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Gericht: Oberlandesgericht Köln
Beschluss verkündet am 04.06.2007
Aktenzeichen: 2 U 28/07
Rechtsgebiete: ZPO, BGB, InsO


Vorschriften:

ZPO § 138 Abs. 3
ZPO § 522 Abs. 1
ZPO § 522 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2
ZPO § 522 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3
ZPO § 522 Abs. 2 Satz 2
ZPO § 529 Abs. 1
BGB § 123 Abs. 1
BGB § 166 Abs. 1
BGB § 166 Abs. 2
BGB § 816 Abs. 1 Satz 1
BGB § 929 Satz 2
InsO § 55 Abs. 1 Nr. 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Der Senat beabsichtigt, die Berufung des Klägers gegen das am 12. Januar 2007 verkündete Urteil der 16. Zivilkammer des Landgerichts Köln - 16 O 551/05 - durch einstimmigen Beschluss gemäß § 522 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.

Der Kläger erhält Gelegenheit, hierzu bis zum 25. Juni 2007 Stellung zu nehmen. Vorsorglich wird darauf hingewiesen, dass mit einer Verlängerung der Stellungnahmefrist nicht gerechnet werden kann.

Gründe:

1. Die Berufung hat keine Aussicht auf Erfolg (§ 522 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO). Das Landgericht hat die Klage zu Recht (§ 513 Abs. 1 ZPO) abgewiesen. Das Urteil beruht weder auf einer Rechtsverletzung, noch rechtfertigen die nach § 529 Abs. 1 ZPO dem Berufungsverfahren zugrunde zu legende Tatsachen eine andere Entscheidung. Auch nach Auffassung des Senats hat der Kläger Ende September 2003 sein (Mit)-Eigentum an dem streitgegenständlichen Getreide gemäß § 929 Satz 2 BGB verloren und die Übereignungserklärung auch nicht wirksam angefochten. Da der Beklagte deshalb über das Getreide als Berechtigter verfügt hat, scheidet ein Massebereicherungsanspruch des Klägers gemäß den §§ 816 Abs. 1 Satz 1 BGB, 55 Abs. 1 Nr. 3 InsO aus. Die Berufung des Klägers rechtfertigt keine abweichende Beurteilung.

a) Der Kläger hat bei dem Gespräch Ende September 2003 sowohl das bereits zuvor angelieferte Getreide an die Schuldnerin verkauft als auch gem. § 929 Satz 2 BGB übereignet. Dass bei der Übereignungserklärung im September 2003 mit der Schuldnerin einen Eigentumsvorbehalt vereinbart wurde, hat der insoweit beweispflichtige Kläger nicht zu beweisen vermocht. Von dem von ihm behaupteten Eigentumsvorbehalt kraft Handelsbrauchs kann auch unter Berücksichtigung der ergänzenden Ausführungen des Sachverständigen Dr. K. in seiner Anhörung vor dem Landgericht nicht ausgegangen werden.

aa) Der Senat teilt zunächst uneingeschränkt die Ausführungen des Landgerichts in dem angegriffenen Urteil. Ergänzend weist der Senat darauf hin, dass es für die Feststellung eines Handelsbrauchs nicht genügt, dass ein Teil der von dem Sachverständigen befragten Händler der Auffassung ist, dass ein entsprechender Handelsbrauch existiere. Wie der Senat in dem den Parteien bekannten Urteil vom 8. März 2006 - 2 U 10/05 - ausgeführt hat, würde das Vorliegen einer entsprechende Verkehrssitte mindestens voraussetzen, dass es überhaupt Fälle gibt, in denen sich die Vertragspartner im Konfliktfall auch ohne entsprechende Vereinbarung an den in den Einheitsbedingungen vorgesehenen Eigentumsvorbehalt gebunden gesehen haben. Über konkrete Fälle hat der Sachverständige keine Angaben gemacht.

bb) Aus den von dem Kläger in der Berufungsbegründung zitierten Entscheidungen des Bundesgerichtshofs (BGHZ 14, 114) bzw. des Reichsgerichts (RGZ 138, 84 [88]) ergibt sich nicht, dass in der hier streitgegenständlichen Zeit im Köln-Aachener Raum ein Handelbrauch dergestalt existierte, dass bei Getreideverkäufen von Landwirten an Agrarhändler stets ein Eigentumsvorbehalt als vereinbart galt. Aus der Entscheidung BGHZ 14, 114 [117 f.] kann der Kläger nichts zu seinen Gunsten herleiten, weil der Bundesgerichtshof es "angesichts der besonderen tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts" ausdrücklich offengelassen hat, "ob das Eigentum an dem Braumalz der (erg.: dortigen) Klägerin als Vorbehaltseigentümerin der Gerste auch kraft Handelsbrauchs zugestanden werden müsste". Das Reichsgericht hat in der Entscheidung vom 21. Oktober 1932 (RGZ 138, 84 [87 f.]) lediglich Bezug genommen auf tatsächliche Feststellungen des Berufungsgerichts zu ".rheinisch-westfälischen Handelsgebräuchen", wonach "das Eigentum sowohl an dem gelieferten Getreide als auch an den daraus gelieferten Erzeugnissen dem Lieferer bis zur Zahlung zustehe". Abgesehen davon, dass die Grundlagen für die vom Reichsgericht angesprochenen tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts nicht näher mitgeteilt werden - denkbar ist beispielsweise auch, dass die Feststellungen auf prozessualen Gründen, z.B. auf der Vorschrift des § 138 Abs. 3 ZPO beruhen - , kann hieraus nicht auf einen entsprechenden Handelsbrauch in dem hier streitgegenständlichen Zeitraum geschlossen werden. Vielmehr war das Landgericht zu einer eigenständigen Überprüfung anhand der hier konkret in Rede stehenden Umstände verpflichtet. Die von dem Landgericht insoweit durchgeführte Beweisaufnahme hat jedoch aus den vom Landgericht dargelegten Gründen die Annahme des von dem Kläger behaupteten Handelsbrauchs nicht ergeben.

b) Der Kläger hat seine Übereignungserklärung auch nicht wirksam gemäß § 123 Abs. 1 BGB angefochten.

aa) Insoweit kann zunächst schon nicht von einer objektiven Täuschung ausgegangen werden. Im Hinblick auf die zwischen den Parteien des hiesigen Rechtsstreits unstreitigen Bilanzmanipulationen des persönlich haftenden Gesellschafters der Schuldnerin würde dies eine Aufklärungspflicht der Schuldnerin voraussetzen. Eine solche bestand jedoch nicht: Das berechtigte Interesse des Klägers reduzierte sich darauf zu wissen, ob die Schuldnerin im Zeitpunkt der Übereignungserklärung willens und in der Lage war, den vereinbarten Kaufpreis zu zahlen. In Betracht kommt deshalb allein eine Täuschung durch aktives Tun. Wer auf Kredit kauft, erklärt durch den Vertragsschluss konkludent, dass er den Kaufpreis bei Fälligkeit zahlen wolle und könne (vgl. OLG Köln NJW 1967, 740; Palandt/Heinrichs, a.a.O., § 123 Rdn. 4). Nur wenn feststünde, dass die Schuldnerin bereits am 26. September 2003 nicht mehr in der Lage war, den vereinbarten Kaufpreis zu zahlen, läge eine objektive Täuschung vor. Dies hat der Kläger zwar behauptet, diese Behauptung kann jedoch nicht als bewiesen angesehen werden. Dass sich nach dem insoweit unstreitigen Vorbringen des Klägers der persönlich haftende Gesellschafter der Schuldnerin Bilanzmanipulationen hat zu Schulden kommen lassen, besagt als solches noch nichts dazu, wie die aktuelle Liquiditätssituation im Zeitpunkt der hier streitgegenständlichen Übereignung war. Immerhin ist der Insolvenzantrag erst am 2. Oktober 2003 gestellt worden. Bloß wirtschaftliche Schwierigkeiten reichen insoweit ebenfalls nicht aus.

bb) Die Anfechtungsvoraussetzungen liegen aber auch in subjektiver Hinsicht nicht vor.

(1) Im Ausgangspunkt ist das Landgericht zu Recht davon ausgegangen, dass es gem. § 166 Abs. 1 BGB entscheidend auf die Kenntnis des Zeugen L. ankommt. Ein Fall des § 166 Abs. 2 BGB, wonach ausnahmsweise auf die Kenntnis des Vertretenen abzustellen ist, ist vorliegend entgegen der von dem Kläger in der Berufungsbegründung vertretenen Auffassung nicht gegeben. Dass der Zeuge L. nach bestimmten Weisungen gehandelt hat, wird weder von dem Kläger vorgetragen noch ist dies aus den sonstigen Umständen ersichtlich. Seine - generelle - Bevollmächtigung durch die Geschäftsführer begründet keine Weisung i.S.d. § 166 Abs. 2 BGB. Auch wenn der Begriff der Weisung im Interesse des Geschäftspartners weit ausgelegt wird (vgl. BGHZ 38, 65 [68]; BGHZ 50, 364 [368]; Schramm in MünchKomm zum BGB, 4. Aufl. 2001, § 166 Rdn. 53; Soergel/Leptien, BGB, 13. Aufl. 1998/1999, § 166 Rdn. 29; Staudinger/Schilken, BGB, Neubearbeitung 2004, § 166 Rdn. 33), so dass es bereits ausreicht, wenn Weisungen für einzelne Arten von Rechtsgeschäften erteilt worden sind (vgl. Schilken a.a.O.) oder der Vertretene ein konkretes Geschäft lediglich veranlasst hat, kann auf der anderen Seite aber auf das Erfordernis der Weisung nicht gänzlich verzichtet werden. Dies wäre aber der Fall, würde man bei einem Generalbevollmächtigten - eine vergleichbare Stellung kam dem Zeugen L. in seinem Geschäftsbereich zu - oder einem Prokuristen aufgrund ihrer umfassenden Vertretungsmacht fingieren, sie täten in deren Rahmen alles nach bestimmten Weisungen ihres Geschäftsherrn (vgl. Leptien, a.a.O., § 166 Rdn. 29; Schilken, a.a.O. § 166 Rdn. 35; Schramm, a.a.O., § 166 Rdn. 53).

(2) Nach den nicht zu beanstandenden Feststellungen des Landgerichts kann jedoch von einem arglistigen Verhalten des Zeugen L. nicht ausgegangen werden. Dass er im Zeitpunkt der Übereignungserklärung im September 2003 positive Kenntnis davon hatten, dass der vereinbarte Kaufpreis nicht gezahlt werden konnte, lässt sich nicht feststellen. Insbesondere genügt es für die Annahme von Arglist nicht, dass der Zeuge wusste, dass die "Kreditlinie der Firma ziemlich ausgenutzt war und das Kreditlimit ständig schwankte" und zudem Ende August 2003 einige Schecks nicht eingelöst worden waren.

(3) Aber auch wenn man mit dem Kläger davon ausgeht, dass ein Fall des § 166 Abs. 2 BGB vorliegt, ergibt sich keine abweichende Beurteilung. Dass der persönlich haftende Gesellschafter der Schuldnerin bereits am 26. September 2003 wusste oder zumindest billigend in Kauf genommen hat, zur Kaufpreiszahlung nicht in der Lage zu sein, hat der Kläger nicht bewiesen. Auch ihre Hinweise auf das strafrechtliche Ermittlungsverfahren sowie das Insolvenzverfahren lassen insoweit keinen eindeutigen Rückschluss auf die Kenntnisse des persönlich haftenden Gesellschafters im hier streitgegenständlichen Zeitpunkt zu.

cc) Die hiernach bestehende Unaufklärbarkeit des Vorliegens der objektiven und subjektiven Voraussetzungen einer Arglistanfechtung gemäß § 123 Abs. 1 BGB geht zu Lasten des insoweit beweisbelasteten Klägers.

2. Die Annahme der Berufung ist auch nicht trotz fehlender Erfolgsaussicht aus den Gründen des § 522 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 und 3 ZPO veranlasst. Der vorliegende Rechtsstreit hat keine grundsätzliche Bedeutung, und eine Entscheidung des Senats ist auch nicht zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung geboten. Vielmehr beruht die Beurteilung des Streitfalles nur auf einer Würdigung des Vorbringens zu den konkreten Umständen des vorliegenden Einzelfalles.

3. Gemäß § 522 Abs. 2 Satz 2 ZPO gibt der Senat dem Kläger unter Hinweis auf die beabsichtigte Zurückweisung und die hierfür maßgeblichen Gründe Gelegenheit zur Stellungnahme innerhalb der in der Beschlussformel bezeichneten Frist.

Ende der Entscheidung

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