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Gericht: Oberlandesgericht Köln
Beschluss verkündet am 14.02.2006
Aktenzeichen: 2 U 135/05
Rechtsgebiete: ZPO
Vorschriften:
ZPO § 116 Satz 1 Nr. 1 | |
ZPO § 233 | |
ZPO § 234 Abs. 1 | |
ZPO § 517 |
OBERLANDESGERICHT KÖLN BESCHLUSS
In dem Rechtsstreit
hat der 2. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters am Oberlandesgericht Schmidt-Eichhorn sowie der Richter am Oberlandesgericht Sternal und Dr. Göbel
am 14. Februar 2006
beschlossen:
Tenor:
Die Berufung des Klägers gegen das am 20. Oktober 2005 verkündete Urteil der 12. Zivilkammer des Landgerichts Aachen - 12 O 225/05 - wird als unzulässig verworfen.
Der Antrag des Klägers vom 4. Januar 2006 auf Gewährung von Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird abgelehnt.
Die Kosten des Berufungsverfahrens hat der Kläger zu tragen.
Gründe:
I.
Der Kläger ist durch Beschluss des Amtsgerichts Aachen vom 30. April 2003 zum Insolvenzverwalter über das Vermögen der L GmbH bestellt worden. Er nimmt die Beklagten im Wege der Insolvenzanfechtung als Gesamtschuldner auf Zahlung eines Betrages in Höhe von 52.782,30 € nebst Zinsen in Anspruch. Durch das hiermit wegen seiner Einzelheiten in Bezug genommene Urteil vom 20. Oktober 2005 ( Bl. 148 ff d.A.), den Prozessbevollmächtigten des Klägers am 21. Oktober 2005 zugestellt (Bl. 166 d.A.), hat das Landgericht die Klage abgewiesen.
Mit Schriftsatz vom 21. November 2005, der am selben Tag per Telefax (Bl. 182 ff d.A.) bei dem Oberlandesgericht eingereicht worden ist, hat der Kläger Prozesskostenhilfe für eine noch einzulegende Berufung beantragt. Die Insolvenzmasse sei nicht in der Lage, die anfallenden Kosten der erforderlichen Rechtsverfolgung zu tragen. Auch sei den wirtschaftlich Beteiligten die Aufbringung der Kosten nicht zumutbar. Durch weiteren Schriftsatz vom 12. Dezember 2005 ( Bl. 240 d.A.) hat der Kläger näher dargelegt, warum seiner Ansicht nach sein Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe für die Durchführung der Berufung auch in der Sache Erfolg habe.
Durch Beschluss vom 21. Dezember 2005 (Bl. 256 ff. d.A.) hat der Senat den Antrag des Klägers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe zur Durchführung des Berufungsverfahrens abgelehnt. Der Beschluss ist dem Kläger am 28. Dezember 2005 ( Bl. 262 d.A.) zugestellt worden. Mit Schriftsatz vom 4. Januar 2006, der per Telefax am selben Tage bei dem Oberlandesgericht eingegangen ist (Bl. 264 ff. d.A.), hat der Kläger Berufung eingelegt und gleichzeitig beantragt, ihm wegen der Versäumung der Berufungsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Zur Begründung verweist der Kläger darauf, dass er ohne Verschulden gehindert gewesen sei, die Berufungsfrist einzuhalten. Er habe von der Gewährung von Prozesskostenhilfe ausgehen dürfen. Zwar habe der Senat in seinem Beschluss vom 21. Dezember 2005 zu Recht darauf hingewiesen, dass die Gläubiger der heute unbestrittenen Forderungen bei einem Obsiegen in dem hiesigen Verfahren zu einem erheblichen Teil befriedigt würden. Das Gericht habe dabei aber außer Betracht gelassen, dass in dem Insolvenzverfahren insgesamt Forderungen in Höhe von 191.320,67 € zur Insolvenztabelle angemeldet seien und es sowohl für den Kläger als auch für die Gläubiger derzeit nicht erkennbar sei, an welche weiteren Gläubiger am Ende des Insolvenzverfahrens die Insolvenzmasse auszukehren sein werde. Einerseits gehe der Kläger davon aus, dass von den bislang bestrittenen Forderungen noch erhebliche Teile bis zum Ende des Insolvenzverfahrens anerkannt werden müssten, andererseits sei es nicht unwahrscheinlich, dass noch weitere Forderungen zur Insolvenztabelle angemeldet würden. Durch solche Umstände würden sich die von dem Senat aufgeführten Quotenzahlungen noch erheblich verändern. Da diese Veränderungen aber heute objektiv nicht abschätzbar seien, könne den Gläubigern der heute anerkannten Forderungen die Prozessfinanzierung nicht zumutbar sein. Der Kläger könne die einfache Frage dieser Gläubiger, ob und in welcher Höhe sie an dem Prozessergebnis partizipieren würden, nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit beantworten. Dass der Senat dies anders sehen würde, habe der Kläger nicht vorhersehen können.
II.
1. Der Kläger hat die Berufungsfrist gemäß § 517 ZPO nicht gewahrt, so dass sein Rechtsmittel gemäß § 522 Abs. 1 Satz 2 ZPO durch Beschluss (§ 522 Abs. 1 Satz 3 ZPO) als unzulässig zu verwerfen ist. Das angegriffene Urteil des Landgerichts wurde den Prozessbevollmächtigten des Klägers am 21. Oktober 2005 zugestellt. Die Berufungsfrist von einem Monat ist deshalb mit dem Ende des 21. November 2005 abgelaufen. Bis zu diesem Zeitpunkt hat der Kläger jedoch lediglich einen Antrag auf Prozesskostenhilfe für die Durchführung des Berufungsverfahrens eingereicht, während die Berufung selbst erst durch einen am 4. Januar 2006 und damit nach Fristablauf beim Oberlandesgericht eingegangenen Schriftsatz eingelegt worden ist.
2. Der von dem Kläger wegen Versäumung der Berufungsfrist gestellte Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hat keinen Erfolg. Zwar hat der Kläger die Wiedereinsetzungsfrist des § 234 Abs. 1 ZPO gewahrt und die versäumte Prozesshandlung formgerecht nachgeholt. Dass Rechtsanwalt Dr. S, der den Schriftsatz vom 4. Januar 2006 unterzeichnet hat, bei einem Oberlandesgericht zugelassen ist, wird auch von den Beklagten nicht in Abrede gestellt. Sie beanstanden lediglich die fehlende Postulationsfähigkeit von Rechtsanwalt Dr. I, der den Prozesskostenhilfeantrag vom 21. November 2005 unterzeichnet hat. In der Sache ist das Wiedereinsetzungsgesuch jedoch nicht begründet, weil der Kläger nicht ohne sein Verschulden (§ 233 ZPO) verhindert war, die Berufungsfrist einzuhalten.
a) Einer Partei, die - wie der Kläger - vor Ablauf der Berufungsfrist zur Durchführung des Rechtsmittels Prozesskostenhilfe beantragt hat, ist Wiedereinsetzung wegen der Versäumung dieser Frist zu gewähren, wenn und solange sie sich für bedürftig halten konnte und eine Hilfsbedürftigkeit als genügend dargetan ansehen durfte, das heißt vernünftigerweise nicht mit einer Ablehnung zu rechnen brauchte (vgl. BGH NJW-RR 2006, 140; BGH FamRZ 2005, 789; BGH NJW-RR 2000, 1387; BGH NJW 1997, 1078). Dies kann etwa in den Fällen bejaht werden, in denen bei im Wesentlichen unveränderten Einkommensverhältnissen die Vorinstanz noch Prozesskostenhilfe bewilligt hatte (vgl. hierzu BGH NJW-RR 2000, 1387).
b) Vorliegend konnte jedoch der Kläger, der erstmals im Berufungsverfahren Prozesskostenhilfe beantragt hat und sich das Verschulden seiner Prozessbevollmächtigten zurechnen lassen muss (§ 85 Abs. 2 ZPO), nicht davon ausgehen, dass allein aufgrund seiner Angaben in dem Prozesskostenhilfeantrag vom 21. November 2005 Prozesskostenhilfe bewilligt würde.
aa) Allerdings folgt dies nicht bereits aus den von den Beklagten in der Berufungserwiderung vom 8. Februar 2006 angeführten Gründen. Auch wenn der den Prozesskostenhilfeantrag unterzeichnende Rechtsanwalt Dr. I nicht bei einem Oberlandesgericht zugelassen wäre, wie die Beklagten rügen, änderte dies nichts an der formellen Wirksamkeit des Prozesskostenhilfegesuchs. Gemäß den §§ 78 Abs. 5, 117 Abs. 1 Satz 1 ZPO ist die Vorschrift des § 78 Abs. 1 ZPO auf ein Prozesskostenhilfegesuch nicht anzuwenden, so dass auch ein nicht postulationsfähiger Rechtsanwalt für die von ihm vertretene Partei wirksam einen Prozesskostenhilfeantrag stellen kann.
bb) Wie der Senat in dem den Prozesskostenhilfe verweigernden Beschluss vom 21. Dezember 2005 im Einzelnen ausgeführt hat - hierauf wird Bezug genommen - fehlte es aber an der hinreichenden Darlegung der Voraussetzungen des § 116 Satz 1 Nr. 1 ZPO. Nach dieser Vorschrift erhält eine Partei kraft Amtes nur dann Prozesskostenhilfe, wenn die Kosten aus der verwalteten Vermögensmasse nicht aufgebracht werden können und den am Gegenstand des Rechtsstreits wirtschaftlichen Beteiligten nicht zuzumuten ist, die Kosten aufzubringen. Selbst wenn man vorliegend zugunsten des Klägers davon ausgeht, dass sich die Zumutbarkeit der Kostenbeteiligung nach den von ihm selbst in seinem Prozesskostenhilfeantrag zugrundegelegten Kriterien richtet, ist eine solche Zumutbarkeit i.S.d. § 116 Satz 1 Nr. 1 ZPO hier zu bejahen. Nach Auffassung des Klägers soll eine Kostenbeteiligung von den Gläubigern festgestellter Forderungen nur dann gefordert werden können, wenn "diese durch den Prozessgewinn die Aussicht auf eine erhebliche Quotenverbesserung bis hin zur vollständigen Befriedigung hätten. Gläubiger, die nur mit einer geringen oder gar keiner Quote rechnen könnten, dürften überhaupt nicht zur Kostentragung herangezogen werden." Nach den Ausführungen des Senats in dem Beschluss vom 21. Dezember 2005 gibt es jedoch gerade mehrere Gläubiger festgestellter Forderungen, die auf der Grundlage der Darlegungen des Klägers in dem Prozesskostenhilfeantrag sogar volle Befriedigung erlangen könnten. Dies hätte auch der Kläger erkennen müssen.
cc) Soweit der Kläger darauf verweist, dass derzeit nicht absehbar sei, ob noch weitere Forderungen, die derzeit bestritten seien, zur Insolvenztabelle festgestellt würden, vermag ihn dies nicht zu entlasten. Der Senat geht davon aus, dass der Kläger als Insolvenzverwalter Forderungen nur nach entsprechend hinreichender Prüfung bestreitet. Konkrete Darlegungen dazu aber, welche derzeit noch bestrittenen Forderungen möglicherweise noch festgestellt werden können, sind von dem Kläger weder in dem Prozesskostenhilfeantrag noch in dem Wiedereinsetzungsgesuch gemacht worden. Nicht ersichtlich ist insbesondere, welche Gläubiger gegen das Bestreiten ihrer Forderung überhaupt Einwendungen erhoben bzw. die Feststellung der Forderung gerichtlich geltend gemacht haben (vgl. § 179 ff. InsO). Auch der Umstand, dass es ausweislich der Darlegungen des Klägers in dem Wiedereinsetzungsgesuch "nicht unwahrscheinlich sei, dass noch weitere Forderungen zur Insolvenztabelle angemeldet" würden, konnte ihm keine Veranlassung geben, von einer hinreichenden Darlegung der fehlenden Zumutbarkeit der Kostenaufbringung der derzeitigen Gläubiger mit festgestellten Forderungen auszugehen. Abgesehen davon, dass mit einer schlichten Forderungsanmeldung zur Insolvenztabelle noch keine Feststellung verbunden ist, fehlt es auch an hinreichenden Anhaltspunkten dafür, dass und wenn ja welche Gläubiger noch Forderungen anzumelden beabsichtigen. Immerhin ist das Insolvenzverfahren bereits durch Beschluss vom 30. April 2003 eröffnet worden, so dass es im Zeitpunkt der Beantragung der Prozesskostenhilfe (November 2005) schon deutlich über zwei Jahre anhängig war. Bei dieser Sachlage hätte es näherer Darlegungen bedurft, aufgrund welcher konkreten Anhaltspunkte noch mit der Anmeldung weiterer - berechtigter - Forderungen zu rechnen war.
dd) Die - theoretisch - nie gänzlich auszuschließende Möglichkeit, dass auf der einen Seite weitere berechtigte Forderungen angemeldet und/oder auf der anderen Seite möglicherweise zunächst bestrittene Forderungen nachträglich festgestellt werden, vermag alleine eine Unzumutbarkeit der Kostenaufbringung für die Gläubiger bereits festgestellter Forderungen nicht zu begründen. Andernfalls müsste einem Insolvenzverwalter in einem massearmen Insolvenzverfahren - Erfolgsaussicht der beabsichtigten Rechtsverfolgung gemäß § 114 ZPO vorausgesetzt - stets Prozesskostenhilfe gewährt werden. Dies ist indes weder mit dem Wortlaut noch mit dem Zweck des § 116 Satz 1 Nr. 1 ZPO vereinbar und hätte auch dem Kläger bzw. seinen Prozessbevollmächtigten bei Stellung des Prozesskostenhilfeantrages bekannt sein müssen.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Gegenstandswert des Berufungsverfahrens: 52.782,30 €
Ende der Entscheidung
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