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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Köln
Beschluss verkündet am 25.08.2004
Aktenzeichen: 2 U 91/04
Rechtsgebiete: ZPO, InsO, HGB


Vorschriften:

ZPO § 522 Abs. 2
ZPO § 522 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2
ZPO § 522 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3
ZPO § 522 Abs. 2 Satz 2
InsO § 47
InsO § 48
HGB § 392 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT KÖLN BESCHLUSS

2 U 91/04

In dem Rechtsstreit

pp.

hat der 2. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln unter Mitwirkung der Richter am Oberlandesgericht Sternal, Prof. Dr. Metzen und Dr. Göbel am 25. August 2004 beschlossen:

Tenor:

Der Senat beabsichtigt, die Berufung des Klägers vom 26. April 2004 gegen das am 1. April 2004 verkündete Urteil der 18. Zivilkammer des Landgerichts Bonn - 18 O 215/03 - durch einstimmigen Beschluß gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen.

Der Kläger erhält Gelegenheit, hierzu bis zum 17. September 2004 Stellung zu nehmen.

Gründe:

1.

Der Kläger nimmt den Beklagten als Insolvenzverwalter über das Vermögen eines Kunstauktionshauses auf Ersatzaussonderung des Erlöses aus der Versteigerung eines Gemäldes in Anspruch.

Am 5. bzw. 6. März 2002 lieferte der Kläger bei der Schuldnerin mehrere Gemälde ein und beauftragte diese mit deren Versteigerung. Nach den Auktionsbedingungen der jetzigen Insolvenzschuldnerin führte diese die Versteigerungen als Kommissionärin im eigenen Namen und für Rechnung des Auftraggebers gegen Zahlung eines Kommissionsentgeltes von 15 % durch. Gemäß Ziffer 13 der Auftragsbedingungen sollte die Abrechnung über den Versteigerungserlös innerhalb von 8 Wochen nach der Auktion unter Abzug der Gebühren und der vorauslagten Kosten erfolgen.

Im Rahmen der Kunstauktion vom 29. Juni 2002 wurde ein Gemälde für 6.500,00 € an eine Firma in Italien versteigert. Die Erwerberin holte das Bild am 5. Juli 2002 ab und zahlte den Rechnungsbetrag von 7.962,50 € in bar. Dieser Betrag wurde von der Schuldnerin in ihre Kasse gelegt, in der sich weiteres Bargeld befand. Das Kassenbuch wies für diesen Tag Einnahmen aus der Auktion in Höhe von 19.598,00 € und einen Kassenbestand von 25.208,13 € auf. Von dem vorhandenen Bargeld wurden - neben weiteren Barentnahmen von 9.800,00 € sowie 5,76 € - insgesamt 14.500,00 € auf ein Girokonto der Schuldnerin bei der Sparkasse Bonn eingezahlt.

Das Amtsgericht Bonn bestellte den Beklagten am 16. Juli 2002 zum vorläufigen Insolvenzverwalter über das Vermögen der Schuldnerin unter gleichzeitiger Anordnung eines Zustimmungsvorbehaltes. Bis zu diesem Zeitpunkt veränderte sich der Kassenbestand aufgrund von Einnahmen und Ausgaben ständig; der geringste Bestand in dieser Zeit betrug 3.331,41 €. Mit Beschluß vom 2. Oktober 2002 eröffnete das Amtsgericht Bonn das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin und bestellte den Beklagten zum Insolvenzverwalter.

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die Schuldnerin sei nicht zur Einziehung des Auktionserlöses berechtigt gewesen. Er hält die Vorschrift des § 392 Abs. 2 HGB auf das Surrogat der Kaufpreisforderung des Kommissionärs gegenüber dem Käufer für analog anwendbar. Es sei davon auszugehen, daß der ihm nach Abrechnung zustehende Kaufpreis noch unterscheidbar in der Kasse bzw. auf dem Konto der Schuldnerin vorhanden sei.

Das Landgericht hat die Klage mit Urteil vom 1. April 2004 als unbegründet abgewiesen. Hiergegen richtet sich die Berufung des Klägers, mit der er den Ersatzaussonderungsanspruch weiter verfolgt und sich darauf beruft, die Unterscheidbarkeit der Barbezahlung sei weiterhin entgegen der Auffassung des Landgerichts Bonn gegeben. 2.

Die zulässige Berufung des Klägers hat keine Aussicht auf Erfolg (§ 522 Abs. 2 Nr. 1 ZPO). Das Landgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die hiergegen mit der Berufung erhobenen Einwendungen rechtfertigen keine andere Beurteilung.

a)

Der Kläger hat gegen den Beklagten keinen Ersatzaussonderungsanspruch im Sinne des § 48 InsO an dem vereinnahmten Versteigerungserlös.

Ein solcher Anspruch setzt zwingend voraus, daß ein Gegenstand vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens vom Schuldner oder nach der Eröffnung vom Insolvenzverwalter unberechtigt veräußert worden ist. Ein auf diese Vorschrift gegründeter Anspruch scheidet daher nach allgemeiner Ansicht aus, wenn der Schuldner oder der Insolvenzverwalter berechtigt, das heißt mit Einwilligung oder Genehmigung des Gläubigers verfügt hat. Ein Aussonderungsberechtigter, der damit einverstanden ist, daß über sein Recht verfügt wird, bedarf keines besonderen insolvenzrechtichen Schutzes (vgl. nur BGHZ 68, 199 [201] = NJW 1977, 901; BGH, NZI 2003, 549 [551]; MünchKomm/Ganter, InsO, 2001, § 48 Rn 27; Andres in Nerlich/Römmermann, Stand März 2004, § 48 Rn 9; Uhlenbruck, InsO, 12. Auflage 2003, § 48 Rn 15 mit weiteren umfangreichen Nachweisen aus der ständigen obergerichtlichen Rechtsprechung).

Vorliegend fehlt es an einer entsprechenden unberechtigten Veräußerung des Kunstwerkes. Die Schuldnerin war befugt, das Gemälde im Wege der Versteigerung zu verkaufen. Der Kläger hatte ihr hierzu am 5./6. März 2002 ausdrücklich einen entsprechenden Auftrag erteilt. Die Schuldnerin sollte im eigenen Namen und für Rechnung des Auftraggebers für diesen gegen Zahlung eines Entgeltes tätig werden. Die Versteigerung des Gemäldes sowie die Einziehung des Versteigerungserlöses gehörte gerade zu ihren Aufgaben und war Teil der Abwicklung des Auktionsgeschäftes. Unter diesen Umständen war die Schuldnerin auf Grund der zwischen ihr und dem Kläger getroffenen Abreden sowohl zur Veräußerung des Gemäldes als auch zur Einziehung des Kaufpreises berechtigt.

Diese Berechtigung ist auch nicht nachträglich vor der Durchführung der Versteigerung und der anschließenden Übergabe des Versteigerungsgutes an den Erwerber erloschen. Der Kläger hat unstreitig den Auktionsauftrag bis zur Übergabe des Gemäldes an den Erwerber nicht widerrufen. Soweit der Kläger erstinstanzlich sich darauf berufen hat, zum Zeitpunkt der "Abwicklung der Geschäfte habe bereits Insolvenzreife" bestanden, ist dieser pauschale Vortrag nicht geeignet, die Berechtigung der Schuldnerin entfallen zu lassen. Selbst dann, wenn sich im Zeitpunkt der Auktion die Krise des Kommissionärs bereits abzeichnete, bedeutet dies noch nicht automatisch den Wegfall der Berechtigung. Entgegen der Vorstellung des Klägers ist der Auktionsauftrag nicht unter der Bedingung erteilt worden, daß der Versteigerungserlös nicht in die Insolvenzmasse falle. Eine solche Einschränkung enthält der schriftlich erteilte Auktionsauftrag vom 5. bzw. 6. März 2002 nicht. Vielmehr sprechen alle Umstände dafür, daß der Kläger als Auftraggeber die Möglichkeit einer Insolvenz des Auktionshauses nicht bedacht und er auch keine entsprechenden Sicherungen getroffen hat.

Da es bereits an dem Merkmal der unberechtigten Veräußerung mangelt, kann es hier dahinstehen, inwieweit bei einer dinglichen Surrogation überhaupt eine Ersatzaussonderung nach § 48 InsO in Betracht kommt (verneinend Braun/Bäuerle, InsO 2002, § 48 Rn 15).

b)

Der Kläger kann sich ebensowenig auf ein Aussonderungsrecht im Sinne des § 47 InsO an dem Versteigerungserlös berufen.

Sobald - wie hier - der Kommissionär das Kommissionsgut dem Käufer übereignet hat, kann dieses nicht mehr ausgesondert werden. Ob in diesem Falle eine entsprechende Anwendung des § 392 Abs. 2 HGB dem Kommittenten ein Aussonderungsrecht an der noch offenen Kaufpreisforderung oder an dem Surrogat der bereits eingezogenen Forderung verschafft (so etwa Braun/Bäuerle, a.a.O., § 47 Rn 76; MünchKomm/Ganter, InsO, § 47 Rn 289, 296; Gottwald, Insolvenzrechts-Handbuch, 2. Auflage 2001, § 40 Rn 52 ff.; Baumbach/Hopt, HGB, 31. Auflage 2003, § 392 Rn 7; Staub/Koller/Helm, HGB, 3. Auflage 1980, § 392 Rn 2; K. Schmidt, Handelsrecht, 5. Auflage 1999, § 31 V 4c) oder ob in Wahrung des sachenrechtlichen Spezialitätsgrundsatzes eine Verdinglichung des Surrogats ohne ausdrückliche gesetzgeberische Vorgabe ausscheidet (so zum Beispiel BGH, NJW 1974, 456 [457]; BGH, NJW 1981, 918 [919]; OLG Hamm, ZIP 2003, 2262 [2263]; HK/Eickmann, InsO, 3. Auflage 2003, § 47 Rn 17; Prütting in Kübler/Prütting, InsO, Stand März 2004, § 47 Rn 66; Uhlenbruck, a.a.O., § 47 Rn 78; Weis in Hess/Weis/Wienburg, InsO, 2. Auflage 2001, § 47 Rn 280; Ensthaler/Achilles, HGB, 6. Auflage 1999, § 392 Rn 3; MünchKomm/Häuser, HGB, 2004, § 383 Rn 101, § 392 Rn 45; Schlegelberger/Hefermehl, HGB, 5. Auflage 1977, § 392 Rn 20), kann hier dahinstehen.

Selbst bei einer entsprechenden Heranziehung des § 392 Abs. 2 HGB scheitert ein Anspruch des Klägers auf Aussonderung bereits daran, daß der Versteigerungserlös nicht mehr unterscheidbar im Vermögen der Schuldnerin vorhanden ist. Für eine Aussonderung - wie auch für die Ersatzaussonderung - ist es nämlich notwendig, daß der auszusondernde Gegenstand bzw. das Surrogat bestimmt oder jedenfalls bestimmbar im Vermögen des Schuldners vorhanden ist (BGH, NZI 2003, 549 [550]). Diese Notwendigkeit wird auch von den Befürwortern eines Aussonderungsrechts am Surrogat aus dem Ausführungsgeschäft in analoger Anwendung des § 392 Abs. 2 HGB gefordert (vgl. OLG Hamm, ZInsO 2003, 97 [98]; MünchKomm/Ganter, a.a.O., § 47 Rn 32 f.; Uhlenbruck, InsO, 12. Auflage, § 47 Rn 5; Baumbach/Hopt, a.a.O., § 392 Rn 7). Eine Aussonderung wegen eines bloßen Geldsummenanspruchs kennt die Rechtsordnung nicht (BGHZ 58, 257 [258] = NJW 1972, 872; BGH, NZI 2003, 549 [550]).

Vorliegend ist der im Rahmen der Versteigerung erhaltene Kaufpreis nicht mehr unterscheidbar vorhanden. Aus dem Bestimmtheitserfordernis folgt, daß das Surrogat vom eigenen Vermögen des Kommissionärs getrennt gehalten werden muß. Sobald vertretbare Gegenstände mit anderem Vermögen vermischt werden, läßt sich nicht mehr mit Bestimmtheit sagen, was das Surrogat ist. Besteht die Gegenleistung - wie hier - in Bargeld, so kann dieses Surrogat herausverlangt werden, wenn die Nummern der Geldscheine gesondert vermerkt worden sind oder das erhaltene Bargeld besonders gekennzeichnet worden ist, so daß eine individuelle Identifizierung möglich ist. Ist das eingenommene Bargeld indes in die Kasse geflossen, ohne daß eine solche individuelle Identifizierung der Geldscheine und Münzen möglich ist, scheidet eine Unterscheidbarkeit aus. Tatsächlich ist vorliegend das von dem Erwerber übergebene Bargeld mit anderen bei dem Kommissionär vorhandenen Bargeldbeständen zusammengeführt worden. Durch die Vermischen des erhaltenen Betrag mit anderen Banknoten und Münzen ist eine Zuordnung der Geldzeichen zu dem erzielten Erlös aus der Versteigerung des streitbefangenen Gemäldes nicht mehr möglich.

Sollte tatsächlich, worauf sich der Kläger pauschal beruft, zunächst noch hinsichtlich des Tageskassenbestandes die geforderte Bestimmbarkeit vorgelegen haben, so ist diese mit der ebenfalls am 5. Juli 2002 vorgenommen verschiedenen Barentnahmen sowie die teilweisen Einzahlung der Beträge auf das Geschäftsgirokonto der Schuldnerin beseitigt worden. Durch die Übereignung der Wertzeichen hat die Sparkasse Eigentum an diesen erworben. Inhaberin der durch die Einzahlung entstandenen Forderung gegen die Bank wurde allein die Schuldnerin als Kontoinhaberin (vgl. allgemein BGH, NJW 1999, 1709 [1711]). Entgegen der Ansicht der Berufung kommt es nicht darauf an, ob die Zahlungsvorgänge - die Bareinzahlung sowie die späteren Entnahmen aus der Kasse - mit Belegen nachzuweisen sind. Allein entscheidend ist, ob der in bar entrichtete Rechnungsbetrag tatsächlich unterscheidbar von den übrigen Kassenvorgängen separiert worden ist. Diese Voraussetzungen sind nicht gegeben. Der eingenommenen Versteigerungserlöses von 7.962,50 € lässt sich bereits summenmäßig weder den bei der Sparkasse vorgenommenen Bareinzahlungen von 6.500,00 € bzw. 8.000,00 € noch den weiteren Barentnahmen von 9.800,00 € bzw. 5,79 € zuordnen. Fehl geht hierbei die Vorstellung der Berufung, die Darlegungs- und Beweislast treffe insoweit den Beklagten. Wie die Zahlung im Einzelnen erfolgte und wo das Geld verblieben ist, hat der sich auf ein Aussonderungsrecht berufende Kläger darzulegen und zu beweisen (vgl. nur BGH, ZInsO 2003, 761 [763]; MünchKomm/Ganter, a.a.O., § 47 Rn 487 f; § 48 Rn 73).

c)

Der mit der Klageschrift von dem Kläger geltend gemachte Anspruch wegen Massebereicherung scheidet hier von vornherein aus. § 55 Abs. 1 Nr. 3 InsO setzt voraus, daß die Insolvenzmasse nach der Verfahrenseröffnung bereichert worden ist (vgl. nur BGH, ZInsO 2003, 761 [763]; HK/Eickmann, a.a.O., § 55 Rn 24; MünchKomm/Hefermehl, a.a.O., § 55 Rn 203, 206 ff.; Uhlenbruck/Berscheid, a.a.O., § 55 Rn 74). Dies hier unstreitig nicht der Fall, weil die Zahlung des Erwerbers schon vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Auktionshauses erfolgte.

2.

Die Annahme der Berufung des Klägers ist trotz fehlender Erfolgsaussicht auch nicht aus einem der Gründe des § 522 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 oder Nr. 3 ZPO gegeben. Der vorliegende Rechtsstreit hat keine grundsätzliche Bedeutung, und eine Entscheidung des Senats ist ebensowenig zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung geboten. Die maßgeblichen Rechtsfragen sind, wie vorstehend erörtert, in der obergerichtlichen Rechtsprechung hinreichend geklärt. Auf die von der Literatur teilweise bejahte Frage der analogen Anwendung des § 392 Abs. 2 HGB kommt es zudem, wie vorstehend eingehend erörtert, für die Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits nicht an. Im übrigen basiert die Beurteilung des Streitfalls auf einer Würdigung der Besonderheiten des konkreten Einzelfalls.

Gemäß § 522 Abs. 2 Satz 2 ZPO gibt der Senat dem Kläger Gelegenheit, zu der beabsichtigten Zurückweisung des Rechtsmittels innerhalb der in der Beschlußformel bezeichneten Frist Stellung zu nehmen.

Ende der Entscheidung

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