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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Köln
Beschluss verkündet am 28.01.2009
Aktenzeichen: 2 Ws 31/09
Rechtsgebiete: StPO


Vorschriften:

StPO § 118 Abs. 5
Die Überschreitung der Frist des § 118 Abs. 5 StPO zwingt nicht zu einer Haftentlassung des Beschuldigten. Sie kann ggfs mit der (Untätigkeits-)Beschwerde angefochten werden.
Tenor:

Die weitere Beschwerde wird mit der Maßgabe verworfen, dass dringender Tatverdacht hinsichtlich sechs Fällen des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge besteht.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

Gründe:

I.

Gegen den Beschuldigten besteht ein auf den Haftgrund der Wiederholungsgefahr gestützter Haftbefehl des Amtsgerichts B. vom 08.11.2008, mit welchen ihm sechs Fälle des unerlaubten Erwerbs und acht Fälle der unerlaubten Veräußerung von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zur Last gelegt werden. Im Zeitraum vom 15.09. bis 07.11.2008 habe er bei sechs Gelegenheiten jeweils 10 bis 15 Gramm Heroin zu einem Grammpreis von 22,-- € erworben, das teils zum Eigenkonsum, teils zum gewinnbringenden Weiterverkauf bestimmt gewesen sei. Bei acht Gelegenheiten zwischen dem 20.10. und dem 07.11.2008 habe er Teilmengen von zwei bis zehn Gramm an den gesondert Verfolgten P. veräußert.

Das Amtsgericht hat im Haftprüfungstermin vom 01.12.2008, der auf einen am 12.11.2008 eingegangenen Antrag des Verteidigers bestimmt worden ist, Haftfortdauer angeordnet. Die hiergegen gerichtete Beschwerde hat das Landgericht mit dem angefochtenen Beschluss verworfen.

II.

Die gem. § 310 Abs. 1 StPO an sich statthafte, hinsichtlich ihrer Zulässigkeit auch ansonsten keinen Bedenken unterliegende weitere Beschwerde gegen den Beschluss des Landgerichts vom 22.12.2008 bleibt in der Sache selbst ohne Erfolg. Der Senat hatte lediglich Veranlassung, die in der Haftfortdauerentscheidung vorgenommene rechtliche Bewertung des Tatgeschehens wie aus dem Tenor ersichtlich abzuändern.

1.

a) Bereits aufgrund seiner eigenen Angaben bei der Polizei am 07.11.2008 und ohne dass es insoweit auf weitere Beweismittel ankäme, ist der Beschuldigte dringend verdächtig, im Zeitraum zwischen dem 15.09. und 07.11.2008 bei sechs Gelegenheiten jeweils mindestens 10 Gramm Heroin bei einem unbekannt gebliebenen Dealer namens A. erworben zu haben. Hiervon war ein Teil zum gewinnbringenden Weiterverkauf an drei Kunden bestimmt, die in einem Zeitraum von drei Wochen je mindestens vier Gramm Heroin, gesamt mithin 12 Gramm Heroin erwarben. Hinsichtlich der zum gewinnbringenden Weiterverkauf bestimmten Teilmenge des Rauschgifts ist zwanglos der Tatbestand des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln (§ 29 Abs. 1 Nr. 1 BtMG) erfüllt, der alle im Rahmen des Güterumsatzes aufeinander folgenden Teilakte vom Erwerb bis zur Veräußerung zu einer Tat im Sinne einer Bewertungseinheit verbindet (BGH, NJW 2001, 1289, 1290).

Angesichts der jeweils zur Weiterveräußerung erworbenen Rauschgiftmengen (bei Annahme von 7 x 0,5 Gramm zum Eigenkonsum bzw. Abgabe an die Freundin = 6,5 Gramm pro Fahrt) und unter Zugrundelegung eines Grenzwerts von 1,5g Heroinhydrochlorid (vgl. Körner, BtMG, 6. Auflage 2007, § 29a Rz. 62 mwN) besteht auch der dringende Verdacht, dass der Beschuldigte mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge unerlaubt Handel getrieben hat (§ 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG). Das muss jedenfalls so lange Geltung beanspruchen, bis der Wirkstoffgehalt der Betäubungsmittel durch das veranlasste Wirkstoffgutachten geklärt ist.

b) Ob und inwieweit wegen des zum Eigenkonsum bzw. zur Weitergabe an seine Freundin bestimmten Rauschgifts eine Strafbarkeit des Beschuldigten wegen Erwerbs, Besitzes oder Abgabe von Betäubungsmitteln in Betracht zu ziehen ist, bleibt der Bewertung durch die Hauptverhandlung vorbehalten. Dies ist derzeit nicht Gegenstand des Haftbefehls.

2.

Mit den Vorinstanzen bejaht der Senat das Vorliegen des Haftgrundes der Wiederholungsgefahr (§ 112a Abs. 1 Nr. 2 StPO). Dem steht nicht entgegen, dass der Beschuldigte eine Substitution mit Methadon beabsichtigt. Es ist derzeit völlig offen, ob es nicht trotz der Substitution zu - kostenträchtigem - Beikonsum kommen würde. Der langjährig drogenabhängige Beschuldigte hat insoweit selbst angegeben, er komme mit den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln für seinen Konsum nicht aus. Dann liegt es aber nahe, dass er im Fall seiner Freilassung erneut mit Betäubungsmitteln Handel treiben würde. Die in § 112a Abs. 1 Ziff. 2 vorausgesetzte Straferwartung ist angesichts der Mindeststrafe des § 29 Abs. 1 BtMG (1 Jahr Freiheitsentzug) gegeben.

3.

Zutreffend hat das Landgericht schließlich dahin entschieden, dass die Überschreitung der Frist des § 118 Abs. 5 StPO nicht zu einer Haftentlassung des Beschuldigten zwingt. Der Senat teilt insoweit die Rechtsauffassung des Oberlandesgerichts Hamm im Beschluss vom 31.08.2006 (3 Ws 381/05 - NStZ-RR 2006, 17; so auch Meyer-Goßner, StPO, 51. Auflage 2008, § 118 Rz. 4; Graf in: Karlsruher Kommentar zur StPO, 6. Auflage 2008, § 118 Rz. 6; Hilger in: Löwe-Rosenberg, StPO, 26. Auflage 2q007, § 118 Rz. 20). Die gegenteilige Ansicht (Schlothauer/Weider, Untersuchungshaft, Rz. 307) kann sich nicht darauf berufen, dass bei dieser Auslegung die Einhaltung der 14-Tages-Frist in Gefahr geriete. Das vermag der Senat aufgrund seiner ständigen Befassung mit (weiteren) Haftbeschwerden festzustellen. Es würde umgekehrt zu untragbaren Folgen für das Funktionieren der Strafrechtspflege führen, müsste jede Überschreitung der Frist des § 118 Abs. 5 StPO zur Freilassung des Beschuldigten führen. Das bedeutet nicht, dass der Beschuldigte gegen die Überschreitung der Frist des § 118 Abs. 5 StPO rechtlos gestellt wäre. Sie kann mit der (Untätigkeits-)Beschwerde angefochten werden (OLG Braunschweig, StV 2005, 39 sowie Meyer-Goßner und Graf aaO) und die Besorgnis der Befangenheit begründen (OLG Hamm, aaO).

Ende der Entscheidung

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