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Gericht: Oberlandesgericht Köln
Beschluss verkündet am 14.01.2004
Aktenzeichen: 2 W 5/04
Rechtsgebiete: ZPO, BGB


Vorschriften:

ZPO § 114
ZPO § 117 Abs. 1
ZPO § 127 Abs. 1 Satz 2
ZPO § 127 Abs. 2 Satz 2
ZPO § 261 Abs. 3 Nr. 2
BGB § 1990
BGB § 2058
BGB § 2303 Abs. 1 Satz 2
BGB § 2325 Abs. 1
BGB § 2328
BGB § 2329 Abs. 1
BGB § 2329 Abs. 1 Satz 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT KÖLN BESCHLUSS

2 W 5/04

In dem Prozesskostenhilfeprüfungsverfahren

hat der 2. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters am Oberlandesgericht Schmidt-Eichhorn sowie der Richter am Oberlandesgericht Sternal und Dr. Göbel

am 14. Januar 2004

beschlossen:

Tenor:

Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin vom 12. Dezember 2003 gegen den Prozesskostenhilfe versagenden Beschluss der 7. Zivilkammer des Landgerichts Bonn vom 26. November 2003 - 7 O 404/03 - wird zurückgewiesen.

Gründe:

Die gemäß § 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO statthafte, in rechter Frist (§§ 127 Abs. 2 Satz 3, 569 Abs. 1 Satz 1 ZPO) eingelegte sofortige Beschwerde der Antragstellerin, der das Landgericht gemäß Beschluss vom 22. Dezember 2003 nicht abgeholfen hat, ist nicht begründet. Das Landgericht ist jedenfalls im Ergebnis zu Recht davon ausgegangen, dass die von der Antragstellerin beabsichtigte Rechtsverfolgung Erfolgsaussicht allenfalls in einem Maße verspricht, welches die sachliche Zuständigkeit des Landgerichts nicht begründen würde, so dass dem Prozesskostenhilfeantrag insgesamt die Erfolgsaussicht im Sinne des § 114 ZPO fehlt.

1. Als Anspruchgrundlage für den von der Antragstellerin geltend gemachten Zahlungsanspruch kommt zunächst § 2325 Abs. 1 i.V.m. § 2058 BGB in Betracht. Der Anspruch nach dieser Vorschrift ist nicht bereits deshalb ausgeschlossen, weil der Anspruchsgegner - vorliegend der Antragsgegner - nicht nur Miterbe, sondern zugleich der Beschenkte ist. Vielmehr haften die neben einem pflichtteilsberechtigten Miterben vorhandenen Erben für den Pflichtteilsergänzungsanspruch grundsätzlich als Gesamtschuldner (vgl. nur Staudinger/Olshausen, BGB, 13. Bearb. 1998, § 2325 Rdn. 80). Demgegenüber kommt der Anspruch gegen den Miterben als Beschenktem nach § 2329 Abs. 1 Satz 2 BGB - die Vorschrift ist auf den Miterben entsprechend anzuwenden (vgl. BGHZ 80, 205) - nur subsidiär in Betracht, wenn der Erbe seine Haftung nach den allgemeinen Vorschriften unter Einschluss des § 2328 BGB beschränkt hat. Obwohl es sich bei den Vorschriften der §§ 1990, 2328 BGB um geltend zu machende Einreden handelt, soll nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs in dem Fall, dass der Nachlass zur Befriedigung der Pflichtteilsansprüche nicht ausreicht, "unbedenklich davon ausgegangen werden" können, dass der in Anspruch genommene Miterbe sich tatsächlich darauf beruft (vgl. BGH, a.a.O). Ob dieser Rechtsprechung zu folgen ist, bedarf vorliegend keiner Entscheidung. Dem Vorbringen der Antragstellerin lässt sich nämlich nicht entnehmen, dass ihr gegen den Antragsgegner insgesamt ein über 5.000,00 Euro hinausgehender Zahlungsanspruch zusteht, der die Zuständigkeit des Landgerichts begründen würde (§§ 23 Nr. 1, 71 Abs. 1 GVG), sei es gemäß § 2325 Abs. 1 BGB, sei es - ggfls. nur teilweise in Höhe des nicht durch den Nachlass gedeckten Betrages - gemäß der subsidiären Vorschrift des § 2329 Abs. 1 BGB.

a) Der Pflichtteilsergänzungsberechnung ist ein Schenkungsbetrag in Höhe von (lediglich) 73.780,00 DM (37.723,11 €) zugrunde zu legen, wobei der Senat zugunsten der Antragstellerin unterstellt, dass es sich insoweit um eine vollzogene und damit formwirksame Schenkung handelt. Demgegenüber geht die Antragstellerin von einer unentgeltliche Verfügung der Erblasserin in Höhe von 100.000,00 DM aus und kommt bei einem Nachlasswert in Höhe von 8.000,00 DM zu einem Ergänzungsanspruch in Höhe von 11.500,00 DM (= 5.879,86 €). Das Landgericht vertritt in dem angegriffenen Beschluss die Auffassung, jedenfalls in Höhe von DM 29.500,00 habe eine Schenkung an den Antragsgegner nicht vorgelegen, da er in dem Zeitraum von Februar 1999 bis März 2003 - dies entspreche 59 Monaten - vereinbarungsgemäß monatliche Raten an die Erblasserin in Höhe von 500,00 DM gezahlt habe. Hiernach würde sich die Schenkung auf einen Betrag in Höhe von lediglich 70.500,00 DM (100.000,00 - 29.500,00) belaufen. Sowohl die Berechnung der Antragstellerin als auch die Berechnung durch das Landgericht erweisen sich jedoch als unzutreffend.

aa) Die Antragstellerin lässt bei ihrer Berechnung des Schenkungsbetrages völlig außer acht, dass der Antragsgegner die streitgegenständlichen 100.000,00 DM nicht ohne Gegenleistung erhalten hat. Vielmehr hat sich der Antragsgegner nach dem eindeutigen Wortlaut der Vereinbarung vom 8. Februar 1997 "zu einer festen Zinszahlung von 6 % =500,- DM monatlich zu Lebzeiten" der Erblasserin verpflichtet. Die Summe von 100.000,00 DM wurde dem Antragsgegner deshalb lediglich teilweise unentgeltlich zugewandt, so dass sich die Unentgeltlichkeit nach den Grundsätzen einer sogenannten gemischten Schenkung (vgl. allgemein Palandt/Edenhofer, BGB, 63. Aufl. 2004, § 2325 Rdn. 20) bestimmt. Dem steht das Vorbringen der Antragstellerin in der Beschwerde, bei den möglicherweise von dem Antraggegner gezahlten Zinsen handele es sich nur um die Weitergabe von Nutzungen, die dieser aus dem erhaltenen Kapital gezogen habe, nicht entgegen. Abgesehen davon, dass es hierfür an jedem tatsächlichen Anhaltspunkt fehlt, würde gerade auch in der Weitergabe von Nutzungen eine Gegenleistung des Antragsgegners liegen und zur Qualifizierung der Vereinbarung als gemischte Schenkung führen.

bb) In welchem Umfang bei einer gemischten Schenkung die Leistungserbringung unentgeltlich erfolgt ist, richtet sich nach den Umständen bei Abschluss des Vertrages. Entgegen der Auffassung des Landgerichts in dem angegriffenen Beschluss kommt es deshalb für die Bestimmung des unentgeltlichen Teils der Zuwendung durch die Erblasserin auf die bis zu ihrem Tod im März 2003 tatsächlich erbrachten Zahlungen des Antragsgegners nicht an, abgesehen davon, dass dem vom Landgericht genannten Zeitraum von Februar 1999 bis März 2003 nicht 59 Monate mit einem Zahlungsbetrag in Höhe von 29.500,00 DM , sondern nur 50 Monate mit einem Zahlungsbetrag in Höhe von 25.000,00 DM entsprechen. Eine solche "ex-post-Betrachtung" ist abzulehnen. Vielmehr ist bei der Bewertung auf die Vorstellungen der Vertragsteile bei Vertragsabschluss abzustellen (vgl. BGH, NJW-RR 1990, 1158 [1159]; BGH, NJW-RR 1996, 705 [707]; BGH, NJW 2002, 2469 [2470]; Palandt/Weidenkaff, a.a.O., § 516 Rdn. 13). Mithin ist hier maßgeblich, welche Gegenleistung die Erblasserin im Februar 1997 von dem Antragsgegner erwarten konnte. Diese Frage beantwortet sich anhand der statistischen Lebenserwartung der zum damaligen Zeitpunkt 89 Jahre alten Erblasserin, da die monatlichen Raten nur zu Lebzeiten der Erblasserin gezahlt werden sollten. Ausweislich der Sterbetafel des Statistischen Bundesamtes für die Jahre 1997/1999 betrug die durchschnittliche Lebenserwartung einer 89 Jahre alten weiblichen Person 4,37 Jahre. Bei einer monatlichen Zahlung in Höhe von 500,00 DM und einer Jahreszahlung in Höhe von 6.000,00 DM errechnet sich deshalb die voraussichtliche Gegenleistung des Antragsgegners im Zeitpunkt des Vertragsschlusses auf einen Betrag in Höhe von 26.220,00 DM (4,37 x 6.000,00 DM). Der unentgeltliche Anteil der hiernach vorliegenden gemischten Schenkung beträgt deshalb 100.000,00 DM - 26.220,00 DM = 73.780,00 DM (= 37.723,11 €).

b) Da der Antragstellerin an Stelle ihrer bereits vorverstorbenen Mutter zusammen mit ihrer Schwester ein gesetzliches Erbteil in Höhe von jeweils 1/4 zustünde (§ 1924 Abs. 1, Abs. 3 und Abs. 4 BGB), beläuft sich ihre Pflichtteilsquote gemäß § 2303 Abs. 1 Satz 2 auf 1/8. Hiernach errechnet sich ein Pflichtteilsergänzungsanspruch in Höhe von 9.222,50 DM = 4.715,39 € (73.780,00 DM ./. 8). Um diesen Betrag erhöht sich der Pflichtteil der Antragstellerin im Sinne des § 2325 Abs. 1 BGB, wenn der verschenkte Gegenstand dem Nachlass hinzugerechnet wird. Zu dem gleichen Ergebnis gelangt man, wenn man den Schenkungsbetrag in Höhe von 73.780,00 DM und den nach Angaben der Antragstellerin tatsächlich vorhandenen Nachlass in Höhe von 8.000,00 DM addiert (81.780,00 DM), den Pflichtteil von diesem fiktiven Nachlasswert errechnet (1/8 von 81.780,00 DM = 10.222,50 DM) und dann die Differenz zu dem ordentlichen Pflichtteil (1/8 von 8.000,00 DM = 1.000,00 DM) bildet, so dass sich wiederum 9.222,50 DM ergeben (10.222,50 DM - 1.000,00 DM, vgl. zu den austauschbaren Berechnungsmethoden des Pflichtteilsergänzungsanspruches nur Palandt/Edenhofer, a.a.O., § 2325 Rdn. 6).

2. Da mithin die Erfolgsaussichten der von der Antragstellerin beabsichtigten Klage jedenfalls unter der Zuständigkeitsgrenze des Landgerichts liegen, scheidet die Gewährung von Prozesskostenhilfe aus. Der Senat ist mit der überwiegenden Meinung in Rechtsprechung und Literatur der Auffassung, dass das bei einem Landgericht eingereichte Prozesskostenhilfegesuch, ohne dass bereits eine Klage erhoben ist, insgesamt zurückzuweisen ist, wenn der erfolgversprechende Teil der beabsichtigten Klage unterhalb der Zuständigkeitsgrenze des Landgerichts bleibt (vgl. Brandenburgisches OLG, MDR 2001, 769 sowie OLG Köln [13. Zivilsenat], OLGR 1998, 389 jeweils mit w.Nw.; vgl. aus der Literatur nur Zöller/Philippi, ZPO, 24. Aufl. 2003, § 114 Rdn. 22 a f. m.w.Nw.). Andernfalls würde entgegen den Vorschriften der §§ 117 Abs. 1, 127 Abs. 1 Satz 2 ZPO über die Prozesskostenhilfebewilligung nicht das hierfür zuständige Prozessgericht entscheiden. Der Grundsatz der perpetuatio fori nach § 261 Abs. 3 Nr. 2 ZPO steht nicht entgegen, wenn - wie hier - die Klage noch nicht erhoben worden ist (in diesem Sinne auch Brandenburgisches OLG, a.a.O.).

3. a) Da das Landgericht den Prozesskostenhilfeantrag der Antragstellerin zu Recht abgelehnt hat, ist ihre Beschwerde zurückzuweisen. Über die von der Antragstellerin hilfsweise beantragte Verweisung des Verfahrens an das Amtsgericht Königswinter wird das Landgericht zu befinden haben.

b) Eine Kostenentscheidung ist im Hinblick auf § 127 Abs. 4 ZPO nicht veranlasst. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Rechtsbeschwerde nach §§ 574 Abs. 2 und 3 ZPO liegen nicht vor.

Ende der Entscheidung

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