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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Köln
Beschluss verkündet am 12.11.2003
Aktenzeichen: 2 WX 25/03
Rechtsgebiete: FGG, ZPO, BGB


Vorschriften:

FGG § 12
FGG § 27 Abs. 1
ZPO § 546
BGB § 2258 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT KÖLN BESCHLUSS

2 WX 25/03

In dem Erbscheinsverfahren

hat der 2. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters am Oberlandesgericht Schmidt-Eichhorn sowie der Richter am Oberlandesgericht Sternal und Dr. Göbel

am 12. November 2003

beschlossen:

Tenor:

Auf die weitere Beschwerde der Beteiligten zu 1) vom 17. Juli 2003 wird der Beschluss der 11. Zivilkammer des Landgerichts Köln vom 10. Juni 2003 - 11 T 8/02 - unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Entscheidung über die Beschwerde der Beteiligten zu 2) vom 27. Dezember 2001 sowie der Beschwerde der Beteiligten zu 3) vom 20.Dezember 2001 jeweils gegen den Beschluss des Amtsgerichts Köln vom 28. September 2001 - 33 VI 98/01 - an das Landgericht Köln zurückverwiesen.

Dem Landgericht Köln wird auch die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens der weiteren Beschwerde übertragen.

Gründe:

I.

Die Beteiligte zu 1) ist die Nichte des am 5. Juli 2000 verstorbenen Erblassers. Die Beteiligten zu 2) und 3) waren ebenso wie die Beteiligte zu 4) Bekannte mit dem Erblasser befreundet. Der Beteiligte zu 6) ist zum Testamentsvollstrecker über den Nachlass des Erblassers ernannt worden. Der Erblasser errichtete nach dem Tod seiner Ehefrau mehrere Testamente. Wegen der Einzelheiten wird insoweit auf die Feststellungen des angegriffenen Beschlusses Bezug genommen. Das zeitlich letzte Testament verfasste der Erblasser unter dem 23. April 2000 (vgl. Bl. 296 d.A. sowie Bl. 19 der Testamentsakten 33 IV 547-549/00). Dieses Testament ist in der Form eines Anschreibens an das Amtsgericht Köln gehalten. Der Erblasser nimmt hierin zunächst Bezug auf ein am 22. Juli 1993 in amtliche Verwahrung gegebenes Testament. In diesem Testament seien 90 % fest verfügt, nämlich 80 % zugunsten der Beteiligten zu 5), 5 % zugunsten des Dombauvereins und 5 % zugunsten der SOS-Kinderdörfer. 10 % seien für private Aufteilungen frei geblieben. Diese 10 %, so heißt es weiter in dem Testament, würden "hiermit wie folgt als Nachtrag verfügt". Im Anschluss hieran hat der Erblasser in tabellarischer Form acht Empfänger aufgeführt, an die er die erwähnten 10 % seines Nachlasses verteilt. Mit schwarzer Schrift werden u.a. der Beteiligten zu 1) 1/2 % (laufende Nr. 1), der Beteiligten zu 2) 3 % (laufende Nr. 3) sowie der Beteiligten zu 3) 1 % (laufende Nr. 5) zugewiesen. Die Beteiligten zu 2) und 3) sind allerdings mit rot durchgestrichen. Die Streichungen sind durch eine Querlinie miteinander verbunden; die Querlinie wird als Pfeil zum Namen der Beteiligten zu 1) weiter geführt. Vor der Prozentzahl der Beteiligten zu 1) befindet sich ein rotes Pluszeichen. Unterhalb der Tabelle findet sich nach dem Hinweis, dass "obengenannte 90 %" unverändert "gültig" blieben und "vorgenannte 10 %" frei gewesen und hiermit verfügt seien, die Unterschrift des Erblassers.

Die Beteiligte zu 1) hat gemäss UR-Nr. xxx/2001 der Notarin K. vom 5. Februar 2001 einen Teilerbscheinsantrag gestellt, der sie zu 4,5 % Anteil als Erbin ausweise. Hierzu hat sie geltend gemacht, dass auf Grund der in dem Testament von dem Erblasser vorgenommenen Streichungen die zunächst der Beteiligten zu 2) und 3) zugedachten Erbteile in Höhe von 3 % und 1 % ihr zusätzlich über den ihr bereits zugedachten Anteil von 1/2 % zustünden. Die Beteiligten zu 2) und 3) sind dem entgegengetreten; die Beteiligte zu 2) hat darüber hinaus ihrerseits die Erteilung eines sie als Erbin zu 3 % ausweisenden Erbscheins beantragt; die Beteiligte zu 1) hat die Zurückweisung dieses Antrags begehrt. Die Beteiligten zu 2) und 3) haben geltend gemacht, die Streichungen in dem Testament vom 23. April 2000 stammten nicht vom Erblasser bzw. seien jedenfalls nicht von dessen Willen gedeckt.

Durch Beschluss vom 28. September 2001 hat das Amtsgericht im Wege des Vorbescheides angekündigt, der Beteiligten zu 1) einen sie als Erbin zu 4,5 % Anteil ausweisenden Teilerbschein zu erteilen. Zugleich hat es den Erbscheinsantrag der Beteiligten zu 2) zurückgewiesen. Es gebe keine ernstzunehmenden Anhaltspunkte dafür, dass die Durchstreichungen nicht vom Erblasser stammten.

Auf die gegen diesen Beschluss gerichteten Beschwerden der Beteiligten zu 2) vom 27. Dezember 2001 und der Beteiligten zu 3) vom 20. Dezember 2001 hat das Landgericht nach Beweiserhebung den Beschluss des Amtsgerichts vom 28. September 2001 aufgehoben und das Amtsgericht angewiesen, über den Teilerbscheinsantrag der Beteiligten zu 2) nach Maßgabe der Gründe der landgerichtlichen Entscheidung neu zu entscheiden. Die vom Amtsgericht angekündigte Erteilung des von der Beteiligten zu 1) beantragten Teilerbscheins in Höhe von 4,5 % sei ebenso wenig gerechtfertigt wie die Zurückweisung des von der Beteiligten zu 2) gestellten Teilerbscheinsantrages in Höhe von 3 %. Maßgebend für das Erbrecht nach dem Erblasser sei das Testament vom 23. April 2000 ohne die roten Streichungen nebst Pfeil. Die Kammer habe nach der von ihr durchgeführten umfangreichen Beweisaufnahme und den sonstigen Ermittlungen nicht feststellen können, dass die Streichungen der Beteiligten zu 2) und 3) im Testament des Erblassers vom 23. April 2000 von dem Erblasser stammten. Bei Veränderungen an einer Testamentsurkunde gingen Zweifel daran, ob sie von dem Erblasser selbst vorgenommen worden seien, zu Lasten desjenigen, der sich zu Begründung des von ihm beanspruchten Erbrechts auf die Veränderung berufe, d.h. vorliegend zu Lasten der Beteiligten zu 1). Zwar sei das Testament nicht schon deshalb unwirksam, weil die Veränderungen nicht vom Erblasser mit einer Paraphe und mit einem Datum versehen abgeändert worden seien. Auf Grund der durchgeführten Beweiserhebung könne sich die Kammer jedoch nicht davon überzeugen, dass der Erblasser die Streichungen tatsächlich vorgenommen habe. Die Echtheit der Streichungen entziehe sich der Nachprüfung durch einen Sachverständigengutachten. Der im Erbscheinsverfahren geltende Grundsatz der Amtsermittlung verlange nicht die Erhebung offensichtlich ungeeigneter Beweise. Die Annahme, dass ein Schriftsachverständiger positiv feststellen könne, ob die Textstellen vom Erblasser oder von einem Dritten durchgestrichen worden seien, erscheine abwegig, da solche Striche nicht die für die Handschrift einer bestimmten Person charakteristischen und insoweit zur Identifizierung geeigneten individuellen Merkmale aufwiesen.

Gegen diesen Beschluss wendet sich die Beteiligte zu 1) mit der weiteren Beschwerde und dem Antrag, unter Aufhebung des landgerichtlichen Beschlusses das Amtsgericht anzuweisen, ihr einen Teilerbschein zu erteilen, der sie als Erbin zu 4,5 % Anteil ausweist und die abweichen Erbscheinsanträge der anderen Beteiligten zurückzuweisen. Das Landgericht habe zunächst die Beweislastverteilung verkannt. Ohne dass es dafür Anhaltspunkte gegeben habe, sei es davon ausgegangen, dass die Streichungen nachträgliche Veränderungen eines zunächst abschließend errichteten Testaments seien. Genauso gut möglich sei es aber, dass der Erblasser vor Leistung seiner Unterschrift bereits die Veränderungen durch die Streichungen vorgenommen habe. Unabhängig davon habe das Landgericht verfahrensfehlerhaft kein Sachverständigengutachten eingeholt. Dies hätte zum einen zu der Frage erfolgen müssen, ob die Striche, die Verbindung, der Pfeil und das Pluszeichen vom Erblasser stammten, zum anderen zu der Frage, ob diese Darstellungen mit demselben Stift wie die anderen Rotmarkierungen in derselben Urkunde erfolgt seien, und schließlich dazu, ob bzw. dass die in Rede stehenden Gestaltungen zeitgleich mit der Errichtung des Testaments im übrigen erfolgt seien. Es sei keinesfalls ausgeschlossen, dass durch Schriftsachverständigengutachten Aussagen über die Urheberschaft der hier in Rede stehenden Darstellungen gemacht werden könnten. Wenn sich die Urheberschaft des Erblassers nicht schon durch das graphologische Gutachten hätte erweisen lassen können, hätte das Landgericht durch ein chemisches Gutachten Beweis darüber erheben müssen, dass die in Rede stehenden Darstellungen mit demselben Stift wie die anderen Rotmarkierungen erfolgt seien und das Ganze zeitgleich geschehen sei. Im übrigen habe sich das Landgericht im Rahmen der Beweiswürdigung nicht hinreichend mit den sich zum Teil widersprechenden Angaben der Beteiligten zu 2) und 4) auseinander gesetzt.

II.

Die an keine Frist gebundene, in rechter Form (§§ 27 Abs. 1, 29 Abs. 1 FGG) eingelegte weitere Beschwerde der Beteiligten zu 1.) ist ganz überwiegend zulässig und hat, soweit sie zulässig ist, auch in der Sache Erfolg.

1. Unzulässig ist das Rechtsmittel der Beteiligten zu 1) allerdings insoweit, als sie über eine Aufhebung des landgerichtlichen Beschlusses hinaus eine Anweisung des Amtsgerichts durch den Senat dahingehend beantragt, dass das Amtsgericht ihr einen Erbschein mit einem Erbanteil von 4,5 % erteilen und die "übrigen Erbscheinsanträge" zurückweisen soll. Wenn der Beschluss des Landgerichts aufgehoben wird, gilt zunächst wieder der amtsgerichtliche Beschluss und damit auch die Zurückweisung des Erbscheinsantrages des Beteiligten zu 2). Insoweit fehlt es deshalb für eine entsprechende Anweisung des Amtsgerichts durch den Senat an dem erforderlichen Rechtsschutzinteresse.

Soweit die Beteiligte zu 1) über den vom Amtsgericht zu ihren Gunsten erlassenen Vorbescheid hinaus die Anweisung zur Erteilung eines Erbscheins mit einer Erbquote von 4,5 % begehrt, handelt es sich um ein mit der weiteren Beschwerde nicht zu erreichendes Rechtsschutzziel. Der Senat ist nur befugt darüber zu entscheiden, ob das Landgericht über die Erstbeschwerden zutreffend entschieden hat. Auch vor dem Landgericht hätte die Beteiligte zu 1) höchstens die Zurückweisung der Beschwerden der Beteiligten zu 2) und 3) gegen den amtsgerichtlichen Beschluss erwirken können. Da mithin das Landgericht im Rahmen seiner Beschwerdeentscheidung die von der Beteiligten zu 1) nunmehr begehrte Anweisung des Amtsgerichts zur Erteilung eines Erbscheins in Höhe eines Erbteils zu 4,5 % nicht hätte aussprechen können, ist die hierauf gerichtete weitere Beschwerde der Beteiligten zu 1) zum Oberlandesgericht nicht zulässig. In dem zu weit gehenden Antrag ist aber zugleich konkludent der Antrag enthalten, die Sache zur erneuten Entscheidung über die Beschwerden der Beteiligten zu 2) und 3) an das Landgericht zurückzuweisen. Mit diesem Antrag ist die weitere Beschwerde zulässig.

2. Die weitere Beschwerde hat auch, soweit sie entsprechend den Ausführungen unter 1. zulässig ist, in der Sache Erfolg. Das Rechtsmittel der Beteiligten zu 1) führt zur Aufhebung der angegriffenen Entscheidung und zur Zurückverweisung des Verfahrens an das Landgericht. Die Entscheidung beruht auf einer Verletzung des Rechts, §§ 27 Abs. 1 FGG, 546 ZPO. Das Landgericht hat gegen den Amtsermittlungsgrundsatz (§§ 12 FGG, 2358 Abs. 1 BGB) verstoßen, weil es im Zusammenhang mit der Urheberschaft der Streichungen in dem Testament vom 23. April 2000 den Sachverhalt nicht hinreichend aufgeklärt hat.

a) Die Frage, ob ein als letztwillige Verfügung in Betracht kommendes Schriftstück von dem Erblasser eigenhändig ge- und unterschrieben worden ist, ob es also als formgültiges Testament angesehen werden kann (§ 2247 Abs. 1 BGB) liegt auf tatsächlichem Gebiet (vgl. BayObLG, FamRZ 1986, 1043 [1044]; BayObLG, FamRZ 1992, 1206; BayObLG, FamRZ 1995, 1523). Die hierzu in der Tatsacheninstanz getroffenen Feststellungen und die Beweiswürdigung des Tatrichters können im Verfahren der Rechtsbeschwerde gemäss § 27 Abs. 1 FGG nur auf Rechtsfehler und daher nur daraufhin überprüft werden, ob das Landgericht den maßgeblichen Sachverhalt hinreichend erforscht, ob es hierbei nicht gegen gesetzliche Beweisregeln, die Denkgesetze oder feststehende Erfahrungssätze verstoßen und ob es die Beweisanforderungen zu hoch oder zu niedrig angesetzt hat (ständige Rechtsprechung z.B.: Senat, Beschluss vom 11. April 2003, 2 Wx 3/03; Senat, NJW-RR 1994, 396; BayObLG, FamRZ 1995, 1523; Meyer-Holz in: Keidel/Kuntze/Winkler, FGG, 15. Aufl. 2003, § 27 Rdnr. 42 mit weiteren Nachweisen). Dabei ist nicht erforderlich, dass die tatsächlichen Folgerungen des Tatrichters schlechthin zwingend oder die einzig möglichen sind. Vielmehr ist eine solche Folgerung aus Rechtsgründen schon dann nicht zu beanstanden, wenn sie möglich ist, auch wenn abweichende Schlussfolgerungen ebenfalls denkbar erscheinen oder sogar nahe gelegen hätten (vgl. OLG Hamm, Rpfleger 1989, 23; Senat, FamRZ 1992, 729 [731]; Senat, NJW-RR 1994, 396).

b) Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist zunächst die von dem Landgericht auf der Grundlage der von ihm erhobenen Beweise durchgeführte Beweiswürdigung nicht zu beanstanden. Das Landgericht hat in einer sehr sorgfältigen und ausführlichen Begründung die für und gegen eine Urheberschaft des Erblassers für die hier in streitstehenden Streichungen sprechenden Umstände gewürdigt. Die von dem Landgericht im einzelnen dargelegten Zweifel daran, ob die Streichungen von dem Erblasser stammen, sind jedenfalls denkgesetzlich möglich. Dass das Landgericht zwingend zu der von der Beteiligten zu 1) gewünschten Würdigung der erhobenen Beweise und der vorliegenden Unterlagen kommen musste, wird von der Beteiligten zu 1) nicht aufgezeigt. Sie setzt lediglich ihre eigene Würdigung an die Stelle der insoweit rechtsfehlerfrei getroffenen tatsächlichen Feststellung des Landgerichts, zeigt aber keinen Rechtsfehler des Tatrichters auf.

c) Das Landgericht hat es indes unter Verstoß gegen die §§ 12 FGG, 2258 Abs. 1 BGB versäumt, sämtliche Erkenntnisquellen zur Ermittlung der Urheberschaft der Streichungen auszuschöpfen. Die Gründe, aus denen das Landgericht von der Einholung eines Sachverständigengutachtens zu der Frage der Urheberschaft der Streichungen abgesehen hat, tragen die Ablehnung nicht.

aa) Allerdings ist der Ausgangspunkt des Landgerichts nicht zu beanstanden, wonach die hier in Rede stehenden Striche die für die Handschrift einer bestimmten Person charakteristischen und insoweit zur Identifizierung geeigneten individuellen Merkmale nicht aufweisen. Aus der Form der Striche als solcher lassen sich deshalb Rückschlüsse auf die Urheberschaft des Erblassers nicht herleiten. Insoweit konnte das Landgericht ein Sachverständigengutachten auch ohne vorherige Befragung eines Sachverständigen als von vornherein ungeeignetes Beweismittel ansehen.

bb) Lückenhaft sind die Feststellungen des Landgerichts jedoch insoweit, als es nicht näher dargelegt hat, warum ein Sachverständiger nicht auch Feststellungen zum Zeitpunkt des Entstehens der hier streitigen Striche machen kann. Der Entscheidung des Landgerichts lässt sich nicht entnehmen, ob es auch Zweifel daran hat, dass die oberhalb der Tabelle enthaltenen ebenfalls in Rot gehaltenen Unterstreichungen bzw. "Umkringelungen" von dem Erblasser stammen. Zumindest fehlt es insoweit an einer eindeutigen Feststellung in dem angegriffenen Beschluss. Wenn aber diese Unterstreichungen vom Erblasser stammen und die in der Tabelle enthaltenen Unterstreichungen zeitgleich bzw. nahezu zeitgleich erfolgt sind, würde dies eindeutig dafür sprechen, dass auch die hier streitigen Striche von den Erblasser herrühren. Bei dieser Sachlage hätte das Landgericht zumindest nähere Feststellungen dazu treffen müssen, inwieweit einem Sachverständigen die Bestimmung des Entstehungszeitpunktes der in der Testamentsurkunde enthaltenen Striche möglich ist. Verfügte das Landgericht insoweit nicht über eigene Sachkunde, die den Parteien bekannt gemacht werden müsste, hätte es sich diese Erkenntnisse mit Hilfe eines Sachverständigen verschaffen müssen und - falls derartige Feststellungen möglich sind - ein Sachverständigengutachten zu der Frage des Zeitpunktes des Anbringens der Durchstreichungen einholen müssen. Diesen Anforderungen genügt der angegriffene Beschluss nicht.

d) Da es hiernach weiterer Ermittlungen zu Aufklärung des Sachverhaltes bedarf und diese Ermittlungen möglicherweise zu einem eindeutigen Beweisergebnis führen, stellt sich zum derzeitigen Zeitpunkt die Frage, wer bei einer Unaufklärbarkeit der Urheberschaft der Streichungen die sogenannte Feststellungslast trägt, nicht. Der Senat weist deshalb lediglich im Hinblick auf die Rüge der Beteiligten zu 1), wonach das Landgericht die "Beweislast" zu Unrecht ihr auferlegt habe, vorsorglich auf Folgendes hin:

aa) Eine subjektive Beweislast (Beweisführungslast) kennt das Erbscheinsverfahren als ein Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit wegen des hier geltenden Untersuchungsgrundsatzes (§§ 12 FGG, 2358 Abs. 1 BGB) nicht (vgl. BayObLGZ 1973, 145 [149]; BayObLG, FamRZ 1997, 1428 [1429]; KG, OLGZ 1991, 144 [147]; Schmidt in: Keidel/Kuntze/Winkler, aaO, § 12 Rdnr. 212 ff.). Indes gibt es auch hier eine objektive Beweislast (Feststellungslast), die bestimmt, wie zu entscheiden ist, wenn die gebotenen, zur Feststellung einer erheblichen Tatsache durchgeführten Ermittlungen zu keinem Erfolg geführt haben. Ihre Verteilung richtet sich nach dem materiellen Recht (vgl. BayObLGZ 1973, 145 [149]; BayObLG, FamRZ 1985, 837 [838]; BayObLG, NJW-RR 1992, 1219 [1220]; BayObLGZ 1997, 1428 [1429]; KG, OLGZ 1991, 144 [147]; Schmidt in: Keidel/Kuntze/Winkler, aaO, § 12 Rdnr. 214 mit weiteren Nachweisen). Geht es - wie hier - um die Feststellungslast für die Echtheit eines Testaments, so trägt sie im Zweifel derjenige, wer aus dem Testament ein Erbrecht herleitet (vgl. BayObLG, FamRZ 1985, 837 [838]; Palandt/Edenhofer, BGB, 62. Aufl. 2003, § 2247 Rdnr. 19 f.). Verbleiben nach ausreichenden Ermittlungen Zweifel daran, ob die Veränderungen einer Testamentsurkunde vom Erblasser selbst vorgenommen worden sind, so gehen diese Zweifel im Erbscheinsverfahren zu Lasten desjenigen, der sich zur Begründung des von ihm beanspruchten Erbrechts auf die Veränderungen beruft (vgl. BayObLGZ 1983, 204 [207]).

bb) Wenn vorliegend feststünde, dass die Streichungen - von wem auch immer - nach der Unterschriftleistung vorgenommen worden sind, die Urheberschaft aber trotz sämtlicher Ermittlungen offen bleibt, so hätte dies zur Folge, dass der Beteiligten zu 1) der von ihr beantragte Erbschein mit einer Erbquote von 4,5 % nicht erteilt werden könnte, weil ein Erbrecht in dieser Quote nicht fest stünde. Auf der anderen Seite würde sich dies zugunsten der Beteiligten zu 2) dahingehend auswirken, dass von der von ihr für sich in Anspruch genommenen Erbquote von 3 % auszugehen wäre. Dass ihre zunächst eingeräumte Erbenstellung nachträglich vom Erblasser widerrufen worden ist, bliebe offen und würde ihre Erbenstellung insoweit nicht mehr beseitigen. Auf dieser Grundlage sind die Ausführungen des Landgerichts zu der Feststellungslast im vorliegenden Verfahren zu verstehen, wobei das Landgericht allerdings bislang keine Feststellungen zu dem Zeitpunkt der Vornahme der Streichungen getroffen hat.

cc) Die Feststellungslast würde sich allerdings anders darstellen, wenn der Zeitpunkt der hier streitigen Streichungen ebenfalls offen bleiben würde. Wenn nämlich die Möglichkeit bestünde, dass die Streichungen von dem Erblasser vor Leistung der Unterschrift vorgenommen wurden, würde sich eine Unaufklärbarkeit der Urheberschaft der Streichungen nicht nur zu Lasten der Beteiligten zu 1), sondern auch zu Lasten der Beteiligten zu 2) und des von ihr gestellten Erbscheinsantrages sowie zu Lasten ihrer Erstbeschwerde vor dem Landgericht auswirken, soweit sie sich gegen die Zurückweisung ihres eigenen Erbescheinsantrages durch das Amtsgericht wendet. Insoweit findet nämlich die oben angesprochene Grundregel Anwendung, wonach die Feststellungslast für die Echtheit eines Testamentes derjenige trägt, der Rechte aus dieser Urkunde herleiten will. Wenn aber nicht auszuschließen ist, dass die Unterschrift erst nach der Streichung erfolgt ist, bleibt auch offen, ob die Beteiligte zu 2) überhaupt jemals eine - widerrufbare - Erbenstellung erlangt hat. Hierfür trägt sie aber die Feststellungslast.

Entgegen der Ansicht der Beteiligten zu 1) in der weiteren Beschwerde würde sich aber auch bei dieser Sachverhaltskonstellation an der Feststellungslast hinsichtlich des von ihr beantragten Erbscheins nichts ändern. Sie kann einen Erbschein mit einer Erbquote von 4,5 % nur dann erlangen, wenn feststeht, dass die Streichungen vom Erblasser stammen. Die Verteilung dieser Feststellungslast ist unabhängig davon, ob die Streichungen von dem Erblasser vor oder nach Unterschriftleistung vorgenommen worden sind.

3. Dem Senat als dem Rechtsbeschwerdegericht ist es verwehrt, die hiernach erforderlichen tatsächlichen Feststellungen selbst zu treffen. Die Sache muss deshalb an das Landgericht zurückverwiesen werden, damit es diese Feststellungen nachholt. Da mit der Zurückverweisung der Sache an die Vorinstanz noch nicht fest steht, welche Seite im Ergebnis obsiegen wird, muss dem Landgericht auch die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens der weiteren Beschwerde übertragen werden.

Geschäftswert des Verfahrens der weiteren Beschwerde € 261.899,28

Die Wertfestsetzung orientiert sich an den Angaben des Testamentsvollstreckers vom 31. Januar 2002 (vgl. Bl. 325 ff.) zu dem Nachlasswert. Hiernach stehen Aktiva in Höhe von 13.118.733,00 DM Passiva in Höhe von 312.971,00 DM gegenüber, so dass sich ein reiner Nachlasswert in Höhe von 12.805.762,00 DM (= 6.547.482,10 €) ergibt. Die Differenz der von der Beteiligten zu 1) begehrten 4,5 % des Nachlasses (= 294.636,69 €) zu der ihr vom Landgericht zugebilligten 0,5 % (32.737,41 €) beträgt 261.899,28 €. Dies entspricht dem Interesse der Beteiligten zu 1) an einer stattgebenden Entscheidung im Rahmen der weiteren Beschwerde.

Ende der Entscheidung

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