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Gericht: Oberlandesgericht Köln
Beschluss verkündet am 14.11.2003
Aktenzeichen: 2 U 125/03
Rechtsgebiete: ZPO, InsO, BGB, KO


Vorschriften:

ZPO § 139 Abs. 5
ZPO § 296 a
ZPO § 522 Abs. 2
ZPO § 522 Abs. 2 Nr. 2
ZPO § 522 Abs. 2 Nr. 3
ZPO § 522 Abs. 2 Satz 2
ZPO § 529 Abs. 1 Nr. 2
ZPO § 531 Abs. 2
ZPO § 531 Abs. 2 Nr. 2
InsO § 131
InsO § 134
InsO § 134 Abs. 1
InsO § 143 Abs. 1
InsO § 146
BGB § 288
BGB § 291
KO § 41 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT KÖLN BESCHLUSS

2 U 125/03

Köln, den 14. November 2003

In Sachen

Tenor:

Der Senat beabsichtigt, die Berufung der Beklagten gegen das am 25. Juni 2003 verkündete Urteil der 28. Zivilkammer des Landgerichts Köln - 28 O 13/02 - durch einstimmigen Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen.

Die Beklagte erhält Gelegenheit, hierzu bis zum 8. Dezember 2003 Stellung zu nehmen.

Gründe:

1. Die Berufung hat keine Aussicht auf Erfolg (§ 522 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO). Das Landgericht hat die Beklagte zu Recht zur Zahlung von 50.483,48 Euro nebst den zuerkannten Zinsen verurteilt. Der Zahlungsanspruch ergibt sich in der Hauptsache aus § 143 Abs. 1 i.V.m. § 134 Abs. 1 InsO und hinsichtlich des Zinsanspruchs aus §§ 288, 291 BGB. Der Senat macht sich die zutreffenden Gründe des angefochtenen Urteils zu eigen und nimmt auf sie deshalb auch zur Begründung seiner vorliegenden Entscheidung Bezug. Das Vorbringen der Beklagten im Berufungsrechtszug veranlasst keine abweichende Beurteilung.

a) Die Zahlung der hier in Rede stehenden (Lebens)Versicherungsprämien für die Monate Juni bis August 1999 an die Beklagte stellt eine unentgeltliche Leistung im Sinne des § 134 Abs. 1 InsO dar.

Die Schuldnerin hat durch die Zahlung eine fremde Schuld - Versicherungsnehmer war Herr K. - getilgt, ohne eine gleichwertige Gegenleistung für ihre Zahlung erhalten zu haben. Anhaltspunkte dafür, dass die Schuldnerin gegenüber Herrn K. oder einem Dritten zur Tilgung der Schuld verpflichtet war, sind nicht ersichtlich und werden auch von der Beklagten nicht vorgetragen. Die Schuldnerin ist deshalb auch nicht von einer eigenen Schuld freigeworden. Sie hat auch nicht in anderer Weise einen Ausgleich für ihre Zahlung der Versicherungsprämien erlangt. Ein etwaiger bereicherungsrechtlicher Rückforderungsanspruch gegen den Versicherungsnehmer K. bleibt bei der Beurteilung der Unentgeltlichkeit außer Betracht. Eine derartige Forderung wäre nämlich angesichts der Vermögensverhältnisse des Herrn K. wirtschaftlich wertlos (vgl. zu diesem Gesichtspunkt auch BGHZ 41, 298 [300 f.]).

Das Landgericht ist in der angegriffenen Entscheidung auch zu Recht davon ausgegangen, dass die hiernach unentgeltliche Zuwendung der Schuldnerin gegenüber der Beklagten erbracht worden ist. Insoweit kommt es entscheidend darauf an, ob die Beklagte als Leistungsempfängerin für die Zuwendung durch die Schuldnerin eine Gegenleistung zu erbringen hatte. Wäre dies der Fall, würde sie als Anfechtungsgegnerin ausscheiden (vgl. auch zu diesem Gesichtspunkt BGHZ 41, 298 [301 f.]). Der Unentgeltlichkeit im Verhältnis zur Beklagten steht zunächst nicht entgegen, dass sie aufgrund der Zahlung durch die Schuldnerin ihren Zahlungsanspruch gegen den Versicherungsnehmer K. verloren hat. Diese Forderung war ebenso wie ein möglicher Rückzahlungsanspruch der Schuldnerin gegen Herrn K. wirtschaftlich wertlos. Die Beklagte kann sich auch nicht darauf berufen, Herrn K. aufgrund der erfolgten Prämienzahlungen weiterhin Versicherungsschutz gewährt zu haben. Die gezahlten Versicherungsprämien dienten ganz überwiegend der Bildung von Kapital (Kapitallebensversicherung). Erst zu einem späteren Zeitpunkt war die Beklagte zur Rückzahlung des unter Umständen vermehrten Kapitals an den Versicherungsnehmer verpflichtet; die Prämien mussten also unter Berücksichtigung einer Kapitalsteigerung lediglich zurückgezahlt werden, ohne dass die Beklagte eine darüber hinausgehende Leistung erbringen musste. Als Gegenleistung könnte deshalb allenfalls die Absicherung für das Todesfallrisiko angesehen werden (Risikolebensversicherung). Auch dieser Gesichtspunkt führt aber nicht zur Qualifizierung der Zahlungen der Schuldnerin als entgeltliche Leistung. Abgesehen davon, dass die auf die Risikoabdeckung entfallenden Prämienanteile im Verhältnis zu den Anteilen für die Kapitalbildung erheblich geringer gewesen sein und insoweit den Gesamtcharakter der unentgeltlichen Leistung der Schuldnerin nicht beeinträchtigt haben dürften, hat die Beklagte nicht näher erläutert, welcher Anteil der vereinnahmten Prämienzahlungen auf die Abdeckung des Todesfallrisikos entfiel. Hiervon war die Beklagte nicht etwa deshalb entbunden, weil grundsätzlich dem Insolvenzverwalter - hier dem Kläger - die Beweislast für die Unentgeltlichkeit einer Leistung obliegt. Da der Kläger die Unentgeltlichkeit der von der Schuldnerin erbrachten Leistungen behauptet hat, hätte es der Beklagten im Rahmen der sekundären Darlegungslast oblegen, die von ihr erbrachte Gegenleistung im einzelnen darzulegen. Hieran fehlt es.

b) Das Landgericht ist auch ohne Rechtsfehler davon ausgegangen, dass dem Zahlungsanspruch des Klägers nicht die von der Beklagten geltend gemachte Entreicherung entgegensteht. Eine Entreicherung wäre nur zu bejahen, wenn und soweit die Beklagte aufgrund der hier in Rede stehenden Prämienzahlungen für die Monate Juni bis August 1999 tatsächlich höhere Rückkaufswerte an die jeweiligen Berechtigten auszahlen musste und tatsächlich ausgezahlt hat, als dies ohne die Prämienzahlungen der Fall gewesen wäre. Bis zur letzten mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht hat die Beklagte indessen die von ihr behauptete Entreicherung nicht nachvollziehbar darzulegen vermocht. Dies hat das Landgericht unter Berücksichtigung der von der Beklagten vorgelegten vier verschiedenen Zahlenwerke im Einzelnen dargelegt. Der Senat nimmt zur Vermeidung von Wiederholungen hierauf Bezug. Hiernach divergieren bereits die Angaben zu den von der Beklagten an die Berechtigten nach der Kündigung der Lebensversicherungsverträge ausgezahlten Beträge. Auch die sich im Hinblick auf die Prämienzahlung ergebende Differenz wurde jeweils unterschiedlich berechnet, ohne dass dies nachvollziehbar erläutert wurde. Das Landgericht hat die Beklagte mehrfach auf die nicht hinreichende Nachvollziehbarkeit der vorgelegten Berechnungen hingewiesen (so durch Hinweis- und Auflagenbeschluss vom 4. September 2002, Verfügung vom 4. November 2002, Auflagenbeschluss vom 15. Januar 2003 sowie in der mündlichen Verhandlung am 7. Mai 2003). In der mündlichen Verhandlung hat das Landgericht der Beklagten darüber hinaus eine tabellarische Aufstellung überreicht, aus der sich die Differenzen im Einzelnen ergeben. Ob die Erläuterungen und die Neuberechnung der Beklagten im Schriftsatz vom 20. Juni 2003 die Entreicherung nachvollziehbar darlegen, bedarf keiner Entscheidung. Dieser Schriftsatz ist nach der mündlichen Verhandlung eingereicht worden und deshalb gemäß § 296 a ZPO nicht zu berücksichtigen. Soweit die Beklagte in der Berufungsbegründung auf diesen Schriftsatz Bezug nimmt und die von ihr geltend gemachte Entreicherung näher erläutert, ist sie mit diesem Vorbringen gemäß § 529 Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. § 531 Abs. 2 ZPO ausgeschlossen. Entgegen der Ansicht der Beklagten kann ein Verfahrensfehler des Landgerichts nicht festgestellt werden, der ausnahmsweise zur Zulassung des Vorbringens gemäß § 531 Abs. 2 Nr. 2 ZPO führen würde. Das Landgericht hat die Beklagte - wie oben ausgeführt - mehrfach auf die fehlende Nachvollziehbarkeit der vorgelegten Berechnung hingewiesen. Obwohl ein weiterer Hinweis in der mündlichen Verhandlung erfolgt ist, hat die Beklagte es unterlassen, einen Schriftsatznachlass gemäß § 139 Abs. 5 ZPO zu beantragen. Statt dessen hat sie einen Widerrufsvergleich geschlossen und nach Widerruf des Vergleichs ergänzend vorgetragen. Bei dieser Sachlage war das Landgericht auch nicht gehalten, die mündliche Verhandlung wiederzueröffnen (§ 156 ZPO). Die Beklagte hatte hinreichend Gelegenheit, ihre Rechenwerke vor und in der mündlichen Verhandlung nachvollziehbar zu erläutern.

c) Schließlich ist der Anfechtungsanspruch des Klägers auch nicht gemäß § 146 InsO verjährt. Es ist entgegen der Ansicht der Beklagten unschädlich, dass sich der Kläger nicht bereits in der Klageschrift, sondern erst nach Ablauf der Zweijahresfrist mit Schriftsatz vom 14. Februar 2002 die Anfechtung (auch) auf die Vorschrift des § 134 InsO gestützt und in tatsächlicher Hinsicht erstmalig auf die Vermögenslosigkeit des Versicherungsnehmers K. hingewiesen hat.

aa) Eine spätere Änderung des klagebegründenden Vorbringens beseitigt die Unterbrechungswirkung (nach neuem Recht: Hemmungswirkung) einer Klage nicht, wenn die neuen Behauptungen die früheren tatsächlichen Ausführungen nur berichtigen oder ergänzen (vgl. Kirchhof in MüKo zur InsO, 2002, § 146 Rdn. 19). Die Grenzen für eine unschädliche Berichtigung oder Ergänzung sind grundsätzlich erst dann überschritten, wo ein neuer oder in wesentlichen Teilen geänderter Lebenssachverhalt als Klagegrund nachgeschoben wird (vgl. Kirchhof a.a.O. unter Bezugnahme auf die noch zu § 41 Abs. 1 KO ergangene Entscheidung BGHZ 117, 374 [380 f.]). In diesem Sinne sind nach Auffassung des Senats auch die Ausführungen der von der Beklagten zitierten Kommentierung von Paulus (in: Kübler/Prütting, InsO, Stand April 2003, § 146 Rdn. 2) zu verstehen. Verjährung tritt hiernach erst ein, wenn die Sachverhaltsänderung auf die Geltendmachung eines neuen, eigenständigen Anfechtungsanspruchs hinausläuft. Dies ist bei einer bloßen Berichtigung oder Ergänzung des bisherigen Tatsachenvortrages nicht der Fall. Demgegenüber erscheinen die Ausführungen von Riggert (in: Braun, InsO, 2002, § 146 Rdn. 5), auf die sich die Beklagte ebenfalls stützt, zumindest unklar bzw. missverständlich. Hiernach muss die "Klageschrift alle Tatsachen enthalten, aus denen die Anfechtung hergeleitet wird". Dies ist insoweit zutreffend, als bei einem Fehlen der Angabe einzelner klagebegründender Tatsachen eine Klage unschlüssig ist. Auch eine derartig (zunächst) unschlüssige Klage kann jedoch verjährungsunterbrechende bzw. verjährungshemmende Wirkung haben, wenn der Streitgegenstand hinreichend konkret angegeben wird. Klagt beispielsweise ein Werkunternehmer in unverjährter Zeit auf Zahlung von Werklohn, ohne in der Klageschrift die Abnahme zu behaupten, ist die Verjährung des Werklohnanspruchs auch dann unterbrochen, wenn der Vortrag zur Abnahme erst nach Ablauf der Verjährungsfrist erfolgt. Demgegenüber kommt eine Verjährungsunterbrechung nicht mehr in Betracht, wenn der Anspruch in dem nach Verjährungsablauf eingereichten Schriftsatz auf einen anderen Auftrag gestützt wird. Entscheidend ist demnach stets, ob trotz des ergänzenden Vortrages der Streitgegenstand derselbe bleibt (in diesem Sinne auch Kirchhof a.a.O). Die Prüfung dieser Voraussetzung ist unabhängig davon, wie der Insolvenzverwalter einen von ihm unterbreiteten Lebenssachverhalt rechtlich würdigt.

bb) Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze handelt es sich bei den Ausführungen des Klägers in dem Schriftsatz vom 14. Februar 2002 um bloße Ergänzungen, ohne dass ein neuer Streitgegenstand oder ein "neuer Anfechtungsanspruch" in den Prozess eingeführt worden wäre. Den Lebenssachverhalt, auf den die hier in Rede stehende Anfechtung gestützt wird, hat der Kläger bereits in der Klageschrift in seinem wesentlichen Inhalt geschildert. Hierin wird als anfechtbare Handlung eindeutig die Prämienzahlung durch die Schuldnerin an die Beklagte für die Monate Juni bis August 1999 in Höhe von 98.737,10 DM = 50.483,48 Euro aufgeführt. Dies ist der entscheidende Lebenssachverhalt, der den Streitgegenstand neben dem Antrag des Klägers bestimmt. Auch wenn der Kläger in der Klageschrift hinsichtlich des Anfechtungsgrundes (lediglich) auf die Vorschrift des § 131 InsO verwiesen hat, unterliegt es keinem Zweifel, dass er den sich aus § 143 Abs. 1 ergebenden anfechtungsrechtlichen Rückzahlungsanspruch auf sämtliche in Betracht kommenden Anfechtungsgründe (einschließlich des § 134 InsO) stützen und nicht auf die von ihm zitierte Vorschrift beschränken wollte. Er hat nicht etwa behauptet, dass die Schuldnerin für die von ihr erbrachte Prämienzahlung ein gleichwertiges Entgelt erhalten hätte, so dass eine Anfechtung gemäß § 134 InsO von vorneherein ausgeschieden wäre. Die - dem Gericht obliegende - Prüfung dieser Vorschrift lag vielmehr deshalb nahe, weil nach dem Vortrag des Klägers die Schuldnerin die Prämienzahlungen erbracht hatte, obwohl die Beklagte nur einen Anspruch gegen den Versicherungsnehmer K., nicht jedoch gegen die Schuldnerin hatte. Bei dieser Sachlage ist es unschädlich, dass der Kläger in dem bereits erwähnten Schriftsatz vom 14. Februar 2002 zur Vermögenslosigkeit des Versicherungsnehmers K. näher vorgetragen und nunmehr die Anfechtung auch ausdrücklich zusätzlich auf die Vorschrift des § 134 InsO gestützt hat. Eine Änderung des Streitgegenstandes ist hiermit nicht verbunden gewesen. Die Beklagte verkennt, dass eine Verjährungsunterbrechung durch Klageerhebung nicht voraussetzt, dass sämtliche Anspruchsvoraussetzungen bereits in der Klageschrift aufgeführt worden sind.

2. Die Annahme der Berufung ist trotz fehlender Erfolgsaussicht auch nicht aus den Gründen des § 522 Abs. 2 Nr. 2 und 3 ZPO veranlasst. Der vorliegende Rechtsstreit hat keine grundsätzliche Bedeutung, und eine Entscheidung des Senats ist auch nicht zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung geboten. Vielmehr beruht die Beurteilung des Streitfalls lediglich auf einer Würdigung der Umstände des konkreten Einzelfalls.

3. Gemäß § 522 Abs. 2 Satz 2 ZPO gibt der Senat der Beklagten unter Hinweis auf die beabsichtigte Zurückweisung und die hierfür maßgeblichen Gründe Gelegenheit zur Stellungnahme innerhalb der in der Beschlussformel bezeichneten Frist.

Ende der Entscheidung

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