Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Köln
Urteil verkündet am 17.12.2003
Aktenzeichen: 2 U 87/03
Rechtsgebiete: InsO, BGB, EGBGB, ZPO


Vorschriften:

InsO § 21 Abs. 2 Ziff. 2
InsO § 96 Abs. 1
InsO § 96 Abs. 1 Nr. 1
InsO § 96 Abs. 1 Nr. 3
InsO § 103
InsO § 129 Abs. 1
InsO § 130
InsO § 130 Abs. 1
InsO § 130 Abs. 1 Nr. 2
InsO § 133 Abs. 1
InsO § 141
InsO § 142
InsO § 142 Abs. 1
InsO § 143 Abs. 1
BGB § 812 Abs. 1
BGB § 812 Abs. 1 Satz 1, 1. Alt.
BGB § 814
EGBGB § 1 Abs. 1 Satz 3
ZPO § 138 Abs. 3
ZPO § 253 Abs. 2 Nr. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT KÖLN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

2 U 87/03

Anlage zum Protokoll vom 17.12.2003

Verkündet am 17.12.2003

In dem Rechtsstreit

hat der 2. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln auf die mündliche Verhandlung vom 12. November 2003 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Schmidt-Eichhorn sowie die Richter am Oberlandesgericht Sternal und Dr. Göbel

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten vom 21. Januar 2003 wird das am 20. November 2002 verkündete Urteil der 11. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Köln - 91 O 32/02 - unter Zurückweisung der weitergehenden Berufung teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 4.124.619,50 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 2. August 2001 zu zahlen. Wegen des weitergehenden Zinsanspruches wird die Klage abgewiesen.

Die Beklagte hat die Kosten des erstinstanzlichen Rechtsstreits sowie des Berufungsverfahrens zu tragen mit Ausnahme der durch die Anrufung des unzuständigen Landgerichts Marburg entstandenen Mehrkosten, die dem Kläger auferlegt werden.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Beide Parteien können die Zwangsvollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die jeweils andere Seite in gleicher Höhe Sicherheit leistet.

Gründe:

(Anstelle von Tatbestand und Entscheidungsgründen gemäß § 540 Abs. 1 S. 1 ZPO).

I.

Der Kläger ist Insolvenzverwalter in dem am 1. Juni 2001 vor dem Amtsgericht Marburg eröffneten Insolvenzverfahren (24 IN 17/01) über das Vermögen der T. AG, R.-B.-Straße 1-11 in M. (nachfolgend: Schuldnerin). Mit der Klage nimmt der Kläger die Beklagte auf Zahlung eines Betrages in Höhe von 4.124.619,50 Euro in Anspruch.

Die Schuldnerin bot T.munikationsleistungen im Festnetzbereich an. Sie betrieb ein sogenanntes T.munikationsverbindungsnetz, welches für Ferngespräche genutzt werden konnte. Da sich mehr als 95 % der Telefonanschlüsse in Deutschland im Netz der Beklagten - der D. T. AG - befinden, war die Schuldnerin darauf angewiesen, dass die Beklagte den Telefonverkehr durch ihr eigenes Netz durchleitete und dann dem Netz der Schuldnerin übergab. Vor diesem Hintergrund traf die Schuldnerin mit der Beklagten eine sogenannte Zusammenschaltungsvereinbarung vom 1./18. Dezember 1999 (vgl. Bl. 4 ff. des "Anlagenheftes 91 O 32/02" - im folgenden: Anlagenheft). Wegen anhaltenden Zahlungsverzuges drohte die Beklagte der Schuldnerin mit Schreiben vom 27. November 2000 (Bl. 31 Anlagenheft) sowie vom 9. März 2001 (Bl. 33 Anlagenheft) die zusammengeschlossenen Anschlüsse zu sperren, wobei sich die offenen Forderungen Anfang März 2001 auf einen Betrag in Höhe von rund 75.000.000,- DM beliefen. In der Folgezeit gab es weitere Zahlungsaufforderungen durch die Beklagte (Bl. 34 ff. Anlagenheft). Unter dem 30. März 2001 (Bl. 40 Anlagenheft) kündigte die Beklagte die Zusammenschaltungsvereinbarung fristlos und teilte zugleich mit, am Montag, den 2. April 2001 ab 18.00 Uhr die Leistungserbringung der Basiszusammenschaltungsdienste einzustellen. Am 2. April 2001 (Bl. 42 Anlagenheft) stellt die Schuldnerin bei dem Amtsgericht Marburg einen Insolvenzantrag; durch Beschluss vom gleichen Tage bestellte das Amtsgericht den Kläger zum vorläufigen Insolvenzverwalter und ordnete unter anderem gemäß § 21 Abs. 2 Ziff. 2 InsO an, dass Verfügungen der Schuldnerin nur mit Zustimmung des Klägers wirksam seien (Blatt 42 f. Anlagenheft). Wegen der in dem Insolvenzantragsverfahren weiter von dem Insolvenzgericht getroffenen Beschlüsse wird auf das "Sonderheft I zu 2 U 87/03" Bezug genommen.

Nachdem die Beklagte das - mit Zustimmung des Klägers unterbreitete - Angebot der Schuldnerin abgelehnt hatte, zur Fortführung des Geschäfts wöchentlich jeweils 5.000.000,- DM im voraus zur Abgeltung künftiger, aus der Zusammenschaltung entstehender Kosten zu zahlen, beantragte die Schuldnerin - wiederum mit Zustimmung des Klägers - am 12. April 2001 (Bl. 1 ff. der Beiakten 81 O (Kart) 57/01 LG Köln) beim Landgericht Köln im Wege der einstweiligen Verfügung der Beklagten die Wiederfreischaltung des Zusammenschlusses aufzugeben Zug um Zug gegen eine wöchentliche Vorauszahlung von 5.000.000,- DM. Durch Beschluss vom 17. April 2001 (Bl. 13 ff. der Beiakten 81 O (Kart) 57/01 LG Köln) erließ die 1. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Köln eine einstweilige Verfügung, die unter anderem folgenden Inhalt hatte:

"1. Der Antragsgegnerin wird aufgegeben,

der Antragstellerin Zugang zu dem T.munikationsnetz der Antragsgegnerin zu gewähren und ihr gegenüber diejenigen Leistungen zu erbringen, die Gegenstand des zwischen den Parteien geschlossenen Zusammenschaltungsvereinbarung - Stand: 3.11.1999 - vom 1.12./18.12.1999 sind (insbesondere: die Grundleistungen "T.-B1 und 2"),

wenn und soweit

die Antragstellerin die ihr obliegenden Zahlungspflichten wie folgt erbringt:

Sie leistet an die Antragsgegnerin jeweils wöchentlich eine Vorauszahlung in Höhe von 5.000.000,- DM

sowie zur Sicherung gegen weitere Ausfallgefahren daneben einen Betrag von wöchentlich weiteren 1.000.000,- DM

bis zur Gesamthöhe von 5.000.000,- DM auf ein einzurichtendes Anderkonto eines in der Bundesrepublik Deutschland ansässigen, von der Antragstellerin auszuwählenden Rechtsanwalt oder Notars.

Die Antragstellerin hat den Verkehr zur Antragsgegnerin tagesaktuell zu messen und der Antragsgegnerin jeweils bis montags, 12.00 Uhr, die im Laufe der vorangegangenen Woche aufgekommenen Verbindungsentgelte mitteilen.

Soweit die wöchentlichen Vorauszahlungen in ihrer Gesamtheit die danach in ihrer Gesamtheit erforderlichen Zahlungen nicht abdecken, ist die Differenz aus dem Guthaben aus dem Anderkonto zu leisten; das Anderkonto ist dann im wöchentlichen Turnus wieder aufzufüllen."

Nachdem die Schuldnerin der Beklagten einen Scheck in Höhe von 5.000.000,- DM übergeben hatte, schaltete die Beklagte am 20. April 2001 die Zusammenschaltung zu Gunsten der Schuldnerin wieder frei. In der Folgezeit beliefen sich die Zahlungen der Schuldnerin einschließlich der erwähnten 5.000.000,- DM auf einen Betrag in Höhe von insgesamt 18,1 Mio. DM. Durch Beschluss vom 21. Mai 2001 ( Bl. 164 f. Anlagenheft) gab die 1. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Köln - 81 O (Kart) 87/01 - der Beklagten auf, der Schuldnerin unverzüglich Rechnung über die von ihr aufgrund der einstweiligen Verfügung vom 17. April 2001 - 81 O (Kart) 57/01 - in Anspruch genommenen Leistungen in dem Zeitraum 20. April 2001 bis 30. April 2001 (jeweils einschließlich) zu erteilen. In dem Beschluss heißt es wörtlich unter anderem wie folgt:

"5. Gegenstand der einstweiligen Verfügung vom 17.4.2001 sind, soweit hier von Bedeutung, "Vorauszahlungen", so dass sich die Pflicht zur Abrechnung schon definitionsgemäß ergibt. Für den Zeitpunkt sowie den Zeitraum ist Bezug zu nehmen auf die früher zwischen den Parteien getroffenen vertraglichen Regelungen, auf die in der voraufgelaufenen einstweiligen Verfügung Bezug genommen worden ist. Es ist glaubhaft gemacht, dass sich die Antragsgegnerin geweigert hat, abzurechnen, einen triftigen Grund dafür aber nicht genannt hat. ... "

Nachdem die Beklagte gegen diese einstweilige Verfügung Widerspruch eingelegt und das Landgericht Verhandlungstermin bestimmt hatte, nahm die Schuldnerin noch vor der mündlichen Verhandlung den Antrag auf Erlass der einstweiligen Verfügung zurück (vgl. Bl. 433, 486 d.A.). Durch Urteil vom 25. Mai 2001 (Bl. 113 ff. der Beiakten 81 O (Kart) 57/01 LG Köln) hob das Landgericht die einstweilige Verfügung vom 17. April 2001 auf und lehnte den auf ihren Erlass gerichteten Antrag der Schuldnerin ab. Die gegen diese Entscheidung zunächst eingelegte Berufung nahm die Schuldnerin durch Schriftsatz vom 31. Mai 2001 zurück (Bl. 180 der Beiakten 81 O (Kart) 57/01 LG Köln). Die Beklagte schaltete am 29. Mai 2001 die Zugänge zum Netz für die Schuldnerin wieder ab. Am 1. Juni 2001 (Bl. 3 Anlagenheft) wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin eröffnet und der Kläger zum Insolvenzverwalter bestellt.

Die Beklagte stellte der Schuldnerin für die aufgrund der einstweiligen Verfügung erfolgte Freischaltung zum Netz (Zeitraum vom 20. April 2001 bis 29. Mai 2001) insgesamt einen Betrag in Höhe von 10.032.945,21 DM in Rechnung. Auf den Zeitraum vom 20. April bis 30. April 2001 entfällt insoweit ein Betrag in Höhe von 2.345.605,21 DM (Bl. 98 Anlagenheft). Für den sich anschließenden Zeitraum im Mai 2001 beträgt der Rechnungsbetrag 7.687.340,00 DM (Bl. 106 Anlagenheft). Mit Schreiben vom 12. Juni 2001 (Bl. 99 ff. Anlagenheft) ließ die Beklagte mitteilen, sie erkläre die Aufrechnung mit ihr zustehenden Forderungen aus der Zusammenschaltungsvereinbarung, die sie in jenem Schreiben auf mindestens 73.000.000,- beziffert hat.

Der Kläger hat die Beklagte zunächst vor dem Landgericht Marburg mit der am 1. August 2001 (Bl. 20 d.A.) zugestellten Klage vom 27. Juli 2001 auf Zahlung des Differenzbetrages zwischen den tatsächlich geleisteten Vorauszahlungen von 18,1 Mio. DM und den nach Erlass der einstweiligen Verfügung tatsächlich angefallenen Kosten von 10.032.945,21 DM, also in Höhe eines Gesamtbetrages von 8.067.054,79 DM (= 4.124.619,50 Euro) "zuzüglich 5 % Jahreszinsen über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit" (Bl. 2 d.A.) in Anspruch genommen. Durch Beschluss vom 7. November 2001 (vgl. Bl. 43 d.A.) hat sich das Landgericht Marburg für örtlich unzuständig erklärt und den Rechtsstreit auf den Hilfsantrag des Klägers an das Landgericht Köln verwiesen.

Der Kläger hat die Ansicht vertreten, die aufgrund der einstweiligen Verfügung des Landgerichts Köln geleisteten Vorauszahlungen seien zweckgebunden als Sicherheit für die Zukunft erfolgt und stünden daher in keinerlei Beziehungen zu eventuellen Altschulden der Insolvenzschuldnerin aus der Zeit vor der Insolvenz bei der Beklagten. Ihm stehe nach wie vor ein Rückzahlungsanspruch gegen die Beklagte in Höhe der nicht verbrauchten Vorauszahlungen zu, da die durch die Beklagte erklärte Aufrechnung aufgrund insolvenzrechtlicher Vorschriften unzulässig sei.

Der Kläger hat ausweislich des Sitzungsprotokolls in der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht am 21. August 2002 (Bl. 76 d.A.) den Antrag aus der Klageschrift gestellt. Nach dem Tatbestand des angegriffenen Urteils (Bl. 106 d.A.) hat der Kläger beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 8.067.054,79 DM zuzüglich 5 % Jahreszinsen über dem Basiszinssatz seit dem 28. Juli 2001 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat die Ansicht vertreten, die Vorauszahlung könne auch auf die Altforderungen erstreckt und mit diesen verrechnet werden. Indem der Kläger im Wege der einstweiligen Verfügung die Wiederanschaltung an das Netz der Beklagten beantragt habe, sei das zuvor durch Kündigung beendete Vertragsverhältnis mit all seinen Rechten und Pflichten wiederaufgelebt. Ein bereicherungsrechtlicher Rückzahlungsanspruch des Klägers sei im übrigen gemäß § 814 BGB aufgrund positiver Kenntnis der Nichtschuld ausgeschlossen, da der Kläger die Vorauszahlungen geleistet habe, obwohl er gewusst habe, dass die Beklagte damit eine erhebliche Übersicherung erhalte. Der von ihr erklärten Aufrechnung stünden insolvenzrechtliche Vorschriften nicht entgegen.

Das Landgericht hat der Klage durch das mit der Berufung angefochtene, am 20. November 2001 verkündete und durch Beschluss vom 19. März 2003 (Bl. 143 ff. d.A.) im Tatbestand berichtigte Urteil, auf dessen berichtigte Fassung wegen sämtlicher Einzelheiten auch des erstinstanzlichen Parteivorbringens Bezug genommen wird, stattgegeben. Der Zahlungsanspruch des Klägers ergebe sich aus § 812 Abs. 1 BGB. Die durch die einstweilige Verfügung des Landgerichts Köln vom 17. April 2001 festgelegten Vorauszahlungen hätten lediglich für die Deckung zukünftiger Kosten herangezogen werden sollen. Ein Fall des § 814 BGB liege nicht vor. Die von der Beklagten erklärte Aufrechnung sei sowohl gemäß § 96 Abs. 1 Nr. 1 InsO als auch gemäß § 96 Abs. 1 Nr. 3 InsO unzulässig.

Gegen dieses ihr am 17. Januar 2003 zugestellte Urteil hat die Beklagte mit einem am 22. Januar 2003 beim Oberlandesgericht eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt, die sie durch einen am 7. April 2003 - nach zwischenzeitlicher Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zu diesem Zeitpunkt - bei dem Oberlandesgericht eingegangen Schriftsatz vom gleichen Tage begründet hat.

Die Beklagte tritt unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vortrages der Entscheidung entgegen (vgl. Schriftsätze der Beklagten vom 7. April 2003 - Bl. 199 ff. d.A., vom 8. Juli 2003 - Bl. 317 ff. d.A., vom 5. September 2003 - Bl. 434 ff. d.A. und vom 26. November 2003 - Bl. 513 ff. d.A.). Dem Kläger stehe weder unter bereicherungsrechtlichen noch unter anfechtungsrechtlichen Aspekten der ihm von dem Landgericht zuerkannte Zahlungsanspruch zu.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Landgerichts Köln vom 20.11.2002, 91 O 32/02, abzuändern und die Klage kostenpflichtig abzuweisen,

hilfsweise,

den Rechtsstreit an das Landgericht zurückzuverweisen,

höchst hilfsweise,

die Revision zuzulassen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Kläger verteidigt unter Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vorbringens das angefochtene Urteil und tritt dem Berufungsvorbringen der Beklagten entgegen (vgl. Schriftsätze vom 30. April 2003 - Bl. 260 ff. d.A., vom 15. Juli 2003 - Bl. 352 ff. d.A. und vom 5. November 2003, Bl. 497 ff. d.A.).

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der zwischen den Parteien in beiden Instanzen gewechselten Schriftsätze einschließlich der Anlagen zu diesen Schriftsätzen Bezug genommen. Die Akten 81 O (Kart) 57/01 des Landgerichts Köln sowie ein Ordner mit Fotokopien aus dem Insolvenzverfahren 24 IN 17/01 AG Marburg, letztere Kopien bezeichnet als "Sonderheft I zu 2 U 87/03" und ihr Inhalt waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung vor dem erkennenden Senat.

II.

Die Berufung der Beklagten ist zulässig, aber nur in geringem Umfang begründet. Im Hauptanspruch hat das Landgericht der Klage zu Recht stattgegeben. Nur im Hinblick auf den zuerkannten Zinsanspruch und die Kostenentscheidung ist das Urteil abzuändern.

1. Der von dem Kläger in der Hauptsache geltend gemachte Zahlungsanspruch in Höhe von 4.124.619,50 Euro ergibt sich zunächst bereits - ungeachtet des vom Landgericht bejahten Bereicherungsanspruchs - aus § 143 Abs. 1 InsO i.V.m. § 130 Abs. 1 Nr. 2 InsO. Auf diese Anspruchsgrundlage hat der Senat die Parteien durch Beschluss vom 13. Juni 2003 (vgl. Bl. 287 d.A.) ausdrücklich hingewiesen.

a) Die Zahlung durch die Schuldnerin in Höhe des hier streitigen Betrages von 4.124.619,50 Euro stellt eine Rechtshandlung dar, die die Insolvenzgläubiger benachteiligt (§§ 129 Abs. 1, 130 Abs. 1 InsO). Der Betrag steht aufgrund der Zahlung der Insolvenzmasse nicht mehr zur Verfügung und beeinträchtigt deshalb die Verwertungsmöglichkeiten der übrigen Gläubiger. Soweit die Beklagte die Eignung der Zahlungen als anfechtbare Rechtshandlungen mit der Begründung grundsätzlich in Frage stellt, die Zahlungen seien aufgrund der einstweiligen Verfügung des Landgerichts Köln vom 17. April 2001 und mit Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters erbracht worden, vermag sie hiermit nicht durchzudringen.

aa) Zunächst steht die einstweilige Verfügung des Landgerichts Köln vom 17. April 2001 - 81 O (Kart) 57/01 - der Anfechtung nicht entgegen. Die Beklagte vertritt die Ansicht, diese Entscheidung stelle die Rechtsgrundlage für das Einbehalten der Zahlungen durch die Beklagte dar, und beruft sich insoweit auf eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs (vgl. BGH, NJW-RR 2000, 1215). Eine Zahlung könne nicht angefochten werden, wenn das der Zahlung zugrunde liegende Rechtsverhältnis nicht beseitigt werde. Die Argumentation der Beklagten überzeugt jedoch nicht, und zwar aus zwei Gründen:

Zum einen wurde durch die einstweilige Verfügung des Landgerichts eine Zahlungsverpflichtung der Beklagten überhaupt nicht tituliert. Einen vollstreckungsfähigen Inhalt hatte die einstweilige Verfügung nur im Hinblick auf die der Beklagten obliegenden Freischaltung. Dass die Beklagte zu der Freischaltung erst verpflichtet war, wenn die Schuldnerin jeweils wöchentlich eine Vorauszahlung in Höhe von DM 5.000.000,- erbrachte, begründet ebenso wie in den Fällen einer Zug-um-Zug-Verurteilung keine titulierte Zahlungsverpflichtung der Schuldnerin.

Unabhängig davon gibt es keinen Rechtsgrundsatz des Inhaltes, dass eine Anfechtung einer Zahlung stets deshalb ausscheidet, weil hiermit eine titulierte Verpflichtung erfüllt wird. Im Gegenteil: Wie sich aus § 141 InsO ergibt, steht alleine das Vorliegen eines vollstreckbaren Schuldtitels der Anfechtung nicht entgegen. Wenn etwa ein Schuldner aufgrund einer titulierten Verpflichtung an einen Gläubiger, der die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners kennt, die Forderung nach Stellung des Eröffnungsantrages erfüllt, ist eine Anfechtung gemäß § 130 Abs. 1 Nr. 2 InsO nicht deshalb ausgeschlossen, weil der Zahlung ein vollstreckbarer Titel zugrunde liegt. Etwas anderes lässt sich auch nicht aus der von der Beklagten zitierten Entscheidung des Bundesgerichtshofs entnehmen, der ein völlig anderer als der hier gegebene Sachverhalt zugrunde lag. In jener Entscheidung hatte ein Finanzamt im Wege der Forderungspfändung gegen den späteren Insolvenzschuldner vollstreckt. Aufgrund der Pfändung war sodann eine Zahlung erfolgt. Es leuchtet ein und entspricht auch der Rechtsprechung des Senats, dass in einer derartigen Konstellation die nach der Pfändung erfolgte Zahlung nicht anfechtbar ist, wenn der Gläubiger - in der Entscheidung des Bundesgerichtshofs ein Finanzamt - ein unanfechtbares Pfändungspfandrecht erworben hat, das ihm in der Insolvenz des Schuldners ein Absonderungsrecht gewährt. In diesen Fällen fehlt es hinsichtlich der Zahlung an einer Gläubigerbenachteiligung, weil die Gläubiger den der Absonderung unterliegenden Betrag ohnehin an den das Pfandrecht erwerbenden Gläubiger hätten zahlen müssen. Es kommt deshalb entscheidend darauf an, ob bereits der Erwerb des Pfändungspfandrechts anfechtbar ist. Vorliegend hat aber die Beklagte aufgrund der einstweiligen Verfügung kein Absonderungsrecht an der hier in Rede stehenden Summe erlangt. Deshalb ist auch eine Anfechtung der Zahlung grundsätzlich möglich.

bb) Die Anfechtung der hier in Rede stehenden Zahlung ist auch nicht deswegen ausgeschlossen, weil der Kläger ihr in seiner damaligen Eigenschaft als vorläufiger Insolvenzverwalter zugestimmt hat. Insoweit kann nach Auffassung des Senats vorliegend offenbleiben, wie zu entscheiden wäre, wenn die mit Zustimmung des Klägers erfolgten Zahlungen der Schuldnerin den Zweck gehabt hätten, nicht nur die laufenden Leistungen der Beklagten zu vergüten, sondern auch die Altforderungen hätten befriedigt werden sollen, d.h. die Forderungen der Beklagten, die noch vor Stellung des Insolvenzeröffnungsantrages entstanden waren. Es steht nämlich fest, dass der Kläger in seiner Eigenschaft als vorläufiger Insolvenzverwalter lediglich einer Vorauszahlung zugestimmt hat und nur solche Forderungen der Beklagten beglichen werden sollten, die nach dem 2. April 2001 durch die Freischaltung begründet wurden. Wenn es sich aber lediglich um Vorauszahlungen in diesem Sinne handelte, ist kein Grund ersichtlich, warum es dem Kläger verwehrt sein soll, die der Beklagten dann zu Unrecht gezahlten Mehrbeträge im Wege der Anfechtung herauszuverlangen.

(1) Dass es sich bei den hier streitigen Zahlungen um bloße Vorauszahlungen handelte und entgegen dem Vortrag der Beklagten der ursprüngliche Vertrag der Parteien vom 01.12./18.12.1999 nach der Kündigung nicht wieder vollständig in Kraft gesetzt worden ist, ergibt sich zunächst eindeutig aus der einstweiligen Verfügung des Landgerichts vom 17. April 2001. In diesem Beschluss ist ausdrücklich davon die Rede, dass die Schuldnerin jeweils wöchentlich eine "Vorauszahlung in Höhe von DM 5 Millionen" zu leisten habe. Soweit es im Beschlusstenor heißt, die Beklagte habe "diejenigen Leistungen zu erbringen", die "Gegenstand der zwischen den Parteien geschlossenen Zusammenschaltungsvereinbarung" seien, handelt es sich ersichtlich nur um die Beschreibung der der Beklagten in der Zukunft obliegenden Leistungen. Entsprechendes gilt auch für die weitere Formulierung in dem Beschluss, wonach die Beklagte den Zugang nur herstellen soll, "wenn und soweit die Schuldnerin die ihr obliegenden Zahlungspflichten" erbringt. Diese Zahlungspflichten werden nach der Einleitung im vorigen Satz ("wie folgt") in dem sich anschließenden Satz sofort dahingehend präzisiert, dass es sich bei diesen Zahlungspflichten um Vorauszahlungen handelt. Demgegenüber ergibt sich aus der einstweiligen Verfügung mit keinem Wort, dass die Schuldnerin auch Zahlungen für zurückliegende Zeiträume hätte erbringen sollen. Hiergegen spricht auch die in dem Beschluss des Landgerichts zusätzlich enthaltene Sicherheitsklausel. Die hierin aufgeführten Zahlungen sollten lediglich das Risiko der Beklagten abdecken, dass die wöchentlichen Vorauszahlungen die von der Schuldnerin zu vergütenden Leistungen nicht abdeckten. Einer solchen Klausel hätte es nicht bedurft, wenn die Beklagte ohnehin sämtliche Zahlungen wegen vor Erlass der einstweiligen Verfügung entstandener Forderungen hätte für sich behalten dürfen.

(2) Die Qualifizierung als bloße Vorauszahlung, die nach Feststellung der tatsächlich bestehenden Forderungshöhe der Abrechnung bedarf, ergibt sich darüber hinaus auch aus dem weiteren Beschluss des Landgerichts vom 21. Mai 2001 (81 0 (Kart) 87/01, Bl. 164 ff d.A.). In diesem Beschluss wird der Beklagten im Tenor aufgegeben, der Schuldnerin unverzüglich Rechnung über die von ihr aufgrund der einstweiligen Verfügung vom 17. April 2001 in Anspruch genommenen Leistungen in dem Zeitraum 20. April 2001 bis 30. April 2001 (Hervorhebung durch den Senat) zu erteilen. Ausweislich der Gründe dieser einstweiligen Verfügung ergebe sich die Pflicht zur Abrechnung schon definitionsgemäß aus der Verwendung des Begriffes "Vorauszahlungen", ohne dass die Beklagte einen triftigen Grund für die Weigerung einer Abrechnung genannt habe. Die spätere Rücknahme des Antrags auf Erlass der auf die Abrechung zielenden einstweiligen Verfügung durch den Kläger ändert entgegen der Ansicht der Beklagten nichts an dem Umstand, dass die Qualifizierung der auf der Grundlage der einstweiligen Verfügung vom 17. April 2001 erfolgen Zahlung der Schuldnerin als bloße Vorauszahlung auch durch den sich anschließenden Beschluss vom 21. Mai 2001 eindeutig dokumentiert wird.

(3) Wenn es sich aber bei den Zahlungen, denen der Kläger in seiner Eigenschaft als vorläufiger Insolvenzverwalter zugestimmt hat, um bloße Vorauszahlungen für künftig noch entstehende Forderungen der Beklagten handelte, kann eine Anfechtung der Überzahlung der Beklagten nicht mit der Begründung versagt werden, der Kläger habe der Zahlung zugestimmt. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 13. März 2003 (ZIP 2003, 810 ff). Die Beklagte missversteht den Bundesgerichtshof, wenn sie der Entscheidung entnimmt, eine mit Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters vorgenommene Rechtshandlung des Schuldners sei lediglich bzw. ausnahmsweise dann anfechtbar, "wenn der Insolvenzschuldner durch den Gläubiger erpresst worden sei". An einer solchen Erpressung fehle es vorliegend. Eine derartige Aussage lässt sich der zitierten Entscheidung jedoch nicht entnehmen. Der Bundesgerichtshof hat die Möglichkeit, daß kein schutzwürdiges Vertrauen gebildet wurde, nicht auf den Fall der Erpressung beschränkt. Vielmehr heißt es in der genannten Entscheidung lediglich, dass eine Erfüllungshandlung des Schuldners möglicherweise deswegen nicht gemäß § 130 InsO anfechtbar sei, weil der Kläger als vorläufiger Insolvenzverwalter ihr zugestimmt habe (vgl. BGH, ZIP 2003, 810 [811]). Stimme der vorläufige Insolvenzverwalter einer Verfügung des Schuldners zu, dürfe der Geschäftspartner möglicherweise darauf vertrauen, dass eine bloß mittelbare Gläubigerbenachteiligung nicht zur Anfechtbarkeit führe. Vorliegend bestand aber aus einem anderen Grunde als dem der Erpressung insoweit kein schutzwürdiges Vertrauen der Beklagten darauf, die von der Schuldnerin erbrachten Leistungen behalten zu dürfen. Wie oben bereits ausgeführt wurde, handelte es sich um bloße Vorauszahlungen, die naturgemäß abzurechnen waren. Anders als in der zitierten Entscheidung des Bundesgerichtshofs sollten etwaige Altverbindlichkeiten gerade nicht getilgt werden. Dass die Beklagte vorliegend die Schuldnerin nicht zur Zahlung erpresst hat, steht demnach der Anfechtbarkeit der Vorauszahlungen nicht entgegen. Im Gegenteil: Nach der zitierten Entscheidung des Bundesgerichtshofs kann ein Insolvenzverwalter selbst solche Abreden anfechten, die er als vorläufiger Insolvenzverwalter mit einem Gläubiger dahingehend getroffen hat, dass er für den Fall, dass der Gläubiger die noch ausstehende Leistung erbringe, neben der dafür geschuldeten Vergütung auch die Altforderung bezahle. Dann muss er aber erst recht eine mit seiner Zustimmung erfolgte bloße Vorauszahlung anfechten können.

Da der Kläger einer bloßen Vorauszahlung zugestimmt hat, scheidet auch die Anwendung des § 103 InsO, auf die sich die Beklagte ebenfalls beruft, von vorneherein aus. Der ursprüngliche Vertrag zwischen den Parteien sollte gerade nicht wieder in Kraft gesetzt werden. Es fehlt bereits an einem Erfüllungsverlangen des Klägers, abgesehen davon, dass § 103 InsO grundsätzlich erst nach Insolvenzeröffnung anwendbar ist.

(4) Aus den vorstehenden Überlegungen folgt zugleich, dass dem Anfechtungsanspruch des Klägers auch nicht der Einwand von Treu und Glauben (§ 242 BGB) entgegengesetzt werden kann. Eine Anfechtung scheidet ausnahmsweise aus, wenn der spätere Insolvenzverwalter durch sein Handeln einen schutzwürdigen Vertrauenstatbestand beim Empfänger begründet hat und dieser infolgedessen nach Treu und Glauben damit rechnen durfte, ein nicht mehr entziehbares Recht errungen zu haben (vgl. BGH, ZIP 2003, 810 [813]; siehe auch bereits BGHZ 86, 190). Die Beklagte durfte nicht darauf vertrauen, nach Insolvenzeröffnung die nicht verbrauchten Beträge zur Tilgung der Altforderungen behalten zu dürfen, da es sich um - in die Zukunft gerichtete - zweckgebundene Vorauszahlungen handelte und dies auch für die Beklagte ohne weiteres zu erkennen war. Der Fall kann deshalb nicht anders beurteilt werden, wie wenn sich der Kläger die Anfechtung ausdrücklich vorbehalten hätte. Bei einer anderen Betrachtungsweise würde die Beklagte gegenüber den anderen Insolvenzgläubigern in nicht gerechtfertigter Weise privilegiert. Dies widerspräche eindeutig dem Hauptzweck des Insolvenzverfahrens, die Insolvenzgläubiger im wesentlichen gleichrangig zu befrieden (vgl. zu diesem Gesichtspunkt auch BGH, ZIP 2003, 810 [812]; Kirchhof, ZInsO 2000, 299). b) Auch der Einwand der Beklagten, es handele sich um ein Bargeschäft und deshalb sei die Anfechtung gemäß § 142 InsO ausgeschlossen, greift nicht durch. Nach dieser Vorschrift ist eine Leistung des Schuldners, für die unmittelbar eine gleichwertige Gegenleistung in sein Vermögen gelangt, nur unter den Voraussetzungen des § 133 Abs. 1 InsO anfechtbar. Durch die Formulierung "für die" bringt das Gesetz zum Ausdruck, dass die Leistung mit der Gegenleistung durch Parteivereinbarung verknüpft sein muss (vgl. BGHZ 123, 320 [328]; HK/Kreft, InsO, 2. Aufl. 2001, § 142 Rdn. 4; Kirchhof in MünchKomm zur InsO, 2002, § 142 Rdn. 5). Eine solche Verknüpfung bestand vorliegend aber nur insoweit, als die Beklagte für die nach der Wiederfreischaltung der Leitungen erbrachten T.munikationsleistungen vergütet werden sollte. Für diese Leistungen hat die Beklagte der Schuldnerin einen Betrag in Höhe von 10.032.945,21 DM in Rechnung gestellt und auch erhalten. Insoweit erscheint die Annahme eines Bargeschäfts unproblematisch. Demgegenüber fehlt es für den mit der Klage geltend gemachten überschießenden Betrag an einer Verknüpfung mit einer Gegenleistung der Beklagten. Auch hier wirkt sich aus, dass die Schuldnerin lediglich Vorauszahlungen erbracht hat, mit der - nur - die der Beklagten in der einstweiligen Verfügung des Landgerichts vom 17. April 2001 auferlegten Leistungen vergütet werden sollten. Soweit die Zahlungen hierfür nicht benötigt wurden, fehlt es an einer für die Anwendung des § 142 Abs. 1 InsO konstitutiven Verknüpfung von Leistung und Gegenleistung. Es kommt deshalb nicht darauf an, ob und wenn ja in welchem Umfang die Schuldnerin in der Wiederanschaltungsphase zum Netz der Beklagten wirtschaftliche Vorteile etwa in Gestalt von Ansprüchen gegen ihre Endkunden erlangt hat. c) Schließlich liegen die Voraussetzungen des § 130 Abs. 1 Nr. 2 InsO auch im übrigen vor. Die Vorschusszahlungen, die sämtlich nach dem 2. April 2001 und damit nach Stellung des Insolvenzeröffnungsantrages erfolgten, haben der Beklagten zumindest eine Sicherung im Sinne dieser Vorschrift gewährt. Die Beklagte kannte auch spätestens im Zeitpunkt der Entgegennahme der Vorschusszahlungen auch den Eröffnungsantrag. Dies folgt zunächst bereits aus dem Vortrag des Klägers, wonach er den Prokuristen der Beklagten, Herrn A., in einem Telefonat am 2. April 2001 von der Antragstellung unterrichtet habe (vgl. Bl. 9, 56 d.A.). Die Beklagte hat diesen Vortrag nicht substantiiert bestritten, sondern lediglich darauf verwiesen, dass ihr die Anlagen in der Kartellangelegenheit erst am 24. April 2001 zugestellt worden seien. Unbestritten ist auch der weitere Vortrag des Klägers, dass die Beklagte jedenfalls am 12. April 2001 im Zusammenhang mit dem Verfahren vor der Regulierungsbehörde von dem Beschluss des Amtsgerichts vom 2. April 2001, durch den der Kläger zum vorläufigen Insolvenzverwalter bestimmt worden ist, Kenntnis erlangt habe (vgl. Bl. 56 f d.A. und Bl. 169 ff Anlagenheft). Auch dieser Vortrag ist mangels entgegenstehenden Vorbringens der Beklagten gemäß § 138 Abs. 3 ZPO als zugestanden anzusehen.

2. Ungeachtet der vorstehenden Ausführungen ist der Zahlungsanspruch des Klägers auch gemäß § 812 Abs. 1 Satz 1, 1. Alt. BGB (Leistungskondition) begründet. Hierauf hat das Landgericht das klagezusprechende Urteil zutreffend gestützt.

a) Nicht zu beanstanden ist zunächst, dass das Landgericht die Vorschusszahlung insoweit als rechtsgrundlose Leistung der Schuldnerin angesehen hat, als dieser Zahlung keine Leistungen der Beklagten nach Stellung des Insolvenzantrages gegenüberstanden. Wie oben bereits ausgeführt, überzeugen die Bemühungen der Beklagten, der einstweiligen Verfügung des Landgerichts die Bedeutung der vollständigen Wiederinkraftsetzung des Ursprungsvertrages zwischen der Schuldnerin und der Beklagten beizumessen, nicht. Im Rahmen des einstweiligen Verfügungsverfahrens ging es nur darum, dass die Schuldnerin in der Lage sein sollte, ihre zukünftigen Verpflichtungen gegenüber ihren Kunden weiter erbringen zu können. Auf der anderen Seite sollte die Beklagte entsprechend abgesichert sein, damit sie der Schuldnerin nicht Leistungen zur Verfügung stellte, ohne hierfür eine Vergütung zu erlangen.

b) In gleicher Weise überzeugend sind die Ausführungen des Landgerichts, mit denen es die Anwendbarkeit des § 814 BGB zu Lasten des Klägers verneint hat. Es liegt in der Natur einer Vorschussleistung, dass die genaue Höhe des tatsächlich von dem Gegner zu Beanspruchendem erst nach einer Abschlussabrechnung festgestellt werden kann. Dass der Kläger ausweislich seines eigenen Vorbringens in dem einstweiligen Verfügungsverfahren die Möglichkeit einer Übersicherung der Beklagten gesehen hat, ist nicht gleichbedeutend mit der positiven Kenntnis der Leistung auf eine Nichtschuld. Dies wird besonders deutlich, wenn die Beklagte darlegen soll, in Höhe welchen Betrages die Schuldnerin im Zeitpunkt der Zahlung denn positiv gewusst haben soll, dass insoweit keinerlei Ansprüche der Beklagten bestanden. Hierzu ist die Beklagte nicht in der Lage, ihr Vorbringen ist vielmehr pauschal in dem Sinne, dass die Schuldnerin gewusst habe, "zuviel zu leisten". Dies rechtfertigt die Anwendung des § 814 BGB indessen nicht.

c) Das Landgericht hat im Ergebnis auch die von der Beklagten erklärte Aufrechnung zu Recht als unzulässig angesehen. Hierbei kann offen bleiben, ob die Unzulässigkeit der Aufrechnung bereits aus § 96 Abs. 1 InsO folgt. Hieran bestehen unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs allerdings Bedenken (vgl. BGH, ZIP 1998, 1318). Die Unzulässigkeit der Aufrechnung folgt aber jedenfalls aus § 96 Abs. 1 Nr. 3 InsO, weil die Beklagte die Aufrechnungslage in anfechtbarer Weise erlangt hat. Insoweit kann auf die obigen Ausführungen zu der Frage der Anfechtbarkeit gemäß § 130 Abs. 1 Nr. 2 InsO verwiesen werden. Auch im vorliegenden Zusammenhang greift im übrigen der Einwand der Beklagten, die Berechtigung der Aufrechnung ergebe sich auch aus § 103 InsO, von vorneherein nicht durch.

3. Erfolg hat die Berufung der Beklagten, soweit das Landgericht eine Verzinsung des Zahlungsanspruches ab dem 28. Juli 2001 ausgesprochen hat. Tatsächlich kann der Kläger gemäß §§ 291 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2, 288 Abs. 1 Satz 2 BGB i.V.m. Art. 229 § 1 Abs. 1 Satz 3 EGBGB Zinsen in der beanspruchten Höhe lediglich ab dem 2. August 2001 verlangen.

a) Auf der Grundlage der erstinstanzlich gestellten Anträge war das Landgericht in prozessualer Hinsicht nicht befugt, dem Kläger Zinsen seit dem 28. Juli 2001 zuzusprechen. Ausweislich des Sitzungsprotokolls hat der Kläger den Antrag aus der Klageschrift gestellt. In der Klageschrift hat er die Zahlung von Rechtshängigkeitszinsen beantragt, ohne indessen den Zinsbeginn datumsmäßig zu bestimmen. Soweit in dem Tatbestand des angegriffenen Urteils der Antrag des Klägers dahingehend wiedergegeben wird, dass Zinsen seit dem 28. Juli 2001 zu zahlen seien, kommt dieser Feststellung keine Beweiskraft im Sinne des § 314 ZPO zu, da der Antrag ausweislich des - insoweit vorrangigen - Protokolls anders lautete. Damit ist der Klageantrag aber nicht hinreichend bestimmt und damit unzulässig gewesen (§ 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO). Dass sich die Rechtshängigkeit - sie ist gemäß §§ 253 Abs. 1, 261 Abs. 1 mit Zustellung der Klage am 1. August 2001 eingetreten - anhand der Akten bestimmen lässt, genügt nicht. Lässt man demgegenüber die Bestimmbarkeit anhand der Akten ausreichen, hätte das Landgericht gegen die Vorschrift des § 308 Abs. 1 ZPO verstoßen, da es dem Kläger mehr zugesprochen hat, als dieser beantragt hatte (Zinsen seit dem 28. Juli 2001 statt dem 1. August 2001).

b) Die vorstehend erörterten prozessualen Bedenken an der Entscheidung des Landgerichts zu dem Zinsanspruch des Klägers wirken sich jedoch im Berufungsrechtszug nicht aus. In der Berufungserwiderung hat der Kläger nämlich Zurückweisung der Berufung beantragt und damit - konkludent - den Zinsantrag entsprechend dem Tenor des landgerichtlichen Urteils nunmehr hinreichend präzisiert bzw. den Zinsantrag entsprechend erhöht. Er beantragt demnach Zinsen seit dem 28. Juli 2001. Dies ist jedoch materiell nicht gerechtfertigt. Gemäß den §§ 291, 288 Abs. 1 BGB kann der Kläger Rechtshängigkeitszinsen verlangen. Rechtshängigkeit ist aber erst am 1. August 2001 eingetreten. Da für den Zinsbeginn § 187 Abs. 1 BGB entsprechend gilt (vgl. nur BGH, NJW-RR 1990, 518 [519]; Palandt/Heinrichs, BGB, 62. Aufl. 2003, § 187 Rnr. 1), beginnt die Verzinsung erst am Folgetag, d.h. vorliegend am 2. August 2001. Entsprechendes gilt auch für den sich unmittelbar aus § 288 BGB ergebenden Zinsanspruch (Verzugszinsen).

4. a) Abzuändern ist das Urteil des Landgerichts auch im Hinblick auf die Kostenentscheidung, die der Senat gemäß § 308 Abs. 2 ZPO auch ohne Rüge der Beklagten von Amts wegen zu überprüfen hat. Gemäß § 281 Abs. 3 Satz 2 ZPO sind dem Kläger ungeachtet eines etwaigen Obsiegens in der Hauptsache die Mehrkosten, die durch die Anrufung des unzuständigen Landgerichts Marburg entstanden sind, alleine aufzuerlegen. Im übrigen trägt die Kosten des Rechtsstreits gemäß den §§ 97 Abs. 1, 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO die Beklagte. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit findet ihre Grundlage in den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

b) Die Voraussetzungen der Zulassung der Revision nach § 543 Abs. 2 ZPO sind entgegen der Ansicht der Beklagten nicht erfüllt. Die Sache hat weder grundsätzliche Bedeutung, noch bedarf es einer Entscheidung des Revisionsgerichts zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung. Insbesondere folgt dies nicht allein aus dem Umstand, dass der Bundesgerichtshof zu der hier konkret in Rede stehenden Konstellation bislang noch keine Entscheidung getroffen hat. Nach Auffassung des Senats ist es nicht zweifelhaft, dass eine Rückforderung - sei nach den Regeln der Insolvenzanfechtung, sei es nach bereicherungsrechtlichen Grundätzen - des überschießenden Betrages einer abzurechnenden Vorschuss- bzw. Vorauszahlung durch einen Schuldner nicht allein deshalb ausgeschlossen ist, weil der Insolvenzverwalter vor Insolvenzeröffnung in seiner Eigenschaft als vorläufiger Insolvenzverwalter der Vorauszahlung zugestimmt hat. Auch aus der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 13. März 2003 (vgl. ZIP 2003, 810 ff.) ergibt sich kein grundsätzlicher Klärungsbedarf. Offen gelassen hat der Bundesgerichtshof in dieser Entscheidung lediglich die Frage, ob die Bezahlung von Altforderungen anfechtbar oder wegen Insolvenzzweckwidrigkeit nichtig ist, wenn dieser Tilgung der vorläufige Insolvenzverwalter zugestimmt hat. Vorliegend ist jedoch eine Zustimmung des Klägers zu der Tilgung von Altforderungen nach den - tatsächlichen - Feststellungen des Landgerichts und des Senats gerade nicht erfolgt.

Berufungsstreitwert: 4.124.619,50 € (keine Streitwerterhöhung gemäß § 19 Abs. 3 GKG, weil jedenfalls keine der Rechtskraft fähige Entscheidung über die von der Beklagten zur Aufrechung gestellten Gegenforderung ergangen, die Aufrechnung vielmehr insolvenzrechtlich gemäß § 96 Abs. 1 Nr. 3 InsO unzulässig ist)

Ende der Entscheidung

Zurück