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Gericht: Oberlandesgericht Köln
Beschluss verkündet am 09.06.2004
Aktenzeichen: 2 Ws 183/04
Rechtsgebiete: StPO, ZPO, RPflG, ZSEG, EStG


Vorschriften:

StPO § 464 a Abs. 2 Nr. 1
StPO § 464 a Abs. 2 Nr. 2
StPO § 464 b S. 3
StPO § 467
ZPO § 104 Abs. 3 S. 1
ZPO § 567
RPflG § 11 Abs. 1
RPflG § 21 Nr. 1
ZSEG § 2 Abs. 3 Satz 1
ZSEG § 10 Abs. 2 Satz 1
EStG § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 5 Satz 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

1. Der Kostenfestsetzungsbeschluß vom 20.02.2004 wird in Ziff.I aufgehoben.

2. Die Sache wird an das Landgericht Bonn zur neuen Entscheidung über den Antrag des Beschwerdeführers auf Erstattung von Wahlverteidigerkosten für Rechtsanwalt S für die Verteidigung in der Hauptverhandlung vor dem LG Köln zurückverwiesen. Das Landgericht wird angewiesen, den Antrag nicht aus den Gründen des angefochtenen Beschlusses zurückzuweisen.

3. Im übrigen werden die Rechtsmittel verworfen.

4. Die Gebühr für das Beschwerdeverfahren wird auf die Hälfte ermäßigt. Die dem Beschwerdeführer im Beschwerdeverfahren entstandenen notwendigen Auslagen werden zu 1/2 der Staatskasse auferlegt, während sie im übrigen von ihm selbst zu tragen sind.

Gründe:

Die nach § 464 b S.3 StPO, §§ 104 Abs. 3 S. 1, 567 ZPO, §§ 21 Nr. 1, 11 Abs. 1 RPflG zulässigen sofortigen Beschwerden sind teilweise begründet.

Gegen den Beschwerdeführer war seit dem Jahre 1988 ein Strafverfahren wegen Betrugs anhängig, das durch Urteil des LG Köln vom 04.10.1999 eingestellt wurde. Dieses Urteil hob der BGH auf die Revision der Staatsanwaltschaft durch Urteil vom 25.10.2000 auf und verwies die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das LG Bonn zurück, das den früheren Angeklagten durch Urteil vom 30.11.2001 freisprach. Gegenstand des vorl. Beschwerdeverfahrens sind Partei- und Wahlverteidigerkosten des Beschwerdeführers .

Vor dem LG Köln war er - zunächst allein - durch Rechtsanwalt S als Wahlverteidiger verteidigt worden. Mit Verfügung vom 11.12.1998 teilte der Vorsitzende der 9. gr. Strafkammer des LG Köln anlässlich der Terminierung der Hauptverhandlung dem Verteidiger folgendes mit : " Die Kammer beabsichtigt, für den Angeklagten zwei Pflichtverteidiger zu bestellen" und gab Gelegenheit, "zwei geeignete Rechtsanwälte" zu benennen. Die daraufhin von dem Wahlverteidiger mit Schriftsatz vom 22.12.1998 benannten Rechtsanwälte Dr. N und T ordnete der Vorsitzende sodann dem damaligen Angeklagten durch Beschluß vom 23.12.1998 als Pflichtverteidiger bei. Vor dem LG Bonn ließ sich der Beschwerdeführer ebenfalls durch Wahlverteidiger (bis zum 25.01.2001 durch Rechtsanwalt S, ab da bis zum 09.04.2001 durch eine andere Wahlverteidigerin ) verteidigen. Ab dem 10.04.2001 wurde er allein durch die beiden weiterhin beigeordneten Pflichtverteidiger vertreten.

Rechtsanwalt T meldete mit Kostenfestsetzungsantrag vom 06.03.2003, mit Schriftsatz vom 15.12.2003 teilweise korrigiert, Kosten iHv insgesamt 124.542,28 DM zur Erstattung an, die sich wie folgt zusammensetzen :

a) Wahlverteidigerkosten 45.227,00 DM b) Pflichtverteidigerkosten 17.654,48 DM c) Parteikosten 61.660,80 DM 124.542,28 DM

Wegen der Einzelheiten wird auf den Antrag sowie auf den Schriftsatz vom 15.12.2003 ergänzend Bezug genommen.

Die Rechtspflegerin des LG Bonn setzte hierauf - nach Anhörung des Bezirksrevisors bei dem LG Bonn - durch Beschlüsse vom 07.01.04, 29.01.04 und 20.02.04 (teilweise im Wege der Abhilfe) insgesamt 36.249,04 DM fest und wies den weitergehenden Antrag zurück, insbesondere hinsichtlich der Wahlverteidigergebühren für die Vertretung des Beschwerdeführers in der Hauptverhandlung vor dem LG Köln, vgl. Ziff.I des Beschlusses vom 20.02.2004. Von dem festgesetzten Betrag entfallen auf

a) Wahlverteidigerkosten 3.722,20 DM b) Pflichtverteidigerkosten 18.263,44 DM c) Parteikosten 14.263,40 DM 36.249,04 DM

Der Beschwerdeführer hat gegen den ihm am 15.01.2004 zugestellten Beschluß vom 07.01.2004 und gegen den ihm am 26.02.2004 zugestellten Beschluß vom 20.02.2004 hinsichtlich der unterbliebenen Festsetzungen jeweils fristgerecht sofortige Beschwerde eingelegt. Die Rechtspflegerin hat nach teilweiser Abhilfe die Akten dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.

Dem Senat sind im Beschwerdeverfahren noch angefallen :

1. weitere Gebühren für den Wahlverteidiger Rechtsanwalt S für die Vertretung des Beschwerdeführers in der Hauptverhandlung vor dem LG Köln iHv (45.227-3.722,20=) 41.504,80 DM = 21.221,07 EUR;

2. weitere Parteikosten iHv (61.660,80-14.263,40=) 47.397,40 DM = 24.233,91 EUR.

Die Rechtsmittel sind hinsichtlich der Wahlverteidigergebühren begründet, hinsichtlich der Parteikosten nicht.

Zu a) - Wahlverteidigergebühren -

Dem Beschwerdeführer sind neben den bereits erstatteten Kosten für die beiden Pflichtverteidiger auch die Kosten für den Wahlverteidiger zu erstatten, soweit dies nicht bereits geschehen ist.

Die Rechtspflegerin ist zutreffend von dem Grundsatz ausgegangen, dass nach §§ 467, 464 a Abs. 2 Nr. 2 StPO grundsätzlich nur die Kosten für einen Rechtsanwalt erstattungsfähig sind, wenn der Staatskasse die notwendigen Auslagen des Freigesprochenen zur Last fallen. Dies gilt auch im Falle einer Beiordnung eines Rechtsanwalts als Pflichtverteidiger; neben diesem ist eine Wahlverteidigung nicht mehr "notwendig" (allg. Meinung, vgl. Senat 10.02.98 - 2 Ws 676/97 = StV 98,621; 09.08.02 - 2 Ws 191/02 = JurBüro 02,595 je m.w.N., ebenso OLG Düsseldorf JurBüro 02, 594)

Der Beschwerdeführer weist jedoch zutreffend darauf hin, dass dieser Grundsatz im Anschluß an die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 28.03.1984 - 2 BvR 275/83 ( NJW 84,2403) unter Berücksichtigung der Besonderheiten des Strafverfahrens, in dem das Recht auf freie Verteidigerwahl zu beachten ist, Ausnahmen zuläßt. Ein solcher Ausnahmefall ist anzunehmen, wenn dem Beschuldigten neben der Wahlverteidigung ein (oder wie hier auch zwei) Pflichtverteidiger zu Zwecken der Verfahrenssicherung "aufgedrängt" wird, wenn die Bestellung ohne Veranlassung des Beschuldigten oder seines Wahlverteidigers erfolgt. Es kommt für die Frage der Kostenerstattung darauf an, ob die zusätzliche Bestellung durch das Verhalten des Beschuldigten oder seines Wahlverteidigers verursacht ist oder nicht. Erfolgt die Bestellung des/der Pflichtverteidiger(s) nur rein vorsorglich, etwa zur Sicherstellung eines reibungslosen Verfahrensablaufs, sind die Wahlverteidigerkosten aus der Staatskasse zu erstatten (vgl. hierzu außer BVerfG a.a.O. auch Senat 10.02.98 - 2 Ws 676/97 = StV 98,621 und OLG Düsseldorf NStZ-RR 02,317 sowie LR-Hilger, StPO, 24.A.§ 464 a Rn 47, alle m.w.N.)

Vorliegend ist eine andere Veranlassung für die Beiordnung der Pflichtverteidiger als diejenige der Sicherstellung eines reibungslosen Verfahrensablaufs nicht erkennbar. Die Kosten der Pflichtverteidigung sind nicht durch von dem Beschwerdeführer zu vertretende Umstände verursacht worden. Auch der Umstand, dass nicht nur ein, sondern zwei Pflichtverteidiger bestellt worden sind, geht nicht auf ein wie auch immer geartetes Verhalten des Beschwerdeführers oder seines Wahlverteidigers zurück; letzterer hatte auch nicht ohne weiteres Anlaß, sein Mandat niederzulegen, um seine eigene Bestellung zum Pflichtverteidiger zu erreichen.

Nach allem hat der Beschwerdeführer einen Anspruch auf vollständige Erstattung von Wahlverteidigerkosten für Rechtsanwalt S. Der Senat hat die insoweit ablehnende Entscheidung der Rechtspflegerin aufgehoben und das Verfahren in diesem Umfang an das Landgericht zurückverwiesen, damit die Rechtspflegerin hierüber nunmehr entscheidet.

Zu b) - Parteikosten -

Die Erstattung weiterer Parteikosten hat die Rechtspflegerin hingegen zu Recht abgelehnt. Die - in diesem Punkt nicht näher begründete - Beschwerde kann insoweit keinen Erfolg haben.

Dadurch, dass an Verpflegungskosten (Aufwandsentschädigung nach § 10 ZSEG) statt der geltend gemachten 40 DM/Tag nur Beträge zwischen 6 DM und 14 DM pro Tag festgesetzt wurden, ist der Beschwerdeführer schon nicht beschwert. Denn insoweit hatte die Rechtspflegerin die durch § 10 Abs. 2 Satz 1 ZSEG in Verb. mit § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 5 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes vorgegebenen Sätze einzuhalten. Die Festsetzung entspricht der für S geltenden Reisekostenstufe B, worauf der Beschwerdeführer die geltend gemachten Verpflegungskosten mit Schriftsatz vom 13.05.2003 ausdrücklich betragsmäßig beschränkt hat.

Eine Beschwer liegt nur darin, dass das Landgericht den Beschwerdeführer für die als notwendig anerkannte Zeitversäumnis von 1731 Stunden statt mit dem geltend gemachten Höchstsatz von 25 DM/h nur mit dem Mindestsatz von 4 DM/h entschädigt hat (sog. Nachteilsentschädigung gem. § 2 Abs. 3 ZSEG).

Nach den durch § 464 a Abs. 2 Nr. 1 StPO in Bezug genommenen Vorschriften, die für die Entschädigung von Zeugen gelten (hier aufgrund der Übergangsvorschrift des § 18 ZSEG in der vor der Währungsumstellung auf den Euro geltenden Fassung), hat der Beschwerdeführer keine höheren Ansprüche.

Die Bestimmung des § 2 Abs. 3 Satz 1 ZSEG billigt dem Zeugen - respektive vorliegend dem Beschwerdeführer - als Entschädigung nur den geringsten Satz von 4 DM zu, sofern ein Verdienstausfall nicht eingetreten ist.

Grundsätzlich sieht das ZSEG zwar nicht vor, dass der Zeuge zur Geltendmachung seines Anspruchs nachweisen muß, dass und in welcher Höhe ein Verdienstausfall eingetreten ist. Allerdings kann im Einzelfall eine nähere Berechnung des Verdienstausfalls gefordert werden, etwa dann wenn die geltend gemachte Erwerbsversäumnis ungewöhnlich hoch ist und der Höchstsatz gem. § 2 Abs. 2 Satz 1 ZSEG gefordert wird (vgl. Meyer/Höver/Bach, ZSEG, 22. A., § 2 Rn 10).

Ein solcher Ausnahmefall ist hier anzunehmen. Wie die Wahrnehmung von 44 Verhandlungstagen vor dem LG Köln bzw. 43 Verhandlungstagen vor dem LG Bonn und die hohe Anzahl von 184 zusätzlichen Verteidigerbesuchen außerhalb der Hauptverhandlungen belegt, ist bzw. war der Beschwerdeführer als selbständiger Kaufmann grundsätzlich in der Lage, über seine Arbeitszeit frei zu verfügen, so dass seine prozeßbedingte Abwesenheit nicht ohne weiteres einen konkreten Verdienstausfall zur Folge gehabt haben muß.

Dementsprechend fordert der 17. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln in ständiger Rechtsprechung, der sich der Senat anschließt, dass ein Freiberufler einen bestimmten oder jedenfalls bestimmbaren Verdienstausfall darzulegen hat (vgl. 17. Zivilsenat 30.09.96 - 17 W 308/96 - ; 20.05.98 - 17 W 180/98 - je m.w.N.).

Daran fehlt es. Der Beschwerdeführer - der die Nachreichung von Unterlagen, die die Festsetzung der Nachteilsentschädigung mit Schriftsatz vom 13.05.2003 selbst ausdrücklich angekündigt hat - hat auch im Beschwerdeverfahren nichts dargelegt, was entgegen der angeführten Rechtsprechung die Annahme eines konkreten Verdienstausfalls nahe legt. Dessen ist der Beschwerdeführer auch nicht durch die sicherlich enorme zeitliche Beanspruchung durch die beiden Hauptverhandlungen und die Vielzahl der Verteidigerbesuche enthoben. Im Gegenteil hätte es sich angesichts der zeitlichen Belastung durch das Strafverfahren geradezu aufgedrängt, im einzelnen darzulegen, in welchem Umfang der Beschwerdeführer berufliche Aktivitäten noch entfalten konnte bzw. daran gehindert worden ist. Wenn der Beschwerdeführer zunächst selbst die Einreichung entsprechender Unterlagen angekündigt hat, darauf aber - trotz mehrfachen Hinweises hierauf - in der Folgezeit nicht mehr zurückgekommen ist, hat er damit selbst Zweifel am Entstehen irgendeines Erwerbsversäumnisses begründet, die nicht ausgeräumt sind.

Das führt in diesem Punkt zur Verwerfung seines Rechtsmittels.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 4 Satz 1 StPO.

Ende der Entscheidung

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