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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Köln
Beschluss verkündet am 23.09.2002
Aktenzeichen: 2 U 79/02 (1)
Rechtsgebiete: StrEG


Vorschriften:

StrEG § 1 Abs. 1
StrEG § 8 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT KÖLN BESCHLUSS

2 U 79/02

In dem Rechtsstreit

hat der 2. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln unter Mitwirkung der Richter am Oberlandesgericht Dr. Schlafen, Prof. Dr. Metzen und Sternal am 23. September 2002

beschlossen:

Tenor:

Der Rechtsstreit ist aufgrund der durch Beschluß des Amtsgerichts Bonn vom 28. März 2002, 98 IN 205/01, erfolgten Eröffnung des Insolvenzverfahrens über den Nachlaß der am 26. März 2001 verstorbenen Frau A. J. K. unterbrochen (§ 240 ZPO).

Gründe:

1. Die Parteien des vorliegenden Rechtsstreits sind Geschwister. Die Eltern der Parteien hatten am 29. November 1995 ein gemeinschaftliches Testament errichtet. Danach sollten der Beklagte und sein Bruder jeweils eine Doppelhaushälfte sowie die Klägerin und ihre Schwester je einen Betrag von 50.000,00 DM erhalten. Nach dem Tode des Vaters wurde zunächst die Mutter der Parteien Alleinerbin; diese verstarb am 26. März 2001. Nachdem der Bruder der Parteien die Erbschaft ausgeschlagen hatte, nimmt die Klägerin nunmehr den Beklagten auf Zahlung von 50.000,00 DM in Anspruch.

Mit Schriftsatz vom 12. November 2001 beantragte der Beklagte beim Amtsgericht Bonn die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über den Nachlaß. In dem vorliegenden Rechtsstreit erhob der Beklagte die Einrede der Dürftigkeit des Nachlasses. Unter dem 1. März 2002 verurteilte das Landgericht den Beklagten uneingeschränkt zur Zahlung von umgerechnet 50.000,00 DM. Hierzu führte es aus, die Voraussetzungen für die von dem Beklagten erhobene Dürftigkeitseinrede seien nicht gegeben. Der Beklagte habe nicht hinreichend aufgezeigt, daß der Nachlaß nach Abzug der Schulden zur Erfüllung des Vermächtnisses nicht hinreichend sei. Es könne mangels eines substantiierten Sachvortrages ebenfalls nicht von einer Überschuldung des Nachlasses ausgegangen werden.

Gegen diese Entscheidung hat der Beklagte mit Schriftsatz seines jetzigen Prozeßbevollmächtigten vom 4. April 2002 Berufung mit dem Ziel der Klageabweisung, hilfsweise der Haftungsbeschränkung auf den Nachlaß, eingelegt. Bereits mit Beschluß vom 28. März 2002 hat das Amtsgericht Bonn, 98 IN 205/01, über den Nachlaß der Erblasserin wegen Zahlungsunfähigkeit das Insolvenzverfahren eröffnet und zugleich einen Insolvenzverwalter bestellt.

2.

Der vorliegende Rechtsstreit ist nach der Verkündung des erstinstanzlichen Urteils dadurch unterbrochen worden, daß das Amtsgericht - Insolvenzgericht - Bonn durch Beschluß vom 28. März 2002, 98 IN 205/01, über den Nachlaß der Erblasserin das Insolvenzverfahren eröffnet hat (§§ 315 ff. InsO).

Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens hat gemäß § 240 Satz 1 ZPO mit dem in § 27 Abs. 2 Nr. 3 InsO genannten Zeitpunkt und in von Amts wegen zu berücksichtigender Weise (Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 60. Auflage 2002, § 240 Rn 2; MK/Feiber, ZPO, 2. Auflage 2000, § 240 Rn 7) die Unterbrechung der anhängigen Prozesse zur Folge, die die Insolvenzmasse betreffen (FK/App, InsO, 3. Auflage 2002, § 85 Rn 3 ff., § 86 Rn 1; Hess/Weis/Wienberg, InsO, 2. Auflage 2001, § 85 Rn 11 ff.; MK/Schumacher, InsO, 2001, Vor §§ 85 bis 87 Rn. 22; MK/Breuer, a.a.O., § 87 Rn 21). Dies gilt sowohl für ein erstinstanzliches als auch zweitinstanzliches Verfahren (Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, a.a.O., § 240 Rn. 2), unabhängig davon, ob die Parteien oder das Gericht von der Verfahrenseröffnung Kenntnis erhalten. Bei der Eröffnung eines Sonderinsolvenzverfahrens werden solche Prozesse unterbrochen, die auf die Masse gerade dieses Insolvenzverfahrens Bezug haben. Der Prozeß muß die Insolvenzmasse im Sinne des § 35 InsO in aktiver oder passiver Richtung betreffen. Der Begriff "Bezug zur Insolvenzmasse" ist hierbei weit zu fassen, so daß bereits eine mittelbare Beziehung ausreicht (Jaeger/Henckel, a.a.O., § 10 Rn 45; Kübler/Prütting/Lüke, InsO, 12. Lieferung März 2002, § 85 Rn 12; MK/Schumacher, a.a.O., Vor §§ 85 bis 87 Rn 32; Stein/Jonas/Roth, ZPO, 21. Auflage 1994, § 240 Rn 9). Ein Nachlaßinsolvenzverfahren führt mithin zu einer Unterbrechung aller Aktiv- und Passivprozesse der Erben, die diese als solche führen (OLG München, NJW-RR 1996, 228 [229]; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, a.a.O., § 240 Rn 5; Zöller/Greger, a.a.O., § 240 Rn 4, jeweils zur Insolvenzordnung; Jaeger/Henckel, KO, 9. Auflage 1997, § 10 Rn 45 Wieczorek, ZPO, 2. Auflage 1976 Rn E IV a, jeweils zur früheren Konkursordnung), wobei die Wirkung des § 240 ZPO nur hinsichtlich solcher Prozesse nicht eintritt, die ausschließlich das nicht zum Nachlaß gehörende persönliche Vermögen des Erben betreffen. Nur insoweit kann ein Kläger nach Eröffnung des Nachlaßinsolvenzverfahrens in einem anhängigen Verfahren noch einen Titel erwerben, der sich auf das der Zwangsvollstreckung unterliegende Vermögen des Schuldners bezieht (vgl. § 87 InsO).

Vorliegend handelt es sich nicht um eine Forderung, die sich ausschließlich auf das persönliche Vermögen des Beklagten bezieht. Der Beklagte als Erbe haftet zwar für die Erfüllung eines Vermächtnisses mit seinem sonstigen, nicht zum Nachlaß gehörenden Vermögen, wobei eine Trennung zwischen Nachlaß und sonstigem Vermögen nicht stattfindet, sondern der Nachlaß mit dem Eigenvermögen des Erben in einer rechtlichen Einheit verschmilzt (vgl. allgemein: MK/Leipold, BGB, 3. Auflage 1997, § 1922 Rn 15 f., 56 ff.; Vor § 1967 Rn 1; Palandt/Edenhofer, BGB, 60. Auflage 2001, § 1922 Rn 6). Daher kann der Beklagte grundsätzlich aufgrund der landgerichtlichen Verurteilung auch mit seinem eigenen Vermögen in Anspruch genommen werden. Die Erfüllung eines nach Ansicht der Klägerin bestehenden Vermächtnisses stellt jedoch eine den Erben als solchen treffende Verbindlichkeit im Sinne des § 1967 BGB dar, die aus Anlaß des Erbfalls entsteht (vgl. allgemein: Palandt/Edenhofer, a.a.O., § 1967 Rn. 6), so daß durch den vorliegenden Rechtsstreit die Nachlaßinsolvenzmasse unmittelbar im Sinne der vorstehenden Ausführungen betroffen wird.

Ende der Entscheidung

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