass der Kläger über den versprochenen Mindestumsatz von 1,2 Mio. DM hinaus einen Umsatz von 3,5 bis 3,6 Mio. DM erwirtschaftet hat, kann eine Vernachlässigung der Tätigkeit für die Beklagte nicht angenommen werden.

Ein Verbot, mit den Kunden des Unternehmens in Konkurrenz zu treten, kann mangels entsprechender Vereinbarung nicht angenommen werden. Zwar kann eine solche Konkurrenztätigkeit zur Folge haben, dass sich der Kunde, dem seine Kunden von dem Handelsvertreter abgeworben werden, auch aus der Geschäftsbeziehung zum Prinzipal zurückzieht; das ist aber keineswegs zwingend und im konkreten Fall auch nicht geschehen: Wie der Zeuge K., maßgeblicher Gesellschafter der B.B. GmbH, ausgesagt hat, hatte die Konkurrenztätigkeit der FBM, an der der Kläger nur als Treugeber beteiligt ist, nicht zur Folge, dass er keine Geräte der Beklagten mehr kaufen, sondern dass er mit der Person des Klägers zunächst nicht mehr in Kontakt kommen wollte. Ein Direktbezug bei der Beklagten war also keineswegs ausgeschlossen, so dass ihr der Zeuge K. als Kunde nicht verloren ging. Im Übrigen hat der Zeuge K. auch ausgesagt, Differenzen mit dem Kläger habe er weder zur Zeit seiner Vernehmung noch in der Vergangenheit gehabt. Es habe nichts gegeben, was nicht auch durch Diskussionen hätte gelöst werden können. Wenn er demgegenüber zum Ende seiner Aussage gesagt hat, er würde die Geschäftsbeziehung zur Beklagten nicht mehr aufrecht erhalten, wenn der Kläger ihn besuchen müsste, so steht das nicht entgegen. Denn diese Haltung beruht offenbar auch darauf, dass die Diskussionen, zu denen der Zeuge bereit gewesen wäre, eben nicht geführt worden sind. Nach allem kann nicht davon ausgegangen werden, dass durch die Beteiligung des Klägers an der Fa. FBM und die dadurch u.U. eingetretene Konkurrenzlage zwischen den Kläger und dem Zeugen K. die Geschäftsbeziehung zur Beklagten nachhaltig und entgültig beeinträchtigt worden ist.

Der Senat sieht auch keinen Anlass, den Zeugen K. erneut zu vernehmen. Die vom Landgericht protokollierte Aussage ergibt vielmehr eindeutig, dass die Konkurrenztätigkeit des Klägers für den Zeugen eben nicht so gravierend gewesen ist, dass er deshalb die Geschäftsbeziehung zur Beklagten abgebrochen hätte.

Auch wenn sich das Konkurrenzverhalten des Klägers zur B.s B. Firmengruppe "wie ein Lauffeuer" herumgesprochen hätte - wie die Beklagte mutmaßt - , führte das bei vernünftiger Betrachtung nicht dazu, dass andere Kunden die Produkte der Beklagten nicht mehr beziehen wollen oder eine Kontaktnahme mit dem Kläger als Handelsvertreter der Beklagten ablehnten. Einen Umsatzrückgang hat die Beklagte nicht vorgetragen. Das sogenannte "kundenschädigende Verhalten" gegenüber der Fa. B.B. - die B.B. GmbH war außerdem selbst noch kein Kunde der Beklagten, sondern hatte nur von der Fa. B.'s Brothers GmbH & Betriebs KG in E., die ihren Betrieb im Mai 2000 eingestellt hatte, ein Gerät der Klägerin gebraucht gekauft - schlägt daher nicht notwendig auf das Unternehmerinteresse der Beklagten durch.

Jedenfalls aber hätte es einer Abmahnung des Klägers durch die Beklagte bedurft. Angesichts der langjährigen Vertragsbeziehung zwischen den Parteien rechtfertigte eine Firmenbeteiligung an einer Konkurrenzfirma zu einem einzigen Kunden nicht die sofortige Aufhebung des Vertragsverhältnisses. Es handelt sich nicht um eine massive Störung des Vertrauensverhältnisses zur Beklagten und auch nicht um eine anderweitige Tätigkeit, die für den Kläger im Verhältnis zur Beklagten anzeigepflichtig gewesen wäre. Die Konkurrenz zu einem einzigen, zudem noch potentiellen Kunden, reicht nicht aus, um die Beklagte zur sofortigen Lösung des Vertragsverhältnisses zu berechtigen. Der Beklagten wäre zumindest eine Fortsetzung des Vertrages jedenfalls bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist zum 28.2.2002 zumutbar gewesen.

2) fristlose Kündigung vom 01.10.2001:

a. Fa. Ba.Co.:

Erst recht reicht die behauptete Abwerbung der Fa. Ba.Co. als "Drittbezieherin" der Backwaren der B.B. GmbH durch die Zeugin J. als Geschäftsführerin der FBM nicht aus, um eine schwerwiegende Verletzung der Unternehmerinteressen der Beklagten anzunehmen. Zum einen erscheint schon fraglich, ob sich der Kläger als Treugeber dieses Verhalten der Zeugin J. zurechnen lassen muss. Zum anderen hat der monatliche Umsatzverlust bei der B.B. GmbH von 4.000 DM wiederum nicht dazu geführt, dass diese der Beklagten als Kundin verloren ging. Sie war weiterhin bereit, bei der Beklagten zu bestellen, allerdings nicht unter Vermittlung des Klägers. Auch dies hat die Beklagte wegen der Möglichkeit des Direktbezugs hinzunehmen. Jedenfalls genügt die Gefährdung der Beziehung zu einem einzigen - potentiellen - Kunden nicht aus, um eine fristlose Kündigung des seit 1987 bestehenden Handelvertreterverhältnisses ohne vorherige Abmahnung zu begründen.

b. Fa. E.:

Das Landgericht hat diesen Vortrag der Beklagten, der die Nichtweiterleitung eines Auftrags zur Umsetzung einer Kälteanlage betrifft, zu Unrecht als verspätet zurückgewiesen. Denn der Beklagten waren die diesbezüglichen Informationen nach ihrem Vortrag erst kurz vor dem Schriftsatz vom 1.10.2001 zugegangen (GA 152, 68). Das Landgericht hätte von seinem Fragerecht Gebrauch machen und der Beklagten Gelegenheit geben müssen, näher zu präzisieren, wann sie von dem neuen Sachverhalt erfahren haben will. Die Beklagte hat jetzt dargestellt, dass sie erst in der Zeit vom 23. bis 25.09.2001 auf einer Messe in Nürnberg von diesem Sachverhalt unterrichtet worden ist, so dass sie zu einem früheren Vortrag gar nicht in der Lage war.

Wenn der Kläger, wie die Beklagte behauptet, einen Auftrag der Bäckerei E. an die Beklagte, eine K.-Anlage zu versetzen, nicht weitergeleitet hat, sondern von einer Fremdfirma, der Fa. Kälte-W., ausführen ließ und die Rechnung später nicht an die Fa. E., sondern eine Firma BBV Bäckereitechnik Beratung u. Vertrieb, die von seiner Ehefrau betrieben wurde, ausstellen ließ, könnte es sich zwar um ein vertragswidriges Verhalten des Klägers handeln, das Anlass zu einer fristlosen Kündigung geben kann. Der Kläger hat hierzu allerdings behauptet, die Beklagte sei seinerzeit aus zeitlichen Gründen nicht in der Lage gewesen, den Auftrag auszuführen und daher einverstanden gewesen, dass dieser an eine Fremdfirma vergeben werde.

Eine Sachverhaltsaufklärung durch Vernehmung des Zeugen W. kommt aber vorliegend nicht in Betracht. Denn ein solcher - einmaliger - Verstoß des Klägers gegen seine Pflicht, der Beklagten keine Konkurrenz zu machen und ihre Interessen zu wahren, genügte nicht, um eine fristlose Kündigung eines über 14 Jahre bestehenden Handelvertretervertrages zu rechtfertigen. Der Kläger hat auch nach dem Vortrag der Beklagten nicht eine Bestellung einer neuen Anlage nicht weitergereicht, sondern lediglich eine Werkleistung, nämlich die Umsetzung einer bereits gelieferten Anlage, durch eine andere Firma ausführen lassen. Auch die Rechnungsstellung an die Firma der Ehefrau, von deren Existenz die Beklagte nach dem nicht mehr bestrittenen Vortrag des Klägers lange wusste, berührte die Interessen der Beklagten nicht so nachhaltig, dass das Vertrauensverhältnis zwischen den Parteien zerstört war. Angesichts der Dauer des Vertragsverhältnisses genügte dieser einmalige Verstoß nicht, eine fristlose Kündigung auszusprechen, ohne dem Kläger durch vorherige Abmahnung Gelegenheit zu geben, sich zukünftig vertragstreu zu verhalten.

c. We.:

Soweit die Beklagte die Kündigung darauf stützt, dass der Kläger im Juni 2001 einen Auftrag We. an die Fa. Co.-Kältetechnik vermittelt habe, läge hierin zwar ein Verstoß gegen das Konkurrenzverbot in § 12 des Vertrages, der eine fristlose Kündigung rechtfertigen könnte. Gleichwohl kann die Beklagte ihre fristlose Kündigung nicht auf diesen Sachverhalt stützen. Zu bedenken ist nämlich, dass dieser Vorfall zeitlich nach der fristlosen Kündigung vom 14.05.2001 lag und dass der Kläger nach seinem unbestrittenen Vortrag die Vermittlungstätigkeit für die Fa. Co. erst aufgenommen hatte, nachdem die Beklagte ihm erklärt hatte, sie werde von ihm vermittelte Aufträge nicht mehr annehmen.

Hat der Unternehmer - wie hier - unberechtigt die fristlose Kündigung ausgesprochen und die ihm von dem Handelsvertreter gleichwohl angebotene weitere Tätigkeit abgelehnt, so kann er dem Handelsvertreter nicht vorwerfen, dass dieser jetzt für die Konkurrenz tätig wird, und darf nicht eine erneute fristlose Kündigung mit diesem Verhalten begründen. Es trifft zwar zu, dass das Konkurrenzverbot auch noch für die Zeit gilt, in der der Handelsvertretervertrag zwar gekündigt, aber noch nicht ausgelaufen ist. Die kann aber nach Auffassung des Senats nicht angenommen werden, wenn der Unternehmer eine eindeutig unwirksame fristlose Kündigung ausgesprochen und die weiteren Dienste des Handelsvertreter ausdrücklich abgelehnt hat.

Der Senat verkennt nicht, dass der Bundesgerichtshof in seiner Entscheidung vom 30.06.1954 (MDR 1954, 606) im Grundsatz ausgesprochen hat, dass derjenige, der eine von seinem Vertragsgegner ausgesprochene fristlose Kündigung für ungerechtfertigt hält und deshalb auch weiterhin die sich aus dem Vertrag für ihn ergebenden Rechte in Anspruch nimmt, sich auch seinerseits so verhalten muss, als wenn die fristlose Kündigung nicht erfolgt wäre, insbesondere alles zu unterlassen hat, was ohne die fristlose Kündigung vertragswidrig wäre, und dass ein Handelvertreter sich nach fristloser Kündigung bis zur rechtswirksamen Beendigung des Vertrages jeden Wettbewerbs zu enthalten hat, der geeignet ist, die Interessen des Geschäftsherrn zu beeinträchtigten. Allerdings gibt es - wie auch der Bundesgerichtshof in der genannten Entscheidung ausgeführt hat - Fälle, in denen es nach der konkreten Sachlage mit Treu und Glauben nicht vereinbart werden kann, dem Handelsvertreter selbst dann, wenn er auf seinen Vertragsansprüchen bestehen bleibt, die weitere Einhaltung jener Schranken zuzumuten. In der Entscheidung NJW 1967, 248 hat der Bundesgerichtshof in der unbegründeten fristlosen Kündigung durch den Unternehmer regelmäßig einen begründeten Anlass für eine Kündigung des Handelsvertreters gesehen, weil der Unternehmer ihm zu Unrecht die Weiterarbeit verweigere und sein Einkommen gefährde. Der Handelsvertreter habe in diesem Fall ein schutzwürdiges Interesse, die Rechtslage zu klären und eine Beendigung des Vertragsverhältnisses jedenfalls durch seine Kündigung herbeizuführen. Die von der Beklagten zitierte Entscheidung des OLG München (BB 1995, 168 = NJW-RR 1995, 1187) befasst sich demgegenüber mit dem Fall einer ordentlichen Kündigung; hier hat das OLG München den Handelsvertreter für verpflichtet gehalten, sich bis zum Ablauf des Vertragsverhältnisses wettbewerbsneutral zu verhalten.

Der Senat hält unter Berücksichtigung der vorstehenden Rechtsprechung es hier für nicht zumutbar, dass der Kläger bis zur Klärung der Berechtigung der Kündigung oder jedenfalls bis zum nächstmöglichen Zeitpunkt einer ordentlichen Kündigung am Vertrag festgehalten wird und insbesondere zu wettbewerbsneutralem Verhalten verpflichtet bleibt. Eine solche einseitige Bindung des Klägers erscheint nicht zumutbar. Die Beklagte hatte dem Kläger wegen eines Verstoßes gegen das Wettbewerbsverbot gekündigt, obwohl ein Wettbewerbsverstoß eindeutig nicht gegeben war. Der Kläger seinerseits hatte der Beklagten seine Dienste auch nach Ausspruch der Kündigung angeboten, was von dieser aber abgelehnt worden war. In einem solchen Fall muss der Unternehmer das Risiko einer Konkurrenztätigkeit des Handelsvertreters tragen, wenn sich später herausstellt, dass seine Kündigung unberechtigt gewesen ist. Umgekehrt erscheint es dem Handelsvertreter nicht zumutbar, seinerseits die Klärung der Berechtigung der Kündigung abzuwarten, ohne seinen eigenen Lebensunterhalt bestreiten zu können. Vielmehr trägt der Unternehmer, der sich weigert, den Handelsvertreter weiter zu beschäftigen, das Risiko, dass das Vertragsverhältnis fortbesteht, der Handelsvertreter aber in der Zeit der Ungewissheit über die Kündigung eine Konkurrenztätigkeit entfaltet hat. Die Ausübung dieser Konkurrenztätigkeit steht dabei unter dem selbstverständlichen Vorbehalt, dass der Handelsvertreter sich das aus dieser Tätigkeit erzielte Einkommen gegenüber den weiter bestehenden Provisionsansprüchen anrechnen lässt, wovon auch der Kläger ausgegangen ist. Hätte der Kläger bis zur Entscheidung über die Wirksamkeit der Kündigung zugewartet, wäre der wirtschaftliche Schaden für die Beklagte, die dem Kläger weiterhin nicht nur die versprochene Gebietsprovision, sondern unter dem Gesichtspunkt des entgangenen Gewinns aus positiver Vertragsverletzung auch den Entgang weiterer Provisionen durch Vermittlung weiterer Aufträge zahlen muss, unter Umständen größer als wenn dieser einer neuen Tätigkeit nachgeht, deren Vergütung er sich auf die Provisionsansprüche anrechnen lässt. Unter Umständen ist er auch aus Gründen der Schadensminderung verpflichtet, sich anderweitig einzusetzen, um den Schaden für den Unternehmer gering zu halten. Es kann ihm auch nicht zugemutet werden, seinerseits nun die fristlose Kündigung auszusprechen und damit auf weitergehende Provisionsansprüche zu verzichten. Wenn der Unternehmer ihm zu Unrecht die Weiterarbeit verweigert und sein Einkommen gefährdet und wenn ein schutzwürdiges Interesse des Handelsvertreters an der Klärung der Rechtslage besteht (vgl. BGH NJW 1967, 248, 249), so erscheint es jedenfalls bei einer Sachlage, in der die fristlose Kündigung eindeutig nicht berechtigt ist, weil bisher ein wettbewerbswidriges Verhalten nicht vorliegt, nicht angemessen, vom Handelsvertreter die fristlose Kündigung zu verlangen und auf diesem Wege der fristlosen Kündigung des Unternehmers jedenfalls im Hinblick auf die Provisionsansprüche faktisch Geltung zu verschaffen. Vielmehr muss in einem solchen Fall der Unternehmer den aus seiner unberechtigten Kündigung fließenden Nachteil tragen, der sich daraus ergeben kann, dass der Handelsvertreter sich nunmehr seinerseits nicht mehr wettbewerbsneutral verhält.

3 ) Kündigung vom 27.11.2001:

Aus vorstehenden Gründen ist auch die erneute Kündigung vom 27.11.2001 unwirksam, die der Kläger im Wege der Klageerweiterung zur Überprüfung stellen konnte und die die Beklagte darauf stützt, der Kläger sei für die Fa. Co. in deren "Kleidung" auf der Messe in Leipzig vom 13. bis 15.10.2001 aufgetreten. Denn auch dieser Vorfall ereignete sich lange nach der fristlosen Kündigung und der Ablehnung weiterer Dienste des Klägers durch die Beklagte.

Der nachgelassene Schriftsatz der Beklagten vom 31. Mai 2002 bietet keine Veranlassung, die mündliche Verhandlung wieder zu eröffnen. Soweit die Beklagte in ihm vorträgt, seit dem 23.05.2002 - nach Schluss der mündlichen Verhandlung - stehe fest, dass sie den Zeugen K. als Kunden verloren habe, reicht das nicht aus, um die fristlose Kündigung im "Nachhinein" zu rechtfertigen. Wie sich aus Schreiben der Beklagten an die Fa. B.B. GmbH vom 07.05.2002 ergibt, haben weiterhin Verkaufsgespräche mit dem Zeugen K. stattgefunden, die zu einem Angebot der Beklagten geführt haben. Dass sich der Zeuge K. gleichwohl für die Ware eines Konkurrenten der Beklagten entschieden hat, kann auf verschiedensten Faktoren beruhen. Dass dabei die "Vorgeschichte Ofen" nach der Darstellung der Beklagten für die Kaufentscheidung des Kunden nicht ohne Einfluss geblieben ist, reicht nicht aus, um die Zeugenaussage K. in Frage zu stellen, dass es nichts gegeben habe, was man seinerzeit nicht durch Diskussionen hätte lösen können.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1, 91 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO n.F.

Streitwert für den gesamten Rechtsstreit und Wert der Beschwer der Beklagten: 100.000 DM (51.129,19 Euro)

Die Revision war zur Fortbildung des Rechts und zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zur Frage der Konkurrenztätigkeit des Handelsvertreters nach Ausspruch einer unberechtigten Kündigung zuzulassen (vgl. § 543 Abs. 2 Nr. 2 ZPO).

Ende der Entscheidung

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