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Gericht: Oberlandesgericht Köln
Urteil verkündet am 30.11.2007
Aktenzeichen: 19 U 84/07
Rechtsgebiete: ZPO, EGZPO, BGB, HGB


Vorschriften:

ZPO § 313a Abs. 1 S. 1
ZPO § 540 Abs. 2
EGZPO § 26 Nr. 8
BGB § 307
BGB § 812 Abs. 1 Satz 1
BGB § 814
BGB § 818 Abs. 2
BGB § 818 Abs. 3
HGB § 86a Abs. 1
HGB § 86a Abs. 3
HGB § 87d
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Auf die Berufung des Klägers wird das am 03.05.2007 verkündete Urteil der 2. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Bonn (12 O 1/07) teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 3.755,48 € nebst Zinsen in Höhe von 5 % für die Zeit vom 01.08.2004 bis zum 25.08.2006 sowie in Höhe von acht Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 3.271,13 € und in Höhe von 5 % aus 484,35 € seit dem 26.08.2006 zu zahlen.

Die Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen werden zu 43 % dem Kläger und zu 57 % der Beklagten auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Parteien können die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des aus diesem Urteil vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die jeweils andere Partei vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Von der Darstellung der tatsächlichen Feststellungen wird gemäß §§ 540 Abs. 2, 313a Abs. 1 S. 1 ZPO in Verbindung mit § 26 Nr. 8 EGZPO abgesehen.

II.

Die form- und fristgerecht eingelegte und auch im Übrigen zulässige Berufung des Klägers hat Erfolg, soweit er die Positionen der Kundenzeitschrift "G. " und die EDV-Sachkostenpauschale weiterverfolgt. Im Übrigen hat das Landgericht die Klage zu Recht abgewiesen.

Dem Kläger steht gegen die Beklagte ein Anspruch auf Rückzahlung der für die Kundenzeitschrift "G. " und die EDV-Sachkostenpauschale aufgewendeten Beträge nach § 812 Abs.1 Satz 1 BGB zu, da seine Leistungen an die Beklagte insoweit ohne Rechtsgrund erfolgt sind.

1) Hinsichtlich der Kundenzeitschrift kann dahinstehen, ob die vertragliche Regelung der Parteien über eine Kostenbelastung des Klägers im Falle von Werbemaßnahmen in Art.III des Grundvertrages bzw. Art.IV 2. der Mitarbeiter-Richtlinien bereits nach § 307 BGB nichtig ist. Denn jedenfalls sind jegliche Vereinbarungen, nach welchen der Kläger Kosten für die Zeitschrift "G. " zu tragen hat, gemäß § 86a Abs.3 HGB unwirksam.

Die Kundenzeitschrift unterfällt dem Regelungsbereich des § 86a Abs.1 HGB. Nach dieser Vorschrift hat der Unternehmer dem Handelsvertreter die zur Ausübung seiner Tätigkeit erforderlichen Unterlagen wie Muster, Zeichnungen, Preislisten, Werbedrucksachen, Geschäftsbedingungen, zur Verfügung zu stellen.

Bei der unstreitig von der Beklagten herausgegebenen Kundenzeitschrift handelt es sich um eine Werbedrucksache im Sinne der Vorschrift. Es ist vom Wortsinn auszugehen, nach welchem Druckwerke jeglicher Art gemeint sind, die der Werbung dienen sollen. Die Kundenzeitschrift "G. " ist eine solche der Werbung der Versicherungsunternehmen dienende Drucksache. Sie wird den Versicherungsnehmern übersandt, um die Vertragsverhältnisse zu pflegen und weitere Abschlüsse zu erreichen. Angepriesen werden in diesem umfassenden Werbematerial die Produkte und der Vertrieb der Versicherungsunternehmen, wobei eine nennenswerte Individualisierung der Zeitschrift hinsichtlich des einzelnen Versicherungsvertreters auch nach dem Vortrag der Beklagten nicht erfolgt. Entgegen der Ansicht der Beklagten bestimmt sich der Begriff der (Werbe-)"Drucksache" nicht nach der bis zum Jahr 1993 existierenden Tarifart der Deutschen Post, die im Übrigen nicht auf das Postkartenformat beschränkt war. Nach der zweifelsfreien Wortlautbedeutung bestehen keine tatsächlichen Unklarheiten, so dass es weder einer Meinungsumfrage noch einer Begutachtung bedarf.

Die Zeitschrift unterfällt unmittelbar der Aufzählung von Beispielen erforderlicher Unterlagen in § 86a Abs.1 HGB, so dass sich der Streit der Parteien über das Merkmal der Erforderlichkeit erübrigt. Entgegen der Ansicht der Beklagten führt diese Auslegung nach dem Wortlaut des Gesetzes nicht zu untragbaren Ergebnissen. Ein Anspruch des Handelsvertreters auf die Überlassung von Unterlagen nach § 86a Abs.1 HGB besteht insoweit, als er sie für seine Tätigkeit benötigt, nicht aber nach seiner Wahl (vgl. v.Hoyningen-Huene in: Münchener Kommentar zum HGB, 2.Aufl., § 86a, Rz 4).

Die Beklagte hatte die Kundenzeitschrift daher dem Kläger zu Verfügung zu stellen; er kann die Rückzahlung der unstreitig aufgewendeten Kosten in Höhe von 3.271,13 € gemäß § 818 Abs.2 BGB verlangen. Die steuerrechtlichen Folgen der Rückforderung hat entgegen der Ansicht der Beklagten der Kläger zu tragen; es handelt sich bei dem Zahlungsanspruch des Klägers nicht um einen - nicht steuerbaren - Schadensersatzanspruch.

2) Eine Rückzahlungsverpflichtung der Beklagten besteht auch hinsichtlich der EDV-Sachkostenpauschale in Höhe von 442,26 €, da die den Leistungen des Klägers zugrunde liegende Kostenregelung im Leasingvertrag gemäß § 86a Abs.3 HGB unwirksam ist. Die Pauschale diente nach dem eigenen Vortrag der Beklagten unter anderem einer Kostendeckung für Aktualisierungs-CDs zu Tarifsystemen von Produktpartnern der Beklagten und Zugangs-/Aktualisierungssoftware für ihr Außendienst-Informationssystem. Damit betraf die Pauschale auch die Vertriebssoftware, welche dem Handelsvertreter nach § 86a Abs.1 HGB von dem Unternehmer zur Verfügung zu stellen ist. Als speziell auf den Vertrieb der Beklagten zugeschnittene Software handelt es sich um ein Arbeitsmittel, das nicht der allgemeinen Geschäftsausstattung des Klägers zuzurechnen ist, sondern speziell für die Ausübung der Tätigkeit eines Versicherungsvertreters der Beklagten erforderlich ist. Die Software unterfällt damit dem Begriff der "Unterlagen" in § 86a Abs.1 HGB, der weit auszulegen ist (Küstner/Thume, Handbuch des gesamten Außendienstrechts, Bd.1, Rz 607; Schlegelberger-Schröder, HGB, § 86a, Rz 3).

3) Im Übrigen erstattungsfähig sind die geltend gemachten Kosten der Werbeflyer in Höhe von 42,09 €, welche nicht mehr Gegenstand des Berufungsverfahrens sind, so dass ein Rückzahlungsanspruch in Höhe von insgesamt 3.755,48 € besteht. Dieser ist entgegen der Ansicht der Beklagten nicht verwirkt. Im Bereicherungsrecht kommt eine Verwirkung nur ausnahmsweise in Betracht, da der notwendige Vertrauensschutz des gutgläubigen Empfängers der Leistung durch die spezielle Regelung des § 818 Abs. 3 BGB gewährleistet ist (vgl. BGH, Urteil vom 24.03.1976, IV ZR 222/74 - , NJW 1976, S.1259). Abgesehen davon, dass der Kläger erst mehr als zwei Jahre nach seinem Ausscheiden bei der Beklagten seine Ansprüche geltend gemacht hat, liegen keine Umstände vor, aufgrund derer sich die Beklagte darauf einrichten durfte, dass er eventuelle Rückforderungsrechte nicht mehr geltend machen würde. Auch für einen Ausschluss des Rückforderungsrechts des Klägers nach § 814 BGB sind keine Anhaltspunkte ersichtlich.

4) Die Leasinggebühren für das Laptop kann der Kläger nicht beanspruchen. Insoweit stellt der Nutzungsvertrag vom 25.03.2003 einen Rechtsgrund für die Leistungen dar, so dass kein bereicherungsrechtlicher Rückzahlungsanspruch besteht. Die in dem Vertrag geregelte Verpflichtung zur Zahlung der Gebühren ist nicht nach § 86a Abs.3 HGB unwirksam. Das von dem Kläger geleaste Laptop ist nicht den "Unterlagen" des § 86a Abs.1 HGB zuzurechnen. Zwar ist die Aufzählung nicht abschließend, es handelt sich nur um Beispielsfälle (v.Hoyningen-Huene in: Münchener Kommentar zum HGB,2.Aufl., § 86a, Rz 4; Ebenroth/Boujong/Joost, HGB, § 86a, Rz 15; Martinek/Semler/Habermeier, Handbuch des Vertriebsrechts, 2.Aufl., § 12 Rz 70). Bei Computerhardware wie einem Laptop handelt es sich aber um ein Hilfsmittel der Geschäfts- bzw. Büroeinrichtung des Handelsvertreters. Kosten hierfür hat ein Handelsvertreter selbst zu tragen (vgl. Hopt, Handelsvertreterrecht, 3.Aufl., § 86a Rz 5; Schlegelberger-Schröder, HGB, § 86a, Rz 3; Heymann, HGB, 2.Aufl., § 86a Rz 3; Martinek/Semler/Habermeier, Handbuch des Vertriebsrechts, 2.Aufl., § 12 Rz 70). Hierzu hat der Senat bereits im Urteil vom 30.09.2005 (- 19 U 67/05 -, VersR 2006, S.407) ausgeführt, dass Computerhardware zu den Bürohilfsmitteln zu zählen ist, da sie im Interesse des Vertreters die Abwicklung des gesamten Schriftverkehrs, die Archivierung von Daten und den Zugang zum E-mail-Verkehr gestattet. An dieser Ansicht, die in der Literatur geteilt wird (vgl. Küstner/ Thume, Handbuch des gesamten Außendienstrechts, Bd. 1, Rz 608; Koller/Roth/Morck, HGB, 6.Aufl., § 86a Rz 2; Westphal, Vertriebsrecht, Bd 1, Handelsvertreter, Rz 379), hält der Senat fest.

Eine abweichende Bewertung ist auch nicht deshalb geboten, weil der Kläger behauptet, er sei zur Ausübung seiner Tätigkeit verpflichtet gewesen, das Notebook zu leasen, da die EDV-Systeme der Beklagten derart geschützt seien, dass sie nicht auf fremde Hardware aufgespielt werden können. In jedem Falle musste der Kläger angesichts der praktischen Erfordernisse im heutigen allgemeinen Geschäftsverkehr eine elektronische Büroausstattung haben, mit der er seine Aufgaben erfüllen konnte. Selbst wenn er tatsächlich diese Ausstattung nur über die Beklagte beziehen konnte, bleibt sie ein von ihm zu beschaffendes Hilfsmittel, das für seinen Gewerbebetrieb erforderlich war. Denn das geleaste Laptop konnte der Kläger nicht nur für die Auftragsannahme, sondern für sämtliche geschäftliche Belange seiner Handelsvertretertätigkeit verwenden. Soweit er mit der Berufung darauf verwiesen hat, er habe preisgünstigere Laptops auf dem freien Markt erhalten können, könnte er allenfalls etwaige Mehrkosten für das von der Beklagten geleaste Laptop beanspruchen. Solche hat er indessen nicht geltend gemacht.

5) Auch die Erstattung von Seminarkosten begehrt der Kläger ohne Erfolg, da sie nicht der Regelung des § 86a Abs.1 HGB unterfallen. Nach der Darstellung des Klägers waren die Schulungen nicht erforderlich, um seine Arbeit durchzuführen. Ein Erfordernis folgt nicht bereits daraus, dass es sich um produktspezifische Weiterbildung handelte. Dass der Kläger keine Möglichkeit hatte, auf andere Weise die vermittelten Informationen zu erhalten, oder von der Beklagten zur Teilnahme veranlasst wurde, hat er nicht behauptet. Er hat sich vielmehr eigenverantwortlich für die Teilnahme an den Fortbildungen entschieden, im Zuge derer Aufwendungen im Sinne des § 87d HGB angefallen sind, die regelmäßig nicht ersetzt werden.

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 92 Abs. 1 Satz 1, 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO für eine Zulassung nicht vorliegen. Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordern die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts. Rechtsfragen grundsätzlicher Natur, die über den konkreten Einzelfall hinaus von Interesse sein könnten, haben sich nicht gestellt und waren nicht zu entscheiden.

Berufungsstreitwert und Beschwer: 6.644,74 €

Ende der Entscheidung

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