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Gericht: Oberlandesgericht Köln
Beschluss verkündet am 24.03.2009
Aktenzeichen: 2 Ws 23/09
Rechtsgebiete: StPO, StGB
Vorschriften:
StPO § 311 Abs. 2 | |
StPO § 454 Abs. 3 Satz 1 | |
StPO § 476 Abs. 1 Satz 1 | |
StGB § 56 b Abs. 2 Nr. 2 | |
StGB § 57 Abs. 2 Nr. 2 |
Tenor:
Der angefochtene Beschluss wird wie folgt abgeändert:
Die Vollstreckung des Restes der Freiheitsstrafe aus dem Urteil des Landgerichts Köln vom 15.12.2006 -109 -10/06- wird mit Wirkung zum 6. Februar 2009 zur Bewährung ausgesetzt.
Die Bewährungszeit beträgt drei Jahre.
Der Verurteilte hat sich während der Bewährungszeit straffrei zu führen.
Dem Verurteilten wird die Weisung erteilt, unter der Anschrift J. Wohnung zu nehmen und die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Bonn über jeden Wohnungswechsel während der Bewährungszeit unverzüglich zu unterrichten.
Dem Verurteilten wird die Auflage erteilt, monatlich einen Geldbetrag von 100,- € an das Finanzamt T. auf das Konto Nr. XXX bei der Bundesbank L., BLZ XXX zu zahlen, beginnend ab dem Monat März 2009.
I. Die Zahlungen sind der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Bonn zum Aktenzeichen 52 StVK 438/08 halbjährlich unaufgefordert nachzuweisen, erstmals zum 01.07.2009.
II. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der dem Beschwerdeführer hierin entstandenen notwendigen Auslagen trägt die Staatskasse.
III. Die Belehrung über die Bedeutung der Strafaussetzung ( § 268 a Abs. 3 StPO) wird dem Leiter der Justizvollzugsanstalt F. übertragen.
Gründe:
I.
Der Beschwerdeführer verbüßt derzeit im offenen Vollzug eine Gesamtfreiheitsstrafe von 3 Jahren, zu der ihn das Landgericht Köln am 15.12.2006 wegen Steuerhinterziehung in 71 Fällen und Anstiftung zur Steuerhinterziehung in 12 Fällen verurteilt hat. Nach den Urteilsfeststellungen war der Beschwerdeführer von 1996 bis 2001 über mehrere Jahre als Mitglied einer ganz überwiegend aus italienischen Staatsangehörigen bestehenden Personengruppe in Umsatzsteuerhinterziehungen großen Ausmaßes in der Bauwirtschaft verwickelt. Der von dem Verurteilten verursachte Umsatzsteuerschaden beläuft sich auf rd. 18 Mio DM.
Der Verurteilte hat die Hälfte der gegen ihn verhängten Strafe am 02.01.2009 verbüßt, zwei Drittel würden am 04.07.2009 verbüßt sein, das Strafende ist für den 05.07.2010 vermerkt. Der Verurteilte hat mit Verteidigerschriftsatz vom 14.10.2008 ein Halbstrafengesuch gestellt, das die Strafvollstreckungskammer mit dem angefochtenen Beschluss nach Anhörung des Verurteilten und Einholung einer Stellungnahme des Leiters der Justizvollzugsanstalt F. abgelehnt hat.
Gegen diese ihm am 05.01.2009 zugestellte Entscheidung richtet sich die am 06.01.2009 bei dem Landgericht eingegangene und mit Verteidigerschriftsatz vom 01.02.2009 begründete sofortige Beschwerde des Verurteilten.
II.
Die gem. § 454 Abs. 3 Satz 1 StPO statthafte, nach § 311 Abs. 2 StPO fristgerecht eingelegte sofortige Beschwerde ist begründet.
1. Die formellen Voraussetzungen für eine Halbstrafen-Aussetzung auf Grund besonderer Umstände gem. § 57 Abs. 2 Nr.2 StGB liegen vor.
2. Abweichend von der Auffassung der Strafvollstreckungskammer hält der Senat die Halbstrafen-Aussetzung auch in der Sache für gerechtfertigt.
a) Dem Verurteilten kann eine uneingeschränkt günstige Sozialprognose gestellt werden, die in jedem Falle Voraussetzung einer Reststrafenaussetzung ist.
Der im Strafverfahren von Anfang an geständige Verurteilte hat bis zur Begehung der abgeurteilten Taten ein straffreies Leben geführt. Er hat seit etwa 2003 gemeinsam mit seiner Ehefrau - mit der er 5 mit gutem Erfolg noch in Schulausbildung bzw. bereits im Studium befindliche Kinder hat - ein Messebau-Unternehmen aufgebaut, das die Existenzgrundlage der Familie darstellt. Seiner Beschäftigung in dem Unternehmen konnte der Verurteilte bald nach Haftantritt weiter nachgehen. Er hat sich nach Eintritt der Rechtskraft des Urteils am 09.05.2007 und Gewährung eines Strafaufschubs bis 13.01.2008 am 14.01.2008 zum Strafantritt gestellt. Nach dem Führungsbericht des Leiters der Justizvollzugsanstalt F. vom 10.11.2008 hat sich der Verurteilte den besonderen Anforderungen des Offenen Vollzugs in allen Belangen gewachsen gezeigt. Die Haft hat ihn beeindruckt, die Familie nimmt in seiner Lebensplanung die wichtigste Stelle ein. Der Verurteilte scheint unter den Lebensabschnitt, in dem er die abgeurteilten Straftaten begangen hat, einen glaubwürdigen Schlussstrich gezogen zu haben.
Zusammengefasst scheint der Verurteilte in allen wesentlichen Belangen gesellschaftlich so gut integriert, dass es seiner Resozialisierung im Wortsinne nicht bedarf und demgemäß das Risiko der Begehung weiterer Straftaten gering ist.
b) Darüber hinaus bejaht der Senat abweichend von der Auffassung der Strafvollstreckungskammer auch besondere Umstände im Sinne des § 57 Abs. 2 Nr. 2 StGB.
Es muss sich dabei um solche Umstände handeln, die über die schon gestellte günstige Sozialprognose hinaus eine Aussetzung der Hälfte der Strafe rechtfertigen können. Die von der Rechtsprechung hierzu entwickelten Grundsätze, die auch der Senat vertritt (vgl. u.a. SenE v. 01.08.2006 - 2 Ws 343/06 -), hat die Strafvollstreckungskammer in der angefochtenen Entscheidung umfassend dargelegt; darauf wird zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen.
c) Die Strafvollstreckungskammer hat bei der Abwägung der maßgeblichen Umstände u.a. die von dem Verurteilten nicht zu verantwortende lange Verfahrensdauer erwähnt, aber die Auffassung vertreten, diese sei bei der Urteilsfindung ausreichend berücksichtigt. Damit werden aus Sicht des Senats die mit den Grundsätzen eines fairen Verfahrens nicht in Einklang stehenden Besonderheiten des Verfahrensverlaufes jedoch nicht ausreichend gewürdigt. Der Verurteilte befand sich vom 14.11.2001 bis zum 24.05.2002 in Untersuchungshaft, von der er in der Folge unter Aufrechterhaltung des Haftbefehls lediglich verschont war. Nachdem immerhin am 19.02.2003 Anklage erhoben worden war, vergingen ohne nennenswerte Förderung des Verfahrens bis zur 1. Hauptverhandlung, die am 15.11.2005 mit der Verurteilung zu einer Bewährungsstrafe endete, annähernd 3 1/2 Jahre.
Die lange und außerordentlich belastende Ungewissheit über den Ausgang des Verfahrens bestand auch nach der Verurteilung aus vom Beschwerdeführer nicht zu vertretenden Gründen fort, nachdem der BGH auf die Revision der Staatsanwaltschaft das Urteil vom 15.11.2005 aufhob, weil er die Verhängung einer Bewährungsstrafe als nicht mehr schuldangemessen ansah. Wenngleich der Verurteilte sich hiernach nunmehr auf die Verurteilung zu einer zu vollstreckenden Freiheitsstrafe einzustellen hatte, stellte doch die von der Strafkammer im Urteil vom 15.12.2006 verhängte Freiheitsstrafe von 3 Jahren einen vom Verurteilten wiederum nicht zu vertretenden Rückschritt für den zwischenzeitlich erreichten Resozialisierungserfolg und zugleich eine Härte für die familiäre Situation dar. Darauf hat die Strafkammer in den Strafzumessungsgründen mit Recht hingewiesen, die in diesem Zusammenhang auch die besondere psychische Verletzbarkeit des damals 11-jährigen Sohnes des Verurteilten hervorhob, der sich über längere Zeit in psychiatrischer Behandlung befand.
Im Ergebnis sah sich der Verurteilte aufgrund des Urteils vom 15.12.2006 erstmals 7 Jahre nach der letzten Straftat und mehr als 4 1/2 Jahre nach der Entlassung aus der Untersuchungshaft mit seiner erneuten Inhaftierung konfrontiert.
Damit ist es zu einer nicht mehr hinnehmbaren rechtsstaatswidrigen Verzögerung des Verfahrens gekommen, die zusätzlich zur Berücksichtigung bei der Strafzumessung auch eine Kompensation im Rahmen der Vollstreckung geboten erscheinen lässt.
d) Ins Gewicht fällt im Rahmen der vorzunehmenden Gesamtschau daneben auch der angegriffene Gesundheitszustand des Verurteilten, der - freilich erst im Beschwerdeverfahren näher ausgeführt und durch Atteste belegt - seit längerem an Tinnitussymptomen leidet und im Vorjahr zum wiederholten Male einen Hörsturz erlitten hat, der ärztlich behandelt werden musste. Die gesundheitlichen Beschwerden stellen auch eine zusätzliche Belastung der beruflichen Tätigkeit des Verurteilten dar, von dessen persönlichem Einsatz der wirtschaftliche Erfolg des Unternehmens weitgehend abhängt, wie die Steuerberaterin in einer von der Verteidigung überreichten Stellungnahme nachvollziehbar ausgeführt hat.
e) Der Senat hat schließlich auch bedacht, dass der Halbstrafentermin zum Entlassungstermin bereits um 1 Monat überschritten und der 2/3-Termin bereits in 5 Monaten erreicht sein wird.
3. Der Senat hat die Bewährungszeit auf 3 Jahre festgesetzt, was er angesichts des in der Höhe der verhängten Strafe zum Ausdruck gekommenen Tatunrechts für angemessen hält.
Zur Sicherstellung der Bewährungsaufsicht durch die Strafvollstreckungskammer wird der Beschwerdeführer verpflichtet, jeden Wohnungswechsel anzuzeigen. Außerdem ist es aus Sicht des Senats angebracht, dass der Bestand der Bewährung für den ansonsten von einschränkenden Weisungen freien Beschwerdeführer fühlbar gemacht wird. Dem dient die nach § 56 b Abs. 2 Nr. 2 StGB erteilte Auflage zu monatlichen Zahlungen von 100 € an das Finanzamt, mit denen der Verurteilte einen angesichts der enormen Schadenshöhe ohnehin nur einen symbolischen Beitrag zur Schadenswiedergutmachung leisten kann und soll. Mit der monatlichen Zahlungsweise soll die Fühlbarkeit des Stehens unter Bewährung unterstrichen werden.
4. Die Kostenentscheidung beruht entsprechender Anwendung von § 476 Abs. 1 Satz 1 StPO.
Ende der Entscheidung
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