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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Köln
Beschluss verkündet am 14.06.2004
Aktenzeichen: 2 Ws 294/04
Rechtsgebiete: StPO


Vorschriften:

StPO § 124 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT KÖLN Beschluss

2 Ws 294/04

In der Strafsache

hat der 2. Strafsenat des Oberlandesgerichts Köln auf die sofortige Beschwerde der Beteiligten gegen den Beschluss des Landgerichts Aachen vom 01.04.2004 (91 Ns 803 Js 315//03 - 32/03 -) durch die Vorsitzende Richterin am Oberlandesgericht Doleisch von Dolsperg sowie die Richter am Oberlandesgericht Scheiter und Dr. Schmidt

am 14.06.2004

beschlossen:

Tenor:

Der Beschluss des Landgerichts Aachen vom 01.04.2004 (91 Ns 803 Js 315//03 - 32/03 -) wird wie folgt abgeändert: Der Antrag der Staatsanwaltschaft Aachen, den Verfall der von der Beteiligten am 25.07.2003 hinterlegten Kaution in Höhe von 7.500,00 € anzuordnen, wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens sowie die darin entstandenen notwendigen Auslagen der Beschwerdeführerin trägt die Staatskasse.

Gründe:

I.

Der frühere Angeklagte wurde am 07.04.2003 verhaftet und befand sich bis zum 27.07.2004 in Untersuchungshaft. An diesem Tag wurde er nach Zahlung einer Kaution in Höhe von 7.500,00 € vom weiteren Vollzug der Untersuchungshaft verschont. Inzwischen wurde er rechtskräftig zu einer Jugendstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Der Ladung zum Strafantritt, die dem früheren Angeklagten am 18.11.2004 zugestellt wurde, ist dieser bislang nicht nachgekommen.

Auf Antrag der Staatsanwaltschaft Aachen hat das Landgericht Aachen durch den angefochtenen Beschluss die Kaution für verfallen erklärt. Mit der fristgerecht eingelegten sofortigen Beschwerde erstrebt die Beteiligte die Auszahlung der Kaution an sich.

II.

Die zulässige sofortige Beschwerde ist begründet. Diese Entscheidung kann der Senat ohne die in § 124 Abs. 2 S. 3 StPO vorgesehene mündliche Anhörung des früheren Angeklagten und der Beteiligten treffen, da sie hierdurch nicht beschwert werden; die Generalstaatsanwaltschaft hat auf eine mündliche Anhörung verzichtet.

1. Die Voraussetzungen, unter denen eine Kaution gemäß § 124 Abs. 1 StPO für verfallen erklärt werden kann, liegen derzeit nicht vor. Die Generalstaatsanwaltschaft hat hierzu in ihrer Stellungnahme ausgeführt:

"Die Strafkammer, die als das mit der Sache befasste Tatgericht für die Entscheidung zuständig war (Meyer-Goßner, 46. Aufl., § 124 Rdnr. 6), hat mit dem angefochtenen Beschluss zu Unrecht den Verfall der von der Beschwerdeführerin hinterlegten Kaution in Höhe von 7500 € angeordnet.

Zwar ist mit dem Eintritt der Rechtskraft eines Urteils der ergangene Haftbefehl in der Regel prozessual und sachlich überholt; eine Einschränkung erfährt dieser Grundsatz aber nur dann, wenn der Haftbefehl gem. § 116 StPO außer Vollzug gesetzt worden ist. In diesem Fall dienen die Maßnahmen auch dazu, die Vollstreckung der - rechtskräftig - erkannten Freiheitsstrafe oder einer freiheitsentziehenden Maßregel zu sichern (zu vgl. SenE vom 03.04.1998 - 2 Ws 157/98 - m.w.N.). Gem. § 124 Abs. 1 StPO kommt der Verfall einer geleisteten Sicherheit nur dann in Betracht, wenn sich der Beschuldigte der Untersuchung oder dem Antritt der erkannten Freiheitsstrafe entzieht. Das Sich - Entziehen besteht in einem Verhalten, das, wenn auch nur vorübergehend, den Erfolg hat, dass möglicherweise notwendig werdende verfahrensrechtliche Maßnahmen gegen den Beschuldigten nicht mehr jederzeit ungehindert durchgeführt werden können (zu vgl. Meyer-Goßner, 46. Aufl., § 124 Rdnr. 4 m.w.N.). Ein Beschuldigter entzieht sich der Untersuchung oder der Vollstreckung nur dadurch, dass er sich von seiner Wohnung ohne Hinterlassung einer Anschrift entfernt (zu vgl. Oberlandesgericht Hamm, NJW 1996, 736.737) oder dass er, obwohl er ansich zur Verfügung steht, die Vollstreckungsbehörden durch Täuschung davon abhält, Vollstreckungsmaßnahmen einzuleiten oder durchzuführen.

In diesem Sinne läßt sich den Akten nichts entnehmen, was die Auffassung der Jugendkammer stützen könnte, der Verurteilte Q habe sich der Strafvollstreckung entzogen. Der Verurteilte ist zur Berufungshauptverhandlung am 23.10.2003 in Aachen erschienen. Unter der den Justizbehörden bekannten Anschrift ist ihm die Strafantrittsladung und auch der Beschluss über den angeordneten Verfall zugestellt worden. Es gibt keine Hinweise darauf, dass der Verurteilte sich nicht mehr unter seiner den Justizbehörden bekannten Anschrift in Klagenfurt aufhalten soll. Dass er der Strafantrittsladung bislang keine Folge geleistet hat, genügt für ein Sich -Entziehen nicht (zu vgl. Oberlandesgericht Düsseldorf NStZ 1996, 404, 405, OLG Celle GA 54, 280)."

Dem schließt sich der Senat an.

2. Entgegen der Stellungnahme der Generalstaatsanwaltschaft kann der Antrag der Beteiligten, die Kaution an sie auszuzahlen, noch keinen Erfolg haben. Der Haftbefehl des Amtsgerichts Aachen vom 07.04.2003 wurde bislang nicht aufgehoben. Zuletzt hat das Landgericht Aachen im Zusammenhang mit der Verwerfung der Berufung des Angeklagten, die Aufrechterhaltung des Haftbefehls sowie des Verschonungsbeschlusses angeordnet.

Der Haftbefehl ist auch nicht dadurch entfallen, dass das Urteil rechtskräftig geworden ist. Zwar ist mit dem Eintritt der Rechtskraft eines Urteils der ergangene Haftbefehl in der Regel prozessual und sachlich überholt (OLG Stuttgart, Die Justiz 1984, 213, 214; Boujong in Karlsruher Kommentar, StPO, 5. Aufl., 2003, § 123 Rdnr. 3). Eine Einschränkung erfährt dieser Grundsatz aber dann, wenn der Haftbefehl gem. § 116 StPO außer Vollzug gesetzt worden ist. In diesem Fall dienen die Maßnahmen noch dazu, die Vollstreckung der - rechtskräftig - erkannten Freiheitsstrafe oder einer freiheitsentziehenden Maßregel zu sichern (Boujong in KK a.a.0.; Meyer-Goßner, StPO, 47. Aufl., 2004,, § 123 Rdnr. 2; OLG Stuttgart a.a.0.), wie sich aus § 123 Abs. 1 Nr. 2 StPO ergibt. Danach ist nämlich eine nach § 116 StPO angeordnete Maßnahme erst aufzuheben, wenn die erkannte Freiheitsstrafe oder freiheitsentziehende Maßregel der Sicherung und Besserung vollzogen wird. Diese gesetzliche Regelung wäre überflüssig, wenn bereits mit der Rechtskraft des Urteils diese Maßnahme ebenso wie der Haftbefehl selbst als prozessual überholt entfiele (OLG Stuttgart a.a.0. m. w. Nachw. hins. der Rspr.). Das gilt erst recht für die Fälle der Sicherheitsleistung, die nach dem Willen des Gesetzes (§ 124 Abs. 1 StPO) nicht nur dem ungestörten Fortgang des Verfahrens, sondern ausdrücklich auch dem Antritt der rechtskräftig erkannten Strafe dienen soll (OLG Stuttgart a.a.0.).

Das weitere Schicksal der Kaution wird deshalb davon abhängen, ob festgestellt werden kann, dass sich der frühere Angeklagte der Vollstreckung entzieht. Ggf. kann das Gericht auch gemäß § 123 Abs. 3 StPO der Beteiligten aufgeben, binnen einer vom Gericht zu bestimmenden Frist die Gestellung des früheren Angeklagten zu bewirken.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 4 StPO.

Ende der Entscheidung

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