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Gericht: Oberlandesgericht Köln
Urteil verkündet am 03.09.1999
Aktenzeichen: 19 U 68/99
Rechtsgebiete: BGB, ZPO
Vorschriften:
BGB § 823 | |
BGB § 847 | |
BGB § 538 | |
BGB § 538 Abs. 1 1. Alt. | |
BGB § 545 Abs. 2 | |
BGB § 545 Abs. 1 | |
ZPO § 91 | |
ZPO § 708 Nr. 10 | |
ZPO § 711 | |
ZPO § 713 |
OBERLANDESGERICHT KÖLN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL
19 U 68/99 20 O 317/96 LG Köln
Anlage zum Protokoll vom 03.09.1999
Verkündet am 03.09.1999
Kutz, JS als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle
pp.
hat der 19. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln auf die mündliche Verhandlung vom 13. August 1999 durch die Richter am Oberlandesgericht Pütz und Gedig und die Richterin am Oberlandesgericht Caliebe
für Recht erkannt:
Tenor:
Auf die Berufung der Beklagten wird das am 24. Februar 1999 verkündete Schlussurteil des Landgerichts Köln - 20 O 317/96 - abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Das Versäumnisurteil des Landgerichts Köln vom 21. Januar 1998 - 20 O 317/96 - wird auch hinsichtlich der Beklagten zu 1) und 2) aufrechterhalten.
Der Kläger trägt die weiteren Kosten des Rechtsstreits erster Instanz, soweit über sie noch nicht entschieden ist, sowie die Kosten des Berufungsverfahrens.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte und auch im übrigen zulässige Berufung der Beklagten hat auch in der Sache Erfolg. Dem Kläger steht gegen die Beklagten weder ein Anspruch auf Zahlung eines Schmerzensgeldes zu, noch sind diese verpflichtet, ihm zukünftige materielle und immaterielle Schäden aus dem Unfall vom 25.08.1994 in der Wohnung Car. A. T. 15, C. P. auf Mallorca zu ersetzen, so dass auch die Feststellungsklage unbegründet ist.
1.
Den Beklagten ist keine Verletzung einer Verkehrssicherungspflicht vorzuwerfen, so dass Ansprüche aus §§ 823, 847 BGB nicht bestehen.
Nach Ansicht des Senats ist es schon äußerst zweifelhaft, ob die Beklagten überhaupt Verpflichtete im Sinne des § 823 BGB sind. Verpflichteter hinsichtlich der Erfüllung von Verkehrssicherungspflichten ist grundsätzlich jeder, der in der Lage ist, über die Sache, von der eine Gefahr ausgeht, zu verfügen. Hier haben die Beklagten jedoch unwidersprochen vorgetragen, dass sie selbst blind bzw. schwerst pflegebedürftig sind. Die normalerweise mit der Rechtsposition eines Eigentümers verbundene tatsächliche Möglichkeit, über die Sache zu verfügen, ist angesichts dieser, den Eltern des Klägers - unwidersprochen - bekannten Tatsache äußerst zweifelhaft. Selbst wenn man diesem Ansatz nicht folgen wollte, so steht jedenfalls fest, dass die Beklagten die Erfüllung der sie treffenden Verkehrssicherungspflichten auf ihre Tochter, die Beklagte zu 3) übertragen haben, was rechtlich zulässig ist (BGH NJW-RR 1989, 394, siehe ausführlich hierzu Münchener Kommentar/Mertens, BGB, 3. Aufl., § 823 Rn. 221, 227). Die Verkehrssicherungspflicht der Beklagten zu 1) und 2) beschränkte sich daher auf eine Kontroll- und Überwachungspflicht (BGH a.a.O.; Münchener Kommentar a.a.O. Rn. 224 m.w.N.). Dafür, dass sie diese Kontroll- und Überwachungspflicht, die sich von ihrem Umfang her ohnehin nach den Umständen des Einzelfalles richtet und angesichts der soeben beschriebenen, den Eltern des Klägers bekannten Situation ohnehin nur in einem geringen Umfang bestehen dürfte, verletzt haben, hat der Kläger nichts vorgetragen und dies ist auch im übrigen nicht ersichtlich.
Aber selbst wenn man davon ausgehen wollte, dass die Beklagten selbst noch versicherungspflichtig sind, bestehen Ansprüche aus §§ 823, 847 BGB gegen sie nicht, da sie im Zusammenhang mit der Vermietung der Wohnung an die Eltern des Klägers keine Verkehrssicherungspflichten verletzt haben. Die Anforderungen des Landgerichts an die von den Beklagten zu erfüllenden Verkehrssicherungspflichten, die von dem Kläger geteilt werden, sind überzogen. Vorliegend handelte es sich um eine Ferienwohnung auf Mallorca, die nicht etwa gewerblich vermietet wurde, sondern zum Eigennutzen angeschafft und - unwidersprochen - nur an Freunde und Bekannte abgegeben wurde - wenn auch nicht unentgeltlich. Diese unstreitigen Umstände haben Auswirkungen auf den Umfang der den Beklagten obliegenden Verkehrssicherungspflichten. Denn dieser wird u.a. auch durch die Ortsüblichkeit einerseits und den Erwartungshorizont - in diesem Fall - des Mieters einer solchen Ferienwohnung bestimmt (Münchener Kommentar a.a.O. Rn. 216 ff., 332 m.w.N.). Verbringt jemand seine Ferien in einem südeuropäischen Land, so muss er sich selbst sagen, dass er dort nicht zwangsläufig die Einhaltung deutschen Sicherheitsstandards erwarten darf.
Nach dem Vortrag des Klägers, den der Senat zwar bislang nicht als erwiesen ansieht, den er aber zugunsten des Klägers als wahr unterstellt, bestand die Gefahrenlage vorliegend darin, dass sich im Schlafzimmer eine nicht voll isolierte, mit einem zweiadrigen Anschluss versehene Nachtischlampe befand, und sowohl die Sicherung im Stecker dieser Lampe als auch - die oder einige - Sicherungen im Sicherungskasten mit Drähten überbrückt wurden. Abgesehen davon, dass diese "Gefahrenlage" den Eltern des Klägers bekannt war und von ihnen, was der Kläger sich gegebenenfalls zurechnen lassen müsste, ohne weiteres hingenommen wurde, erlaubt diese Situation nicht den Rückschluss auf einen objektiven Pflichtenverstoß der Beklagten.
Das Vorhandensein von nur zweiadrigen Anschlüssen ist - wie der Senat aus eigener Erfahrung weiß - ein in spanischen Ferienwohnungen völlig üblicher Zustand und zwar durchaus auch im Zusammenhang mit nicht voll isolierten Lampen. Das mag durchaus auch den - heutigen - spanischen Sicherheitsvorschriften nicht entsprechen. Diese Situation allein führt aber nicht zu der Begründung einer Verkehrssicherungspflicht dahingehend, dass ein deutscher Wohnungseigentümer in Spanien deutschen Sicherheitsstandard in seiner Wohnung beachten muss, wenn er sie im Freundes- und Bekanntenkreis zeitweise vermietet. Ebenso wenig wie ein deutscher Erwerber einer spanischen Wohnung deutschen Sicherheitsstandard als vertragsgemäße Erfüllung erwarten darf, darf ein deutscher Urlauber erwarten, dass ihm dieser in Spanien geboten wird. Dies zumal angesichts der Tatsache, dass selbst in Deutschland in älteren Häusern derartige Anschlüsse heute noch vorzufinden sind, und jeder weiß, dass dies einen gefahrerhöhenden Zustand darstellt, auf den man sich aber ohne weiteres, vor allen Dingen ohne Eigengefährdung, einrichten kann.
Ob - auch - das Vorhandensein überbrückter Sicherungen in Spanien "ortsüblich" ist, vermag der Senat aus eigener Anschauung nicht zu beurteilen. Selbst wenn diese Art der Absicherung unüblich ist, könnte aus dem Vorhandensein einer solchen erhöhten Gefahrenlage nur dann auf einen objektiven Pflichtenverstoß der Beklagten geschlossen werden, wenn sie diesen Zustand entweder gekannt und nicht beseitigt hätten, oder wenn man sie als verpflichtet ansehen würde, ohne Anlass die Sicherungen ihrer Wohnung daraufhin zu überprüfen/überprüfen zu lassen, ob daran manipuliert worden ist. Beides ist nicht der Fall.
Dass die Beklagten den Zustand der Sicherungen gekannt und den Eltern des Klägers verschwiegen haben, wird von dem Kläger zwar behauptet. Zum einen hat er für diese Behauptung keinerlei Beweis angetreten, zum anderen ist dies aber auch unter den gegebenen Umständen als äußerst fernliegend zu werten. Dies folgt zum einen daraus, dass, wie der zu Beweiszwecken vorgelegte Schalter sowie die Lichtbilder des Sicherungskasten belegen, erstere erst aus der Wand genommen werden musste, um die Überbrückung festzustellen bzw. bei dem Sicherungskasten Verkleidungsteile abgebaut werden mussten, um diese zu erkennen. Dass ein Wohnungseigentümer so etwas ohne Not tut, ist wenig wahrscheinlich. Noch unwahrscheinlicher ist jedoch, dass ein Wohnungseigentümer eine ja schließlich zu allererst auch für ihn und seine Familienangehörigen selbst gefährliche Situation, wenn er sie denn erkannt hat, hinnimmt. Ein solches gegen die eigenen Sicherheitsinteressen gerichtetes Verhalten der Beklagten kann jedenfalls nicht unterstellt werden.
Es überspannt nach Ansicht des Senats zudem die Pflichten des Eigentümers einer spanischen Ferienwohnung, ohne Anlass die Sicherungen der Wohnungen daraufhin zu überprüfen/überprüfen zu lassen, ob daran manipuliert worden ist. Da eine Verkehrssicherung, die jeden Unfall ausschließt, nicht erreichbar ist, muss nicht für alle denkbaren, entfernten Möglichkeiten eines Schadenseintritts Vorsorge getroffen werden. Auch in südeuropäischen Ländern muss man aber nicht zwangsläufig damit rechnen, dass an Sicherungen Überbrückungen angebracht worden sind, die deren Wirksamkeit herabsetzen. Ohne konkreten Anlass ist das Fordern einer derartigen Untersuchungspflicht dem Verkehrssicherungspflichtigen nicht zumutbar.
Gibt es aber nach dem Vorhergesagten keine Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagten die Überbrückungen gekannt haben, und waren sie auch nicht verpflichtet, die Wohnung ohne Anlass auf derartige Gefahrenquellen zu untersuchen, ist für die Annahme der Verletzung einer Verkehrssicherungspflicht nur noch unter der Voraussetzung Raum, dass die Beklagten wussten, dass sich in der Nachttischlampe ein Draht gelöst hatte, und diese Gefahr weder behoben, noch die Eltern des Klägers vor diesem Zustand gewarnt haben. Dafür ist aber weder etwas ersichtlich noch von dem Kläger vorgetragen. Dies ist vor allem umso unwahrscheinlicher vor dem Hintergrund, dass unstreitig nicht etwa die Beklagte zu 3) die Wohnung genutzt hatte, bevor der Kläger mit seinen Eltern dort eingezogen ist. Vielmehr war sie vorher von einer dritten Person benutzt worden, die sie unmittelbar an die Eltern des Klägers übergeben hat, so dass auch den Klägern bewusst war, dass die Beklagten vor ihrem Einzug keinerlei Möglichkeiten mehr hatten, die Wohnung erneut auf Sicherheitsmängel zu untersuchen.
2.
Dem Kläger steht auch kein Anspruch auf Ersatz zukünftiger materieller Schäden gemäß § 538 BGB zu. Er ist zwar in den Schutzbereich des von seinen Eltern mit den Beklagten geschlossenen Mietvertrags einbezogen, und kann von daher aus eigenem Recht Mangelfolgeschäden geltend machen (Münchener Kommentar a.a.O. §§ 535, 536 Rn. 79 m.w.N.). Die Voraussetzungen einer Haftung der Beklagten gemäß § 538 BGB sind jedoch nicht erfüllt.
Eine - verschuldensunabhängige - Garantiehaftung der Beklagten gemäß § 538 Abs. 1 1. Alt. BGB (kritisch hierzu Münchener Kommentar a.a.O. § 538 Rn. 4 ff.) besteht nicht. Es erscheint dem Senat schon äußerst zweifelhaft, ob man bei der vorliegenden, bereits oben geschilderten, konkreten Vermietungssituation hinsichtlich dieser Ferienwohnung nicht ohnehin von einem stillschweigenden Haftungsausschluss hinsichtlich dieser Gefährdungshaftung ausgehen muss. Aber selbst wenn man dies verneint, scheidet eine Haftung aus § 538 Abs. 1 1. Alt. BGB hier aus.
Soweit man einen Mangel der Ferienwohnung in dem Vorhandensein einer nicht voll isolierten, zweiadrigen Lampe sehen wollte, scheitert der Ersatzanspruch des Klägers jedenfalls gemäß § 539 BGB daran, dass seinen Eltern als den Mietern der Wohnung dieser "Mangel" bei Vertragsschluss bekannt war. Die Lampe befand sich - unwidersprochen - bereits in all den Jahren dort, in denen der Kläger mit seinen Eltern zuvor Ferien in der Wohnung verbracht hatte. Die Eltern kannten ebenso wie der Kläger selbst somit den "mangelhaften Zustand" im Zeitpunkt des Abschlusses des Vertrages über die Ferienwohnung im Jahre 1994.
Soweit man den Mangel der Mietsache in den überbrückten Sicherungen im Sicherungskasten sehen wollte, die bekanntermaßen im nicht überbrückten Zustand eine weitere Sicherung gegen Stromschläge darstellen sollen, scheitert der Anspruch aus § 538 Abs. 1 1. Alt. BGB gemäß § 545 Abs. 2 BGB zum einen daran, dass die Eltern des Klägers, die nach seinem Vortrag diesen Zustand zu Beginn des Mietverhältnisses im Jahre 1994 erkannt haben, ihn nicht gemäß § 545 Abs. 1 BGB den Beklagten angezeigt haben, so dass die Beklagten nicht rechtzeitig Abhilfe schaffen konnten (Münchener Kommentar a.a.O. § 545 Rn. 13; Palandt/Putzo, BGB, 58. Aufl., § 545 Rn. 11). Darüber hinaus spricht vieles dafür, dass diese Sicherungssituation ausgehend von dem subjektiven Fehlerbegriff der §§ 537, 538 BGB (siehe Staudinger/Emmerich, BGB, 13. Aufl., § 537 Rn. 4) vorliegend keinen Mangel, sondern vielmehr durchaus noch die Erfüllung des vertragsgemäßen Gebrauchs darstellt. Insbesondere vor dem Hintergrund der hier gegebenen, bereits oben dargestellten besonderen Vermietungssituation spricht viel dafür, dass die Eltern des Klägers dadurch, dass sie in Kenntnis der gefahrerhöhenden Absicherungssituation die Wohnung weiter genutzt haben, ohne für ihre eigene Sicherheit und die des Klägers weitere Vorkehrungen zu treffen, diesen Zustand als an spanischen Verhältnissen gemessen "vertragsgemäß" akzeptiert haben.
Eine Haftung käme mithin nur wegen des in der Lampe selbst abgerissenen Drahtes in Betracht, der dazu führt, dass die Lampe u.a. in dem Metallteil am Fuß unter Strom stand. Aber auch bezüglich dieses Mangels sind die Voraussetzungen des § 538 BGB nicht erfüllt. Ein Anspruch aus § 538 Abs. 1 1. Alt. BGB scheitert daran, dass der Kläger nichts dazu vorgetragen hat und auch sonst nichts hierfür ersichtlich ist, dass dieser Mangel bereits in dem Zeitpunkt vorhanden war, als die Eltern des Klägers mit den Beklagten, vertreten durch die Beklagte zu 3), den Mietvertrag über die Ferienwohnung geschlossen haben. Gemäß § 538 Abs. 1 1. Alt. BGB haften die Beklagten für diesen Mangel dann aber nur, wenn sie ihn zu vertreten haben. Dafür ist von dem insoweit darlegungs- und beweispflichtigen Kläger weder etwas vorgetragen, noch ist dies sonst angesichts der bereits oben erwähnten Situation des unmittelbaren Übergangs der Wohnung von einem anderen Mieter auf die Kläger, ohne Zwischenschaltung der Beklagten, ersichtlich. Es ist vielmehr völlig ungeklärt, wann der Draht in der Nachttischlampe sich gelöst hat.
Da es somit selbst bei unterstellter Richtigkeit des Vortrags des Klägers hinsichtlich der Unfallursachen bereits an einer Anspruchsgrundlage gegenüber den Beklagten fehlt, kommt es nicht mehr darauf an, dass auch daran, dass die für den Kläger unbestreitbar sehr belastende Situation bezüglich seines Augenlichts auf einen Stromschlag in der Wohnung der Beklagten zurückzuführen ist, erhebliche Zweifel bestehen. Der Sachverständige Sch. hat in seinem Gutachten nachvollziehbar ausgeführt, dass der Kläger allenfalls einen leichten Stromschlag erlitten haben kann. Demgegenüber geht das medizinische Gutachten von einem schweren Stromschlag aus und sieht einen solchen auch als erforderlich für die Diagnose "Blitzstar" an. Denn es wird dort im übrigen ausgeführt, dass zwar für einen Blitzstar der elektrische Strom nicht zwingend in Augennähe geflossen sein muss - was hier unstreitig nicht der Fall war -, dieser vielmehr auch nach elektrischen Verbrennungen der Extremitäten vorkomme. Der Kläger hatte aber unstreitig keine derartigen Verletzungsfolgen an der Hand, mit der er die Lampe berührt hat.
3.
Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91, 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.
Streitwert für das Berufungsverfahren und zugleich Wert der Beschwer für den Kläger: 20.000,00 DM.
Ende der Entscheidung
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