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Gericht: Oberlandesgericht Köln
Beschluss verkündet am 15.07.2005
Aktenzeichen: 2 Ws 239/05
Rechtsgebiete: StPO
Vorschriften:
StPO § 145 Abs. 4 |
Oberlandesgericht Köln Beschluss
2 Ws 237/05 2 Ws 238/05 2 Ws 239/05 2 Ws 240/05 2 Ws 243/05 2 Ws 244/05
Verkündet am: 15.07.2005
Tenor:
Die Beschwerden werden auf Kosten der Beschwerdeführer verworfen.
Gründe:
I.
Wegen des Sachverhalts wird auf den Senatsbeschluss vom heutigen Tag in dem Parallelverfahren 2 Ws 223-224/05 und 232/05 verwiesen.
Mit den vorliegenden Beschwerden wenden sich die Verteidiger im eigenen Namen gegen die Auferlegung der Kosten. Zur Rechtfertigung ihres Verhaltens berufen sich die Verteidiger auf eine Ausnahmesituation, in der sie zum Schutz ihrer Mandanten nicht anders handeln konnten, als während der Sitzung den Sitzungssaal zu verlassen - "prozessuales Notwehrrecht". Damit hätten sie ihren Protest gegen das Vorgehen der Kammer deutlich machen wollen, und zwar zum einen hinsichtlich des Umfangs der Vernehmung des Zeugen F., zum anderen bezüglich des für den 4. Mai 2005 geplanten und damit unmittelbar bevorstehenden Hauptverhandlungstermins. Schließlich wenden sie auch ein, dass die Strafkammer wegen zuvor gegen sie angebrachter Ablehnungsanträge nicht hätte entscheiden dürfen.
II.
Die Beschwerden sind als Rechtsmittel im eigenen Namen zulässig (Meyer-Goßner, StPO, 48. Aufl., § 145, Rdnr. 26).
In der Sache bleiben sie ohne Erfolg.
Die Voraussetzungen für eine Kostenentscheidung nach § 145 Abs. 4 StPO hat die Strafkammer zu Recht bejaht. Die Beschwerdeführer haben sich am 2. Mai 2005 unzeitig aus der Hauptverhandlung entfernt und dadurch schuldhaft die Aussetzung der Verhandlung verursacht.
Die Strafkammer durfte trotz der gegen sie erhobenen Ablehnungsanträge, über die zu diesem Zeitpunkt noch nicht entschieden war, gleichwohl nach § 29 Abs. 2 StPO die Anordnungen zur Abtrennung, Aussetzung und Kostentragung treffen. Die Frage der Verfahrensabtrennung und -aussetzung war in Anbetracht der Prozesssituation - als vierter Angeklagter war der inhaftierte Angeklagte U. ebenfalls von diesen Entscheidungen betroffen - unaufschiebbar im Sinne des § 29 Abs. 1 bzw. § 29 Abs. 2 S. 3 StPO, denn zur Förderung des "Restverfahrens" war die Vernehmung der weiteren Zeugen erforderlich. Diese konnte indes nur erfolgen, wenn zuvor das Verfahren gegen diejenigen Angeklagten abgetrennt worden war, gegen die eine Weiterverhandlung wegen Fehlens der Pflichtverteidiger nicht mehr zulässig war. Die Strafkammer konnte auch die Kostenanordnung nicht aufschieben, weil mit der Entscheidung über die Aussetzung zugleich die Kostenentscheidung nach § 145 Abs. 4 StPO zu treffen ist (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 48. Aufl., § 145, Rdnr. 22).
Die Verteidiger haben am 2. Mai 2005 nach Ablehnung ihrer Anträge auf Unterbrechung der Hauptverhandlung vorzeitig den Sitzungssaal verlassen. Damit haben sie sich in diesem Verfahren, in dem die Verteidigung für alle Angeklagten eine notwendige war, aus der Hauptverhandlung entfernt, obwohl wesentliche Prozesshandlungen, u. a. die Vernehmung zweier Zeugen bevorstanden (Meyer-Goßner, StPO, 48. Aufl., § 145, Rdnr. 6).
Das Entfernen aus der laufenden Hauptverhandlung erfolgte schuldhaft, § 145 Abs. 4 StPO. Die Beschwerdeführer haben sich prozessordnungswidrig und pflichtwidrig vorzeitig ohne Zustimmung des Gerichts aus der Hauptverhandlung entfernt. In Fällen der notwendigen Verteidigung gehört der Verteidiger zu den Personen, deren Anwesenheit das Gesetz vorschreibt, §§ 145 Abs. 1, 226 StPO. Der Verteidiger ist zur Teilnahme an der Verhandlung verpflichtet.
Das Entfernen aus der Hauptverhandlung erfolgte im vorliegenden Fall auch bewusst und gewollt als Handeln gegen die strafprozessualen Regeln. Mithin bedeutet es eine Pflichtwidrigkeit im Sinne des § 145 Abs. 4 StPO (vgl. OLG Koblenz, NStZ 1982, 43).
Für ein aus persönlichen Gründen entschuldbares Verhalten entsprechend der Regelung des § 51 Abs. 2 StPO fehlen hier jegliche Anhaltspunkte.
Ein "prozessuales Notwehrrecht", auf das sich die Verteidiger berufen, gibt es nicht. Weder sieht das Gesetz ein solches vor, noch hat sich ein entsprechendes Rechtsinstitut in der Rechtsprechung entwickelt. Vielmehr hat ein Verteidiger die Terminsbestimmung und die Verhandlungsleitung des Vorsitzenden zu beachten und darf sich im Falle der notwendigen Verteidigung nicht unentschuldigt aus der Sitzung entfernen, andernfalls muss er mit Sanktionen rechnen.
Die Berufung der Beschwerdeführer auf vermeintlich rechtswidriges Verhalten der Strafkammer, dem im Interesse der Mandanten mit offenem Protest hätte begegnet werden müssen, bleibt schon deshalb ohne Erfolg.
Die Einwände der Verteidiger sind auch in der Sache nicht stichhaltig, da ein prozessordnungswidriges Verhalten der Strafkammer nicht erkennbar ist. Soweit die Verteidigung auf den Streit um das Auskunftsrecht des Zeugen F. verweist, bei dem die Kammer eine rechtswidrige Position vertreten habe, geht diese Ansicht fehl. Die Frage, in welchem Umfang der Zeuge zu einer Aussage verpflichtet war, stellte sich in dem vorliegenden Fall als komplexe, nicht einfach zu beantwortende Rechtsfrage dar, zu der mit guten Argumenten verschiedene Rechtsansichten vertreten werden können. Die Verteidigung hatte deshalb - vor der Entscheidung der nächsten Instanz - die von der Kammer vertretene Rechtsansicht, die keineswegs willkürlich war, hinzunehmen. Schließlich könnte die Verteidigung selbst bei einer unvertretbaren Rechtsansicht des Gerichts hieraus keine Rechte für sich herleiten, da das Auskunftsverweigerungsrecht den Zeugen schützen soll, jedoch nicht den Rechtskreis der Angeklagten tangiert. Auch die Auseinandersetzung um den Fortsetzungstermin vom 04.05.2005 rechtfertigt keine wie auch immer geartete Protestaktion der Verteidiger. Denn es handelte sich um einen ursprünglich terminierten Hauptverhandlungstag, bei dem es letztlich auch geblieben ist. Eine Aufhebung dieses Termins ist ausdrücklich nie erfolgt, so dass die Prozessbeteiligten nicht sicher von dessen Wegfall ausgehen konnten. Allerdings ist der Verteidigung zuzugeben, dass die Strafkammer zunächst die Aufhebung des Fortsetzungstermins in Aussicht gestellt hatte und die Rechtsanwälte deshalb nicht ohne Grund darauf vertraut haben. Dass die Kammer wegen des weiteren Prozessverlaufs diesen Tag zur Fortsetzung der Verhandlung wieder benötigte, ist angesichts des hier entstandenen Eindrucks einer Konfliktverteidigung nachvollziehbar. Diese Änderung der Terminsplanung hätte die Kammer so früh als möglich allen Beteiligten mitteilen müssen. Als weiteres Problem in diesem Zusammenhang stellte sich für die Verteidiger die für den 04.05.2005 geplante Vernehmung des Zeugen F. dar. Nachdem dieser Tag als Verhandlungstag wegfallen sollte und die Rechtsanwälte über diesen Termin anderweitig disponiert hatten, sollte nunmehr nach der Planung der Kammer die umstrittene Vernehmung dieses Zeugen gerade an dem für sie ungünstigen Fortsetzungstag stattfinden. Selbst diese Terminsplanung der Kammer, die aus der Sicht der Verteidigung nunmehr überraschend war, gab den Verteidigern kein Recht zu pflichtwidrigem Verhalten, zumal durch eine Bitte um - nochmalige - ausdrückliche Klarstellung der bevorstehenden Termine, - nachdem entsprechende Zweifel aufgekommen waren -, diese Unklarheiten noch rechtzeitig hätten beseitigt werden können. Soweit die Verteidiger geltend machen, sie hätten eine Unterbrechung mit diesem Zeitrahmen unbedingt zur Formulierung der Beschwerdebegründung benötigt, kann dies ebenfalls nicht überzeugen. Während der Hauptverhandlung werden Anträge der Verteidiger zum laufenden Verfahren regelmäßig in den normalerweise eingeplanten Sitzungspausen über Mittag oder nach der Sitzung am Nachmittag/Abend formuliert. Dass zur Formulierung einer Beschwerde bzw. deren Begründung die Verteidiger neben den üblichen sitzungsfreien Zeiten vor und nach der Hauptverhandlung (die Kammer hat nur an zwei Sitzungstagen länger als bis 17.00 Uhr verhandelt) drei Stunden der für die Hauptverhandlung eingeplanten Zeit benötigt werden, erschließt sich dem Senat nach dem Vorbringen im Beschwerdeverfahren nicht.
Für den Senat besteht keine Veranlassung, der - aus seiner Sicht wenig überzeugenden - Ansicht nachzugehen, ob in ganz besonders gelagerten Einzelfällen das Verlassen der Sitzung als Protest gegen Maßnahmen des Gerichts als nicht schuldhaft anzusehen ist (so Lüderssen in LK, 25. Aufl., § 145 Rdnr. 36). Danach soll bei "prozessual in keiner Weise gedeckten Maßnahmen des Gerichts" das Verlassen der Sitzung entschuldigt sein. Ob dieser Ansicht zu folgen ist, kann unbeantwortet bleiben, weil ein prozessordnungswidriges Verhalten der Kammer - als Voraussetzung eines solchen Protestverhaltens - wie oben gezeigt unter keinem Gesichtspunkt erkennbar ist.
Soweit - teilweise - verlangt wird, dass vor Überbürdung der Kosten der Verteidiger anzuhören ist (Lüderssen in LR, 25. Aufl., § 145, Rdnr. 38), scheitert dies oftmals -wie auch hier - daran, dass die Aussetzung des Verfahrens und die Kostenüberbürdung gerade wegen der Entfernung des Verteidigers aus der Hauptverhandlung erfolgt, so dass eine Anhörung nicht möglich ist. Die Gewährung rechtlichen Gehörs wird dann im Beschwerdeverfahren nachgeholt und zwar bereits gegenüber der Strafkammer, die - wie auch hier - ihre Nichtabhilfentscheidung nach Kenntnis der Beschwerden getroffen hat (vgl. zum rechtlichen Gehör in der Beschwerdeinstanz: Meyer-Goßner, StPO, 48. Aufl., § 145, Rdnr. 23).
Gegenüber der Rechtsanwältin R. ist im Übrigen vor deren Verlassen des Sitzungssaales die Verfahrensaussetzung und Kostenauferlegung angedroht worden, wie der Angeklagte H. W. in seiner Beschwerdeschrift vom 25.05.2005 ausführt, wenn er schreibt, dass der Vorsitzende ihr die gleichen Konsequenzen wie bei den Verteidigern R., Dr. K., S. und H. angedroht habe.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 StPO.
Ende der Entscheidung
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