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Gericht: Oberlandesgericht Köln
Beschluss verkündet am 05.12.2005
Aktenzeichen: 2 U 103/05
Rechtsgebiete: BGH
Vorschriften:
BGH § 1643 | |
BGH § 2180 | |
BGH § 2307 |
2. Zu den Anforderungen an die Fristsetzung zur Erklärung über die Annahme des Vermächtnisses.
Tenor:
Der Senat beabsichtigt, die Berufung des Beklagten gegen das am 29. Juli 2005 verkündete Urteil der 17. Zivilkammer des Landgerichts Köln - 17 O 113/03 - durch einstimmigen Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen.
Der Beklagte erhält Gelegenheit, hierzu bis zum 21. Dezember 2005 Stellung zu nehmen.
Gründe:
1.
Die zulässige Berufung des Beklagten hat keine Aussicht auf Erfolg (§ 522 Abs. 2 Nr. 1 ZPO). Der Klägerin steht gegen den Beklagten der geltend gemachte Vermächtnisanspruch zu, § 2174 BGB.
Entgegen der Auffassung der Berufung hat die Klägerin das ihr durch die Erblasserin im Testament vom 18. Februar 1991 zugewandte Barvermächtnis nicht ausgeschlagen. Eine wirksame Ausschlagung kann insbesondere nicht darin gesehen werden, dass die damals noch minderjährige Klägerin, vertreten durch ihre Mutter, Pflichtteilsansprüche gegen den Beklagten geltend gemacht hat. Gemäß § 2180 Abs. 1 Satz 2 BGB erfolgt die Ausschlagung eines Vermächtnisses durch Erklärung gegenüber dem Beschwerten. Die Ausschlagung bedarf keiner Form und kann auch durch einen Bevollmächtigten oder durch einen gesetzlichen Vertreter sowie durch schlüssiges Verhalten erklärt werden (Senat, Beschluss vom 12. Juli 2002, 2 Wx 2/02; BGH, NJW 2001, 520 [521]; OLG Colmar, OLGE 4, 442 [443]; OLG Stuttgart, OLGR 1998, 9 für die Annahme; AnwK/J. Mayer, BGB, 2004, § 2180 Rn. 2, 7; Erman/Schmidt, BGB, 11. Auflage 2004, § 2180 Rn. 2; MünchKomm/Schlichting, BGB, 4. Auflage 2004, § 2180 Rn. 2; Palandt/Edenhofer, BGB, 64. Auflage 2005, § 2180 Rn. 2; Staudinger/Otte, BGB, 13. Auflage 1996, § 2180 Rn. 5).
Ausdrücklich hat die Klägerin bzw. ihre gesetzliche Vertreterin indes nicht die Ausschlagung des Vermächtnisses erklärt. Daneben kann in dem Verlangen des vollen Pflichtteils eine schlüssige (konkludente) Erklärung der Ausschlagung des Vermächtnisses liegen. Gemäß § 2307 Abs. 1 Satz 1 BGB besteht für den mit einem Vermächtnis Bedachten nur dann der volle Pflichtteil, wenn er das Vermächtnis ausschlägt. In der Geltendmachung des Pflichtteilsanspruchs kann jedoch noch nicht zwangsläufig eine Ausschlagung des Vermächtnisses gesehen werden. Vielmehr sind stets die Umstände des Einzelfalls maßgebend (Senat, aaO; OLG Colmar, aaO; Erman/Schlüter, aaO, § 2307 Rn. 1; Soergel/Dieckmann, BGB, 13. Auflage 2002, § 2307 Rn. 6). So kann beispielsweise von Bedeutung sein, ob der Berechtigte weiß, dass er wählen kann, ob er gemäß § 2307 Abs. 1 Satz 1 BGB das Vermächtnis ausschlägt und den vollen Pflichtteil beansprucht oder ob er gemäß § 2307 Abs. 1 Satz 2 BGB neben dem Anspruch auf das Vermächtnis den Pflichtteilsrestanspruch geltend macht (vgl. Soergel/Dieckmann, aaO, § 2307 Rn. 6).
Indes kommt es auf die Frage, ob in der Geltendmachung des Pflichtteilsanspruchs eine konkludente Ausschlagung des Vermächtnisses zu sehen ist, dann nicht an, wenn diese Ausschlagung nicht wirksam geworden ist, weil es an einer hierfür erforderlichen Genehmigung fehlt (Senat, aaO). Dies ist hier der Fall. Nach § 1643 Abs. 1 BGB bedürfen die Eltern zu bestimmten Rechtsgeschäften für das Kind, die auch ein Vormund nur mit vormundschaftlicher Genehmigung vornehmen kann, der Genehmigung des Familiengerichts. § 1643 Abs. 2 Satz 1 2. Alt. BGB bestimmt, dass die Ausschlagung eines Vermächtnisses (§ 2180 BGB), das einem Minderjährigen zugewandt ist, der familiengerichtlichen Genehmigung unterliegt (vgl. dazu AnwK/Rakete-Dombek, aaO, § 1643 Rn. 9 ff.; MünchKomm/Huber, aaO, § 1643 Rn. 13; Ivo, ZEV 2002, 309 [310]). Diese Notwendigkeit besteht auch bei einer Ausschlagung durch schlüssiges (konkludentes) Verhalten. Die materiell-rechtlichen Wirkungen eines einseitigen Rechtsgeschäfts, wozu auch die Ausschlagung nach § 2180 BGB gehört, können nur dann eintreten, wenn die erforderliche Genehmigung des Familiengerichts vorliegt (Senat, aaO). Eine entsprechende Genehmigung ist hier weder eingeholt noch erteilt worden.
Ebenso wenig kann sich die Berufung darauf stützen, das Vermächtnis gelte gemäß § 2307 Abs. 2 Satz 2 BGB als ausgeschlagen, weil in dem Schriftsatz der damaligen Bevollmächtigten des Beklagten vom 22. Dezember 1992 eine Aufforderung an die Klägerin als Pflichtteilsberechtigte unter Bestimmung einer angemessenen Frist zur Erklärung über die Annahme zu sehen sei. Eine solche Wirkung ist dem von der Berufung herangezogenen Schreiben nicht beizumessen. Daher kann es dahinstehen, ob und in welcher Form gegenüber einem Minderjährigen überhaupt eine entsprechende Frist mit der Folge der gesetzlich fingierten Ausschlagung gesetzt werden kann. Ebenso wenig bedarf es einer Erörterung, ob wegen des in § 1643 BGB gesetzlich bestimmten Minderjährigenschutzes nicht auch im Falle einer Fristsetzung nach § 2307 Abs. 2 Satz 1 BGB an einen Minderjährigen eine entsprechende Genehmigung der Familiengerichts erforderlich ist.
Eine Fristsetzung ist eine einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung, die den Sinn hat, dem Empfänger das Risiko der Fristversäumung vor Augen zu führen. Daher muss ein bestimmtes Verhalten verlangt werden, wobei Beginn und Ablauf der Frist ohne weiters erkennbar sein müssen (vgl. z.B. MünchKomm/Ernst, BGB, 4. Auflage 2003, § 281 BGB n.F. Rn. 30 ff.). Eine solche Erklärung hat der Beklagte nicht abgegeben. Bei verständiger objektiver Würdigung aus der Sicht des Erklärungsempfängers (§ 133 BGB) erlaubt der eindeutige Inhalt des von einem Anwalt verfassten Schriftsatzes vom 22. Dezember 1992 nicht den Schluss, der Beklagten habe der Klägerin (bzw. ihrer gesetzlichen Vertreterin) eine Frist zur Erklärung über die Annahme des Vermächtnisses im Sinne des § 2307 Abs. 2 Satz 1 BGB gesetzt. Das Schreiben enthält keine Aufforderung, sich zu der Frage der Ausschlagung bzw. Annahme der Vermächtnisses zu erklären. Ebenso wird weder auf die gesetzliche Bestimmung in § 2307 Abs. 2 BGB hingewiesen noch wird der Klägerin bzw. ihrer gesetzlichen Vertreterin eine Erklärungsfrist gesetzt. Die in dem Schriftsatz enthalte Frist bezieht sich auf die Herausgabe des Sparbuches bzw. des vom Sparbuch abgehobenen Betrages. Zudem wird abstrakt auf die Regelung in § 2307 Abs. 1 BGB verwiesen und hierzu ausgeführt:
"Als Enkelkinder der Erblasserin stehen Ihren Mandanten zwar grundsätzlich gemäß 3 2309 BGB Pflichtteilsansprüche in Höhe von je 1/12 des Nachlasswertes gegen unseren Mandanten als Erben zu. Diese Ansprüche unterliegen aber den Beschränkungen des § 2307 Absatz 1 BGB, wonach die Pflichtteile nur verlangt werden können, wenn Ihre Mandanten zuvor die zu ihren Gunsten ausgesetzten Vermächtnisses ausschlagen. Die Ausschlagung eines Vermächtnisses wiederum ist ausgeschlossen, wenn es der Vermächtnisnehmer bereits angenommen hat (§ 2180 Absatz 1 BGB)."
Die weiteren Ausführungen in dem Schriftsatz sprechen dann im Gegenteil dafür, dass der Beklagte von einer Annahme der Vermächtnisse ausgeht. So wird auf weitere Vermächtnisse verwiesen, die jeweils - so der Beklagte - "durch schlüssiges Verhalten" angenommen worden sind. Abschließend erfolgt der Hinweis, dass nur noch § 2307 Abs. 1 Satz 2 BGB "zum Zuge komme" und die Klägerin "gegebenenfalls einen Anspruch auf einen Zusatzpflichtteil" habe.
Die Klägerin ist nicht aus dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben (§ 242 BGB) gehindert, sich auf eine fehlende Genehmigung zu berufen. Sie nutzt weder in missbräuchlicher Weise das Fehlen der familiengerichtlichen Genehmigung der Ausschlagung aus noch hat sie durch ihr Verhalten bei dem Beklagten ein besonderes schutzwürdiges Vertrauen begründet. Vielmehr verweist die Klägerin nur auf die dem Schutz des Minderjährigen dienenden Vorschriften. § 1643 BGB ist zwingendes Recht und schützt die Vermögensinteressen des Kindes (MünchKomm/Huber, aaO, § 1643 Rn. 1). Bei den in dem Katalog des § 1643 BGB aufgenommenen genehmigungsbedürftigen Rechtsgeschäften, wozu auch die Ausschlagung eines Vermächtnisses gehört, können die Eltern ohne eine ausdrückliche Genehmigung des Familiengerichts keine Geschäfte für ein minderjähriges Kind vornehmen. Hierdurch sollen Interessenkollisionen vermieden und eine Prüfung gewährleistet werden, ob das genehmigungsbedürftige Rechtsgeschäft tatsächlich in dem Gesamtinteresse des Kindes liegt (vgl. nur MünchKomm/Huber, aaO, § 1643 Rn. 29 m.w.N. in FN. 31). Nehmen die Eltern das Rechtsgeschäft ohne die erforderliche Genehmigung vor, so ist es nach § 1643 Abs. 3 BGB i.V.m. § 1831 Satz 1 BGB grundsätzlich unwirksam. Eine nachträglich Heilung dieses Mangels ist ausgeschlossen (Senat, aaO; KG, JW 1928, 1405; AnwK/Rakete-Dombek, aaO, § 1643 Rn. 18; MünchKomm/Huber, BGB, 4. Auflage 2002, § 1643 Rn. 33, 41; MünchKomm/Wagenitz, aaO, § 1831 Rn. 1 ff.). Dies gilt auch für eine Ausschlagung eines Vermächtnisses.
2.
Die Annahme der Berufung ist trotz fehlender Erfolgsaussicht ebenso wenig aus einem der Gründe des § 522 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 oder Nr. 3 ZPO gegeben. Der vorliegende Rechtsstreit hat keine grundsätzliche Bedeutung, und eine Entscheidung des Senats ist auch nicht zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung geboten. Über die maßgeblichen Rechtsfragen besteht in der obergerichtlichen Rechtsprechung kein Streit. Im übrigen basiert die Beurteilung des Streitfalls auf einer Würdigung der Besonderheiten des konkreten Einzelfalls.
Gemäß § 522 Abs. 2 Satz 2 ZPO gibt der Senat dem Beklagten Gelegenheit, zu der beabsichtigten Zurückweisung der Rechtsmittel innerhalb der in der Beschlußformel bezeichneten Frist Stellung zu nehmen.
Ende der Entscheidung
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