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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Köln
Beschluss verkündet am 30.11.2001
Aktenzeichen: 2 ARs 274/01
Rechtsgebiete: StPO, BRAGO


Vorschriften:

StPO § 55
StPO § 68 b
BRAGO § 20
BRAGO § 91
BRAGO § 95
BRAGO § 99
BRAGO § 102
BRAGO §§ 83 ff.
BRAGO § 91 Nr. 1
BRAGO § 91 Nr. 2
BRAGO § 95 Hs 2
BRAGO § 97 Abs. 1
BRAGO § 97 Abs. 1 Satz 2
BRAGO § 97 Abs. 1 S. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT KÖLN BESCHLUSS

2 ARs 274/01

In der Strafsache

gegen

hat der 2. Strafsenat des Oberlandesgerichts Köln auf den Antrag des Zeugenbeistandes, Rechtsanwalt P., auf Bewilligung einer Pauschvergütung

durch die Vorsitzende Richterin am Oberlandesgericht Doleisch von Dolsperg, den Richter am Oberlandesgericht Heidemann und den Richter am Oberlandesgericht Conzen

am 30. November 2001

beschlossen:

Tenor:

Rechtsanwalt Thomas P. als Beistand des Zeugen N. B. wird eine Pauschvergütung in Höhe des Betrages der gesetzlichen Regelgebühren zuzüglich 200,00 DM (in Worten: zweihundert Deutsche Mark) bewilligt.

Gründe:

I.

Rechtsanwalt P. ist in dem gegen S. E. geführten Verfahren dem Zeugen N. B. durch Beschluss der 15. großen Strafkammer des Landgerichts Köln vom 5. Februar 2001 als Beistand gemäß § 68 b StPO herbeigeordnet worden. Er beantragt mit Schriftsatz vom 19. September 2001, auf dessen Inhalt Bezug genommen wird, die Bewilligung einer über die gesetzlichen Gebühren hinaus gehenden Pauschvergütung.

II.

Der Antrag ist in entsprechender Anwendung der §§ 102, 99 BRAGO in dem erkannten Umfang begründet, da Rechtsanwalt P. vorliegend im Hinblick auf die von ihm entfaltete anwaltliche Mühewaltung allein durch die gesetzlichen Gebühren, die - wie unten darzulegen sein wird - mit 200,00 DM anzusetzen sind, nicht angemessen vergütet würde.

1.

Die Vergütung eines Rechtsanwalts, der einem Zeugen beigeordnet worden ist, ist auch nach Einführung des § 68b StPO durch das Zeugenschutzgesetz vom 30. April 1998 (BGBl. I. 280) - entgegen der von Meyer vertretenen Auffassung (JurBüro 00, 69) - in der BRAGO nicht ausdrücklich geregelt (vgl. OLG Hamm NStZ-RR 00, 383 f.; StV 01, 126). Die Tätigkeit des Zeugenbeistands wird nämlich weder in der Vorschrift des § 102 BRAGO, noch in den Tatbeständen der §§ 20, 91, 95 BRAGO oder in einer anderen Gebührenvorschrift genannt.

Gleichwohl ist es in der - vom Senat geteilten - Rechtsprechung schon des längerem einhellig anerkannt, dass dem als Beistand tätigen Anwalt im Grundsatz eine Honorierung auf der Grundlage der BRAGO zusteht. Dabei werden die Gebührenansprüche aus verschiedenen Tatbeständen hergeleitet. So wird - teilweise unter Bezugnahme auf die bereits vor Einführung des § 68 b StPO ergangene Rechtsprechung (OLG Düsseldorf JMBl. NW 80, 35) - die Ansicht vertreten, die Vergütung eines gerichtlich beigeordneten Zeugenbeistandes richte sich nach § 91 Nr. 1 BRAGO, denn diese Vorschrift beinhalte in ihrer letzten Alternative die Generalklausel für sämtliche nicht besonders geregelten Beistandsleistungen (OLG Düsseldorf StV 01, 126). Diese Auffassung wird vom Hanseatischen Oberlandesgericht Hamburg (vgl. StraFO 00, 142) sowie teilweise von der Kommentarliteratur (Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO, 45 Aufl. § 68 b Rn. 1; Hartmann, Kostengesetze, 30. Aufl., § 91 BRAGO Rn. 13) geteilt. Danach ergäbe sich für die Bemessung der Gebühren eine Spanne zwischen 30,00 DM und 340,00 DM, für den gerichtlich bestellten Beistand somit ein Anspruch gegen die Staatskasse in Höhe von 120,--DM (§ 97 Abs. 1 S. 1 BRAGO). Nach abweichender, auf die Rechtsprechung des OLG Stuttgart (vgl. StV 93, 143) zurück gehender Ansicht (OLG Hamm a.a.O. sowie StraFO 01, 107 f.; OLG Bamberg StraFO 01, 108; LG Würzburg StV 01, 127) werden die Gebührenansprüche des Zeugenbeistandes aus einer analogen Anwendung des § 95 HS 2 i.V.m. §§ 83 ff. BRAGO begründet, denn die dort aufgeführten Tätigkeiten kämen der Beistandsleistung im Sinne von § 68 b StPO inhaltlich am nächsten. Danach würde sich vorliegend für den Wahlbeistand eine Gebührenspanne zwischen 60,00 DM und 760,-- DM (= die Hälfte der in § 83 Abs. 1 Nr. 2 BRAGO genannten Beträge) ergeben. Somit hätte der gerichtlich bestellte Anwalt, je nach dem ob gemäß § 97 Abs. 1 Satz 2 BRAGO der Umstand der Inhaftierung des Zeugen zu berücksichtigen ist, einen Anspruch von 300,-- DM bzw. 240,--DM. Meyer (a.a.O., 69) schließlich ist der Ansicht, der Gebührenanspruch des dem Zeugen beigeordneten Rechtsanwaltes folge aus der (direkten) Anwendung des § 91 Nr. 2 BRAGO, der einen Gebührenrahmen von 50,--DM bis 640,--DM bereit hält. Daraus würde sich in Verbindung mit § 97 Abs. 1 S. 1 BRAGO vorliegend eine gesetzliche Gebühr von 200,-- DM errechnen.

Nach Auskunft der hiesigen Verwaltungsabteilung (Dezernat X) wird die Vergütung des Zeugenbeistandes in den dem Oberlandesgericht Köln zugehörigen Landgerichtsbezirken unterschiedlich, nämlich teils nach § 91 Nr. 1 BRAGO, teils nach § 95 Hs 2 BRAGO, bewilligt.

Der Senat vertritt die Auffassung, dass die Gebühren des als Zeugenbeistand bestellten Rechtsanwalts in (analoger) Anwendung dem § 91 BRAGO zu entnehmen ist, wobei je nach der im Einzelfall entfalteten Tätigkeit entweder auf Nr. 1 oder Nr. 2 der Vorschrift abzustellen ist. § 91 BRAGO ist von seinem Regelungsinhalt her auf typische Einzeltätigkeiten des Anwalts - so wie etwa explizit die Vertretung bei Vernehmungen - zugeschnitten, die anderweitig nicht geregelt sind. § 95 HS 2 BRAGO stellt im Gegensatz dazu die gebührenrechtliche Grundlage für die Wahrung der Rechte des Verletzten (§§ 406 f, g StPO) im Strafverfahren - und zwar bezogen auf dessen gesamte Dauer - dar. Im Hinblick auf letztere, in der Regel auch umfangreichere Tätigkeit - die beispielsweise auch die Wahrnehmung der Interessen des verletzten Zeugen bei einer Vernehmung innerhalb oder außerhalb der Hauptverhandlung umfassen kann - erscheint die Anwendung des - auch nur hälftigen - Gebührenrahmens der §§ 83 ff. BRAGO angemessen und sachgerecht. Von der Wahrung der Rechte des Verletzten unterscheidet sich die Tätigkeit des Anwalts als (reiner) Zeugenbeistand in nicht wenigen Fällen aber auch inhaltlich. Die Funktion des Anwalts besteht - wie der vorliegende Sachverhalt zeigt - häufig darin, den Zeugen im Hinblick auf eventuelle Auskunftsverweigerungsrechte gemäß § 55 StPO zum Inhalt und Umfang seiner Aussage zu beraten und ihn damit vor der Gefahr einer eigenen strafrechtlichen Verfolgung zu bewahren. Unter diesem Aspekt ähnelt die Beistandsleistung von ihrer Zielrichtung her daher mehr der Verteidigertätigkeit denn der Wahrung der Rechte des Verletzten. Nach alledem ist im Ergebnis § 91 BRAGO analog anzuwenden. Der Senat sieht sich mit dieser Auffassung zumal im Einklang mit den Gesetzesmaterialien. Auch die Begründung zu dem seinerzeitigen Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und FDP vom 12. November 1997 sah - ohne dass freilich eine entsprechende Ausgestaltung des Gebührenrechts für erforderlich gehalten worden ist - vor, dass sich die Gebühren des anwaltlichen Zeugenbeistandes nach § 91 BRAGO richten sollten (BT-Drucks. 13/7165, S. 9).

Bei der Berechnung der konkreten Gebühr ist zu beachten, dass sich nach zutreffender Auffassung (Griesbaum NStZ 98, 439) die Beiordnung auf alle Vorgänge bezieht, die mit der Vernehmung in einer Verbindung stehen oder sich aus ihr entwickeln. Die Tätigkeit des Anwalts kann daher bereits im Vorfeld der eigentlichen Vernehmung, etwa in Form eines Beratungsgespräches, erbracht werden (Rieß, StraFO 99, 7 FN 109; Kleinknrecht/Meyer-Goßner a.a.O., § 68 b Rn. 5). Hinsichtlich des Gebührenrahmens ist daher zu unterscheiden, ob der Zeugenbeistand in der Vernehmung, für die er bestellt worden ist, anwesend war oder sich seine Tätigkeit - etwa weil sich die Zeugenvernehmung aus verfahrensrechtlichen Gründen erledigt hat - auf ein Vorgespräch beschränkt hat. In ersterem Fall ist der Gebührenrahmen dem § 91 Nr. 2 BRAGO (analog) zu entnehmen (vgl. auch Meyer a.a.O., 69), womit allerdings die gesamte Tätigkeit des Anwalts abgegolten ist. Die Analogie zu § 91 Nr. 2 BRAGO rechtfertigt sich daraus, weil diese Vorschrift auch auf ein Beistandleisten (bei direkter Anwendung für den Beschuldigten) gerade bei einer staatsanwaltlichen oder richterlichen Vernehmung zugeschnitten ist, während für den niedrigeren Gebührenrahmen des § 91 Nr. 1 BRAGO schon die Anfertigung auch einfachster Erklärungen (etwa Schriftsätze mit nur einem Satz Inhalt) genügt. Ist der Anwalt hingegen lediglich außerhalb der eigentlichen Vernehmung tätig gewesen, so bestimmt sich sein Gebührenanspruch nach § 91 Nr. 1 BRAGO (analog). Unter Anwendung dieser Grundsätze errechnet sich die dem beigeordneten Beistand zustehende gesetzliche Gebühr vorliegend entsprechend §§ 102, 97 Abs. 1, 91 Nr. 2 BRAGO auf 200,00 DM.

2.

Wird die Mühewaltung des bestellten Zeugenbeistandes durch diese Gebühr nicht angemessen abgegolten, kann ihm im Einzelfall unter den Voraussetzungen des § 99 BRAGO eine Pauschvergütung gewährt werden (vgl. OLG Hamburg a.a.O., 142; OLG Hamm a.a.O.; OLG Hamm StraFO 01, 107 f.; OLG Bamberg StraFO 01, 108).

Rechtsanwalt P. ist eine die Regelgebühren überschreitende Pauschvergütung zu gewähren, weil es sich um eine überdurchschnittlich aufwendige Beistandsleistung handelte, die im Sinne der vorstehenden Grundsätze mit den gesetzlichen Gebühren nicht angemessen abgegolten wird:

Gegenstand des Verfahrens waren umfangreiche Vorwürfe des bandenmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln, wie dem Senat aus eigener Befassung mit der Sache in anderem Zusammenhang bekannt ist. Dies erforderte - auch aus der Sicht des Zeugenbeistandes - eine intensive Auseinandersetzung mit dem komplexen Sachverhalt und eine eingehende Beratung des Zeugen. Die Vernehmung ist sodann über einen verhältnismäßig langen Zeitraum von 3 Stunden in der Hauptverhandlung vom 5. Februar 2001 durchgeführt worden.

Unter Würdigung der aufgezeigten besonderen Umstände erscheint die Bewilligung einer Pauschvergütung gerechtfertigt, welche die Regelgebühren von 200,00 DM im Ergebnis verdoppelt, aber dennoch unterhalb der Höchstgebühr von 640,00 DM für einen Wahlbeistand liegt.

Ende der Entscheidung

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