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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Köln
Urteil verkündet am 20.10.2000
Aktenzeichen: 19 U 86/00
Rechtsgebiete: HGB, ZPO


Vorschriften:

HGB § 89 b
HGB § 89 b Abs. 3 S. 2
HGB § 89 b Abs. 3 Nr. 2
HGB § 89 a
ZPO § 519 b
ZPO § 519 Abs. 3 Nr. 2
ZPO § 97
ZPO § 91
ZPO § 708 Nr. 10
ZPO § 711
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT KÖLN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

19 U 86/00 85 O 34/99 LG Köln

Anlage zum Protokoll vom 20.10.2000

Verkündet am 20.10.2000

Schmitt, JS. z.A. als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle

In dem Rechtsstreit

pp.

hat der 19. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln auf die mündliche Verhandlung vom 15.9.2000 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Jaeger, Richter am Oberlandesgericht Gedig und Richterin am Oberlandesgericht Caliebe

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das am 18.1.2000 verkündete Schluss-Urteil des Landgerichts Köln - 85 O 34/99 - wird als unbegründet zurückgewiesen, soweit sie gegen die Abweisung der Zahlungsklage gerichtet ist, und als unzulässig verworfen, soweit sie sich gegen die Verurteilung auf die Widerklage richtet.

Die Kosten des Berufungsverfahrens werden der Klägerin auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Klägerin kann die Vollstreckung durch die Beklagte durch Sicherheitsleistung in Höhe von 63.000,00 DM abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Beiden Parteien bleibt vorbehalten, die jeweils zu leistende Sicherheit durch selbstschuldnerische Bürgschaft eines als Zoll- und Steuerbürgen zugelassenen Kreditinstituts zu erbringen.

Tatbestand

Die Klägerin vermittelte für die Beklagte auf der Grundlage verschiedener Agenturverträge Bausparverträge. Nach fristloser Kündigung der Agenturverträge durch die Beklagte vom 26.10.1998 verlangte die Klägerin die Zahlung eines Ausgleichs nach § 89 b HGB. Die Klägerin hat die fristlose Kündigung für unwirksam gehalten.

Der Kündigung zugrunde lag eine Werbeaktion der Klägerin, in der diese sich unter fettgedruckter Herausstellung ihrer Partnerschaft zur Beklagten schriftlich an Bausparkunden gewandt und diesen vorgespiegelt hatte, sie hätten im Rahmen einer Verlosung unter nahezu 10.000 Kunden ein Haus bzw. eine Wohnung mit Blick aufs Meer an einem der schönsten Strände der Türkei gewonnen, wobei die Bausparer aufgefordert wurden, sich kurzfristig bei der Klägerin zu melden, um zu vermeiden, dass die Immobilie einem anderen glücklichen Gewinner überlassen werde. Nachdem sich mit Schreiben vom 20.10.1998 einer der angeschriebenen Bausparer an die Beklagte gewandt und angefragt hatte, wann und wie er sein Bauland in der Türkei in Besitz nehmen könne, sprach die Beklagte die fristlose Kündigung aus.

Die Klägerin hatte zunächst beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin Auskunft über die zur Agentur-Nr. 3970000000, 7777004500, 7777008180 und 1111007102 in der Zeit vom 01.01.1995 bis zum 30.10.1998 vermittelten Verträge durch Zuleitung eines buchmäßigen Auszuges aller provisionspflichtigen Geschäfte zu erteilen.

Nachdem die Beklagte im Verlauf des Rechtsstreits erster Instanz innerhalb der Spruchfrist die Auskunft erteilt hat, hat das Landgericht die mündliche Verhandlung wiedereröffnet und die Klägerin hat sodann beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 55.566,00 DM nebst 10,25 % Zinsen seit dem 10.3.1999 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Im Wege der Widerklage hat die Beklagte, gestützt auf ein von der Klägerin per 31.1.1998 abgegebenes und von der Beklagten für die Folgezeit fortgeschriebenes Debetsaldenanerkenntnis die Zahlung eines aus der Geschäftsverbindung resultierenden Sollsaldos geltend gemacht. Insoweit hat die Beklagte beantragt,

die Klägerin zu verurteilen, an die Beklagte 52.494,11 DM nebst 8 % Zinsen seit dem 1.11.1998 zu zahlen.

Die Klägerin hat beantragt,

die Widerklage abzuweisen.

Sie hat sich u.a. im Wege der Anfechtung gegen die Wirksamkeit des von ihr abgegebenen Schuldanerkenntnisses gewandt und Einwendungen gegen die Höhe der Widerklageforderung erhoben.

Durch Urteil vom 18.1.2000, auf dessen Inhalt wegen sämtlicher Einzelheiten Bezug genommen wird, hat das Landgericht den von der Klägerin geltend gemachten Ausgleichsanspruch gem. § 89 b Abs. 3 S. 2 HGB für ausgeschlossen erklärt und die Klage abgewiesen. Auf die Widerklage, die es im wesentlichen für begründet erachtet hat, hat es die Klägerin zur Zahlung von 44.630,79 DM an die Beklagte verurteilt und mangels Bestehens eines zur Aufrechnung geeigneten Schadensersatzanspruchs die von der Klägerin erklärte Hilfsaufrechnung für unbegründet gehalten.

Gegen dieses ihr am 1.2.2000 zugestellte Urteil hat die Klägerin mit am 1.3.2000 bei Gericht eingegangenem Schriftsatz Berufung eingelegt, die sie nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 1.5.2000 mit am 2.5.2000 bei Gericht eingegangenem Schriftsatz begründet hat.

Die Klägerin vertieft und wiederholt ihr Vorbringen zur Unwirksamkeit der fristlosen Kündigung des Handelsvertretervertrages und zum Bestehen eines Ausgleichsanspruchs. Die Berechtigung der Widerklageforderung greift sie nicht mehr an, sondern erklärt insoweit lediglich, der sich nach Erteilung eines Buchauszugs und gegebenenfalls eidesstattlicher Versicherung der Richtigkeit und Vollständigkeit der erteilten Auskunft ergebende Abfindungsanspruch übersteige jedenfalls den mit der Widerklage geltend gemachten und zuerkannten Zahlungsanspruch der Beklagten, der dann durch Aufrechnungserklärung der Klägerin mit dem Abfindungsanspruch entfallen werde.

Die Klägerin beantragt,

unter teilweiser Abänderung des angefochtenen Urteils nach den diesseits zuletzt gestellten Anträgen erster Instanz zu erkennen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung kostenpflichtig zurückzuweisen.

Auch sie wiederholt und vertieft ihr erstinstanzliches Vorbringen zur Berechtigung der von ihr erklärten außerordentlichen Kündigung und des daraus folgenden Entfallens eines Ausgleichsanspruchs der Klägerin.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der von den Parteien eingereichten Schriftsätze nebst sämtlichen Anlagen ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin ist unbegründet, soweit sie gegen die Aberkennung des Ausgleichsanspruchs gerichtet ist, und unzulässig, soweit sie sich gegen die Verurteilung auf die Widerklage hin richtet.

I.

Die in der Berufungsinstanz weiter verfolgte Klage auf Zahlung eines Ausgleichsanspruchs in Höhe von 55.566,00 DM ist unbegründet, weil die Beklagte das Vertragsverhältnis mit der Klägerin zu Recht fristlos gekündigt hat, der Klägerin mithin gem. § 89 b Abs. 3 Nr. 2 HGB kein Ausgleichsanspruch gegen die Beklagte zusteht. Entgegen der Ansicht der Klägerin rechtfertigte die unstreitige Werbeaktion nicht nur die fristlose Kündigung des Vertragsverhältnisses. Diese Kündigung war auch ohne vorherige Abmahnung zulässig.

Zur Vermeidung von Wiederholungen wird zunächst zur Begründung auf die zutreffenden Ausführungen des Landgerichts in der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen. Soweit sich die Klägerin in der Berufungsinstanz gegen die Berechtigung der fristlosen Kündigung mit dem Argument wendet, gemessen an dem Empfängerhorizont der allein angeschriebenen türkischen Bausparer stelle das Werbeschreiben nur eine Übertreibung und daher keine unzulässige Werbemaßnahme dar, vermag sich der Senat dem schon allein deshalb nicht anzuschließen, da, wie durch das Anschreiben eines der angesprochenen türkischen Bausparer gerade belegt wird, auch im türkischen Kulturkreis die Werbung nicht bloß als Übertreibung, sondern als ernsthaftes Versprechen eines Gewinns aufgefasst worden ist. Durch die plakative Einbeziehung des Namens der Beklagten in diese mit einer Täuschung der angeschriebenen Bausparer noch vorsichtig umschriebenen "Werbeaktion" der Klägerin ist die Beklagte nicht nur in den Ruf gekommen, Beteiligte an dieser Täuschungshandlung zu sein. Vielmehr musste (und hat) die Tatsache, dass ein finanziell so potenter Partner wie die Beklagte nach dem optischen Eindruck des Schreibens hinter dieser angeblichen Gewinnaktion stand, den Eindruck der Seriosität dieser Aktion bei den Angeschriebenen noch verstärken; dies, obwohl alleiniger Sinn und Zweck der Aktion war, die Grundstücksgeschäfte der Klägerin in der Türkei zu fördern. Die Beklagte plakativ in Zusammenhang mit einer derartigen Täuschung der Angeschriebenen zu bringen, stellt eine schwere und nachhaltige Erschütterung der Vertrauensgrundlage für das Vertragsverhältnis der Parteien dar, die die Klägerin verschuldet hat und die ohne jeden Zweifel die Voraussetzungen des § 89 b Abs. 3 S. 2 in Verbindung mit § 89 a HGB erfüllt.

Einer vorherigen Abmahnung durch die Beklagte bedurfte es entgegen der Ansicht der Klägerin vorliegend nicht. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob man der Ansicht folgt, dass im Bereich der Störung des Vertrauensverhältnisses (im Gegensatz zu Störungen im Bereich des Leistungsverhältnisses) eine vorherige Abmahnung grundsätzlich nicht erforderlich ist, wie das Landgericht und ihm folgend die Beklagte meinen (ebenso Hopt, Handelsvertreterrecht, 2. Aufl., § 89 a Rn. 10; MünchKomm-HGB/von Hoyningen/Huene, § 89 a Rn. 29), oder ob man bei Störungen im Vertrauensbereich eine Abmahnung nur dann nicht für erforderlich hält, wenn die Störung so gravierend ist, dass eine Billigung des Verhaltens offensichtlich ausgeschlossen ist bzw. die Vertrauensbasis so erschüttert ist, dass sie auch durch eine Abmahnung nicht wieder hergestellt werden kann (BGH NJW 1992, 416; DB 1981, 987; Küstner/Thume, Handbuch des gesamten Außendienstrechts, Band 1, 3. Aufl., Rn. 1750; Westphal, Vertriebsrecht, Band I, Handelsvertreterrecht, Rn. 797). Denn auch die letztgenannten Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt. Trotz der langjährigen Zusammenarbeit der Parteien rechtfertigte das Verhalten der Klägerin die Kündigung ohne Abmahnung allein deshalb, weil ein Vertragspartner, der zu einer derartigen Täuschungsaktion überhaupt einmal bereit gewesen ist, eine schon als verwerflich zu bezeichnende Grundhaltung zeigt, die jede Basis für eine vertrauensvolle Zusammenarbeit mit ihm zerstört.

II.

Soweit die Berufung sich gegen die Verurteilung zur Zahlung auf die Widerklage richtet, war sie gem. § 519 b ZPO als unzulässig zu verwerfen, da es insoweit an einer den Anforderungen des § 519 Abs. 3 Nr. 2 ZPO genügenden Berufungsbegründung fehlt. Die Berufungsbegründung der Klägerin enthält bezüglich der von ihr beantragten Abweisung der Widerklage keinerlei Ausführungen dazu, warum und aus welchen Gründen die Klägerin das landgerichtliche Urteil insoweit angreift. Die bezüglich der Widerklage in der Berufungsbegründung allein enthaltene Ansicht, der im Wege der Widerklage zuerkannte Zahlungsanspruch werde durch Aufrechnungserklärung der Klägerin mit dem Abfindungsanspruch entfallen, enthält keinen Angriff gegen die Feststellungen im angefochtenen Urteil. Da es sich bei der in der Berufungsinstanz weiter verfolgten Klage und Abweisung der Widerklage um verschiedene Streitgegenstände handelt, musste die Berufungsbegründung, da die landgerichtliche Entscheidung nicht auf einem einheitlich, beiden Ansprüchen gemeinsamen Rechtsgrund beruht, sowohl für die Klageforderung als auch für die beantragte Abweisung der Widerklageforderung eine gesonderte Begründung enthalten.

III.

Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 97, 91, 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Streitwert für das Berufungsverfahren und zugleich Wert der Beschwer für die Klägerin: 100.196,79 DM (Antrag zu 1.: 55.566,00 DM; Antrag zu 2.: 44.630,79 DM).

Ende der Entscheidung

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