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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Köln
Beschluss verkündet am 30.04.2001
Aktenzeichen: 19 W 12/01
Rechtsgebiete: ZPO, BGB


Vorschriften:

ZPO § 114
BGB § 612 Abs. 1
BGB § 632 Abs. 1
BGB § 612 Abs. 2
BGB § 632 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT KÖLN BESCHLUSS

19 W 12/01 14 O 341/99 LG Köln

In dem Rechtsstreit

pp.

hat der 19. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters am Oberlandesgericht Jaeger und der Richterinnen am Oberlandesgericht Göhler-Schlicht und Caliebe

am 30. April 2001

beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde des Beklagten gegen den Beschluss des Landgerichts Köln vom 21. November 2000 in der Fassung des Nichtabhilfebeschlusses vom 22. März 2001 - 14 O 341/99 - wird zurückgewiesen.

Gründe:

I.

Die Klägerin ist Internetprovider, der Beklagte ein sog. Reseller, d.h. er kauft Internetservices ein und verkauft diese an private Nutzer weiter. Am 30.03.1998 übermittelte die Klägerin dem Beklagten per Fax ein Angebot betreffend Datenvolumen/Leitungskapazitäten und Einrichtung und Pflege von Domain Names ("b.. .de" u.a.), wobei die Einrichtung mit einem einmaligen Preis von 20,00 DM, die laufenden Kosten mit 10,00 DM je Domain pro Monat und die sog. primary und secondary DNS mit 5,00 DM im Monat veranschlagt wurden.

Der Beklagte nahm dieses Angebot an. Mit der Klage wird Zahlung von Rechnungen begehrt, wobei die u.a. eingeklagten monatlichen Kosten für Domains und Datentransfer jeweils einen dreistelligen Betrag ergaben. Der Beklagte hat die Klageforderung teilweise anerkannt. Im Streit sind noch Rechnungen mit einem Gesamtbetrag von 55.600,13 DM. Diese betreffen die sog. "Dial-Out"-Kosten, dies sind - unstreitig - Telefongebühren, die der Klägerin gegenüber der Telekom dadurch entstanden sind, dass - abredegemäß - der Router der Klägerin den Nameserver des Beklagten anrief. Seit September 1998 benutzt der Beklagte für diesen Weg des klägerischen Routers zu ihm eine Standleitung mit monatlichen Fixkosten von 1.416,96 DM, welche er selbst trägt.

Zwischen den Parteien ist streitig, wer - in Ermangelung einer Regelung im Vertrag - die o.g. Kosten letztlich zu zahlen hat, weiterhin, ob diese rechnerisch gerechtfertigt sind und ob die Klägerin bereits zu Beginn des Vertragsverhältnisses auf die mögliche Kostenersparnis durch eine Standleitung hingewiesen hat. Das Landgericht hat über die Frage der rechnerischen Richtigkeit der in den Rechnungen geltend gemachten Kosten Beweis erhoben durch Sachverständigengutachten. Einen Antrag des Beklagten auf Gewährung von Prozesskostenhilfe hat es mit Beschluss vom 21.11.2000 zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich seine Beschwerde.

II.

Die zulässige Beschwerde des Beklagten hat in der Sache keinen Erfolg. Zu Recht hat das Landgericht die Bewilligung von Prozesskostenhilfe abgelehnt, da die Rechtsverteidigung des Beklagten keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat, § 114 ZPO.

Das Landgericht hat insoweit frei von Rechtsfehlern ausgeführt, dass nach dem festgestellten Sachverhalt der Beklagte zur Zahlung des eingeklagten Betrages vertraglich verpflichtet ist.

Hierbei kann die Frage dahinstehen, welche Rechtsnatur dem Vertragsbestandteil der Zugangsvermittlung vom Router zum Nameserver zukommt; ernstlich in Betracht kommen ohnehin nur Dienst- oder Werkvertrag. In beiden Fällen ist, das zeigt die unstreitige Nutzung der Verbindung durch den Beklagten, die Zugangsleistung für die gesamte Dauer aufgrund eines entsprechenden Vertrages erbracht worden, selbst wenn - wie der Beklagte richtigerweise vorträgt - der vom Kläger vorgelegte Vertrag nur den Zeitraum ab dem 30. März 1998 abdecken kann. Ganz offensichtlich hatten die Parteien schon vorher Vertragsbeziehungen, was die Klägerin auch unwidersprochen vorträgt (Bl. 14 d.A.).

Angesichts der Vielzahl möglicher Vertragsgestaltungen in dem Bereich des Telekommunikations- und Internetrechts kann nicht schon pauschal festgestellt werden, dass die Telekommunikationsentgelte des Anbieters für die Inanspruchnahme des Netzes in jedem Fall der Content-Provider (hier also der Beklagte) zu tragen habe (so allerdings Hoeren/Sieber-Komarnicki, Handbuch Multimediarecht, § 12, Rn. 71; Schuster, Vertragshandbuch Telemedia, 2001, S. 796 (Rn. 60)).

Die Frage des Entgelts bestimmen vorliegend vielmehr die §§ 612 Abs. 1, 632 Abs. 1 BGB. Eine Vergütung "fehlt" nämlich auch, wenn die Dienstleistung quantitativ oder qualitativ das Maß überschreitet, für das eine Vergütung vereinbart wurde (Erman-Hanau, Band 1 (§§ 1-853), 10. Aufl. (2000), § 612, Rn. 2). So liegt der Fall hier. Der vom Kläger vorgelegte Vertrag enthält keine ausdrückliche Regelung zur Kostentragungsfrage der Nameserververbindungen, obgleich diese in der Folgezeit ein erhebliches Ausmaß erreichten.

Ob ein Entgelt zu erwarten war, ergibt eine Betrachtung der Einzelfallumstände, wobei es nur darauf ankommt, was objektiv zu erwarten war; subjektive Erwartungen spielen keine Rolle (Erman-Hanau, § 612, Rn. 6; Palandt-Sprau, 60. Aufl. (2001), § 632, Rn. 1). Unter Anwendung dieser Grundsätze kommt der Senat zu dem Ergebnis, dass ein Entgelt für die Zugangsvermittlung zu erwarten war:

Die Parteien wählten ein Verbindungssystem, bei dem für jede Anwahl einer Domain ein Anruf des Routers bei dem Nameserver des Beklagten nötig wurde. Diese Verbindungen, die die Klägerin zunächst bei der Telekom bezahlte, geschahen im Interesse des Beklagten, da sie für seinen Internetauftritt nötig waren.

Ferner spricht der nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme festgestellte Umfang der angefallenen Kosten dafür, dass die Entgelte, die durch die Verbindung des Routers zum Nameserver anfielen, nicht schon mit dem angebotenen Leistungsumfang (Bl. 16 d.A.) abgegolten waren. Die monatlichen Zahlungen aus Traffic (Datenabruf durch den Beklagten) und Domain Names bewegen sich im dreistelligen Bereich, den die Verbindungskosten deutlich übersteigen. Dass sie in der Sache gerechtfertigt sind, steht durch das Sachverständigengutachten fest. Wenn der Beklagte darauf verweist, dass im Angebot auch ein primary DNS auftaucht (Bl. 92 d.A.), so ist dies im Ergebnis unerheblich. Jedenfalls in den streitigen Rechnungen wird allein der secondary DNS abgerechnet, nicht der primary DNS, der sich tatsächlich beim Beklagten befand und dessen Anrufe die fraglichen Rechnungsbeträge überhaupt erst verursachten.

Die kostenintensive Nachfrage beim Nameserver des Beklagten geschah mithin auf dessen Veranlassung und zu seinen Gunsten. Dass dies zusätzliche Kosten verursachen würde, musste dem Beklagten als Informatiker klar sein. Auf die zwischen den Parteien streitige Frage, ob schon zu Beginn der Nutzung auf Kostenersparnisse durch Installation einer Standleitung hingewiesen wurde, kommt es insoweit nicht mehr an. Gleichermaßen musste dem Beklagten klar sein, dass er nicht würde erwarten können, für die am 30. März 1998 vereinbarten Entgelte auch diese Leistungen mit abgegolten zu haben. Vielmehr ergibt sich eine zusätzliche Vergütungspflicht des Beklagten gerade aus dem Umstand, dass die Klägerin Zahlungen in einem solchen Umfang vernünftigerweise nicht würde tragen wollen.

Die in Rechnung gestellten Beträge sind, das ergibt sich aus dem Sachverständigengutachten, rechnerisch korrekt, und der Aufschlag ist aufwandsangemessen (Bl. 113 d.A.); damit können sie als übliche Vergütung, § 612 Abs. 2, 632 Abs. 2 BGB, angesehen werden und sind mithin geschuldet.

Soweit der Beklagte mit einer Gegenrechnung die Schlüssigkeit der durch das Gutachten erwiesenen rechnerischen Richtigkeit der Summen angreifen will (Bl. 138 d.A.), geht dies fehl. Der Beklagte legt falsche technische Voraussetzungen zugrunde. Wie festgestellt, fallen die Verbindungsentgelte an, wenn der Router des Klägers den Nameserver des Beklagten anruft. Da dies (bedingt durch den Versand der Datenpakete im Internet) schon für einen einzigen Download mehrere Male geschehen kann, ist es denkbar, dass ein einziger Nutzer etwa 3-5 Anrufe "provoziert". Man kann die dadurch entstehende Vielzahl einzelner Anrufe, die solcherart bei nur einigen hundert Hits pro Tag entstehen, nicht mit den Kosten eines durchgehenden Telefonats vergleichen. Vielmehr sind auch mehrere kurze Telefonate kostenintensiver als ein einziges von gewisser Dauer. Die Summen entstehen also nicht durch den Umfang des Datentransfers, sondern durch die Häufigkeit der Nachfragen. Diese - auch dies ist nachvollziehbar - nahmen mit längerer Bereitstellung des Internetangebots zu, was die Steigerung der Kosten zur Folge hatte.

Auch die Erfolgsaussichten der Hilfsaufrechnung hat das Landgericht zutreffend verneint.

Schließlich weist der Senat darauf hin, dass, anders als der Beklagte meint, das Ergebnis des Sachverständigengutachtens für die Prüfung der Erfolgsaussichten im Rahmen der Prozesskostenhilfe verwendet werden darf. Hierbei kann dahinstehen, ob sich dies schon grundsätzlich daraus ergibt, dass es für diese Prüfung auf den Zeitpunkt der Beschlussfassung ankommt (so der erkennende Senat in MDR 1992, 514, ferner BGH NJW 1982, 1104; Kalthoener/Büttner/Wrobel-Sachs, Prozesskostenhilfe und Beratungshilfe, 2. Aufl. (1999), S. 160). Jedenfalls im vorliegenden Fall ist eine Verwertung des Gutachtens schon deshalb nicht zu beanstanden, weil der Beklagte die vollständigen Unterlagen erst nach Vorliegen des Gutachtens am 02. November 2000 zu den Akten gereicht hat (Bl. 119 d.A.) und erst ab diesem Zeitpunkt die Erfolgsaussichten des Prozesskostenhilfegesuchs zu beurteilen waren.

Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst (§ 127 Abs. 4 ZPO).

Streitwert: 102.711,37 DM.

Ende der Entscheidung

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