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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Köln
Beschluss verkündet am 14.02.2001
Aktenzeichen: 2 W 249/00
Rechtsgebiete: InsO, AO


Vorschriften:

InsO § 291
InsO § 290 Abs. 1
InsO § 290 Abs. 1 Nr. 2
InsO § 7 Abs. 3 Satz 1
InsO § 7 Abs. 1
InsO § 7
InsO § 6
InsO § 289 Abs. 2 Satz 1
InsO § 7 Abs. 1 Satz 1
AO § 227
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT KÖLN BESCHLUSS

2 W 249/00 7 T 491/00 LG Bochum

80 IK 25/99 AG Bochum

In dem Insolvenzverfahren

pp.

hat der 2. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters am Oberlandesgericht Dr. Jäger sowie der Richter am Oberlandesgericht Schmidt-Eichhorn und Sternal

am 14. Februar 2001

beschlossen:

Tenor:

1. Die sofortige weitere Beschwerde der Beteiligten zu 2) vom 23. November 2000 gegen den Beschluß der 7. Zivilkammer des Landgerichts Bochum vom 10. Oktober 2000 - 7 T 491/2000 [richtig: 7 T 491/00] - wird zugelassen.

2. Das Rechtsmittel wird zurückgewiesen.

3. Die Kosten des Verfahrens der weiteren Beschwerde hat die Beteiligte zu 2) zu tragen.

Gründe

1. Im Februar 1999 hat der Beteiligte zu 1) beim Amtsgericht Bochum einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über sein Vermögen sowie auf Erteilung von Restschuldbefreiung gestellt. In dem Schuldenbereinigungsplan hat er fünf Gläubiger aufgeführt und Gesamtverbindlichkeiten in Höhe von insgesamt 100.000,00 DM angegeben. Hauptgläubigerin ist die Beteiligte zu 2), die rückständige Einkommenssteuern für die Jahre 1995 bis 1997 in einer Größenordnung von ca. 52.000,00 DM zuzüglich Säumniszuschläge geltend macht. Nachdem das gerichtliche Schuldenbereinigungsplanverfahren erfolglos durchgeführt worden ist, hat das Insolvenzgericht am 1. September 1999 das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Schuldners eröffnet und den Beteiligten zu 3) zum Treuhänder bestellt.

Mit Beschluß vom 8. Februar 2000 hat das Insolvenzgericht die Durchführung des Schlußtermins im schriftlichen Verfahren angeordnet und den Gläubigern Gelegenheit gegeben, zu dem Antrag auf Erteilung von Restschuldbefreiung Stellung zu nehmen. Die Beteiligte zu 2) hat mit Schriftsatz vom 1. März 2000 die Versagung der Restschuldbefreiung unter Hinweis darauf beantragt, der Schuldner habe für den Veranlagungszeitraum 1995 und 1996 die notwendigen steuerlichen Unterlagen nicht eingereicht. Die Besteuerungsgrundlagen seien deshalb im Schätzwege ermittelt worden, so daß die Voraussetzungen für einen teilweisen Steuerverzicht nach der Abgabenordnung nicht vorlägen.

Mit Beschluß vom 15. Mai 2000 hat das Insolvenzgericht durch die zuständige Richterin dem Schuldner gemäß § 291 InsO die Restschuldbefreiung angekündigt und den Versagungsantrag der Beteiligten zu 2) zurückgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, das Unterlassen der Abgabe der Steuererklärungen erfülle nicht den Tatbestand eines Versagungsgrundes nach § 290 Abs. 1 InsO. Hiergegen hat die Beteiligte zu 2) mit einem am 31. Mai 2000 beim Amtsgericht Bochum eingegangenen Schriftsatz vom 26. Mai 2000 sofortige Beschwerde erhoben, der das Amtsgericht nicht abgeholfen hat. Unter dem 10. Oktober 2000 hat das Landgericht die sofortige Beschwerde zurückgewiesen und sich hierbei darauf gestützt, daß kein Versagungsgrund vorliege. Der Versagungsgrund des § 290 Abs. 1 Nr. 2 InsO erfasse nur schriftliche Angaben. Der Gesetzgeber habe in § 290 Abs. 1 InsO die Versagungsgründe umfassend und abschließend geregelt.

Gegen diesen am 13. November 2000 zugestellten Beschluß wendet sich die Beteiligte zu 2) mit der am 27. November 2000 bei Gericht eingegangenen sofortigen weiteren Beschwerde, verbunden mit einem Zulassungsantrag. Die Beschwerdeführerin macht geltend, der Begriff "schriftlich" in § 290 Abs. 1 Nr. 2 InsO beziehe sich nur auf die "unrichtigen Angaben" im Sinne dieser Vorschrift nicht indes auf die "unvollständigen". Eine nicht abgegebene Steuererklärung sei wie eine unvollständige zu werten. Bei der Prüfung der Voraussetzungen für eine Versagung sei zudem zu berücksichtigen, daß die Vernachlässigung von steuerlichen Pflichten die Erlaßwürdigkeit im Sinne der Abgabenordnung ausschließen könne. Insoweit habe der Gesetzgeber die Regelungen der Abgabenordnung und der Insolvenzordnung nicht aufeinander abgestimmt. Diese Abstimmung müsse die Rechtsprechung leisten.

2.

a) Das Oberlandesgericht Köln ist gemäß § 7 Abs. 3 Satz 1 InsO in Verbindung mit § 1 der Verordnung des Landes Nordrhein-Westfalen über die Zusammenfassung der Entscheidungen über die weiteren Beschwerden in Insolvenzsachen vom 6. November 1998 (GVBl. NW 1998, 550; abgedruckt in: NZI 1999, 66) zur Entscheidung über das von dem Beteiligten zu 2) gegen den Beschluß des Landgerichts Bochum vom 10. Oktober 2000 eingelegte Rechtsmittel berufen.

b) Der Senat läßt das Rechtsmittel der weiteren Beschwerde gemäß § 7 Abs. 1 InsO zu.

Das von dem Beteiligten zu 2) form- und fristgerecht angebrachte Rechtsmittel ist statthaft. Es liegt eine dem Rechtsmittel der sofortigen weiteren Beschwerde grundsätzlich zugängliche Ausgangsentscheidung des Landgerichts im Sinne des § 7 InsO vor (vgl. zu diesem Erfordernis: BGH, ZIP 2000, 755; Senat, NZI 2000, 367 = ZInsO 2000, 334 = ZIP 2000, 1628; HK-Kirchhof, InsO, 2. Auflage 2001, § 7 Rdnr. 5 jeweils mit zahlreichen weiteren Nachweisen aus der obergerichtlichen Rechtsprechung). Das Landgericht hat über eine gemäß § 6 InsO zulässige Erstbeschwerde der Beteiligten zu 2) entschieden. Ist trotz eines Versagungsantrages die Restschuldbefreiung "angekündigt" worden, so steht gemäß § 289 Abs. 2 Satz 1 InsO jedem Gläubiger, der die Versagung beantragt hat, die sofortige Beschwerde gegen den Beschluß des Insolvenzgerichts zu (HK/Landfermann, a.a.O., § 289 Rdnr. 6; Wenzel in: Kübler/Prütting, InsO, Stand: 8. Lfg. November 2000, § 289 Rdnr. 2; Krug/Haarmeyer in: Smid, InsO, 1999, § 289 Rdnr. 6).

Die weiteren Voraussetzungen für eine Zulassung des Rechtsmittels nach § 7 Abs. 1 Satz 1 InsO sind ebenfalls gegeben. Der Beteiligte zu 2) stützt sein Rechtsmittel auf eine Verletzung des Gesetzes und die Nachprüfung der angefochtenen Entscheidung ist zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung geboten. Die von der Beschwerdeführerin zur Entscheidung gestellten Fragen, ob die steuerliche Erlaß- bzw. Stundungsunwürdigkeit nach § 227 AO in das Verständnis des § 290 Abs. 1 InsO einzubeziehen ist und ob die Nichtabgabe einer Steuererklärung zu einer Versagung der Restschuldbefreiung gemäß § 290 Abs. 1 Nr. 2 InsO führen kann, haben grundsätzliche Bedeutung. Diese bisher - soweit ersichtlich - noch nicht obergerichtlich geklärten Rechtsfragen können zur Vermeidung der Gefahr einander widersprechender Gerichtsentscheidungen im Rahmen einer Rechtsbeschwerde nach § 7 InsO überprüft werden (vgl. allgemein hierzu: Senat, NZI 2000, 80; HK/Kirchhof, a.a.O., § 7 Rdnr. 23; FK/Schmerbach, InsO, 2. Auflage 1999, § 7 Rdnr. 16).

c) Die sofortige weitere Beschwerde des Beteiligten zu 2) ist indes nicht begründet. Die angefochtene Entscheidung des Landgerichts beruht nicht auf einer Verletzung des Gesetzes (§§ 7 Abs. 1 Satz 2 InsO, 550 ZPO).

Die Voraussetzungen für die Ankündigung der Restschuldbefreiung (§ 291 Abs. 1 InsO) sind erfüllt. Der Antrag des Schuldners auf Erteilung der Restschuldbefreiung ist rechtzeitig und ordnungsgemäß gestellt worden (vgl. zu diesem Erfordernis: Senat Beschluß vom 22. Januar 2001, 2 W 244/00; Senat, NZI 2000, 587 [588]; Gottwald/Schmidt-Räntsch, Insolvenzrechts-Handbuch, 2. Auflage 2001, § 77 Rdnr. 7).

Die Auffassung der Vorinstanzen, dem Antrag der Beteiligten zu 2) auf Versagung der Restschuldbefreiung sei nicht zu entsprechen, weil die Insolvenzgläubigerin keinen Versagungsgrund im Sinne des § 290 Abs. 1 InsO glaubhaft gemacht habe, hält der rechtlichen Überprüfung durch den Senat stand. Der Versagungsgrund des § 290 Abs. 1 Nr. 2 InsO, auf den die Beteiligte zu 2) ihren Antrag gestützt hat, ist nicht gegeben. Nach der genannten Vorschrift ist die Restschuldbefreiung auf Antrag eines Insolvenzgläubigers zu versagen, wenn der Schuldner in den letzten drei Jahren vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder nach diesem Antrag vorsätzlich oder grob fahrlässig schriftlich unrichtige oder unvollständige Angaben über seine wirtschaftlichen Verhältnisse gemacht hat, um einen Kredit zu erhalten, Leistungen aus öffentlichen Mitteln zu beziehen oder Leistungen an öffentliche Kassen zu vermeiden. Diese Vorschrift erfaßt zwar auch die Abgabe unrichtiger oder unvollständiger steuerlicher Erklärungen (HK/Landfermann, a.a.O., § 290 Rdnr. 5; FK/Ahrens, a.a.O., § 290 Rdnr. 22; Krug/Haarmeyer in: Smid, a.a.O., § 290 Rdnr. 12). Es besteht gemäß § 90 Abs. 1 AO grundsätzlich eine öffentlich-rechtliche Verpflichtung, durch vollständige und wahrheitsgemäße Offenlegung der für die Besteuerung erheblichen Tatsachen bei der Ermittlung des Sachverhalts mitzuwirken. Insoweit können unvollständige Angaben eine Versagung der Restschuld rechtfertigen, wenn diese im Rahmen einer den Anschein der Vollständigkeit erweckenden Erklärung abgegeben werden und so durch Weglassen wesentlicher Umstände ein falsches Gesamtbild vermittelt wird (vgl. allgemein: FK/Ahrens, a.a.O., § 290 Rdnr. 18; Wenzel in: Kübler/Prütting, InsO, Stand: 8. Lfg. November 2000, § 290 Rdnr. 10a).

Entgegen der von der Beschwerdeführerin vertretenen Auffassung liegen die Voraussetzungen für eine Versagung der Restschuldbefreiung indes dann nicht vor, wenn der Schuldner es unterläßt, überhaupt eine Erklärung zu seinen wirtschaftlichen Verhältnissen abzugeben. § 290 Abs. 1 Nr. 2 InsO knüpft nach dem eindeutigen Wortlaut an fehlerhafte schriftliche Angaben des Schuldners an. Der Begriff "schriftlich" bezieht sich hierbei nicht nur ausschließlich auf die "unrichtigen" sondern auch auf die "unvollständigen Angaben". Der Gesetzgeber hat bei der Fassung dieser Vorschrift die Problematik einer fehlerhaften mündlichen Angabe bzw. eines vollständigen Unterlassens von Angaben gesehen. Er hat indes diese Fälle bewußt ausgeklammert und die Versagung auf fehlerhafte schriftliche Angaben beschränkt. Hierdurch wollte er eine Überfrachtung der gerichtlichen Entscheidung über die Gewährung oder Versagung der Restschuldbefreiung mit komplizierten Beweiserhebungen oder Ermittlungen verhindern (Begründung des RegE in: Kübler/Prütting, Das neue Insolvenzrecht, Band 1, 1994, S. 539; Goetsch in: Breutigam/Blersch/Goetsch, InsO, Stand: 1998, § 290 Rdnr. 7; Wenzel in: Kübler/Prütting, a.a.O., § 290 Rdnr. 11; Römermann in: Nerlich/Römermann, a.a.O., § 290 Rdnr. 43).

Entgegen der Ansicht der Beteiligten zu 2) kann ebensowenig das Kriterium einer steuerliche Erlaß- bzw. Stundungsunwürdigkeit im Sinne des § 227 AO als Versagungsgrund herangezogen werden. Die Möglichkeiten für eine Versagung der beantragten Restschuldbefreiung hat der Gesetzgeber in § 290 Abs. 1 InsO geregelt. Hierbei hat er nicht nur Verhaltensweisen vor oder während des Insolvenzverfahrens, sondern auch außerverfahrensmäßige Verhaltensweisen berücksichtigt, die nach seiner Auffassung mit dem Kriterium der Würdigkeit eines redlichen Schuldners nicht vereinbaren lassen. Bei den in der Vorschrift aufgeführten Fallgruppen handelt es sich indes nicht um erweiterbare Regelbeispiele. Vielmehr sind die Versagungsgründe abschließend aufgezählt. Auf andere, von den dort genannten Tatbeständen nicht erfaßte Umstände kann eine Versagung der Restschuldbefreiung nicht gestützt werden (HK/Landfermann, a.a.O., § 290 Rdnr. 2; FK/Ahrens, a.a.O., § 290 Rdnr. 5; Hess, InsO, 1999, § 290 Rdnr. 24; Krug/Haarmeyer in: Smid, a.a.O., § 290 Rdnr. 2; Wenzel in: Kübler/Prütting, a.a.O., § 290 Rdnr. 2; Römermann in: Nerlich/Römermann, InsO, Stand: 2. Lfg. November 2000, § 290 Rdnr. 25). Diese Gesetzestechnik der enumerativen Beschreibung der Versagungsgründe ist zwar in der Literatur vereinzelt als unzweckmäßig kritisiert worden (Döbereiner, Die Restschuldbefreiung nach der Insolvenzordnung, 1997, S. 118 f.). Der Gesetzgeber hat jedoch aus Gründen der Rechtssicherheit von der Schaffung einer Generalklausel abgesehen und diesen Weg gewählt, damit die am Insolvenzverfahren Beteiligten von vornherein wissen, unter welchen Bedingungen Restschuldbefreiung erreicht werden kann oder in jedem Fall versagt werden muß. Die Umschreibung der verschiedenen Fallgruppen mit ihren Eigentümlichkeiten soll der Gerechtigkeit dienen und zugleich verhindern, die Entscheidung über die Schuldbefreiung in ein weites Ermessen des Insolvenzgerichts zu stellen (Begründung des RegE in: Kübler/Prütting, Das neue Insolvenzrecht, 1994, Band 1, S. 538).

II.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 4 InsO, 97 Abs. 1 ZPO.

Wert des Verfahrens der weiteren Beschwerde: bis 1.000,00 DM (wie Vorinstanz)



Ende der Entscheidung

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