Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Köln
Beschluss verkündet am 18.01.2006
Aktenzeichen: 2 U 113/05
Rechtsgebiete: EGZPO, BGB, NachbG NRW, GüSchlG NRW, code civil


Vorschriften:

EGZPO § 15a
BGB § 1004
NachbG NRW §§ 4 ff.
NachbG NRW § 54
GüSchlG NRW
code civil Art. 678
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT KÖLN BESCHLUSS

2 U 113/05

In dem Rechtsstreit

hat der 2. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters am Oberlandesgericht Schmidt-Eichhorn sowie der Richter am Oberlandesgericht Sternal und Dr. Göbel

am 18. Januar 2006

beschlossen:

Tenor:

1. Der Senat beabsichtigt, die Berufung des Klägers vom 4. Oktober 2005 gegen das am 26. August 2005 verkündete Urteil der 20. Zivilkammer des Landgerichts Köln - 20 O 604/04 - durch einstimmigen Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen.

Der Kläger erhält Gelegenheit, hierzu bis zum 9. Februar 2006 Stellung zu nehmen.

2. Der Senat beabsichtigt, den Streitwert für das Berufungsverfahren auf 50.000 € festzusetzen. Die Parteien erhalten Gelegenheit, hierzu bis zum 9. Februar 2006 Stellung zu nehmen.

Gründe:

1.

Die zulässige Berufung des Klägers hat keine Aussicht auf Erfolg (§ 522 Abs. 2 Nr. 1 ZPO). Das Vorbringen in der Berufung vermag keine von dem landgerichtlichen Urteil abweichende Entscheidung zu rechtfertigen. Entscheidungserhebliche Rechtsfehler im Sinne der § 513 Abs. 1 1. Alt. ZPO in Verbindung mit §§ 546, 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO werden von der Berufung nicht dargetan. Auch der Senat vermag keine Rechtsfehler zu Lasten des Klägers zu erkennen.

Mit zutreffender Begründung hat das Landgericht angenommen, der Zulässigkeit der Klage stehe entgegen, dass der Kläger, der sich ein Verschulden seines Prozessbevollmächtigten zurechnen lassen muss (§ 85 Abs. 2 ZPO), das nach § 15a Abs. 1 Nr. 2 EGZPO i.V.m. § 10 Abs. 1 GüSchlG NRW erforderliche außergerichtliche Schlichtungsverfahren nicht durchgeführt hat. Ob der Vorwurf der Berufung zutreffend ist, das Schlichtungsverfahren hätte keine praktische Relevanz, bedarf keiner Erörterung durch den Senat. § 15a EGZPO und das GüSchlG NRW sind geltendes Recht und die Einhaltung der vorgeschriebenen außergerichtlichen Streitschichtung ist sowohl von dem Landgericht als auch dem Senat als Berufungsgericht von Amts wegen zu prüfen.

Die Notwendigkeit der Durchführung einer außergerichtlichen Streitschlichtung folgt aus § 10a Abs. 1 Nr. 2e) GüSchlG NRW. Nach dieser Vorschrift ist die Klageerhebung in Streitigkeiten über Ansprüche wegen der im Nachbargesetz für Nordrhein-Westfalen geregelten Nachbarrechte, sofern es sich nicht um Einwirkungen von einem gewerblichen Betrieb handelt, erst nach einem außergerichtlichen Schlichtungsversuch zulässig. Eine Rechtsstreitigkeit über Ansprüche wegen im Nachbarrechtsgesetz geregelter Rechte ist gegeben, wenn dieses Gesetz Regelungen enthält, die für den Interessenkonflikt der Nachbarn im konkreten Fall von Bedeutung sind.

Das vorliegende Verfahren betrifft Ansprüche wegen der im Nachbarrechtsgesetz für Nordrhein-Westfalen geregelten Nachbarrechte im Sinne des § 10 Abs. 1 Nr. 2e GÜSchlG NRW. Soweit die Berufung geltend macht, der Kläger stütze seinen Anspruch auf mehrere Anspruchsgrundlagen, so auf § 1004 BGB, § 826 BGB und eine schuldrechtlichen Duldungsvereinbarung, rechtfertigt dies keine andere Bewertung. Diese Ansprüche sind hier ebenfalls einer obligatorischen Streitschlichtung unterworfen, da sie hier eng mit den nachbarschaftlichen Vorschriften verbunden sind (vgl. allgemein Zöller/Gummer, ZPO, 25. Auflage 2005, § 15a EGZPO Rn. 5). Erst durch die Zusammenschau aller gesetzlichen Regelungen des Nachbarrechts, das sich als Bundesrecht im Bürgerlichen Gesetzbuch findet (§§ 906 ff. BGB) und in den Rechtsvorschriften der landesrechtlichen Nachbargesetze enthalten ist, werden nämlich Inhalt und Schranken der Eigentümerstellung bestimmt. Nur in dem hiernach gegebenen Rahmen kann ein Eigentümer sich gegen eine von dem Nachbargrundstück ausgehende Beeinträchtigung zur Wehr setzen oder verpflichtet sein, diese zu dulden (BGH, NJW-RR 2005, 501 [503] m.w.N.).

Die Parteien streiten in erster Linie darüber, ob dem Kläger ein Lichtrecht an dem in der Grenzwand vorhandenen Fenster zusteht. Da sich §§ 4 bis 6 NachbG NRW mit dem Umfang und den Inhalt der Fenster- und Lichtrecht befassen, sind diese Regelungen zur Bestimmung von Inhalt und Umfang des hier verfolgten Anspruchs auf Wiederherstellung des "freien Zugangs zum Licht" heranzuziehen. Damit werden auch Inhalt und Grenzen der auf § 1004 Abs. 1 BGB und § 826 BGB gestützten Ansprüche durch das Nachbarrecht bestimmt.

Nur ergänzend wird darauf verwiesen, dass ein unmittelbar auf Artikel 678 Code civil gestützter Anspruch auf Gewährung eines Lichtrechts schon deshalb der Erfolg zu versagen wäre, weil durch § 54 Nr. 3 NachbG diese Bestimmung mit Wirkung vom 1. Juli 1969 außer Kraft getreten ist. Gemäß § 53 NachbG bestimmt sich der Umfang der bei Inkrafttreten des Gesetzes bestehenden Nachbarrechte nunmehr grundsätzlich nach dem Nachbarrechtsgesetz, wenn dieses insoweit - wie hier hinsichtlich des Lichtrechts - Regelungen enthält (Schäfer, Nachbarrechtsgesetz für Nordrhein-Westfalen, 13. Auflage 2002, Vorb § 4 Rn. 3 m.w.N., § 53 Rn. 1, § 54 Rn. 1 f.; OLG Köln, ZMR 1994, 115) . Die Vorschriften des früheren Rechts sind insoweit allenfalls mittelbar innerhalb der §§ 4 ff. NachbG zu prüfen (z.B. bei § 4 Abs. 2 lit. c NachbG).

Soweit der Kläger mit der Berufung geltend macht, ein nunmehr eingeleitetes Schlichtungsverfahren sei "erwartungsgemäß" erfolglos verlaufen, der Beklagte habe im Termin vom 30. November 2005 vor der Schlichtungsstelle des Kölner Anwaltsvereins erklärt, dass eine Einigung ausgeschlossen sei, wird hierdurch nicht die Zulässigkeit der erhobenen Klage begründet. Eine Klage, deren Zulässigkeit nach § 15a EGZPO und dem dazu bestehenden Landesrecht die Durchführung eines Güteversuchs vor einer Schlichtungsstelle voraussetzt, ist nach der vom Landgericht und vom Senat geteilten Auffassung des Bundesgerichtshofes (BGHZ 161, 145 ff. = NJW 2005, 437 [438] m.w.N.) nur dann zulässig, wenn das Schlichtungsverfahren der Klageerhebung zwingend vorausgegangen ist. Die Nachholung während des laufenden Rechtsstreits kann nicht mehr zur Zulässigkeit der Klage führen.

Unzutreffend ist die Auffassung der Berufung, der Bundesgerichtshof habe in dieser auch in der amtlichen Sammlung veröffentlichten Entscheidung ausschließlich "den - rechtlich einfach gelagerten Fall - des Unterschreitens der Streitwertbegrenzung [nach § 37a Abs. 1 Nr. 1 des saarländischen Landesschlichtungsgesetzes] behandelt." Vielmehr hat sich der Bundesgerichtshof mit § 15a EGZPO und generell mit der Notwendigkeit der Durchführung eines Güteversuchs vor einer Schlichtungsstelle befasst. Er hat zur der Frage, ob das obligatorische Streitschlichtungsverfahren der Klageerhebung zwingend vorausgehen muss, die hierzu in Literatur sowie Rechtsprechung unterschiedlich vertretenen Auffassung aufgezeigt und dieses Erfordernis bejaht sowie zur Begründung ausgeführt, dass der Wille des Gesetzgebers und der Sinn und Zweck der Regelung nur erreicht werde, "wenn die Vorfahrensvorschriften des § 15a EGZPO konsequent derart ausgelegt wird, dass die Rechtssuchenden und die Anwaltschaft in den durch Landesgesetz vorgegebenen Fällen vor Anrufung der Gerichte auch tatsächlich den Weg zu den Schlichtungsstellen beschreiten müssen. Könnte ein Schlichtungsversuch noch nach Klageerhebung problemlos nachgeholt werden, ohne dass Rechtsnachteile befürchtet werden müssten, so wären die vom Gesetzgeber angestrebten Zwecke kaum zu verwirklichen" (BGH, aaO).

Der Kläger kann sein Klagebegehren, wenn nunmehr das Schiedsverfahren durchgeführt ist, nur mit einer neuen Klage verfolgen (vgl. allgemein BGH, NJW 2005, 437 [439]).

2.

Die Annahme der Berufung ist trotz fehlender Erfolgsaussicht ebenso wenig aus einem der Gründe des § 522 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 oder Nr. 3 ZPO gegeben. Der vorliegende Rechtsstreit hat keine grundsätzliche Bedeutung, und eine Entscheidung des Senats ist auch nicht zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung geboten. Die maßgeblichen Rechtsfragen zur Notwendigkeit des außergerichtlichen Schlichtungsversuchs sind in der obergerichtlichen Rechtsprechung durch die vom Senat herangezogenen Entscheidungen des Bundesgerichtshofes geklärt. Im übrigen basiert die Beurteilung des Streitfalls auf einer Würdigung der Besonderheiten des konkreten Einzelfalls.

Gemäß § 522 Abs. 2 Satz 2 ZPO gibt der Senat dem Kläger Gelegenheit, zu der beabsichtigten Zurückweisung der Rechtsmittel innerhalb der in der Beschlussformel bezeichneten Frist Stellung zu nehmen.

3.

Hinsichtlich der beabsichtigten Streitwertfestsetzung folgt der Senat der von dem Parteien nicht angegriffenen Festsetzung durch das Landgericht.

Ende der Entscheidung

Zurück