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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Köln
Urteil verkündet am 04.11.2002
Aktenzeichen: 19 U 27/02
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 633 a.F.
BGB § 242
BGB §§ 284 ff.
BGB § 320
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Oberlandesgericht Köln Im Namen des Volkes Urteil

19 U 27/02

Verkündet am 04.11.2002

In dem Rechtsstreit

hat der 19. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln auf die mündliche Verhandlung vom 20. September 2002 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Jaeger, die Richterin am Oberlandesgericht Caliebe und die Richterin am Amtsgericht Mundorf

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 14.12.2001 verkündete Urteil des Landgerichts Aachen - 43 O 42/01 - abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Klage wird abgewiesen.

Auf die Widerklage wird die Klägerin verurteilt, an die Beklagten als Gesamtgläubiger € 822.278,23 und 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 11.02.2002 zu zahlen.

Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Zwangsvollstreckung aus diesem Urteil durch Leistung einer Sicherheit in Höhe von 110 % des gegen sie vollstreckbaren Betrages abwenden, falls nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in der selben Höhe leisten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Die Klägerin befaßt sich mit der Entwicklung von Software sowie dem Vertrieb von Software und Hardware. Daneben erbringt sie in diesem Zusammenhang anfallende Dienstleistungen und Wartungsarbeiten. Die Beklagte zu 1. ist mit der Herstellung und dem Vertrieb von Fleisch- und Wurstwaren befaßt. Die Beklagte zu 2. ist die persönlich haftende Gesellschafterin der Beklagten zu 1.

1999 hatte die Beklagte zu 1. von einer Firma K. ein neues Kommissionierungslager mit vollautomatischer Fördertechnik errichten lassen. Dieses vollautomatische Lager war Anfang November 1999 mit Ausnahme der EDV-mäßigen Ausrüstung fertiggestellt worden. Die Fördertechnik dieses Lagers war so ausgelegt, daß das Verbringen und der Transport der Ware im sogenannten "Ware zum Mann-System", d.h. vollautomatisch ohne manuellen Einsatz erfolgen sollte. Um dies zu ermöglichen, war und ist in der engen Gasse zwischen jeweils zwei Regalen ein Schienensystem montiert, auf welchem ein Roboter, der die Funktion eines vollautomatischen Gabelstaplers übernimmt, über Elektromotoren bewegt wird. Pickzonen, in welchen die Ware nach Art und Stückzahl von Menschenhand ausgewählt wird, sind in diesem Lager nicht vorgesehen. Zur näheren Veranschaulichung der Anfang November 1999 im neuen Kommissionierungslager der Beklagten zu 1. vorhandenen Fördertechnik wird auf die von den Beklagten vorgelegten Lichtbilder (GA 357 f.) verwiesen.

Wegen der erforderlichen EDV-mäßigen Ausrüstung dieses vollautomatischen Lagers wandte sich die Beklagte zu 1. an die Klägerin, die hierfür nach Besichtigung dieses Lagers und des Betriebes der Beklagten zu 1. am 26.11.1999 einen "relativen Projektplan" erstellte. Dieser Plan sah für die vollständige Abwicklung des Projektes insgesamt 58 Wochen vor, wobei für den Bereich Kommissionierung die 15. - 20. Woche vorgesehen war.

Am 15.12.1999 kam es zum Vertragsschluß zwischen der Klägerin und der Beklagten zu 1. Die einzelnen Aufträge über die von der Klägerin zu liefernde Standardsoftware, Standardhardware und Sondersoftware waren in sogenannten Produktscheinen aufgeführt. Diese wurden am 15.12.1999 sowohl von einem bevollmächtigten Vertreter der Klägerin als auch der Beklagtem zu 1. unterzeichnet. Der von der Beklagten zu 1. zu zahlende Gesamtpreis für die Standard-Hard- und -Software betrug netto € 524.494,52 zzgl. gesondert zu vergütender Leistungen der Klägerin für Installation und Beratung. Die Parteien vereinbarten ferner eine zusätzliche Tagesvergütung von € 792,-- netto, falls die Beklagten zu 1. die Klägerin mit der Entwicklung zusätzlicher Sondersoftware beauftragen sollte. Wegen der näheren Einzelheiten wird auf die in Kopie eingereichten Produktscheine Bezug genommen (Anlagenhefte K1 - K9, K11 - K17, K19 und B 3 sowie GA 150, 152). Der Produktschein Nr. 130.989 (Anlage B3) enthält zudem folgende Vereinbarung der Parteien:

"Zusatzvereinbarung zu den Produktscheinvordrucken...

Bei P. wird ein geschlossenes Warenwirtschafts- und Produktionsplanungssystem mit integrierter Finanzbuchhaltung und Kostenrechnung installiert. C. wird von P. beauftragt, das hierzu erforderliche Know-How durch Dienstleistungen sowie entgeltliche Überlassung von Hard- und Software zur Verfügung zu stellen. Die hierzu erforderlichen Leistungen und Maßnahmen wurden von C. ermittelt und ergeben sich aus den in der Anlage beigefügten Produktscheinen. .... C. bestätigt, daß das .... Angebot die gesamte für die Fleischwarenbranche, insbesondere die Bedürfnisse von P. notwendige Anwendersoftware enthält. ... C. stellt der Firma P. ausführliche Beschreibungen der eingesetzten Hard- und Software in Form von Handbüchern, Schulungsunterlagen, C.-Online-Hilfe sowie Produktbeschreibungen zu den Hardwarekomponenten zur Verfügung und aktualisiert diese Unterlagen ständig ohne zusätzliche Vergütung. ..."

Mit Schreiben vom 07.01.2000, welches als "Auftragsbestätigung" überschrieben ist, bestätigte die Klägerin den Auftrag vom 15.12.1999 über den Kauf bzw. die Software-Überlassung, faßte den Umfang der bestellten Hard- und Software zusammen und führte ferner aus, daß u.a. 30% des vereinbarten Preises bereits bei Auftragserteilung zu zahlen seien. Wegen der näheren Einzelheiten dieses Schreibens wird auf die vorgelegte Kopie verwiesen (AH K 20).

Sodann kam es zu mehreren Besprechungen, in denen es auch um das Kommissionierungskonzept ging. In der Standardsoftware der Klägerin war kein vollautomatisches Kommissionierungssystem realisiert. In der Besprechung vom 19.01.2000 regte die Klägerin ein alternatives Konzept an, nämlich statt eines vollautomatischen ein sogenanntes "Pick-Konzept", welches die Beklagten zu 1. jedoch ablehnte (GA 8). Auch in der Folgezeit riet die Klägerin der Beklagten zu 1. von der Einführung eines vollautomatischen Systems ab und schlug alternative Lösungskonzepte vor, wie sie in der Standardsoftware der Klägerin realisiert waren. Auch nach der Besichtigung zweier anderer Betriebe entschied sich die Beklagte zu 1. nicht für die Umsetzung des von der Klägerin vorgeschlagenen (Standard)Systems, also einem System, in dem sog. Mischkartons manuell in Pickzonen und der Rest vollautomatisch geregelt wird. Die Klägerin verlangte für die Programmierung der für die Realisierung eines vollautomatischen Systems erforderliche Sondersoftware eine zusätzliche Vergütung. Dies sowie die Unterzeichnung entsprechender Produktscheine lehnte die Beklagte zu 1. ab. Am 23.05.2000 einigten sich die Parteien auf ein allgemeines Anforderungsprofil (AH K24), in dem es u.a. heißt:

"Die Firma C. übernimmt die Verantwortung für die vollständige Funktionsfähigkeit der zu realisierenden Anforderungen im Gesamtprojekt sowie in der Umsetzung des Kommissionierungslagers in Verbindung mit dem Softwareprodukt der C. und der eingesetzten Fördertechnik. Die Koordination und Kommunikation zwischen den untergeordneten Gewerken obliegt C.. Erarbeitete Lösungsansätze sind mit dem Hause P. abzustimmen. Das heißt vor der Programmierung wird von P. der von C. vorgeschlagene Lösungsweg bestätigt. C. sind die derzeitigen Funktionalitäten im Hause P. bekannt und werden im zukünftigen Gesamtkonzept umgesetzt bzw. optimiert. Ein Projektplan und die lückenlose Dokumentation ist durch C. zu erstellen und Bestandteil des Auftrages. ..."

In dem Besprechungsprotokoll vom 23.05.2000 (AH K 26) wird als Ergänzung zum Anforderungsprofil u.a. aufgeführt:

"... Kommissionierungskonzept - die Produktscheine für die Sondersoftware seitens C.-SYSTEM sind zum Start der Programmierung zu unterzeichnen ...".

Unter dem 19.07.2000 unterbreitete die Klägerin ein Kommissionierungskonzept, mit dem die Beklagte zu 1. nicht zufrieden war. Hierzu sind im Beratungsbericht vom 25.07.2000 mehrere "Einschränkungen", die das Konzept der Klägerin gegenüber dem Anforderungen im Betrieb der Beklagten zu 1. aufweist, aufgeführt. Wegen der näheren Einzelheiten wird auf die eingereichte Kopie Bezug genommen (AH B11).

Auch in der Folgezeit ging die Beklagte zu 1. mit keinem der ihr von der Klägerin unterbreiteten Kommissionierungskonzepte einig. Es folgte sodann ein umfangreicher Schriftwechsel zwischen den Parteien. Versuche einer einvernehmlichen Lösung scheiterten jedoch. Mit Anwaltsschreiben vom 26.09.2000 rügte die Beklagte zu 1., daß die Klägerin bislang nicht entsprechend dem Anforderungsprofil vom 23.05.2000 einen Projektplan und eine lückenlose Dokumentation erstellt habe, und setzte dieser für die Erfüllung sämtlicher Leistungen, die diese nach den getroffenen Vereinbarungen schulde, eine Nachfrist bis zum 10.10.2000 und kündigte für den Fall des fristlosen Ablaufs dieser Frist an, Schadensersatz wegen Nichterfüllung zu verlangen (AH K85). Daraufhin stellte die Klägerin unter dem 28.09.2000 sämtliche ihr erteilten Aufträge mit insgesamt DM 1.381.258,72 (= € 706.226,38) in Rechnung (AH B 18). Die Beklagte zahlte an die Klägerin insgesamt € 83.555,49.

Mit Schreiben vom 09.10.2000 machte die Klägerin erneut die Installation bzw. Entwicklung einer auf den Betrieb der Beklagte zugeschnittenen Software von der Unterzeichnung entsprechender Produktscheine, also eines zusätzlichen entgeltlichen Auftrages, abhängig (AH K 87). Die Beklagte zu 1. lehnte mit Schreiben ihrer Rechtsanwälte vom 20.10.2000 die begehrte zusätzliche Vergütung ab und verlängerte die der Klägerin zur Erfüllung des geschlossenen Vertrages gesetzte Frist bis zum 31.10.2000, die die Klägerin ergebnislos verstreichen ließ.

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, sie schulde lediglich die bestellte Standardhardware und -software, so daß die Beklagten verpflichtet seien, ihr die vereinbarte Vergütung zu zahlen, teilweise allerdings lediglich Zug um Zug gegen die noch nicht gelieferte Hardware. Mit der Annahme dieser Hardware befinde sich die Beklagte zu 1. in Annahmeverzug.

Die Beklagten haben den Standpunkt vertreten, bei dem zwischen der Klägerin und der Beklagten zu 1. geschlossenem Vertrag handele es sich um einen Werkvertrag, durch den Klägerin verpflichtet sei, die für den spezifischen Betrieb der Beklagten zu 1. erforderliche Hard- und Software zu liefern und zu installieren. Da das Lager der Beklagten zu 1. mit einer vollautomatischen Fördertechnik ausgestattet sei, sei von Anfang an das Kommissioniersystem "Ware zum Mann" vorgegeben und entsprechende Software geschuldet gewesen.

Das Landgericht hat der Klage mit Ausnahme eines Teils der geltend gemachten Zinsen durch Urteil vom 14.12.2001, auf dessen Inhalt wegen sämtlicher Einzelheiten Bezug genommen wird, stattgegeben. Es ist dabei davon ausgegangen, die Beklagte zu 1. habe die Standardhardware gekauft und die Standardsoftware auf 5 Jahre gemietet.

Gegen dieses Urteil wenden sich die Beklagten mit ihrer Berufung. Zur Abwendung der von der Klägerin eingeleiteten Zwangsvollstreckung aus dem erstinstanzlichen Urteil hat die Beklagte zu 1. Anfang Februar 2002 an die Klägerin insgesamt € 822.278,23 gezahlt. Mit ihrer mit der Berufungsbegründung erhoben Widerklage begehren die Beklagten die Rückzahlung dieses Betrages zzgl. 5% Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 11.02.2002. Beide Parteien wiederholen und vertiefen ihr erstinstanzliches Vorbringen.

Die Klägerin bestreitet, daß aufgrund des bei der Beklagten zu 1. installierten Lagersystems aus technischen und/oder wirtschaftlichen Gründen zwangsläufig das Kommissionierkonzept "Ware zum Mann" unter Ausschluß des Einsatzes von Pick-Kräften habe realisiert werden müssen. Die Klägerin habe vielmehr die optimale Lösung für das Kommissionierungslager vorschlagen sollen, wobei etwa erforderliche Sondersoftware zusätzlich habe vergütet werden sollen. Um eine optimale Ausnutzung der vorhandenen Lagerkapazitäten zu erreichen, habe sie der Beklagten von einem ausnahmslosen "Ware zum Mann System abgeraten und statt dessen die Einführung eines Misch- oder kombinierten Systems mit einer zusätzlichen Pick-Zone für die Kommissionierung von Mischkartons vorgeschlagen. Die Beklagte habe sich nicht für eine endgültige Lösung entscheiden können und auch keine schriftliche Anweisung hierzu erteilt. Die von der Beklagten gesetzte Frist sei zudem unangemessen kurz. Im übrigen habe sich die Beklagte mit der Anzahlung in Höhe von 30% bei Auftragserteilung in Verzug befunden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

II.

Die Berufung und die mit der Berufungsbegründung erhobenen Widerklage sind zulässig und begründet.

1.

Der Klägerin steht kein Vergütungsanspruch Zug um Zug gegen Übereignung und Übergabe der im Tenor des landgerichtlichen Urteils aufgeführten Standardhardware zu.

Gegenstand des zwischen den Parteien geschlossenen Vertrages war nicht lediglich der Erwerb bzw. die Überlassung der in den einzelnen Produktscheinen aufgeführten Standardsoftware und -hardware:

Unstreitig hatte die Beklagte zu 1. vor Abschluß des Vertrages mit der Klägerin ein neues Kommissionierungslager mit vollautomatischer Fördertechnik errichten lassen, in dem Pickzonen nicht vorhanden sind. Die für den vollautomatischen Betrieb dieses Lagers erforderliche EDV-Ausrüstung sollte von der Klägerin geliefert werden. Unstreitig hat die Klägerin dieses Lager wenige Tage vor Abschluß des Vertrages besichtigt. Der Erwerb der Hardware und Software sollte mithin dem Zweck dienen, für die Beklagte eine auf ihren speziellen Betrieb und ihre Bedürfnisse ausgerichtete und angepaßte EDV-Gesamtlösung zu schaffen. Dies folgt auch aus dem Produktschein Nr. 130.989 (Anlage B3), in dem die Klägerin ausdrücklich bestätigt, daß ihr "Angebot die gesamte für die Fleischwarenbranche, insbesondere die Bedürfnisse von P. notwendige Anwendersoftware enthält".

Die Klägerin schuldete hiernach eine Gesamtlösung und hat ferner zugesichert, daß die von ihr in den anliegenden Produktscheinen angebotenen Leistungen ausreichend und geeignet seien, um die nach den Bedürfnissen der Beklagten ausgerichtete Gesamtlösung zu verwirklichen. Die Klägerin kann sich daher nicht mit Erfolg darauf berufen, die Beklagte habe bei ihr zunächst als Basislösung lediglich die in den einzelnen Produktscheinen aufgeführte Hard- und Software bestellt und für etwaige Ergänzungen hätte diese zusätzliche Sondersoftware erwerben müssen.

Unstreitig sollte nach dem Konzept des Herstellers des vollautomatischen Kommissionierungslagers erst und nur auf den Kommissionierplätzen "gepickt" werden, d.h. die Ware sollte aus dem Lager vollautomatisch zu dem Arbeitsplatz des Kommissioniermitarbeiters gefahren werden (sog. System der "Ware zum Mann"). Die Klägerin behauptet, dieses Konzept der Firma K. sei jedoch nicht verbindlich als Vertragsinhalt festgelegt worden, sondern sie habe dieses Konzept "überdenken" sollen. Problematisch seien bei diesem Konzept jedoch die sog. Mischkartons gewesen, weshalb sie zur Optimierung des Systems von einem ausnahmslosen "Ware zum Mann"-System abgeraten und statt dessen ein kombiniertes System mit einer zusätzlichen Pick-Zone für die Kommissionierung von Mischkartons vorgeschlagen habe. Daß die Beklagte sich mit diesem vom Konzept der Firma K. abweichenden Vorschlag einverstanden erklärt habe, behauptet die Klägerin nicht. Sie bringt auch nicht vor, sie habe zwischenzeitlich ein brauchbares Konzept für eine "Ware zum Mann" Lösung ohne zusätzliche Pickzonen erstellt und der Beklagten angeboten.

Nach der zwischen den Parteien am 23.05.2000 getroffenen ergänzenden Vereinbarung (K 24) sollte die Klägerin zudem einen Projektplan und eine lückenlose Dokumentation erstellen. Auch diese Leistungen hat sie bislang nicht erbracht.

Mit Schreiben ihrer Anwälte vom 26.09.2000 (K85) hat die Beklagte die Klägerin aufgefordert, die von ihr geschuldeten Leistungen bis zum 10.10.2000 zu erbringen. Nach fruchtlosem Ablauf dieser Frist befindet sich die Klägerin jedenfalls mit der Erstellung des Projektplanes, der Dokumentation und der Entwicklung der Software "Ware zum Mann" in Verzug, §§ 284 f. BGB. Die Klägerin beruft sich zu Unrecht darauf, der Eintritt des Verzuges sei ausgeschlossen, weil die Beklagte ihre Mitwirkungspflichten verletzt habe. Die Klägerin behauptet hierzu, die Beklagte habe von ihr im Dezember 1999 aufgeworfene Fragen nicht beantwortet (GA 390, 104). Ausweislich der Aktennotiz der Beklagten vom 09.02.2000, deren inhaltliche Richtigkeit die Klägerin nicht bestritten hat, hat die Beklagte zu den im Dezember 1999 gestellten Fragen der Klägerin umfangreich Stellung genommen. Sollten gleichwohl Fragen offengeblieben sein, wäre es Sache der Klägerin gewesen nachzufragen. Ohne Nachfrage durfte die Beklagte davon ausgehen, sie habe die Fragen ausreichend beantwortet.

Mit Schreiben vom 20.10.2000 (K 88) hat die Beklagte der Klägerin zu Erfüllung ihrer Leistungspflichten eine weitere Nachfrist bis zum 31.10.2000 gesetzt. Zu Unrecht meint die Klägerin, die von den Beklagten gesetzten Fristen seien zu kurz bemessen und daher unredlich und unwirksam.

Zum einen hat die Beklagte von der Klägerin nicht die vollständige Realisierung des Gesamtprojektes innerhalb der gesetzten Frist verlangt sondern innerhalb dieser Frist lediglich die Erbringung der nach dem Vertrag geschuldeten, also fälligen Leistungen der Klägerin begehrt. Zwar sollte nach dem ursprünglichen Projektplan das Gesamtprojekt erst in 58 Wochen fertiggestellt sein, die Kommissionierung jedoch schon in der 15. bis 20. Woche, also im April bzw. Mai 2000. Die bis zum 20.10.2000 bzw. 31.10.2000 gesetzten Fristen sind daher für die seit langem fälligen Leistungen der Klägerin nicht unangemessen kurz. Die Nachfrist soll dem Schuldner eine letzte Gelegenheit zur Vertragserfüllung eröffnen und braucht daher nicht so bemessen zu werden, daß der Schuldner eine etwa noch gar nicht begonnene Leistung erst anfangen und fertigstellen kann (s. Palandt-Heinrichs, 61. Aufl., § 326 BGB, Rn. 16 m.w.N.). Dessen ungeachtet hat die Klägerin der Beklagten nicht angeboten, die von ihr geschuldete Leistung, nämlich eine Anwendersoftware zu erstellen, die den Betrieb des bei der Beklagten vorhandenen Lagers mit vollautomatischer Fördertechnik ohne zusätzliche Pickzonen ermöglichte, sondern die Erbringung dieser Leistung in vertragswidriger Weise davon abhängig gemacht, daß die Beklagte sich zuvor zur Zahlung einer zusätzlichen Vergütung verpflichte.

Die Klägerin kann sich auch nicht mit Erfolg darauf berufen, die Beklagte sei selbst nicht vertragstreu gewesen, da sie eine von ihr geschuldeten Anzahlungen nicht erbracht habe. Die Klägerin ist zu Unrecht der Auffassung, die Beklagte schulde ihr bereits bei Auftragserteilung eine Vorauszahlung in Höhe von 30 % des vereinbarten Preises. Zwar enthält ihre "Auftragsbestätigung" vom 07.01.2000 (K 20) einen entsprechenden Passus. Dieser Passus steht jedoch im Widerspruch zu den von beiden Parteien am 15.12.1999 unterzeichneten Produktscheinen (K 1 - K 19 und B 3), in denen die Vertragsbedingungen im einzelnen aufgeführt sind und die eine Vereinbarung über eine Vorauszahlungspflicht der Beklagten gerade nicht enthalten. Daß die Parteien über den schriftlichen Vertragstext hinaus sich am 15.12.1999 über eine Vorauszahlung mündlich geeinigt hätten, behauptet die Klägerin nicht. Mithin handelt es sich bei diesem Schreiben vom 07.01.2000 nicht um ein kaufmännisches Bestätigungsschreiben, das eine zwischen den Parteien getroffene mündliche Vereinbarung verbindlich festlegen soll.

Dessen ungeachtet könnte von einem kaufmännischen Bestätigungsschreiben auch nur dann die Rede sein, wenn es im engen zeitlichen Zusammenhang mit der getroffenen Vereinbarung zugegangen wäre (s. Ebenroth/Boujong/Joost, HGB, 2001, § 346, Rn. 56). Auch dies ist nicht der Fall. Denn hier liegen zwischen dem Vertragsschluß am 15.12.1999 und dem als "Auftragsbestätigung" überschriebenen Schreiben der Klägerin vom 07.01.2000 mehr als drei Wochen und der erforderliche enge zeitliche Zusammenhang liegt bereits bei einem Zeitraum von nahezu 3 Wochen nicht mehr vor (s. Ebenroth/Boujong/Joost, HGB, 2001, § 346, Rn. 56 m.w.N.).

Mit fruchtlosen Ablauf der von der Beklagten gesetzten Nachfrist zum 31.10.2000 sind daher die Primärleistungspflichten aus dem zwischen den Parteien geschlossenen Vertrag erloschen (§ 326 BGB a.F.), so daß der Klägerin gegenüber den Beklagten kein Anspruch auf Zahlung der vereinbarten Vergütung zusteht.

2.

Die Widerklage ist zulässig und begründet. Gem. § 717 II ZPO können die Beklagten den zur Abwendung der Zwangsvollstreckung gezahlten Betrag zuzüglich gesetzlicher Zinsen in Höhe von 5% über dem Basiszinssatz (§ 288 BGB) von der Klägerin zurückverlangen und diesen Anspruch bereits mit der Berufung im Wege der Widerklage geltend machen (s. Zöller-Herget, 22. Aufl., § 717 ZPO, Rn. 6, 13 m.w.N.)

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 97 Abs. 1, 91 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10, 711, 709 Satz 2 ZPO n.F.

Die Voraussetzungen des § 543 II ZPO zur Zulassung der Revision sind nicht gegeben; die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichtes.

Streitwert für das Berufungsverfahren: € 718.803,12.

Ende der Entscheidung

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