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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Köln
Beschluss verkündet am 09.06.2004
Aktenzeichen: 2 W 46/04
Rechtsgebiete: ZPO, AnfG


Vorschriften:

ZPO § 42
ZPO § 139
ZPO § 156
AnfG § 13
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT KÖLN BESCHLUß

2 W 46/04

In dem Rechtsstreit

hat der 2. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters am Oberlandesgericht Schmidt-Eichhorn sowie der Richter am Oberlandesgericht Sternal und Dr. Göbel

am 9. Juni 2004

beschlossen:

Tenor:

Die sofortige Beschwerde des Beklagten vom 24. Mai 2004 gegen den Beschluß der 22. Zivilkammer des Landgerichts Köln vom 5. Mai 2004 - 22 O 643/03 - wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat der Beklagte zu tragen.

Gründe:

1.

Die Klägerin macht Zahlungsansprüche in Höhe von 25.564,59 € gestützt auf das Anfechtungsgesetz mit dem Vortrag geltend, an den Beklagten seien in anfechtbarer Weise Geschäftsanteile an einer GmbH abgetreten worden. Einen entsprechenden Zahlungsantrag hat die Klägerin in der mündlichen Verhandlung vom 2. März 2004 gestellt. Mit Beschluß vom 7. April 2004 hat die Einzelrichterin des Landgerichts die bereits geschlossene mündliche Verhandlung wiedereröffnet und darauf hingewiesen, daß die "bislang formulierten Anträge nicht auf die zutreffende Rechtsfolge gemäß §§ 11, 13 AnfG" gerichtet seien. Die Klägerin müsse die Duldung der Zwangsvollstreckung in die übertragenen Gesellschaftsanteile geltend machen. Daraufhin hat der Beklagte mit anwaltlichem Schriftsatz vom 21. April 2004 die Einzelrichterin wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt. Zur Begründung hat er ausgeführt, er zweifele an der Neutralität und Objektivität der Richterin. Anlaß hierfür gebe bereits ihr Verhalten in der mündlichen Verhandlung vom 2. März 2004. Mit der Wiedereröffnung wolle die Richterin "der Klage sozusagen auf Biegen und Brechen" zum Erfolg verhelfen. Durch Beschluß vom 5. Mai 2004 hat die Kammer des Landgerichts das Befangenheitsgesuch zurückgewiesen. Zur Begründung hat sie ausgeführt, soweit der Beklagte sein Ablehnungsgesuch auf das Verhalten der Richterin in der mündlichen Verhandlung stützen möchte, sei er gemäß §§ 43, 44 Abs. 4 ZPO ausgeschlossen. Die Wiedereröffnung stehe in dem korrekt ausgeübten Ermessen und rechtfertige nicht die Annahme einer Befangenheit. Gegen diese am 10. Mai 2004 zugestellte Entscheidung richtet sich die sofortige Beschwerde vom 24. Mai 2004, die am diesem Tage bei Gericht eingegangen ist.

2.

Die sofortige Beschwerde, der das Landgericht gemäß seinem Beschluß vom 26. Mai 2004 nicht abgeholfen hat, ist zulässig; sie ist insbesondere form- und fristgerecht erhoben worden.

In der Sache hat das Rechtsmittel keinen Erfolg. Das Landgericht hat das Ablehnungsgesuch vom 21. April 2004 mit Recht für unbegründet erklärt, da der Beklagte keinen Grund dargetan hat, der geeignet ist, Mißtrauen gegen die Unparteilichkeit der von ihm abgelehnten Richterin zu rechtfertigen (§ 42 Abs. 1 ZPO). Wegen der Einzelheiten wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die zutreffenden Gründe des angefochtenen Beschlusses verwiesen. Das Beschwerdevorbringen gibt zu einer Abänderung dieses Beschlusses keinen Anlaß.

Objektive Umstände, die Anlaß zu Zweifeln an der Unparteilichkeit der abgelehnten Einzelrichterin geben könnten, werden von dem Beschwerdeführer nicht vorgetragen. Hierzu zählen Verstöße gegen das prozessuale Gleichbehandlungsgebot, die negative Einstellung gegenüber einer Partei unter Bevorzugung der anderen Partei und die unsachlichen Äußerungen oder die Benachteiligung oder Behinderung einer Partei bei der Ausübung ihrer Rechte. Nicht erforderlich ist, daß der abgelehnte Richter tatsächlich befangen ist oder sich für befangen hält (st. Rspr. Senat, NZI 2001, 658; BVerfGE 73, 330 [335 f.) = NJW 1987, 430; BVerfGE 92, 138 [139]; BGH, NJW 1995, 1677 [1679]; OLG Köln [8. Senat], NJW-RR 2000, 592; OLG Köln [14. Senat], NJW-RR 1997, 828; Zöller/Vollkommer, ZPO, 24. Auflage 2004, § 42 Rn 9 mit zahlreichen weiteren Nachweisen).

Aus Sicht einer ruhig und vernünftig denkenden Partei gibt es keine hinreichenden Gründe für die Besorgnis der Befangenheit. Allein der Umstand, daß die abgelehnte Richterin die mündliche Verhandlung wiedereröffnet hat, begründet schon deshalb nicht eine entsprechende Besorgnis, weil es sich um eine gesetzlich vorgesehene prozessuale Maßnahme handelt, die zudem hier nicht willkürlich erfolgte. Der Wiedereintritt in die mündliche Verhandlung steht in den von § 156 Abs. 2 ZPO nicht erfaßten Fällen im freien Ermessen des Gerichts (BGH, NJW 1986, 1867 [1868]; BGH, NJW 2000, 142 [143]; Zöller/Greger, ZPO, 24. Auflage 2004, § 156 Rn 5). Das von der Einzelrichterin im konkreten Fall ausgeübte Ermessen rechtfertigt aus der Sicht einer ruhig und vernünftig denkenden Partei nicht die Annahme einer Voreingenommenheit. Vielmehr war, wie nachstehend erörtert, die Entscheidung rechtlich geboten. Die Ausführungen der abgelehnten Richterin in dem Beschluß vom 7. April 2004 zur Notwendigkeit der Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung und dem darauf beruhenden Fehlen der Entscheidungsreife des Rechtsstreits auf der Grundlage der von der Klägerin gestellten Klageanträge zeigen, daß das richterliche Handeln auf sachlichen Überlegungen und nicht etwa auf einer Voreingenommenheit zu Lasten des Beklagten beruht.

Ohne Erfolg macht der Beklagte geltend, die Ausführungen der abgelehnten Richterin in dem Wiedereröffnungsbeschluß könnten geeignet sein, sein Mißtrauen zu rechtfertigen. Ein im Rahmen der richterlichen Aufklärungs- und Hinweispflicht gebotenes Verhalten kann in der Regel eine Ablehnung nicht rechtfertigen, selbst wenn dadurch die Prozeßchancen einer Partei verringert werden (BVerfG, NJW 1976, 1391; OLG Düsseldorf, NJW 1993, 2542; MünchKomm/Feiber, ZPO, 2. Auflage 2000, § 42 Rn 23; Zöller/Vollkommer, a.a.O., § 42 Rn 26). Bei der Bestimmung der Grenzen von prozeßrechtlich gebotener Aufklärung und Belehrung einer Partei einerseits und Neutralitätspflicht andererseits ist nämlich zu berücksichtigen, daß bereits die Vereinfachungsnovelle aus dem Jahre 1976 die richterliche Aufklärungs-, Hinweis- und Fürsorgepflicht wesentlich verstärkt und das Gericht zu einer umfangreichen Erörterung des Rechtsstreits in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht verpflichtet hat. Die Zivilprozeßreform 2001 hat dann diese gerichtlichen Pflichten nochmals verstärkt. Dem Richter obliegt im Lichte der gewandelten Auffassung vom Zivilprozeß eine durchaus aktive und gestalterische Aufgabe, die insbesondere in den Vorschriften der §§ 139, 273, 278 Abs. 3 ZPO aber auch in §§ 279, 136 Abs. 3, 141, 358a ZPO zum Ausdruck kommt. Als Grundsatz gilt, daß jedes richterliche Verhalten, das gesetzlich, insbesondere durch die Zivilprozeßordnung, geboten, gerechtfertigt oder zumindest noch vertretbar erscheint, die Ablehnung nicht zu begründen vermag (MünchKomm/Feiber, a.a.O., § 42 Rn 23). Der Grundsatz des Vertrauensschutzes und der Anspruch der Parteien auf ein faires Verfahren gebietet es, daß das Gericht dem Kläger nach § 139 ZPO Gelegenheit geben muß, die Klageanträge zu überprüfen und gegebenenfalls neu zu fassen sowie sachdienlichen Vortrag dazu zu halten (BGH, NJW 2000, 1792 [1794]).

Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze überschreiten die an die Klägerin gerichteten Hinweise in dem Beschluß vom 7. April 2004 weder inhaltlich noch der Form nach die zulässige Grenze. Die Ausführungen der Richterin zeigen, daß das richterliche Handeln auf sachlichen Überlegungen und nicht etwa auf einer Voreingenommenheit zu Lasten des Beklagten beruht. Die Richterin macht in dem Beschluß die Umstände deutlich, die sie bewogen haben, von der Möglichkeit der Wiedereröffnung Gebrauch zu machen. Da der Gesichtspunkt der korrekten Klageanträge in einem Anfechtungsprozeß im Termin vom 2. März 2004 nicht hinreichend erörtert worden war, entsprach es der richterlichen Pflicht, der Klägerin Gelegenheit zu geben, den entsprechend §§ 11, § 13 AnfG gebotenen Klageantrag bei der Anfechtung einer Übertragung von Gesellschaftsanteilen (vgl. hierzu ausführlich Huber, AnfG, 9. Auflage 2000, § 13 Rn 14 ff.; Paulus in Kübler/Prütting, InsO, Stand März 2004, § 13 AnfG Rn 5 ff.) zu stellen. Der in dem landgerichtlichen Beschluß unter Bezugnahme auf Fundstellen aus der Literatur und Rechtsprechung enthaltene Änderungsvorschlag war ersichtlich von dem Bestreben getragen, eine Antragsfassung entsprechend den gesetzlichen Vorgaben zu erreichen. Derartige Bemühungen des zur Entscheidung berufenen Gerichts sind gerade bei Rechtsstreitigkeiten aus Spezialgebieten, wozu auch das Anfechtungsrecht gehört, geboten und entsprechen der in § 139 ZPO normierten richterlichen Pflicht, dahin zu wirken, daß die Parteien sachdienliche Anträge stellen.

Auch der Umstand, daß die Einzelrichterin der Klägerin die Möglichkeit einräumte, ihren Klageantrag binnen einer Woche ab Zugang des Beschlusses den gesetzlichen Vorgaben anzupassen, vermag bei der gebotenen objektiven Betrachtung die Besorgnis der Befangenheit nicht zu rechtfertigen. Ein richterlicher Hinweis bedingt zugleich die Notwendigkeit, den Parteien die Möglichkeit zur Reaktion auf den Hinweis einzuräumen (st. Rspr. BGH, NJW 1999, 2123 [2124] m.w.N.). Die Ausführungen in dem Beschluß vom 7. April 2004 begründen zudem nicht die Annahme, die abgelehnte Richterin stünde der Sache nicht mehr unvoreingenommen gegenüber. Der Beschluß läßt an keiner Stelle erkennen, daß die Richterin die Rechtsverfolgung der Klägerin auf der Grundlage eines angepaßten Klageantrages schon jetzt für begründet hält.

3.

Die Kostenentscheidung entspricht § 97 ZPO. Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Rechtsbeschwerde (§ 574 ZPO) sind nicht gegeben.

Wert des Gegenstandes der sofortigen Beschwerde: 3.000,00 €

(Nach ständiger Rechtsprechung des Senats bemißt sich der Wert des Gegenstandes des Beschwerdeverfahrens für Ablehnungsgesuche unabhängig vom Streitwert der Hauptsache an dem geschätzten Interesse der Partei auf den gesetzlichen, hier also den unbefangenen Richter. Die Verfahren auf Ablehnung von Richtern haben keine auf Geld oder geldwerte Leistung gerichteten Ansprüche zum Gegenstand und entspringen mithin auch nicht vermögensrechtlichen Verhältnissen; vgl. Senat, Beschluß vom 18. Dezember 2002, 2 W 147/02; Senat, Rpfleger 1976, 226; Schneider, MDR 2001, 130 [133].)

Ende der Entscheidung

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