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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Köln
Beschluss verkündet am 05.11.2003
Aktenzeichen: 2 Ws 17/03
Rechtsgebiete: StPO, RpflG, ZPO, IRG, StrEG


Vorschriften:

StPO § 464a
StPO § 464 ff.
StPO § 464 Abs. 2
StPO § 464 a Abs. 2
StPO § 467
StPO § 467 Abs. 1
RpflG § 11
RpflG § 11 Abs. 1
ZPO § 104 Abs. 3 Satz 1
ZPO § 569
IRG § 40
IRG § 77
StrEG § 2
StrEG § 2 Abs. 3
StrEG § 5
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
- 2 Ws 17/03 - 90 Js 228/99 StA Köln

OBERLANDESGERICHT KÖLN BESCHLUSS

In der Strafsache

hat der 2. Strafsenat des Oberlandesgerichts Köln

auf die sofortige Beschwerde des Bezirksrevisors bei dem Landgericht Köln gegen den Beschluss des Rechtspflegers der 11. großen Strafkammer des Landgerichts Köln vom 05.11.2002 - 111-20/01- unter Mitwirkung der Vorsitzenden Richterin am Oberlandesgericht Doleisch von Dolsperg, der Richterin am Oberlandesgericht Dr. Ahn-Roth und des Richters am Oberlandesgericht Heidemann

am 28. Januar 2003

beschlossen:

Tenor:

Auf die sofortige Beschwerde des Bezirksrevisors wird der Beschluss des Rechtspflegers der 11. großen Strafkammer des Landgerichts Köln vom 05.11.2002 - 111-20/01- insoweit aufgehoben, als - nach Abänderung des Zinssatzes durch Beschluss vom 08.01.2003 - dem früheren Angeschuldigten P aus der Staatskasse zu erstattende notwendige Auslage in Höhe von 13.423,15 € nebst 5% Zinsen seit dem 21.03.2002 für die Inanspruchnahme einer Schweizer Rechtsanwältin festgesetzt worden sind.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden dem früheren Angeschuldigten P auferlegt.

Gründe:

I.

Der frühere Angeschuldigte, gegen den die Staatsanwaltschaft unter dem 2.11. 2001 Anklage wegen versuchter Anstiftung zum Mord erhoben hatte, befand sich vom 26.8.1999 bis 22.2.2000 in dieser Sache in Auslieferungshaft in der Schweiz. Mit Beschluss der 11. großen Strafkammer des Landgerichts Köln vom 18.02.2002 ist die Eröffnung des Hauptverfahrens gegen den Angeschuldigten P aus tatsächlichen Gründen abgelehnt worden. Zugleich sind die ihm entstandenen notwendigen Auslagen der Staatskasse nach §§ 464, 467 StPO auferlegt worden. Für die erlittenen Strafverfolgungsmaßnahmen, insbesondere den Vollzug der Auslieferungshaft und der Untersuchungshaft sieht der Beschluss eine Entschädigung des Angeschuldigten nach §§ 2, 7, 8 StrEG vor.

Mit Schriftsätzen seines Verteidigers vom 19.03.2002 und 17.04.2002 hat der frühere Angeschuldigte beantragt, die Erstattung der entstandenen notwendigen Auslagen festzusetzen. Neben den Gebühren seines deutschen Verteidigers hat er die in der Schweiz entstandenen Rechtsanwaltsgebühren für die Rechtsanwältin M in Höhe eines Betrages von 33.164.71 € geltend gemacht. Mit Kostenfestsetzungsbeschluss vom 05.11.2002 hat der Rechtspfleger aus der Staatskasse zu erstattende Kosten in Höhe von insgesamt 16.920,36 € nebst 4% Zinsen seit dem 21.03.2002 berücksichtigt. In diesem Betrag sind in Höhe von 13.423,15 € in der Schweiz entstandene Rechtsanwaltsgebühren der Rechtsanwältin M enthalten. Gegen diesen ihm am 12.11.2002 zugestellten Beschluss hat der Bezirksrevisor bei dem Landgericht Köln mit Eingang vom 14.11.2002 sofortige Beschwerde (Erinnerung) eingelegt. Auf die zugleich durch den früheren Angeschuldigten eingelegte Erinnerung hat der Rechtspfleger mit Beschluss vom 08.01.2003 den Kostenfestetzungsbeschluss vom 05.11.2002 hinsichtlich der Höhe der Zinsen abgeändert. Der Erinnerung des Vertreters der Landeskasse hat er nicht abgeholfen und die Sache dem Beschwerdegericht gemäss § 11 RpflG zur Entscheidung vorgelegt.

Mit seinem insoweit beschränkten Rechtsmittel erstrebt der Bezirksrevisor die Versagung des Honorars der Schweizer Rechtsanwältin. Seiner Ansicht nach könnten allenfalls Gebühren dieser Anwältin in der Höhe angesetzt werden, wie sie die BRaGO für vor einem deutschen Gericht geführte Strafverfahren vorsieht.

II.

Die sofortige Beschwerde des Bezirksrevisors ist statthaft und auch form- und fristgerecht eingelegt worden, §§ 464a StPO in Verbindung mit § 11 Abs. 1 RpflG, §§ 104 Abs. 3 Satz 1, 569 ZPO.

In der Sache hat die Beschwerde Erfolg. Der angefochtene Beschluss des Rechtspflegers der großen Strafkammer vom 05.11.2002 in der Fassung vom 08.01.2003 ist im Umfang seiner Anfechtung durch den Bezirksrevisor aufzuheben. Der ehemalige Angeschuldigte kann die für die in Anspruchnahme eines ausländischen Verteidigers anlässlich seiner Inhaftierung im Ausland entstandenen Mehrkosten nicht verlangen. Die im Rahmen eines Auslieferungsbegehrens der Bundesrepublik Deutschland durch die in Anspruchnahme eines ausländischen Rechtsanwalts entstandenen notwendigen Auslagen eines Beschuldigten sind keine "notwendigen Auslagen" im Sinne der §§ 464 Abs. 2, 464 a Abs. 2, 467 Abs.1 StPO.

Mit rechtskräftigem Beschluss der Strafkammer vom 18.02.2002 ist die Staatskasse zur Tragung der notwendigen Auslagen des früheren Angeschuldigten verpflichtet worden. Die anlässlich seiner Verhaftung in der Schweiz durch die Beauftragung eines dortigen Rechtsanwalts entstandenen Kosten - es kann hier dahin gestellt bleiben, ob und ggfls. in welchem Umfang es sich um notwendige Auslagen im Auslieferungsverfahren handelt - können nicht als Auslagen unter dem Aspekt der Beauftragung eines auswärtigen (Verkehrs-) Anwalts zur Unterstützung des zugelassenen Verteidigers berücksichtigt werden. Denn es handelt sich nicht um Auslagen im Sinne der §§ 464 ff. StPO, die durch die Verteidigung des früheren Angeschuldigten im Strafverfahren angefallen sind. Nur diese Auslagen hat die Staatskasse laut Beschluss des Landgerichts vom 18.02.2002 zu tragen. Die §§ 464 ff. StPO regeln nämlich lediglich die Kostentragungspflicht für Verfahren nach der deutschen Strafprozessordnung. Sie finden hingegen keine ausdrückliche oder entsprechende Anwendung auf ein im Ausland auf Ersuchen der Bundesrepublik Deutschland durchgeführtes Auslieferungsverfahren.

Das Auslieferungsverfahren ist weder ein Teil, noch ein Annex des deutschen Ermittlungs- bzw. Strafverfahrens (OLG Zweibrücken, NStZ 89, 289; ebenso Vogler, NStZ 89, 254). Vielmehr ist es ein selbständiges Verfahren eigener Art, das der völkerrechtlichen Rechtshilfe dient. Die Auslieferung selbst als Akt der internationalen Rechtshilfe ist nicht Teil der innerstaatlichen Strafverfolgung, sondern deren Voraussetzung (vgl. Vogler, a.a.O., S. 255). Die Inhaftierung eines Beschuldigten aufgrund eines Haftbefehls eines anderen Staates ist innerstaatliche Angelegenheit des um die Haft ersuchten Staates, der aufgrund selbständigen, hoheitlichen Handelns entscheidet, ob und ggfls. unter welchen Voraussetzungen der Beschuldigte zu Zwecken der Auslieferung in Haft zu nehmen ist (s. auch OLG München, MDR 82, 512). Die Vorschriften der §§ 467, 467 a StPO, die eine Kostenverteilung für das deutsche Strafverfahren regeln, können deshalb nicht für das Auslieferungsverfahren in einem auswärtigen Staat Geltung beanspruchen (OLG Zweibrücken, a.a.O.; Vogler, a.a.O.).

Eine Auslagenerstattung aufgrund einer entsprechenden Anwendung des § 77 IRG kommt ebenfalls nicht in Betracht. Diese Vorschrift ist beschränkt auf das Verfahren der Auslieferung aus der Bundesrepublik Deutschland in einen auswärtigen Staat, der die Bundesrepublik Deutschland um Auslieferung ersucht hat. Eine sinngemäße Anwendung dieser Vorschrift auf den entgegengesetzten Fall, dass ein Beschuldigter vom Ausland in die Bundesrepublik Deutschland eingeliefert werden soll, ist mit dem OLG Zweibrücken (a.a.O.) abzulehnen. Die in dieser Vorschrift in Erscheinung tretenden Prinzipien der deutschen Rechtsordnung, wonach unter Umständen eine Auslagenerstattung für die Verteidigung des Beschuldigten zu gewähren ist, kann keine Wirkung für im Ausland durchgeführte Auslieferungsverfahren entfalten. Diese Verfahren unterliegen vielmehr der Rechtsordnung des jeweiligen ausländischen Staates.

Der Gedanke, aus § 40 IRG lasse sich ein allgemeiner Rechtsgrundsatz herleiten, der auch bestimmt, ob und wann ein Beschuldigter, der im Ausland festgenommen wurde, die Erstattung seiner Kosten verlangen kann, trägt ebenfalls nicht ( vgl. OLG Zweibrücken, a.a.O.). Zwar wird dies vom Hans. OLG Hamburg bejaht ( NStZ 88, 370; auch schon - vermutlich aus denselben Gründen - NStZ 83, 284) mit der Folge, dass das Honorar eines ausländischen Rechtsanwaltes, der aufgrund der Festnahme des Beschuldigten in einem ausländischen Staat tätig geworden ist, von der Staatskasse unter den Voraussetzungen des § 467 Abs. 1 StPO zu erstatten sein soll. Diese Meinung ist indes abzulehnen. Hierbei wird nicht berücksichtigt, dass der ausländische Rechtsanwalt in einem Verfahren eines auswärtigen Staates tätig geworden ist, so dass Rechtsgrundsätze des deutschen Verfahrensrechtes nicht zur Anwendung kommen können. Die in der Entscheidung des Hans. OLG in Bezug genommenen Entscheidung des Bundesgerichtshofs betrifft das gegenteilige Verfahren, in dem ein Beschuldigter von der Bundesrepublik Deutschland in einen ausländischen Staat ausliefert werden sollte. Im übrigen bestätigt diese hochstrichterliche Entscheidung (BGH St 32,221 ff), dass die Haftfrage von dem ersuchten Staat jeweils in eigener Verantwortung entschieden wird, mithin auch die Entscheidung über die Erstattung notwendiger Verteidigerkosten nach dem Verfahrensrecht des ersuchten Staates zu beurteilen ist.

Soweit im Schrifttum lediglich unter Hinweis auf die genannten Entscheidungen des Hans.OLG Hamburg eine Erstattungsfähigkeit der Kosten eines ausländischen Rechtsanwaltes bejaht wird (so beispielsweise Löwe/Rosenberg/Hilger, 25. Auflage, § 464 a, Randnummer 32; Meyer-Goßner, 46. Auflage, § 464 a, Randnummer 13), vermag der Senat dem aus den dargelegten Gründen nicht zu folgen.

Gleichwohl steht ein Beschuldigter, gegen den das Verfahren eingestellt oder die Hauptverhandlung nicht eröffnet wurde, hinsichtlich der Kosten seines ausländischen Rechtsanwaltes nicht völlig rechtlos dar. Diese Auslagen können nämlich über §§ 2, 5 StrEG zu entschädigen sein. Zu den entschädigungsfähigen Maßnahmen nach § 2 Abs. 3 StrEG gehören auch die vorläufige und endgültige Auslieferungshaft. Die Erstattungspflicht umfasst die Gebühren und Auslagen eines Rechtsanwaltes, soweit sie durch die Verteidigung gegen eine erstattungsfähige Maßnahme nach § 2 Abs. 3 StrEG entstanden sind und die §§ 464 ff StPO eine Erstattungspflicht nicht vorsehen ( dazu Meyer-Goßner, StPO, 46.Aufl., § 7 StrEG, Rdz. 5 ; Vogler, a.a.O., S. 255; ). Im vorliegenden Verfahren ist im landgerichtlichen Beschluss vom 18.02.2002 dem früheren Angeschuldigten eine Entschädigung nach §§ 2, 7, 8 StrEG zugesprochen worden. Diese Entschädigungspflicht umfasst ausdrücklich auch den Vollzug der Auslieferungshaft. Allerdings kann ein hierauf gestützter Anspruch nicht im Rahmen der Kostenfestsetzung nach §§ 464 b StPO, 104 ZPO geltend gemacht werden, sondern ist als Anspruch bei der Staatsanwaltschaft des ersten Rechtszugs anzumelden ( vgl. §§ 10 ff StrEG) und gegebenenfalls weiter vor den Zivilgerichten zu verfolgen. Der Senat ist mithin nicht zu einer Entscheidung über etwaige Entschädigungsansprüche berufen.

Der Kostenfestsetzungsbeschluss vom 05.11.2002 war deshalb in dem erkannten Umfang aufzuheben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1 StPO.

Beschwerdewert: 13.423,15 €

Ende der Entscheidung

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