Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Köln
Beschluss verkündet am 30.03.2007
Aktenzeichen: 2 Ws 179/07
Rechtsgebiete: StPO


Vorschriften:

StPO § 70
Gegen einen Zeugen, der wiederholt unberechtigt die Aussage verweigert, kann nur einmal Ordnungsgeld festgesetzt werden. Die wiederholte Festsetzung von Ordnungsgeld ist unzulässig. Demgegenüber kann Beugehaft auch mehrfach - bis zu der in § 70 Abs. 2 StPO vorgesehenen Höchstgrenze - angeordnet werden.
2 Ws 169/07 2 Ws 179/07

Tenor:

Die angefochtenen Beschlüsse werden insoweit aufgehoben, als gegen den Zeugen jeweils ein Ordnungsgeld in Höhe von 500,- € verhängt wurde. Im Übrigen werden die Beschwerden verworfen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens fallen dem Beschwerdeführer zur Last.

Gründe:

I.

Der Beschwerdeführer ist Zeuge in einem beim Landgericht Aachen anhängigen Verfahren gegen die Angeklagten Q. und N. wegen Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz. In ihrer Anklageschrift vom 4.9.2006 wirft die Staatsanwaltschaft Aachen unter Punkt 4 und 5 der Angeklagten Q. zwei Rauschgiftgeschäfte (zwischen Weihnachten und Silvester 2005 sowie am 23.2.2006) vor. Sie soll dem Zeugen U. jeweils 1 kg Amphetamin übergeben haben, welches dieser einer dritten Person übergeben haben soll. Der Zeuge U. wurde wegen der Beteiligung an diesen Taten bereits am 22.1.2007 durch das Amtsgericht Mönchengladbach rechtskräftig verurteilt (A. 91 Ls 70/06).

Der Zeuge U. hat sich beim Landgericht Aachen zu der Frage, ob er die Angeklagte Q. kenne, auf ein Auskunftsverweigerungsrecht berufen. Die Strafkammer hat daraufhin mit Beschluss vom 13.3.2007 gegen den Zeugen zunächst ein Ordnungsgeld in Höhe von 250,- €, ersatzweise Ordnungshaft, und nach erneuter Verweigerung einer Aussage Beugehaft angeordnet. Der Senat hat die hiergegen gerichtete Beschwerde des Zeugen mit Beschluss vom 22.3.2007, Az. 2 Ws 150/07, verworfen und festgestellt, dass der Beschwerdeführer verpflichtet ist, gegenüber dem erkennenden Gericht Angaben zur Tatbeteiligung der Angeklagten Q. in den genannten Fällen zu machen. Wegen der Einzelheiten kann auf den Senatsbeschluss verwiesen werden.

In der Hauptverhandlung vom 23.3.2007 hat der Zeuge erneut zur Tatbeteiligung der Angeklagten Q. hinsichtlich der Fälle 4 und 5 der Anklageschrift Angaben verweigert. Das Landgericht hat daraufhin erneut ein Ordnungsgeld in Höhe von 500,- €, ersatzweise Ordnungshaft, festgesetzt. Nachdem der Zeuge nach Festsetzung des Ordnungsgeldes wiederum nicht ausgesagt hat, hat die Strafkammer erneut Beugehaft verhängt. In der weiteren Hauptverhandlung vom 27.3.2007 hat sich der vorgeführte Zeuge sodann erneut auf ein Auskunftsverweigerungsrecht berufen. Die Strafkammer hat daraufhin nochmals ein Ordnungsgeld in Höhe von 500,- €, ersatzweise Ordnungshaft, und - nach nochmaliger Verweigerung der Aussage - Beugehaft angeordnet.

Mit seinen Beschwerden wendet sich der Zeuge gegen die am 23.3.2007 und am 27.3.2007 von der Strafkammer verhängten Zwangsmaßnahmen.

II.

Die nach § 304 Abs. 1 StPO statthaften und auch im Übrigen zulässigen Beschwerden haben in der Sache nur Erfolg, soweit sie sich gegen die Festsetzungen von Ordnungsgeld richten. Darüber hinaus sind sie unbegründet.

Dem Landgericht war es verwehrt, gegen den Zeugen erneut Ordnungsgelder zu verhängen, nachdem bereits durch Beschluss vom 13.3.2007 ein Ordnungsgeld in Höhe von 250,- € festgesetzt worden war. Es entspricht einhelliger Auffassung, der sich der Senat anschließt, dass wegen der unberechtigten Weigerung zur Aussage gegen einen Zeugen nur einmal ein Ordnungsgeld verhängt werden kann, soweit sich die Aussageverweigerung jeweils auf dieselbe Tat i.S. § 264 StPO bezieht. Dies gilt ungeachtet des Umstandes, ob das festgesetzte Ordnungsgeld die in § 6 EGStGB vorgesehene Höchstgrenze von 1.000,- € erreicht (vgl. OLG Breslau GA 69 (1920( 201, 202 f.; Meyer-Goßner § 70 StPO Rdnr. 16; KK-Senge § 70 StPO Rdnr. 12; LR-Dahs § 70 StPO Rdnr. 31; KMR-Neubeck § 70 StPO Rdnr. 15 - unter Aufgabe der in der Vorauflage geäußerten Gegenauffassung -; SK/StPO-Rogall § 70 StPO Rdn. 30; vgl. für den Zivilprozess auch Zöller-Greger § 390 ZPO Rdnr. 6). Die Begrenzung auf die einmalige Festsetzung findet ihre Grundlage bereits im Wortlaut des § 70 Abs. 1 S. 2 StGB, der ausdrücklich nur "ein" Ordnungsgeld vorsieht (hierzu und zur Gesetzesgeschichte OLG Breslau a.a.O.). Zudem fehlt in § 70 Abs. 1 StGB eine § 51 Abs. 1 S. 4 StPO vergleichbare ausdrückliche Bestimmung über die Möglichkeit einer wiederholten Festsetzung des Ordnungsgeldes. Dies spricht dafür, dass der Gesetzgeber im Rahmen der Zeugnisverweigerung nur die einmalige Festsetzung für zulässig erachtet hat. Diese Beschränkung entspricht auch Sinn und Zweck des Ordnungsgeldes. Dies kann nach einmaliger Verhängung als "erschöpft" angesehen werden (§ 70 Abs. 4 StPO). Wenn der Zeuge nach einmaliger Festsetzung die Aussage erneut verweigert, spricht dies dafür, dass die Sanktion in Form des Ordnungsgeldes ihren Zweck verfehlt hat. Dem Zeugen kann dann nur noch durch Androhung der schwerwiegenderen Beugehaft seine Verpflichtung zur Aussage vor Augen geführt werden. Gerade der vorliegende Fall verdeutlicht, dass auch die wiederholte Festsetzung von Ordnungsgeld den Zeugen nicht von seiner Verweigerungshaltung abbringen konnte.

Demgegenüber ist die wiederholte Verhängung von Beugehaft bis zu der in § 70 Abs. 2 StPO vorgesehenen Höchstgrenze zulässig (Senge a.a.O. Rdnr. 13; allg. Meinung). Diese Anordnung ist auch erforderlich, wenn der Zeuge in mehreren aufeinander folgenden Terminen zu Unrecht die Aussage verweigert. Allein die wiederholte Anordnung von Beugehaft stellt ein geeignetes Mittel dar, einen Zeugen zu Erfüllung seiner Aussagepflicht anzuhalten. Das Landgericht hat im Übrigen zu Recht erneute Beugehaft angeordnet, weil sich der Zeuge beharrlich weigert, die nach der zutreffenden Auffassung der Strafkammer, welcher der Senat im Beschluss vom 22.3.2007 gefolgt ist, zulässigen Fragen zu beantworten. Die nicht begründeten Beschwerden gegen die Festsetzung der Beugehaft veranlassen keine andere Entscheidung.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1 StPO. Der Senat macht von der Regelung des § 473 Abs. 4 StPO trotz des Teilerfolgs des Beschwerdeführers keine Anwendung, weil die Beschwerden aller Voraussicht nach auch dann angefallen wären, wenn die Strafkammer von der Verhängung eines Ordnungsgeldes abgesehen hätte.

Ende der Entscheidung

Zurück