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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Köln
Urteil verkündet am 19.12.2007
Aktenzeichen: 2 U 132/06
Rechtsgebiete: EGBGB, Niederländisches Erbkollisionsgesetz, BGB


Vorschriften:

EGBGB Art. 3 Abs. 2
EGBGB Art. 25
Niederländisches Erbkollisionsgesetz vom 4. September 1996
BGB § 2109
1. Hatte ein in Deutschland verstorbener Erblasser, der zum Zeitpunkt des Todes die niederländische Staatsangehörigkeit besaß, zu seinem Heimatstaat keinerlei Beziehungen mehr, so ist auf den Erbfall auch vor dem Inkrafttreten des niederländischen Erbkollisionsgesetzes vom 4. September 1996 (Wef conflichtenrecht erfopvolging) das Recht des letzten gewöhnlichen Aufenthaltsorts anzuwenden.

2. Zur Anordnung einer zeitlich beschränkten Vor- und Nacherbschaft in einer testamentarischen Verfügung.


Tenor:

Auf die Berufung des Beklagten wird das am 11. Oktober 2006 verkündete Urteil der 13. Zivilkammer des Landgerichts Bonn - 13 O 119/05 - abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten beider Instanzen des Rechtsstreits hat der Kläger zu tragen.

Dieses Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils beizutreibenden Betrages leisten.

Gründe:

(Anstelle von Tatbestand und Entscheidungsgründen gemäß § 540 Abs. 1 S. 1 ZPO)

I.

Der Kläger ist der Urenkel der am 17. Oktober 1971 verstorbenen B E (nachfolgend Erblasserin). Diese hatte zwei Kinder, Frau J L, geb. E, die Großmutter des Klägers, sowie Herrn I E. Aus der Ehe von Frau J L mit dem Beklagten sind zwei Kinder hervorgegangen, K L, der Vater des Klägers, sowie Q M-L. Zudem hat der Beklagte einen weiteren Sohn, S C. K L hat wiederum zwei Kinder, nämlich den Kläger und dessen Schwester N U, geb. L.

Die in Essen geborene Erblasserin hatte durch Eheschließung ihre deutsche Staatsangehörigkeit verloren und die niederländische erlangt und diese bis zu ihrem Tode behalten. Der Wohnsitz der Erblasserin war stets in Deutschland. Die Erblasserin hatte am 6. Juli 1971 - zu diesem Zeitpunkt war ihr Ehemann bereits verstorben - ein notarielles Testament errichtet (Urkundenrolle-Nr. ### für 1971 des Notars I1 in A) errichtet, in dem es u.a. heißt:

"Ich will ein Testament errichten und bin durch frühere Verfügungen von Todes wegen hieran nich(t) gehindert. Ich habe die niederländische Staatsangehörigkeit, bin jedoch geboren in deutscher Staatsangehörigkeit, - die niederländische Staatsangehörigkeit habe ich erst durch die Eheschließung erworben, - mein Wohnsitz war stets nur in Deutschland. ....

§ 1

Zu meinen Erben setze ich, je zur Hälfte beteiligt, ein:

1. meinen Sohn I E, .....

2. meine Tochter J L ...

.......

§ 3

Meine Tochter soll lediglich befreite Vorerbin sein.

Zu Nacherben setze ich die leiblichen, ehelichen Abkömmlinge meiner Tochter J ein, und zwar unter sich zu gleichen Teilen, nach Stämmen. Heute hat J 2 Kinder nämlich K und Q.

Die Nacherbfolge tritt ein beim Tode der Vorerbin, - vorzeitig beim Tode des Vaters der Nacherben, X L; sofern dann dessen Kind S C ebenfalls verstorben ist, ist der Vorerbe zugleich alsdann Nacherbe, - sonst sind die Kinder und Abkömmlinge nach Stämmen meiner Tochter J ersatzweise gegenseitig Vor- und Nacherbe jeweils bis zum Tode von Herrn X L und dessen Kind S C. Nach 30 Jahren sind jeweilige Vorerben alsdann zugleich Nacherben. Tod im Sinne des Eintritts der Nacherbfolge ist auch rechtswirksamer Verzicht auf jegliches Erb- und Pflichtteilsrecht durch X L und dem Stamm S C.

Der Ehemann X L und das Kind S C sind in jedem Fall von jeglicher Erbfolge ausgeschlossen, soweit immer gesetzliche Erbrechte für diese bestehen sollten.

§ 4

Alle Erbrechte meiner Tochter J sind Vorbehaltsgut und jeglichem ehemännlichen Einfluß entzogen. Ebenso ist jegliche Unterhaltsausgleichspflicht - auch gemäß § 1649 BGB - durch den Vater X L nicht ausübbar. wenn die Kinder Erben sind und während ihrer Minderjährigkeit dem Vater Nutzungs- oder Verwaltungsrechte zustehen

Zur Verwaltung der Nacherbenrechte und zum Zwecke der frei Verfügung über Nachlassgegenstände während der Dauer des Bestehens der Nacherbfolge ernenne ich zur Wahrnehmung der Nacherbenrechte zum Testamentsvollstrecker meinen Sohn:

I E, wohnhaft in A, M-Straße 20, ersatzweise bitte ich das Nachlassgericht einen Ersatztestamentsvollstrecker zu ernennen."

Die Ehefrau des Beklagten war zunächst Alleininhaberin eines Speditionsbetriebes, an dem später auch der Beklagte sowie der Vater des Klägers beteiligt waren. Am 20. Oktober 1990 übertrugen die Eheleute ihre Geschäftsanteile auf ihren Sohn. Im Jahre 1998 wurde über den Betrieb das Konkursverfahren eröffnet. Im Anschluss hieran nahmen die Gläubiger der Gesellschaft die Eheleute aufgrund gestellter Sicherheiten in Anspruch.

Durch notariellen Vertrag vom 26. September 2000 (Urkundenrolle-Nr. ###1/2000 des Notars Y in B1) i.V.m. dem Vertrag vom 16. Mai 2001 (Urkundenrolle-Nr. ###2/2001 des Notars Y in B1) verkauften die Eheleute neun in der Gemarkung J1 gelegene Grundstücke zu einem Gesamtbruttoverkaufspreis von 2.101.875,60 DM. Eigentümer dieser Parzellen war die Ehefrau des Beklagten. Sechs der veräußerten Grundstücke - nämlich die Flurstücke Nr. 2245, 2246, 2247, 2249, 2250 und 2251 - gehörten zum ursprünglichen Nachlass der Erblasserin. Die übrigen - nämlich die Flurstücke 1889, 1888 und 1956 - hatte die Ehefrau in den Jahren 1973 und 1979 erworben. Auf den neun Parzellen waren vor dem Verkauf bereits vorhandene Aufbauten erweitert und zusätzlich ein Mehrfamilienhaus und mehrere Hallen errichtet worden. Streit besteht zwischen den Parteien darüber, wer hierzu die finanziellen Mittel aufbrachte.

Mit dem Erlös sind die Verbindlichkeiten der Spedition, für die die Eheleute Sicherheiten bestellt hatten, getilgt worden. Der verbleibende Restbetrag von 520.000,00 DM wurde am 20. Februar 2001 auf einem gemeinsames Konto der Ehegatten bei der D-Bank gutgeschrieben. Am 23. Februar 2001 erfolgte eine Überweisung in Höhe von 519.933,78 DM auf ein gemeinsames Depot der Eheleute bei der D-Bank. Streit besteht zwischen den Parteien darüber, ob es sich hierbei um den Restkaufpreis aus den Grundstücksverkäufen handelt.

Die Ehefrau des Beklagten verstarb am 26. März 2002. Zu diesem Zeitpunkt wies das gemeinsame Depotkonto des Beklagten und seiner Ehefrau bei der D-Bank ein Guthaben von 97.169,38 € aus. Nach dem Tod stellte der Beklagte die zu der D-Bank bestehende Kundenbeziehung auf sich um. Das Amtsgericht Königswinter (13 VI 46/03) erteilte am 10. Februar 2003 einen Erbschein, wonach der Beklagte zu 1/2 und die beiden Kinder, der Vater des Klägers sowie Frau M-L, zu je 1/4 Erben von Frau J L geworden sind. Hinsichtlich der Nacherbschaft nach der Erblasserin B E schlug der Vater des Klägers die Nacherbschaft wirksam aus. Das Amtsgericht Bonn erteilte am 2. Dezember 2003 (34 VI 582/03 E) einen gemeinschaftlichen Erbschein, nach dem der Kläger und seine Schwester zu je 1/4 Erben und die Tochter der Erblasserin, Frau M-L, zu 1/2 Erben nach der im Jahre 1971 verstorbenen B E geworden sind. Mit Schreiben vom 30. Mai 2005 teilte das Amtsgericht Bonn mit, es sei beabsichtigt, diesen Erbschein wegen Unrichtigkeit einzuziehen und einen neuen Erbschein zu erteilen, nach dem der Kläger und seine Schwester zu je 1/8, Frau M-L zu 1/4 und Herr I E zu 1/2 Erbe geworden sind. Zugleich sollte in den Erbschein aufgenommen werden, dass die Erben zu 1) bis 3) Nacherben der am 26. März 2002 verstorbenen befreiten Vorerbin geworden sind. Mit Beschluss vom 2. Dezember 2005 ordnete die Amtsrichterin zunächst das Ruhen des Erbscheinverfahrens an.

Am 23. Dezember 2003 wurde Rechtsanwalt Dr. G - beschränkt auf den Nachlass, der sich in Deutschland befindet - zum Testamentsvollstrecker für den Nachlass der Erblasserin bestellt.

Mit der vorliegenden Klage verlangt der Kläger die Zahlung des zum Zeitpunkt des Todes auf dem Depotkonto vorhandenen Guthabens in Höhe von 97.169,38 € an die ungeteilte Nacherbengemeinschaft. Mit Schriftsatz vom 7. November 2005 hat der Testamentsvollstrecker den Kläger ermächtigt, den streitbefangenen Anspruch im eigenen Namen auf Leistung an den Testamentsvollstrecker geltend zu machen.

Der Kläger hat vorgetragen, der aus der Veräußerung der Grundstücke verbliebene Restkaufpreis von 520.000,00 DM sei gemäß § 2111 BGB dem "Nachlass der Oma B" zuzurechnen. Dieser Betrag sei am 23. Februar 2001 in Höhe von 519.933,78 DM auf das gemeinsame Depotkonto geflossen. Die Hälfte dieses Betrages (260.000,00 DM) stelle eine nach § 2113 Abs. 2 BGB unwirksame unentgeltliche Verfügung zugunsten des Beklagten dar, der an die Erbengemeinschaft zu erstatten sei. Bei dem am Todestag der Ehefrau des Beklagten auf dem gemeinsamen Depotkonto bestehenden Guthaben von 97.169,38 € handele es sich um den verbliebenen Restbetrag der ursprünglich eingezahlten 520.000,00 DM. Dieser Betrag sei daher auf die Nacherben der Erblasserin übergegangen. Zudem hat der Kläger die Ansicht vertreten, die testamentarisch angeordnete Testamentsvollstreckung habe nur für die Dauer von 30 Jahren ab dem Zeitpunkt des Todes der Erblasser - im Jahre 1971 - bestanden und sei daher nunmehr entfallen.

Der Kläger hat beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, an die Nacherbengemeinschaft nach Frau B E 97.169,38 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 13. April 2005 zu zahlen,

hilfsweise,

die Beklagte zu verurteilen, an den Testamentsvollstrecker Herrn Rechtsanwalt Dr. S G für die Nacherbengemeinschaft nach B E 97.169,38 € nebst 5 % Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank ab Rechtshängigkeit zu zahlen.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hat die Miterbenstellung des Klägers bestritten. Zudem hat er geltend gemacht, die veräußerten Grundstücke seien wirtschaftlich nicht dem Vermögen der Erblasserin zuzuordnen gewesen, da der von der Erblasserin hierfür gezahlte Kaufpreis mit Mitteln beglichen worden sei, die von ihm und seiner Ehefrau aus dem Speditionsbetrieb stammten. Er sei sich nach dem Tod der Erblasserin mit seiner Ehefrau darüber einig gewesen, dass er an den Grundstücken, wenn auch nicht juristisch, so jedoch wirtschaftlich beteiligt sei. Daher habe er umfangreiche Investitionen getätigt, die sich in dem erzielten Kaufpreis niedergeschlagen hätten. In Höhe der Differenz zwischen den reinen Grundstückswerten - diese hat er mit 485.000,00 DM beziffert - und dem erzielten Kaufpreis stehe ihm ein Ausgleichsanspruch zu, der sich auf etwa 1.433.400,00 DM belaufe.

Weiterhin hat der Beklagte behauptet, aus dem erhaltenen Kaufpreis seien noch 179.979,52 DM Mehrwertsteuer an das Finanzamt abgeführt worden, so dass lediglich ein Betrag von 342.075,04 DM verblieben sei. Bei dem auf dem Wertpapierdepot eingezahlten Betrag habe es sich nicht um den Resterlös aus dem Grundstückskaufvertrag gehandelt. Somit stamme das am Todestag auf dem gemeinsamen Depotkonto vorhandene Guthaben von 97.169,38 € nicht aus den Grundstücksverkäufen. Zudem seien die Nachlassverbindlichkeiten (Beerdigung und Grab der Ehefrau) zu berücksichtigen.

Das Landgericht hat nach Einholung eines Gutachtens des Sachverständigen Z vom 23. Februar 2006 zu dem Wert des nicht der Nacherbfolge unterliegenden Grundbesitzes "L-Straße 14-16, xxxxx J1" und nach schriftlicher Anhörung des Sachverständigen durch Urteil vom 11. Oktober 2006 i.V.m. dem Tatbestandsberichtigungsbeschluss vom 27. November 2006 den Beklagten verurteilt, an den Testamentsvollstrecker für die Nacherbengemeinschaft nach B E, gestorben am 17. Oktober 1971, Herrn Dr. G, 97.169,38 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 13. April 2005 zu zahlen und im Übrigen - nämlich hinsichtlich der in erster Linie erstrebten unmittelbaren Zahlung an die Nacherbengemeinschaft - die Klage abgewiesen.

Zur Begründung hat das Landgericht im Wesentlichen ausgeführt, es liege ein Fall der alternativen Klagehäufung vor. Der Kläger habe den Betrag von 97.169,38 € auf drei unterschiedliche Klagegründe gestützt. Erstrangig verfolge er einen Anspruch auf Auszahlung des zum Zeitpunkt des Nachlasses auf dem Gemeinschaftskonto der Eheleute bestehenden Guthabens. Da die Klage insoweit gemäß §§ 2138 Abs. 1, 2058 BGB Erfolg habe, komme es auf das Rangverhältnis der beiden anderen - von dem Landgericht nicht geprüften - Ansprüche nicht mehr an. Die Miterbenstellung ergebe sich aus dem Erbschein, der gemäß § 2365 BGB die Vermutung der Richtigkeit für sich habe. Der Kläger sei aufgrund der erteilten Ermächtigung des Testamentsvollstreckers prozessführungsbefugt. Bei der angeordneten Testamentsvollstreckung handele es sich um eine Nacherbenrechtetestamentsvollstreckung im Sinne des § 2222 BGB. Die Nacherbfolge, mit deren Eintritt die Testamentsvollstreckung nach § 2222 BGB ende, sei noch nicht eingetreten. Zwar sei mit dem Tod der Vorerbin der erste Nacherbfall eingetreten. Die Erblasserin habe allerdings durch die in § 3 des Testaments enthaltene Regelung mehrere Personen nacheinander zu Nacherben eingesetzt (sog. gestufte oder mehrfache Nacherbfolge). Bis zum endgültigen Eintritt der Nacherbfolge - nämlich dem Tod des Beklagten und seines Sohnes S C bzw. dem Verzicht dieser Personen auf etwaige Ansprüche - sei der zunächst berufene Nacherbe wieder nur Vorerbe des Nachlasses im Verhältnis zu den nachfolgenden Nacherben. Ein Wegfall der Nacherbenstellung sei auch nicht nach § 2109 Abs. 1 S. 1 BGB erfolgt, da die Ausnahmeregelung des § 2109 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 BGB eingreife. Aus der Regelung in § 3 Abs. 2 S. 2 des Testaments ergebe sich nichts anderes. Eine Gesamtwürdigung rechtfertige die Annahme, dass die 30-Jahresfrist erst mit dem Tod der ersten Vorerbin im Jahre 2002 zu laufen begonnen habe. Der Anspruch aus § 2138 BGB richte sich gegen den Vorerben. Da hier der Nacherbfall mit dem Tod der Vorerbin festgelegt sei, sei der Anspruch mit dem Tod der Ehefrau des Beklagten entstanden und richte sich gegen die Erbengemeinschaft, wozu auch der Beklagte gehöre (§ 2058 BGB). Der zum Zeitpunkt des Todes der Ehefrau des Beklagten auf dem Gemeinschaftskonto vorhandene Betrag von 97.169,38 € gehöre vollständig zum Nachlass der Erblasserin, was näher ausgeführt wird.

Gegen diese am 19. Oktober 2006 zugestellte Entscheidung hat der Beklagte mit einem am 14. November 2006 bei Gericht eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt, die er nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 19. Januar 2007 mit einem am 17. Januar 2007 bei Gericht eingegangenen Schriftsatz fristgerecht begründet hat.

Der Beklagte beruft sich darauf, der Kläger sei nicht Nacherbe seiner am 17. Oktober 1971 verstorbenen Urgroßmutter geworden. Daher sei der Kläger bereits nicht prozessführungsbefugt. Der Kläger könne seine Miterbenstellung nicht aus dem Erbschein des Amtsgerichts Bonn vom 2. Dezember 2003 herleiten, da auch das Amtsgericht von der Unrichtigkeit dieses Erbscheins ausgehe. Zudem bestehe kein Zahlungsanspruch. Die Tochter der Erblasserin - seine Ehefrau - sei zum Zeitpunkt ihres Todes Vollerbin gewesen. Frau J L habe die Erblasserin länger als 30 Jahre überlebt, so dass die Einsetzung eines Nacherben gemäß § 2109 Abs. 1 Satz 2 BGB mit dem Ablauf der 30 Jahre nach dem Erbfall unwirksam geworden sei. Aus der testamentarischen Anordnung der Erblasserin ergebe sich keine anderslautende Regelung. Damit sei auch die Testamentsvollstreckung beendet. Zudem macht der Beklagte weitere Ausführungen hinsichtlich des ihm - nach seiner Auffassung - zustehenden Aufwendungsersatzanspruchs in Höhe von 1.433.400,00 DM.

Der Beklagte beantragt,

unter Aufhebung des Urteils des Landgerichts Bonn vom 11. Oktober 2006 (13 O 119/05) die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt das angefochtene Urteil mit der Auffassung, ihm stehe der geltend gemachte Zahlungsanspruch aus §§ 2138, 2058 BGB zu. Der Wortlaut der testamentarischen Anordnung spreche dagegen, dass durch Ablauf der 30-Jahres-Frist die zunächst als Vorerbin eingesetzte Ehefrau des Beklagten Vollerbin geworden ist. Damit bestehe die Testamentsvollstreckung fort. Zudem trägt er weiter zu dem von dem Beklagten geltend gemachten Aufwendungsersatzanspruch vor.

Der Senat hat mit Beschluss vom 1. August 2007 ein Rechtsgutachten des Direktors des Instituts für internationales und ausländisches Recht der Universität Q1, Prof. Dr. T, eingeholt. Wegen aller weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der zwischen den Parteien in beiden Rechtszügen gewechselten Schriftsätze und den diesen Schriftsätzen beigefügten Anlagen, auf das Urteil des Landgerichts Bonn vom 11. Oktober 2007 sowie auf das Rechtsgutachten vom 24. September 2007 verwiesen.

II.

Die in formeller Hinsicht bedenkenfreie Berufung hat auch in der Sache Erfolg.

1.

Das Landgericht hätte allerdings seiner Beurteilung nicht deutsches Recht zugrunde legen dürfen, ohne zuvor positiv festzustellen, dass das Erbstatut sich nach deutschem Recht bestimmt.

Dass die Erblasserin tatsächlich nach deutschem Recht beerbt wird, ergibt sich aus folgenden Erwägungen: Da die Erblasserin zum Zeitpunkt der Errichtung des notariellen Testaments und bis zu ihrem Tode die niederländische Staatsangehörigkeit besaß und staatsvertragliche Regelungen, die gemäß Art. 3 Abs. 2 EGBGB vorrangig zu beachten wären, zu dem maßgeblichen Zeitpunkt - nämlich am 17. Oktober 1971 - nicht bestanden, verweist das deutsche internationale Privatrecht für das Erbstatut auf das Recht der Niederlande. Art. 25 Satz 1 EGBGB in der bis zum 31. August 1986 geltenden Fassung vom 18. August 1896 knüpfte hinsichtlich des Erbstatuts an die Staatsangehörigkeit des Erblassers zum Zeitpunkt des Todes an (vgl. auch BGHZ 19, 315 [317]; BGHZ 24, 352 [358]; Erman/Marquordt, BGB, 5. Auflage 1972, Art. 24, 25 Rdnr. 9); diese Verweisung auf das Recht des Staates, dem der Erblasser zu jenem Zeitpunkt angehört hat, erstreckt sich auch auf dessen internationales Privatrecht (Art. 27 EGBGB a.F.). Dabei ist das Erbstatut für den ganzen Bereich erbrechtlicher Rechtsverhältnisse maßgebend, so auch für die Zulässigkeit und Inhalt der Nacherbschaft (vgl. Erman/Marquordt, aaO, Art. 24, 25 Rdnr. 10).

Das am 1. Oktober 1996 in den Niederlanden in Kraft getretene Gesetz vom 4. September 1996 über das Kollisionsrecht der Erbfolge (Wef conflichtenrecht erfopvolging, WCErf; vgl. dazu auch Senat, Beschluss vom 6. November 2002, 2 W 105/02; BayObLG, NJW-RR 2001, 297; AnwK/Süß, BGB, 2. Auflage 2007, Länderbericht Niederlande Rdnr. 4 ff.; Schmellenkamp, MittRhNotK 1997, 245 [248 ff.]; Weber in Ferid/Firsching, Niederlande, Vorbem. Rdnr. 2) gilt erst für Nachlässe, die durch einen Erbfall nach dem 30. September 1996 eröffnet worden sind (AnwK/Süß, aaO, Rdnr. 2). Für die vor dem 1. Oktober 1996 eingetretenen Erbfälle war gesetzlich in den Niederlande nicht geregelt, welches Recht anzuwenden ist. Vielmehr knüpfte die Rechtsprechung in den Niederlanden grundsätzlich an die Staatsangehörigkeit des Erblassers zum Zeitpunkt seines Todes an (vgl. Ebke, RabelsZ 48 (1984), 319 [325], Koenigs, MittRhNotK 1987, 238 [239]; AnwK/Süß, BGB, 2. Auflage 207, Länderbericht Niederlande Rdnr. 1). Dabei wurde der Grundsatz der kollisionsrechtlichen Nachlasseinheit streng durchgeführt, insbesondere wurden grundsätzlich kein vorrangiges Einzelstatut im Sinne von Art. 3 Abs. 3 EGBGB oder eine Rechtswahl des Erblassers anerkannt.

Von diesem Grundsatz ließen, wie Professor Dr. T in seinem von dem Senat eingeholten Rechtsgutachten vom 24. September 2007 näher unter Heranziehung der entsprechenden Entscheidungen dargelegt hat, niederländische Instanzgerichte für bestimmte Fälle Ausnahmen zu. Hatte der Erblasser zu seinem Heimatstaat keinerlei echte Bindungen mehr und besaß er eine größere Nähe zum Wohnsitzstaat, so wandten diese Gerichte auf die Erbfolge nach einem Ausländer das niederländische Wohnsitzrecht an (vgl. auch Ebke, RabelsZ 48 (1948), 319 [338 ff. m.w.N.]; AnwK/Süß, aaO, Rdnr. 1). Aus dieser in Ausnahmefällen vorgenommenen Anknüpfung an den letzten gewöhnlichen Aufenthalt hat der Sachverständige den Schluss gezogen, dass bereits im Jahre 1971 aus niederländischer Sicht keine Bedenken bestanden, wenn deutsche Gerichte in vergleichbaren Fällen bei niederländischen Staatsangehörigen entsprechend verfuhren. So sprachen auch nach Auffassung der niederländischen Gerichte die besseren Gründe dafür, in den Fällen, in denen - wie hier - eine engere Verbindung zu dem Recht des Staates des gewöhnlichen Aufenthalts bestand, für das Erbstatut dessen Recht anzuwenden. Entsprechend war im niederländischen Recht bereits lange vor dem Inkrafttreten des Erbkollisionsgesetzes vom 4. September 1996 eine Entwicklung weg von der Anknüpfung des Erbstatuts an die Staatsangehörigkeit des Erblassers und hin zum letzten gewöhnlichen Aufenthalt zu beobachten, die bereits im Jahr 1971 weit fortgeschritten war. Dieser Rechtsentwicklung hat das Kollisionsgesetz aus dem Jahre 1996 Rechnung getragen und die Rechtsnachfolge von Todes wegen vorbehaltlich einer Rechtswahl des Erblassers und vorbehaltlich außergewöhnlicher Umstände dem Recht des Staates unterstellt, in dem der Erblasser zum Zeitpunkt seines Todes seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte, wenn er sich mindestens fünf Jahre vor seinem Tode in diesem Staat aufgehalten hatte. Diesen überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen, die auch von den Parteien nicht in Frage gestellt worden sind, schließt sich der Senat an.

Die Zurückverweisung durch das niederländische Recht wurde gemäß Art. 27 EGBGB a.F. von dem deutschen Recht angenommen, so dass vorliegend für die Erbfolge insgesamt die Vorschriften des deutschen Rechts heranzuziehen sind.

2.

Unter Beachtung der einschlägigen Vorschriften des deutschen Rechts ist die Annahme des Landgerichts, die Großmutter des Klägers sei im Jahre 2001 noch nicht "endgültige" Nacherbin geworden, unzutreffend. Maßgeblich ist die in § 3 des notariell errichteten Testaments von der Erblasserin getroffene Anordnung: Eindeutig ist im Testament eine Vor- und Nacherbfolge in den Erbteil der Tochter der Erblasserin angeordnet worden. Vorerbin sollte die Großmutter des Klägers und Nacherben die beiden Kinder der Großmutter, die Enkel der Erblasserin, sein. Entscheidend ist damit, unter welchen Voraussetzungen nach den Vorstellungen der Erblasserin die Nacherbfolge eintreten bzw. die Vorerbin Vollerbin werden sollte. Zunächst ging die Erblasserin entsprechend den im Testament zum Ausdruck gebrachten Vorstellungen von dem Eintritt der Nacherbfolge mit dem Tod der Vorerbin aus. Hieran schließt sich, getrennt durch ein Komma, der Satz "sonst sind die Kinder und Abkömmlinge nach Stämmen meiner Tochter J ersatzweise gegenseitig Vor- und Nacherben jeweils bis zum Tode von Herrn X L und dessen Kind S C" an. Daneben sollte, wie in der testamentarischen Verfügung der Erblasserin zum Ausdruck kommt, die Nacherbfolge aber auch in weiteren Fällen eintreten. So sieht das Testament - zwischen den beiden vorstehend zitierten Halbsätzen in Parenthese gefasst - eine Ausnahme für den Fall vor, dass der Ehemann der Beklagten vor der Vorerbin verstirbt. Schließlich sollte die Nacherbfolge vorzeitig "beim Tode des Vaters der Nacherben" eintreten. Zusätzlich ist insoweit noch eine besondere Regelung für den Fall getroffen worden, dass zu diesem Zeitpunkt der Sohn des Beklagten bereits verstorben ist. Für diesen Fall ist angeordnet, dass der Vorerbe zugleich Nacherbe wird.

Neben diesen ausführlichen Bestimmungen zu dem Zeitpunkt bzw. dem Ereignis des Eintritts der Nacherbfolge, hat die Erblasserin aber weitere Anordnungen dazu getroffen, wann, unabhängig von dem Tod der Vorerbin, des Beklagten bzw. des Sohnes des Beklagten die Großmutter des Klägers Vollerbin wird. So schließt sich an die Regelungen zu der Vor- und Nacherbschaft der neue Satz "Nach 30 Jahren sind jeweilige Vorerben alsdann zugleich Nacherben" an. Damit wird eine Bestimmung getroffen, die nicht an den Tod eines der testamentarisch erwähnten Personen anknüpft. Vielmehr wird eine allgemeine Regelung für die gesamte testamentarisch angeordnete Nacherbfolge angeordnet. Es soll nach 30 Jahren der Vorerbe zugleich Nacherbe sein und damit - wie auch bereits im Falle des Todes des Ehemannes sowie seines Sohnes - das Recht eines Vollerben besitzen. Dieser von der Erblasserin in ihrem Testament zum Ausdruck gebrachten Wille, trägt letztlich der gesetzlichen Bestimmung des § 2109 Abs. 1 Satz 1 BGB Rechnung, ohne die nach § 2109 Abs. 1 Satz 2 BGB gesetzlich vorgesehene Möglichkeit einer Ausnahme anzuordnen. Anhaltspunkte für einen abweichenden Willen der Erblasserin ergeben sich weder aus der testamentarischen Anordnung selbst noch aus dem Vortrag der Parteien des vorliegenden Rechtsstreits. Insbesondere zeigt auch der Kläger nicht auf, dass die Erblasserin mit den gewählten Formulierungen eine andere - über den Wortlaut hinausgehende oder von ihm abweichende - Bestimmung hätte treffen wollen.

Weiterhin bestehen keine Bedenken hinsichtlich der Wirksamkeit der entsprechenden Regelung der Erblasserin. Mit dieser Anordnung hat die Erblasserin letztlich der in dem Gesetz zum Ausdruck gekommenen Wertung des Gesetzgebers Rechnung getragen. Gemäß § 2109 Abs. 1 Satz 1 BGB wird eine Einsetzung eines Nacherben mit Ablauf von 30 Jahren nach dem Erbfall unwirksam, wenn nicht vorher der Fall der Nacherbfolge eingetreten ist. Hiermit soll eine übermäßig lange Bindung des Vermögens durch den Erblasser und damit ein dem Familien-Fideikomiss vergleichbarer Zustand verhindert werden (Reimann, NJW 2007, 3034 [3035]). Die Frist beginnt mit dem auf den Tod des Erblassers folgenden Tag und endet 30 Jahre später (§§ 187 Abs. 1, 188 Abs. 2 BGB). Die 30-jährige Begrenzung der Nacherbfolgeanordnung gilt auch bei der gestaffelten Nachfolgenanordnung, so dass auch insoweit die angeordnete Nacherbfolge 30 Jahre nach Eintritt des Erbfalls unwirksam wird.

Damit steht unter Berücksichtigung der vorstehenden Ausführungen zur sicheren Überzeugung des Senats (§ 286 ZPO) fest, dass nach den Vorstellungen der Erblasserin die Vor- und Nacherbschaft zeitlich auf 30 Jahre beschränkt werden sollte. Folge dieser Regelung ist, dass vorliegend die Einsetzung von Nacherben mit dem Ablauf von 30 Jahren unwirksam geworden ist, da keine der in dem Testament vorgesehenen Ausnahmen eingetreten ist und die Großmutter des Klägers erst mehr als 30 Jahre nach dem maßgeblichen Erbfall verstarb. Die Ehefrau des Beklagten hat damit im Zeitpunkt des Fristablaufs die Rechtsstellung eines Vollerben erhalten und der Nachlass ist in ihr freies Vermögen übergegangen, so dass die - letztlich - auf Zahlung an die Nacherbengemeinschaft gerichtete Klage abgewiesen werden muss.

III.

Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision sind nicht gegeben. Die Sache hat weder grundsätzliche Bedeutung, noch bedarf es einer Entscheidung des Revisionsgerichts zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung. Vielmehr sind die hier maßgeblichen Rechtsfragen in der obergerichtlichen Rechtsprechung seit langem geklärt. Zudem beruht die Entscheidung lediglich auf einer Würdigung der konkreten Umstände des vorliegenden Einzelfalls.

Gegenstandswert des Berufungsverfahrens: 97.169,38 €

Ende der Entscheidung

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