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Gericht: Oberlandesgericht Köln
Beschluss verkündet am 18.12.2007
Aktenzeichen: 2 W 101/07
Rechtsgebiete: ZPO
Vorschriften:
ZPO § 42 Abs. 1 | |
ZPO § 42 Abs. 2 | |
ZPO § 43 | |
ZPO § 44 Abs. 1 Satz 1, 2. Halbsatz | |
ZPO § 44 Abs. 2 Satz 1, 1. Halbsatz | |
ZPO § 44 Abs. 2 Satz 2 | |
ZPO § 44 Abs. 3 | |
ZPO § 46 Abs. 2 | |
ZPO § 278 Abs. 1 |
Tenor:
Die sofortige Beschwerde der Beklagten vom 27. November 2007 gegen den Beschluß der 7. Zivilkammer des Landgerichts Bonn vom 19. November 2007 - 7 O 96/06 - wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens haben die Beklagten zu tragen.
Gründe:
Mit Schriftsatz vom 15. Oktober 2007 haben die Beklagten erklärt, der Einzelrichter des Landgerichts, Herr Vorsitzender Richter am Landgericht X, werde wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt. Dieses Ablehnungsgesuch hat die Zivilkammer des Landgerichts durch Beschluß vom 19. November 2007 zurückgewiesen. Dagegen wenden sich die Beklagten mit der sofortigen Beschwerde vom 27. November 2007. Durch Beschluß vom 7. Dezember 2007 hat das Landgericht der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen und sie dem Oberlandesgericht zur Entscheidung vorgelegt.
Das gemäß § 46 Abs. 2 ZPO statthafte, in rechter Form und Frist eingelegte Rechtsmittel ist nicht begründet. Durch den angefochtenen Beschluß hat das Landgericht das Ablehnungsgesuch der Beklagten zu Recht und mit zutreffender Begründung, die sich der Senat zu eigen macht und auf die er deshalb auch zur Begründung seiner vorliegenden Beschwerdeentscheidung Bezug nimmt, zurückgewiesen. Das Vorbringen der Beschwerde veranlaßt keine abweichende Entscheidung.
Gemäß § 42 Abs. 1 ZPO kann ein Richter unter anderem wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden. Sie ist nach § 42 Abs. 2 ZPO gegeben, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Mißtrauen gegen die Unparteilichkeit des Richters zu rechtfertigen. Hierfür ausreichend, aber auch erforderlich ist nach allgemeiner Auffassung und insbesondere ständiger Rechtsprechung ein Sachverhalt, der aus der Sicht des Ablehnenden einer ruhig und vernünftig denkenden Partei bei Würdigung aller Umstände berechtigten Anlaß gibt, an der Unvoreingenommenheit des Richters zu zweifeln (vgl. BVerfGE 82, 30 [38]; BVerfGE 92, 138 [139]; BGHZ 77, 70 [72]; BGH, NJW 1995, 1677 [1679]; BGH NJW-RR 2003, 1220 [1221]; BGH FamRZ 2006, 1440; OLG Brandenburg, NJW-RR 2000, 1091; Thomas/Putzo/Hüßtege, ZPO, 28. Aufl. 2007, § 42, Rdn. 9; Zöller/Vollkommer, ZPO, 26. Aufl. 2007, § 42, Rdn. 9). Hierauf hat das Landgericht zutreffend abgestellt; die Einwendungen der Beschwerde dagegen, daß es seiner Beurteilung als Maßstab die nach allgemeiner Auffassung maßgebliche Sicht einer ruhig und vernünftig wägenden Partei zugrunde gelegt hat, gehen deshalb fehl. Der Ablehnungsgrund, das heißt der Sachverhalt, der aus dieser Sicht die Besorgnis der Befangenheit begründet, ist nach § 44 Abs. 2 Satz 1, 1. Halbsatz ZPO glaubhaft zu machen.
Hiernach sind, wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat, die Voraussetzung einer Ablehnung von Herrn Vorsitzenden Richter am Landgericht X wegen der Besorgnis der Befangenheit im Streitfall nicht erfüllt. Der durch die dienstliche Erklärung des abgelehnten Richters vom 18. Oktober 2007 nach § 44 Abs. 2 Satz 2, Abs. 3 ZPO glaubhaft gemachte Sachverhalt rechtfertigt die Ablehnung nicht. Ihre teilweise abweichende Darstellung des Sachverhalts haben die Beklagten nicht, wie nach § 44 Abs. 2 Satz 1, 1. Halbsatz ZPO erforderlich, glaubhaft gemacht.
Aus Rechtsgründen hier unerheblich sind die ausführlichen Darlegungen der Beschwerdeschrift vom 27. November 2007 zu dem Verhalten und den Äußerungen des abgelehnten Richters in einem früheren Verhandlungstermin am 11. Juli 2006. Denn nach § 43 ZPO kann eine Partei einen Richter wegen Besorgnis der Befangenheit nicht mehr ablehnen, wenn sie sich bei ihm in eine Verhandlung eingelassen hat oder Anträge gestellt hat, ohne einen ihr bekannten Ablehnungsgrund geltend zu machen. Im Termin vom 10. Oktober 2007 hat Rechtsanwalt Dr. I namens der Beklagten einen Antrag auf Klageabweisung gestellt. In diesem Zeitpunkt war den Beklagten, die ausweislich der Sitzungsniederschrift vom 11. Juli 2006 beide selbst in diesem Termin anwesend waren, bekannt, was der abgelehnte Richter in dem Termin vom 11. Juli 2006 erklärt und vorgeschlagen hatte.
Für die Frage der Ablehnung des Richters wegen der Besorgnis der Befangenheit unerheblich sind auch die Ausführungen der Beschwerde dazu, daß die Prozeßbevollmächtigten des Klägers den anwaltlichen Vertreter der Beklagten "lautstark" und teilweise "völlig unangemessen" unterbrochen haben sollen. Für eine Befangenheit des Richters ergibt sich daraus nichts. Daß sich dieser um eine einervernehmliche Lösung des Streits bemüht hat, was in jeder Lage des Verfahrens zu tun er nach § 278 Abs. 1 ZPO gehalten war, ist aus der maßgeblichen Sicht einer verständigen Partei ebenso wenig zu beanstanden, wie daß er sich in diesem Zusammenhang auch nach der finanziellen Darstellbarkeit einer etwaigen einvernehmlichen Regelung erkundigt hat. Wie die Beschwerde selbst zutreffend ausführt, ist es nicht selten, daß im Rahmen der Erörterung einer einvernehmlichen Lösung seitens des Gerichts auch auf die mit einer Fortsetzung der streitigen Auseinandersetzung in mehreren Instanzen verbundenen weiteren Kosten hingewiesen wird. Auf eine Voreingenommenheit des Richters gegen eine Seite schließt eine verständige Partei daraus nicht, zumal sich der Hinweis auf die Kosten, die den letztlich - in der letzten Instanz - Unterliegenden treffen, an beide Parteien richtet.
Eine Stellungnahme des Senats zu den - angeblich - von dem abgelehnten Richter vertretenen Rechtsauffassungen ist hier ebenso wenig veranlaßt wie eine Stellungnahme zu den Fragen, ob die Entscheidung des Streitfalls eine Beweisaufnahme veranlaßt und oder jener Fall, in dem der Prozeßbevollmächtigte der Beklagten nach den Angaben der Beschwerde unlängst in einem Rechtsstreit vor dem Bundesgerichtshof obsiegt haben will, der dem Streitfall zugrunde liegenden Fallgestaltung ähnlich ist. Wenn ein Richter im Verfahren seine Rechtsansicht darlegt und dabei eine von der Partei abweichende Auffassung vertritt, muß dies von der Partei hingenommen werden, zumal es in der Natur der Sache liegt, daß der Richter nur eine der unterschiedlichen Rechtsansichten der sich streitenden Parteien für richtig halten kann (vgl. KG, MDR 1999, 253). Die Überprüfung der Richtigkeit einer Entscheidung oder Rechtsauffassung ist allein einem eventuellen Rechtsmittel in der Sache selbst vorbehalten. Das Ablehnungsverfahren ist dagegen weder dazu bestimmt noch geeignet, die Rechtsauffassung des Richters zur Überprüfung anderer, mit der Entscheidung über das Ablehnungsgesuch befaßter Richter oder der Rechtsmittelinstanz zu stellen (vgl. KG a.a.O.; KG KGR 2005, 140 f.; OLG Brandenburg, Beschluß vom 6. März 2007 - 1 W 3/07 -, hier zitiert nach juris; Thomas/Putzo/Hüßtege, a.a.O., § 42, Rdn. 15; Zöller/Vollkommer, a.a.O., § 42, Rdn. 26 mit. weit. Nachw.). Daß er sich noch nicht abschließend festgelegt hat, hat der abgelehnte Richter im Termin vom 10. Oktober 2007 nach dem eigenen Vorbringen der Beschwerde deutlich gemacht, indem er im Zusammenhang mit dem Thema des Beweisantritts durch Antrag auf Vernehmung von Zeugen erklärt hat, daß er dies bei seiner Entscheidung "wägen" werde.
Der in der dienstlichen Erklärung des abgelehnten Richters vom 18. Oktober 2007 geschilderte Ablauf der Erörterungen im Termin vom 15. Oktober 2007 vermag aus der Sicht einer verständigen Partei die Besorgnis der Befangenheit des Richters nicht zu begründen. Dies gilt auch für die - auch nach der eigenen Einschätzung des Richters in dieser Erklärung - "flapsige" Wendung, in der davon die Rede war, ein Urteil in das Diktiergerät zu "rotzen". Auch aus der Sicht der Partei kann eine solche Äußerung nicht isoliert von dem Kontext betrachtet und gewürdigt werden, in dem sie gefallen ist. Selbst wenn ein Richter in der Sitzung ein auf eine Partei bezogenes Schimpfwort in den Mund nimmt, ergibt sich daraus nicht in jedem Fall und ohne Berücksichtigung des Zusammenhangs ein Ablehnungsgrund. Eine eigene Äußerung des Richters, durch die er die Partei mit einer Verbalinjurie belegt, wird zwar regelmäßig einen Ablehnungsgrund darstellen. Spricht der Richter dagegen das Schimpfwort aus, um eine entsprechende Äußerung der Gegenseite zu ihrer Protokollierung auf Tonträger festzuhalten und anschließend die hiernach gebotenen Maßnahmen einzuleiten, so ist dies auch aus der Sicht der mit dem Schimpfwort bezeichneten Partei nicht zu beanstanden. Entsprechend kann auch das Wort "rotzen" im Streitfall nicht lösgelöst von seinem Kontext gewürdigt werden. Daß es der Prozeßbevollmächtigte der Beklagten als schlechthin unangemessen empfindet, begründet noch nicht die Ablehnung des Richters. Nach dessen dienstlicher Erklärung hat er im Vergleichsgespräch zur Verdeutlichung, daß letztlich bei streitiger Entscheidung die Rechtsauffassung in letzter Instanz mit der Sache befaßten Gerichts, nicht aber die der ersten Instanz maßgeblich sei, geäußert, es sei dafür, "egal, welche Entscheidung der Richter der ersten Instanz bei der Urteilsabfassung in sein Diktaphon hineinrotzen" werde. Hiernach ergab sich aus dem Sinnzusammenhang der Äußerung und der anschließenden nochmaligen Klarstellung des mit ihr Gemeinten auch für die Beklagten ohne weiteres, daß der Richter nicht angekündigt hat, er werde ohne Berücksichtigung ihrer Argumente entscheiden, sondern lediglich in salopper Sprache den für die Beurteilung der Prozeßchancen im Rahmen des Vergleichsgesprächs wesentlichen Umstand verdeutlichen wollte und verdeutlicht hat, daß gerade bei zweifelhafter Sach- und Rechtslage letztlich der Standpunkt der letzten Instanz ausschlaggebend ist, den der Richter einer der Vorinstanzen je nach den Umständen des Falles nicht hinreichend verläßlich prognostizieren kann. Eine Besorgnis der Befangenheit des Richters ergibt sich daraus für eine verständig würdigende Partei nicht.
Ihre von der Schilderung des Geschehens in jener dienstlichen Erklärung abweichende Darstellung des Sachverhalts haben die Beklagten nicht glaubhaft gemacht. Sie kann der Senat seiner Entscheidung deshalb nach § 44 Abs. 1 Satz 1, 1, Halbsatz ZPO nicht zugrunde legen. Insbesondere ist die schriftliche Erklärung des Beklagten zu 2) vom 26. Oktober 2007 kein geeignetes Mittel der Glaubhaftmachung. Nach § 44 Abs. 1 Satz 1, 2. Halbsatz ZPO darf die Partei, die den Ablehnungsgrund glaubhaft zu machen hat, zur Versicherung an Eides statt nicht zugelassen werden. Eine nicht durch eine solche Versicherung bekräftigte Erklärung genügt deshalb erst recht nicht zur Glaubhaftmachung. Auch das neue Vorbringen der Beschwerde dazu, daß der abgelehnte Richter den Beklagten einen Herrn Dr. M als den Bevollmächtigten von Herrn B U in einem weiteren - offenbar bei der Zivilkammer des Landgerichts anhängig gewordenen - Verfahren vorgestellt habe, ist nicht glaubhaft gemacht. Abgesehen hiervon ergibt sich auch daraus kein Ablehnungsgrund. Unabhängig davon, daß das entsprechende Vorbringen der Beschwerde nicht schlüssig und nicht die Besorgnis der Befangenheit darzulegen geeignet ist, kann eine Ablehnung des Richters auf den Beklagten bereits vor dem Beginn der Antragstellung vom 10. Oktober 2007 bekannt gewordene Vorgänge nach § 43 ZPO nicht mehr gestützt werden.
Die Beschwerde muß deshalb mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO zurückgewiesen werden. Die gesetzlichen Voraussetzungen für die Zulassung der Rechtsbeschwerde sind nicht erfüllt.
Beschwerdewert : EUR 3.000,-- (Bei dem Ablehnungsverfahren handelt es sich um einen nicht vermögensrechtlichen Streit.)
Ende der Entscheidung
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