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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Köln
Beschluss verkündet am 06.03.2003
Aktenzeichen: 2 U 135/02
Rechtsgebiete: ZPO, BGB


Vorschriften:

ZPO § 78 Abs. 4
ZPO §§ 80 ff.
ZPO § 239
ZPO § 239 Abs. 1
ZPO § 244 Abs. 1
ZPO § 246
ZPO § 246 Abs. 1
ZPO § 249 Abs. 1
BGB § 1897
BGB § 1902
BGB § 1922
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT KÖLN BESCHLUSS

2 U 135/02

In dem Rechtsstreit

hat der 2. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters am Oberlandesgericht Schmidt-Eichhorn, des Richters am Oberlandesgericht Dr. Sternal sowie des Richters am Landgericht Dr. Göbel

am 6. März 2003

beschlossen:

Tenor:

Es wird festgestellt, daß der Rechtsstreit mit dem Tod der (früheren) Klägerin am 11. Januar 2003 unterbrochen ist.

Gründe:

1. Mit der Klage hat die Klägerin, vertreten durch ihren Betreuer, Herrn Rechtsanwalt C, den Beklagten auf Zahlung eines Betrages von 6.727,57 € in Anspruch genommen. Gegen das die Klage ganz überwiegend abweisende Urteil hat sie Berufung eingelegt. Auf Antrag von Rechtsanwalt C wurde die Berufungsbegründungsfrist bis zum 15. Januar 2003 verlängert. Durch einen am 16. Januar 2003 beim Oberlandesgericht eingegangenen Schriftsatz hat Rechtsanwalt C mitgeteilt, dass die Klägerin am 11. Januar 2003 verstorben sei. Nach Hinweis auf Bedenken an der Zulässigkeit der Berufung hat Rechtsanwalt C in seiner Stellungnahme darauf verwiesen, nicht als Prozessbevollmächtigter der Klägerin, sondern als deren Betreuer tätig geworden zu sein. Es müsse den Erben der Klägerin überlassen werden, ob sie den Prozess aufnähmen oder nicht.

2. Mit dem Tod der Klägerin ist gemäß § 239 Abs. 1 ZPO eine Unterbrechung des Verfahrens eingetreten. Dem steht die Vorschrift des § 246 Abs. 1 ZPO nicht entgegen. Zwar wurde die Klägerin sowohl erstinstanzlich als auch im Berufungsverfahren von Rechtsanwalt C als "Prozessbevollmächtigten" im Sinne des § 246 ZPO vertreten, wobei allerdings die Vorschrift nicht voraussetzt, dass die Vertretung gerade durch einen Rechtsanwalt erfolgt. Rechtsanwalt C ist vorliegend in gleicher Weise, wie wenn er sich selbst vertreten hätte (§ 78 Abs. 4 ZPO), nicht nur als gesetzlicher Vertreter der Klägerin, sondern auch als ihr Prozessvertreter aufgetreten und hat in dieser Eigenschaft auch Prozesshandlungen vorgenommen. Auch wenn ein Rechtsanwalt - wie hier - die Stellung eines gesetzlichen Vertreters für eine Partei einnimmt, ändert dies grundsätzlich nichts an seiner Stellung als Prozessbevollmächtigter (vgl. BFH, DB 1985, 28; KG, NJW 1955, 593). Dies folgt vorliegend bereits daraus, dass andernfalls die Klage als unzulässig hätte abgewiesen und die namens der Klägerin eingelegte Berufung als unzulässig hätte verworfen werden müssen, weil vor dem Land- und dem Oberlandesgericht nur ein zugelassener Rechtsanwalt postulationsfähig (vgl. § 78 Abs. 1 ZPO) ist. Dass die Klägerin hiernach durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten wurde, rechtfertigt als solches aber nach Auffassung des Senats noch nicht die Anwendung des § 246 Abs. 1 ZPO.

a) In Rechtsprechung und Literatur ist anerkannt, dass § 246 Abs. 1 ZPO keine Anwendung findet, wenn eine Partei, die selbst Anwalt ist, sich gemäß § 78 Abs. 4 ZPO selbst vertritt. § 246 ZPO setzt voraus, dass derjenige, in dessen Person der Unterbrechungsgrund eintritt, und der Prozessbevollmächtigte verschiedene Personen sind (vgl. nur Zöller/Greger, ZPO, 23. Aufl., 2002, § 244 Rn. 2 a unter Bezugnahme auf BGH, NJW 1990, 1854; Stein/Jonas/Roth, ZPO, 21. Aufl. 1993, § 246 Rn. 5). Vorliegend war Rechtsanwalt C nicht selbst Partei; vielmehr war er gemäß § 1897 BGB zum Betreuer der Klägerin unter anderem für den Aufgabenkreis der Vermögenssorge bestellt worden und nahm deshalb aufgrund der in § 1902 BGB normierten Vertretungsbefugnis die Stellung eines gesetzlichen Vertreters ein. Die von § 246 ZPO geforderte Personenverschiedenheit lag deshalb vor.

b) Gleichwohl bedarf § 246 Abs. 1 ZPO jedenfalls für den hier in Rede stehenden Fall des Todes einer Partei einer - weiteren - teleologischen Reduktion auch dann, wenn der Prozessvertreter zwar nicht selbst Partei ist, er aber die Stellung eines gesetzlichen Vertreters innehatte, ohne indessen über eine Prozessvollmacht im Sinne der §§ 80 ff. ZPO zu verfügen (vgl. für einen generellen Ausschluss des § 246 ZPO, wenn der Rechtsanwalt gesetzlicher Vertreter einer Partei ist: Baumbach/Lauterbach/Hartmann, ZPO, 60. Aufl. 2002, § 246 Rn. 4 und § 78 Rn. 56; Stein/Jonas/Roth, ZPO, 21. Aufl. 1993, § 246 Rn. 5).

aa) Die in § 239 ZPO angeordnete Unterbrechungswirkung hat den Sinn, Rechtsnachteile zu vermeiden, die mit dem gesetzlichen Parteiwechsel (§ 1922 BGB) für die Rechtsnachfolger der Partei bzw. den Prozessgegner eintreten können. Die Parteien sollen Bedenkzeit erhalten, sich auf die Veränderung einzustellen (vgl. Zöller/Greger, ZPO, 23. Aufl. 2002, § 239 Rn. 1). Wenn jedoch der Verstorbene durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten war, bedarf es nach der Konzeption des Gesetzes einer Unterbrechung von Gesetzes wegen nicht. Vielmehr obliegt dann gemäß § 246 ZPO dem Prozessbevollmächtigten die Entscheidung, ob der Prozess normal weitergeführt oder ausgesetzt werden soll und damit die gleichen Rechtsfolgen wie bei einer Unterbrechung eintreten sollen. Bei dieser Konzeption wird aber stillschweigend vorausgesetzt, dass der Prozessbevollmächtigte befugt ist, auch für die Rechtsnachfolger rechtsverbindliche Erklärungen abzugeben. Dies wird im Regelfall dadurch sichergestellt, dass die Prozessvollmacht gemäß § 86 ZPO durch den Tod des Vollmachtgebers nicht aufgehoben wird. Den Rechtsnachfolgern der Partei sind deshalb die Prozesshandlungen des Prozessbevollmächtigten zuzurechnen.

bb) Das Schutzkonzept der §§ 239 und 246 ZPO kann aber dann nicht eingreifen, wenn der für eine Partei als Prozessbevollmächtigter Auftretende - in Anwaltsprozessen kommt insoweit nur ein Rechtsanwalt in Betracht - über eine Prozessvollmacht im Sinne der §§ 80 ff. ZPO nicht verfügt, deshalb auch die Vorschrift des § 86 ZPO keine Anwendung findet und er auch aus sonstigen Gründen nicht in der Lage ist, den Rechtsnachfolger wirksam zu vertreten. So liegt der Fall hier.

Das Recht des Rechtsanwaltes C, die Klägerin vor Gericht zu vertreten, folgte bereits aus § 1902 BGB und der hiermit verbundenen Stellung als gesetzlicher Vertreter. Es bedurfte deshalb keiner gesonderten Prozessvollmacht für die Wirksamkeit der von ihm zu Lebzeiten der Klägerin vorgenommenen Prozesshandlungen (vgl. zu dem Parallelfall des gemäß § 149 Satz 2 HGB ebenfalls kraft Gesetzes vertretungsberechtigten Liquidators, BFH, DB 1985, 28). Es liegen auch keine Anhaltspunkte dafür vor, dass ihm über seine Bestellung als Betreuer hinaus eine gesonderte Prozessvollmacht erteilt worden wäre. Dies käme etwa dann in Betracht, wenn zunächst ein anderer Betreuer bestellt gewesen wäre und dieser Rechtsanwalt C namens der Klägerin mandatiert hätte und Rechtsanwalt C erst danach zum (neuen) Betreuer der Klägerin bestellt worden wäre. Ausweislich des Beschlusses des Amtsgerichts Saarbrücken vom 24.8.2001 (10 XVII G 1081-99) erfolgte aber die Betreuerbestellung von Rechtsanwalt C zusammen mit der Anordnung der Betreuung für die (frühere) Klägerin.

Anders als eine - gemäß § 86 ZPO über den Tod des Vollmachtgebers hinaus fortdauernde - Prozessvollmacht endet jedoch die gesetzliche Vertretungsbefugnis als Betreuer grundsätzlich mit dem Tod der Betreuten. Dass bestimmte Fortwirkungen der Betreuung bestehen bleiben (vgl. Palandt/Diederichsen, BGB, 62. Aufl. 2003, § 1896 Rn. 25), ändert hieran nichts. Dies führt vorliegend dazu, dass Rechtsanwalt C nicht befugt ist, für die Rechtsnachfolger der Klägerin wirksam Prozesshandlungen vorzunehmen und sie insoweit vor möglichen Rechtsverlusten zu schützen. Der Grundgedanke des § 246 ZPO greift deshalb nicht ein. Aus der Sicht der Rechtsnachfolger handelt es sich um dieselbe Situation, wie wenn die Klägerin im Zeitpunkt ihres Todes überhaupt nicht durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten gewesen wäre, so dass die Anwendung des § 246 ZPO von vorneherein ausscheiden würde. Schließlich bestätigt auch die in § 244 Abs. 1 ZPO angeordnete Unterbrechung bei einem Anwaltsverlust in einem Anwaltsprozess (vgl. hierzu BGH, NJW 1990, 1854) das hier gefundene Auslegungsergebnis. Rechtsanwalt C hat infolge des Todes der Klägerin die Befugnis verloren, die Prozessvertretung der Partei - nunmehr: die Erben der Klägerin - fortzuführen. Unmittelbar ist § 244 Abs. 1 ZPO allerdings nicht anwendbar, da die Vorschrift voraussetzt, dass die Partei noch lebt. Für den Fall des Versterbens einer Partei enthält insoweit § 239 ZPO den spezielleren Unterbrechungsgrund.

3. Da der Rechtsstreit hiernach gemäß § 239 ZPO ab dem Zeitpunkt des Todes der Klägerin am 11. Januar 2003 unterbrochen ist, ist die bis zum 15. Januar 2003 laufende Berufungsbegründungsfrist wegen der in § 249 Abs. 1 ZPO normierten Unterbrechungswirkung nicht versäumt worden. Nach Beendigung der Unterbrechung beginnt vielmehr die volle Frist von neuem zu laufen.

4. Daß das Verfahren unterbrochen ist, ist durch Beschluß festzustellen (vgl. BGH NZI 2003, 94 [95]; RGZ 16, 339 [340]; OLG München, NJW-RR 1996, 228 [229] ).

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