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Gericht: Oberlandesgericht Köln
Urteil verkündet am 15.11.2002
Aktenzeichen: 19 U 75/02
Rechtsgebiete: BauONW, BGB, ZPO, ZPO, LWGNW


Vorschriften:

BauONW § 6
BauONW § 6 Nr. 5
BauONW § 6 Nr. 14
BGB § 166
BGB § 604 Abs. 3
BGB § 626
BGB § 903
BGB § 912
BGB § 912 Abs. 1
BGB § 912 Abs. 1 Satz 2
BGB § 917
ZPO § 91
ZPO § 97
ZPO § 108
ZPO § 529
ZPO § 533
ZPO § 543 Abs. 2
ZPO § 708 Nr. 10
ZPO § 711
LWGNW § 51 a
LWGNW §§ 128 ff.
LWGNW § 130
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT KÖLN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

19 U 75/02

Anlage zum Protokoll vom 15.11.2002

Verkündet am 15.11.2002

In dem Rechtsstreit

pp.

hat der 19. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln auf die mündliche Verhandlung vom 04.10.2002 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Jaeger, die Richterin am Oberlandesgericht Caliebe und die Richterin am Amtsgericht Mundorf

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das am 21.02.2002 verkündete Urteil des Landgerichts Köln - 21 O 255/01 - wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens werden dem Kläger auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagten vorher Sicherheit in gleicher Höhe leisten.

Die Revision wird in dem, in den Entscheidungsgründen näher dargelegten Umfang zugelassen.

Gründe:

I.

Die Parteien sind Nachbarn. Im Jahre 1998 erstellten die Beklagten einen Anbau an ihrem Wohnhaus in R., I.K. 4. Die Einmessung des Baukörpers erfolgte durch das Ingenieurbüro Z. & U.. Der Bau wurde durch die Firma PO G. errichtet. Die Firma W. & T. AG erstellte die Schalung. Der Anbau wurde am 15. Mai 1998 fertiggestellt. Im Oktober 1998 stellte der Kläger im Rahmen von ihm an der Grundstücksgrenze vorgenommenen eigenen Messungen fest, dass der zu seiner Grundstücksgrenze hin errichtete Teil des Anbaus nicht den nach § 6 BauONW vorgeschriebenen Abstand von 3 Metern einhielt. Hierauf machte er den Beklagten am 29. Oktober 1998 aufmerksam. Die anschließend durchgeführte Überprüfung des Grenzabstandes durch die öffentlich bestellten Vermessungsingenieure Dipl.Ing Z. & U. ergab am 27. November 1998 eine Unterschreitung des vorgeschriebenen Abstandes von 11 cm. Diese Unterschreitung beruht unstreitig darauf, dass der Rohbau genau den Grenzabstand von 3 m einhält und die auf die Außenwand aufgebrachte Wärmedämmung einschließlich Anstrich und Putz die Unterschreitung verursacht hat.

Der Kläger hatte ursprünglich sein Abwasser durch eine unter anderem über das Grundstück der Beklagten und das Grundstück des Eigentümers S. laufende Leitung in den R.bach geleitet, so wie es auch der vorherige Eigentümer seines Grundstücks V. aufgrund einer ihm im Jahre 1992 erteilten privatschriftlichen Erlaubnis des Beklagten getan hatte. Im Jahr 1997 stellten die Beklagten die Durchleitung des Abwassers ein. Für eine Ableitung des Regenwassers in den R.bach benötigt der Kläger eine wasserrechtliche Erlaubnis und begehrt hierfür die Zustimmung des Beklagten hinsichtlich der Durchleitung des Niederschlagswassers über deren Grundstück. Als der Kläger Ende 1998 die Beklagten um die entsprechende Zustimmung bat, versagten diese ihre Zustimmung unter anderem mit dem Hinweis auf die inzwischen vorgenommene Gartengestaltung, die in Folge etwaiger Reparaturarbeiten an der Rohrleitung beeinträchtigt werden könne.

Ein öffentlicher Abwasserkanal verläuft unter der Straße "Auf dem X.". Wegen der Einzelheiten von Lage und Verlauf der Grundstücke und des Kanals sowie der ursprünglichen Leitung wird auf den Lageplan Anlage B7 (GA 53) Bezug genommen.

Der Kläger hat mit der Klage von den Beklagten die Beseitigung des Überbaus sowie die Gestattung der Durchleitung des Niederschlagswassers begehrt.

Das Landgericht hat mit Urteil vom 21.02.2002, auf dessen Inhalt wegen sämtlicher Einzelheiten Bezug genommen wird, die Klage abgewiesen. Es hat zur Begründung im wesentlichen ausgeführt, dass die Voraussetzungen des auf den Fall der Unterschreitung des Grenzabstandes analog anwendbaren § 912 Abs. 1 BGB nicht erfüllt seien. Es sei schon fraglich, ob den Beklagten an der Unterschreitung des Grenzabstandes überhaupt ein Verschulden treffe; allenfalls liege ein fahrlässiger Verstoß vor, gegen den der Kläger nicht rechtzeitig Widerspruch erhoben habe.

Hinsichtlich des mit der Klage begehrten Notleitungsrechts fehle es an den Voraussetzungen des analog anzuwenden § 917 BGB.

Gegen dieses Urteil wendet sich der Kläger mit seiner Berufung, mit der er die Klage auf die Ehefrau des Beklagten erweitert, und mit der er hilfsweise die Zahlung einer Überbaurente verlangt. Zur Begründung wiederholt und vertieft er sein erstinstanzliches Vorbringen. Er verneint die analoge Anwendbarkeit des § 912 BGB auf den Fall der Verletzung des Grenzabstandes. Gegen die Verfristung seines Widerspruchs wendet er sich mit der Ansicht, im Falle der Verletzung des Grenzabstandes müsse das Tatbestandsmerkmal des sofortigen Widerspruchs eine extensivere Auslegung erfahren. Er ist weiterhin der Ansicht, dass sich sein Anspruch auf ein Notleitungsrecht sowohl aus § 917 BGB ergebe, da ein Anschluss an den öffentlichen Kanal nicht möglich und Maßnahmen auf seinem Grundstück wirtschaftlich unzumutbar seien, als auch im Hinblick auf die langjährige Duldung der Durchleitung aus dem nachbarrechtlichen Gemeinschaftsverhältnis.

Der Beklagte und seine Ehefrau, die der ihr gegenüber in der Berufungsinstanz erfolgten Klageerweiterung zugestimmt hat, verteidigen das angefochtene Urteil.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf das angefochtene Urteil und den vorgetragenen Inhalt der wechselseitigen Schriftsätze nebst allen Anlagen ergänzend Bezug genommen.

II.

Die zulässige Berufung des Klägers hat in der Sache keinen Erfolg.

1. Dem Kläger steht gegenüber den Beklagten kein Anspruch auf Beseitigung der Unterschreitung des Grenzabstandes zu.

a)

Ebenso wie das Landgericht und in Übereinstimmung mit der insoweit ergangenen Rechtsprechung sowie der überwiegenden Ansicht in der Literatur hält auch der Senat die analoge Anwendung des § 912 BGB auf den Fall der Verletzung des Grenzabstandes für geboten (s. OLG Koblenz NJW - RR 1999, 1934; DRsprRom Nr. 1997/4259; OLG Karlsruhe NJW - RR 1993, 665; MK/Säcker, BGB, 4. Auflage, § 12 Rn. 54; Parlandt/Bassenge, BGB, 60. Auflage § 912 Rn. 1 jeweils mit weiteren Nachweisen). Wenn der Eigentümer des Nachbargrundstücks unter bestimmten Voraussetzungen dessen Überbauung mit einem Gebäude dulden muss, so kann er keine weitergehenden Rechte haben, wenn unter den Voraussetzungen des § 912 BGB gar nicht in sein Grundstück eingegriffen, sondern lediglich gegen eine den Bauabstand von der Grundstücksgrenze regelnde Vorschrift verstoßen wurde.

b)

Zwar liegt hier unstreitig eine Verletzung der Grenzabstandsvorschrift des § 6 Nr. 5 BauO NW vor. Der Kläger ist jedoch zur Duldung dieser Verletzung verpflichtet.

aa)

Dabei kann nach Ansicht des Senats dahingestellt bleiben, ob die Verletzung des Grenzabstandes ohne grobe Fahrlässigkeit der Beklagten erfolgt ist, oder ob der Kläger es versäumt hat, sogleich Widerspruch zu erheben. Denn jedenfalls ist das Beseitigungsverlangen des Klägers rechtsmissbräuchlich.

Unstreitig wird die Verletzung des Grenzabstandes in dem ohnehin äußerst geringen Umfang von 11 cm verursacht durch die auf die Außenmauer, die ihrerseits den Grenzabstand einhält, aufgebrachte Wärmedämmung einschließlich Putz und Anstrich. Der Kläger hätte daher allenfalls Anspruch auf Beseitigung dieser Wärmedämmung etc.. Durch deren Beseitigung würde jedoch auf Seiten der Beklagten ein erheblicher Schaden bewirkt, ohne dass auf Seiten des Klägers ein anerkennenswerter Vorteil eintritt (vergleiche zu einem ähnlich gelagerten Fall OLG Koblenz DRsprRom 1977/4259). Wegen der nur geringen Verletzung des Grenzabstandes in einem Umfang von 11 cm ist die Beeinträchtigung des Grundstücks des Klägers zudem nicht einmal mit bloßem Auge feststellbar. Hinzu kommt, das aufgrund der Angaben des Klägers im Termin feststeht, dass er sich durch die Verletzung des Grenzabstandes letztlich gar nicht beeinträchtigt fühlt, er dieses Verlangen vielmehr nur deshalb stellt, weil die Beklagten ihm (zu Recht, siehe unten II 2) die Gestattung der Durchleitung des Niederschlagswassers verweigern. Angesichts dieser Gesamtumstände ist das Beseitigungsverlangen des Klägers rechtsmissbräuchlich.

Hinzu kommt vorliegend, dass hier auch dem öffentlichen Interesse an der Einhaltung der Grenzabstandsvorschriften ein geringeres Gewicht als in anderen Fällen zukommt. Denn gem. § 6 Nr. 14 BauO NW besteht die Möglichkeit, im Zusammenhang mit Wärmedämmmaßnahmen eine Unterschreitung des Grenzabstandes zu genehmigen. Hieraus folgt, das der allein durch die Wärmedämmung bedingten Verletzung des Grenzabstandes auch unter Beachtung öffentlicher Interessen nur ein geringeres Gewicht zukommen.

bb)

Selbst wenn man das Beseitigungsverlangen nicht bereits wegen Rechtsmissbräuchlichkeit ablehnen wollte, wäre der Kläger zur Duldung verpflichtet, da den Beklagten im Zusammenhang mit der Verletzung des Grenzabstandes allenfalls ein leicht fahrlässiges Verhalten vorgeworfen werden kann, und der Kläger den in diesem Fall gemäß § 912 Abs. 1. Satz 2 BGB erforderlichen und zeitnahen Widerspruch unterlassen hat.

Da die Beklagten den Rohbau nicht selbst errichtet haben, kann ihnen ein Verschuldensvorwurf nur gemacht werden, wenn sie für das Verhalten Dritter einzustehen haben. Der BGH (NJW 1977, 735) regelt die Zurechnung des vom Grundstückseigentümer bei der Bauausführung eingeschaltete Dritten über § 166 BGB und erfasst hierunter lediglich den Architekten, nicht jedoch die bauausführenden Handwerker. Dem schließt sich der Senat an. Hier liegt aber die Verantwortlichkeit für die Abstandsverletzung nicht beim Architekten, der, wie aus der Architektenzeichnung hervorgeht, zutreffend geplant hat. Die Verletzung des Grenzabstandes wurde vielmehr durch die bauausführenden Handwerker verursacht, die die Verschalung entgegen dem Architektenplan nicht mit einem Rücksprung von der Einmessung gesetzt haben. Die bauausführenden Handwerker sind aber keine Repräsentanten des Bauherrn.

Den deshalb gemäß § 912 Abs. 1 Satz 2 BGB erforderlichen Widerspruch, der die Duldungspflicht beseitigen könnte, hat der Kläger nicht rechtzeitig erhoben. Sinn der Vorschrift des § 912 Abs. 1 Satz 2 BGB ist, dass durch die Rechtzeitigkeit des Widerspruchs erhebliche Zerstörungen, die mit einer Beseitigung verbunden wären, vermieden werden sollen. Auf ein schuldhaftes Zögern des Nachbarn kommt es dabei nicht an. Sein Widerspruch ist daher auch dann verspätet, wenn er die Grenzüberschreitung weder kannte noch kennen musste (Soergel/Bauer, BGB, 11. Auflage, § 12 Rn. 12; MK a.a.O. Rn. 25 jeweils mit weiteren Nachweisen). Angesichts der Tatsache, dass es nur auf den objektiv rechtzeitigen Widerspruch ankommt, nicht aber darauf, ob der Nachbar mangels früheren Erkennens den Widerspruch gar nicht rechtzeitig einlegen konnte, kann der Argumentation des Klägers der Berufungsinstanz, eine Verletzung des Grenzabstandes sei schwieriger zu erkennen als ein Überbau, und daher müsse die Widerspruchsfrist bei einer analogen Anwendung des § 912 BGB auf die Verletzung des Grenzabstandes extensiver ausgelegt werden, nicht befolgt werden.

Der erst nach Fertigstellung des Anbaus am 29.10.1998 erhobene Widerspruch des Klägers war daher nicht rechtzeitig.

2.

Dem Kläger steht auch kein Anspruch gemäß § 912 Abs. 2 BGB gegen die Beklagten auf Zahlung einer Überbaurente zu. Der in der Berufungsinstanz hilfsweise gestellte Antrag ist gem. § 533 ZPO zulässig, da die Beklagten eingewilligt haben und der Antrag auf Tatsachen gestützt wird, die der Senat seiner Verhandlung und Entscheidung nach § 529 ZPO ohnehin zugrunde zu legen hat; der Antrag ist jedoch unbegründet.

Die Rentenpflicht des Überbauenden soll den Nutzungsverlust ausgleichen, den der Eigentümer des überbauten Grundstücks erleidet. Es handelt sich nicht um einen Schadensersatz - sondern um einen Wertausgleichsanspruch. Läge tatsächlich ein Überbau um 11 cm vor, hätte der Kläger rechnerisch einen Anspruch auf eine Überbaurente in Höhe von unter 10 € (!) pro Jahr. Ein messbarer Wertverlust des Grundstück des Klägers dadurch, dass er bei einer eventuell seinerseits irgendwann erfolgenden Bebauung möglicherweise zur Grenze der Beklagten nunmehr 3,11 m statt 3,0 m einhalten müsste, ist weder nachvollziehbar dargetan noch sonst ersichtlich.

3)

Dem Kläger steht unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt ein Anspruch gegen die Beklagten auf Gestattung eines Notleitungsrechts zu.

a)

Äußerst zweifelhaft ist insoweit bereits, ob dem Kläger nicht das Rechtsschutzbedürfnis für diesen Antrag fehlt. Denn unstreitig kann er sein Begehren, das Niederschlagswasser in den R.bach zu leiten, nur durchführen, wenn nicht nur die Beklagten, sondern auch der ebenfalls betroffene Grundstückseigentümer S. ihm die Durchleitung gestatten. Aufgrund der Angaben des Klägers im Termin steht aber fest, das dieser Grundstückseigentümer die Durchleitung verweigert, ohne dass der Kläger bislang diesem gegenüber - wie gegenüber den Beklagten - ein Klageverfahren eingeleitet hätte. Da ihm daher ein obsiegendes Urteil gegen die Beklagten ohnehin nicht die Einleitung in den R.bach ermöglichen würde, spricht viel dafür, bereits das Rechtschutzbedürfnis für diesen Antrag zu verneinen.

b)

Aber selbst wenn man das Rechtschutzbedürfnis bejaht, ist die Klage unbegründet. Bedenken könnten gegen das Notleitungsrechts des Klägers allein deshalb bestehen, weil er mit der Durchleitung nicht den Anschluss an ein öffentliches Kanalsystem, sondern an ein öffentliches Gewässer begehrt. Da jedoch gemäß § 51 a LWGNW eine derartige Einleitung grundsätzlich zulässig ist, wird man auch grundsätzlich ein Notleitungsrecht in ein öffentliches Gewässer bejahen können. Diese Ansicht teilt offensichtlich auch die Untere Wasserbehörde, wie aus GA 69 hervorgeht.

aa)

Ein Notleitungsrecht ist im BGB nicht ausdrücklich geregelt. Die Rechtsprechung wendet auf diesen Anspruch § 917 BGB analog an, wenn sich nicht in landesrechtlichen Vorschriften Regelungen über ein Notleitungsrecht finden (siehe hierzu EGBGB 124 sowie BGH NJW 1991, 176). In Nordrhein Westfalen existieren in §§ 128 ff. LWGNW derartige - vorrangige - landesrechtliche Bestimmungen. Danach ist aber gemäß § 130 LWGNW eine Durchleitung, wie vom Kläger begehrt, ausgeschlossen, da sie, unter anderem durch den Garten der Beklagten erfolgen würde.

b)

Soweit man vorliegend die Vorschriften von der §§ 128 ff. LWGNW nicht als Spezialvorschriften ansehen wollte, weil sie die zwangsweise Durchsetzung der Durchleitung seitens der zuständigen Behörde gegenüber dem durchleitungspflichtigen Grundstückseigentümer regeln, käme als Anspruchsgrundlage § 917 BGB analog in Betracht, dessen Voraussetzungen aber ebenfalls nicht erfüllt sind.

Wie der BGH in ständiger Rechtsprechung und ihm folgend die Literatur ausgesprochen haben, sind angesichts der Schwere des Eingriffs, den ein Notwege-Notleitungsrecht für das Eigentum des Nachbarn bedeutet, bei der Beurteilung der Frage, ob eine notwendige Verbindung fehlt, strenge Anforderungen zu stellen. Ein Notleitungsrecht analog § 917 BGB wäre daher vorliegend nur zu bejahen, wenn die Zuganglosigkeit des Grundstücks des Klägers anderweitig als durch die Überleitung des Niederschlagswassers über das Grundstück der Beklagten nicht behoben werden könnte. Von einer vorhandenen anderweitigen Verbindungs- oder aber auch Entsorgungsmöglichkeit muss der Kläger daher auch dann Gebrauch machen, wenn sie umständlicher, weniger bequem oder kostspieliger ist als ein Notleitungsrecht über das Grundstück der Beklagten. Außer Betracht bleiben bei diesen Abwägungen nur solche Verbindungsmöglichkeiten, die so hohen Aufwand und Erschwernisse mit sich bringen, dass durch sie die Wirtschaftlichkeit der Grundstücksnutzung in unzumutbarer Weise beeinträchtigt wird (BGH NJW 1964, 1321; MK, a.a.O. § 917 Rn. 8 mit weiteren Nachweisen).

Selbst wenn man den Vortrag des Klägers, eine Versickerung sei auf seinem Grundstück eben sowenig möglich wie der Anschluss an das öffentliche Kanalsystem, als wahr unterstellt (an beidem bestehen nach Ansicht des Senats erhebliche Zweifel), so besteht hinsichtlich der Ableitung des Niederschlagswassers gleichwohl keine Notlage, die die Inanspruchnahme des Grundstücks der Beklagten im Sinne des § 917 BGB erfordert. Dem Kläger ist es nämlich jedenfalls technisch möglich und wirtschaftlich zumutbar, das Niederschlagswasser ebenso wie seine übrigen Abwässer auf seinem Grundstück aufzufangen bzw. zu sammeln und - falls erforderlich - ebenso wie die Abwässer abtransportieren zu lassen.

bb)

Eine Duldungspflicht der Beklagten kann auch nicht aus einem schuld rechtlichen Gestattungsvertrag, der als Leihe (§ 598 BGB) zu bewerten ist, hergeleitet werden.

Zwar haben die Beklagten dem Vorgänger des Klägers die Durchleitung ausdrücklich gestattet. Eine solche schuldrechtliche Gestattung richtet sich jedoch nicht gegen den Einzelrechtsnachfolger, so dass der Kläger hieraus keine Rechte herleiten kann (OLG Saarbrücken OLGR 2002, 382; Palandt a.a.O. § 917 Rn. 2; Horst, Handbuch des Nachbarrechts, Rn. 1380 mit weiteren Nachweisen). Man wird jedoch aufgrund der jahrelangen stillschweigenden Duldung der Durchleitung seitens des Klägers hier davon ausgehen können, dass ihm gegenüber ein konkludent begründetes Leihverhältnis bestand (siehe hierzu OLG Düsseldorf OLGZ 1989, 118; OLG Brandenburg DtZ. 1996, 389; OLG Schleswig, OLGR 2002, 414; OLG Saarbrücken a.a.O. jeweils mit weiteren Nachweisen). Dieses Leihverhältnis, das im Hinblick auf § 604 Abs. 3 BGB jederzeit gekündigt werden konnte, ohne das es hierzu eines besonderen Grundes bedürfte (OLG Hamm NJW-RR 1997, 138; OLG Brandenburg a.a.O.; OLG Saarbrücken a.a.O.), ist seitens der Beklagten dadurch, dass sie dem Kläger die Durchleitung nicht mehr gestatten, konkludent gekündigt worden.

Diese Kündigung ist auch wirksam erfolgt, da ihr weder § 626 BGB entgegensteht noch die Kündigung treuwidrig war. Da der Grundstückseigentümer gemäß § 903 BGB mit seinem Grundstück, soweit nicht das Gesetz oder Rechte Dritter entgegenstehen, nach Belieben verfahren darf, ist die Kündigung eines derartigen Leihvertrages nur in ganz außergewöhnlichen Ausnahmefällen schikanös bzw. treuwidrig (siehe zu einem derartigen Fall OLG Köln NJW-RR 1992, 1997). Diese Voraussetzungen könnten hier daher allenfalls dann bejaht werden, wenn die Kündigung der Beklagten zu einem Zeitpunkt erfolgt wäre, zu dem etwa der Anschluss des Klägers an das öffentliche Kanalsystem unmittelbar bevorstand. Da aber nach dem Vortrag des Klägers im nicht nachgelassenen Schriftsatz vom 15.10.2002 jedenfalls frühestens im Jahre 2005 mit diesem Anschluss zu rechnen ist und zudem dem Kläger bereits seit nicht unerheblicher Zeit vor der Kündigung bekannt war, dass er im Hinblick auf die Niederschlagsentwässerung auf seinem Grundstück etwas werde unternehmen müssen, kann bei der Kündigung im Jahre 1998 nicht von einer solchen zur Unzeit gesprochen werden.

cc)

Ein Duldungsanspruch ergibt sich auch nicht aus dem Gesichtspunkt des nachbarrechtlichen Gemeinschaftsverhältnisses. Der BGH hat in ständiger Rechtssprechung hervorgehoben, dass sich die gegenseitigen Rechte und Pflichten benachbarter Grundstückseigentümer grundsätzlich aus den gesetzlichen Bestimmungen des Nachbarrechts ergeben. Dies gilt insbesondere in einem Fall wie dem vorliegenden, wo die Anforderungen an ein Notwege-Notleitungsrecht eine bis ins einzelne gehende Sonderregelung in § 917 BGB (bzw. §§ 128 ff. LWGNW) erfahren haben. Diese Regelung ist abschließend. Für eine Begründung weitergehender Rechte mit Hilfe des nachbarrechtlichen Gemeinschaftsverhältnisses ist daher kein Raum (BGH NJW 1984, 729; OLG Köln NJW - RR 1992, 213; OLG Saarbrücken a.a.O.; OLG Düsseldorf a.a.O.).

III.

Der Senat lässt die Revision zu hinsichtlich der Frage, ob auf eine Verletzung des Grenzabstandes ein Anspruch aus § 912 BGB analog gestützt werden kann, da diese Frage bislang nächstrichterlich nicht entschieden ist, es sich hierbei aber um eine Frage handelt, deren Auftreten in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen zu erwarten ist. Hinsichtlich der Frage des Bestehens eines Notleitungsrechts war die Revision nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO insoweit nicht erfüllt sind.

I. Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91, 97, 108, 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Ende der Entscheidung

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