Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Köln
Beschluss verkündet am 08.07.2008
Aktenzeichen: 2 Ws 326/08
Rechtsgebiete: StPO


Vorschriften:

StPO § 230
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die Beschwerde wird auf Kosten des Beschwerdeführers verworfen.

Gründe:

I.

Der Angeklagten ist durch Urteil der 3. großen Strafkammer als 3. großer Jugendkammer des Landgerichts Köln vom 8.12.2006 wegen besonders schwerer Brandstiftung, versuchter räuberischer Erpressung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung sowie wegen Diebstahls in 3 Fällen verwarnt worden. Die Entscheidung ist durch Urteil des Bundesgerichtshofs vom 21.12.2007 im Schuldspruch teilweise und im Rechtsfolgenausspruch insgesamt aufgehoben worden. Seit dem 27.6.2008 findet gegen den Angeklagten und weitere sechs Mitangeklagte die erneute Hauptverhandlung vor der 2. großen Strafkammer als 2. großer Jugendkammer des Landgerichts Köln statt. Am 3. Verhandlungstag, dem 2.7.2008, war der Angeklagte L bei Aufruf der Sache nicht erschienen. Die Verteidiger des Angeklagten teilten nach telefonischer Rücksprache mit diesem mit, er werde in etwa 45 Minuten erscheinen. Daraufhin trennte die Strafkammer das Verfahren gegen den Angeklagten L ab und erließ einen Haftbefehl gemäß § 230 StPO. Nachdem der Angeklagte um 10.03 Uhr im Gerichtssaal erschienen war, wurde das Verfahren gegen ihn wieder mit dem Hauptverfahren verbunden.

Mit der gegen den Haftbefehl am selben Tag eingelegten Beschwerde machen die Verteidiger des Angeklagten geltend, dieser habe verschlafen, weil er bereits seit zwei Tagen an postoperativen Schmerzen nach einer ca. einen Monat zuvor durchgeführten Leistenoperation gelitten habe. Er habe deshalb in den beiden Nächten zuvor kaum geschlafen. Medikamente habe er nicht kaufen können, da ihm am Ende des Monats die finanziellen Mittel für die erforderliche Zuzahlung gefehlt hätten. Der Erlass des Haftbefehls verstoße gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Die Anordnung der polizeilichen Vorführung sei als milderes Mittel zur Sicherung der Hauptverhandlung ausreichend.

Die Strafkammer hat durch Beschluss vom 3.7.2008 der Beschwerde nicht abgeholfen. Der Angeklagte sei derart unzuverlässig, dass eine Aufhebung des Haftbefehls nicht riskiert werden könne. Zudem habe er selbst eingeräumt, regelmäßig zu kiffen.

II.

Die Beschwerde ist 304 Abs. 1 StPO statthaft und auch im Übrigen zulässig, in der Sache aber unbegründet. Die Strafkammer hat zu Recht einen Haftbefehl nach § 230 StPO gegen den Angeklagten erlassen.

Der Angeklagte war bei Beginn der Hauptverhandlung ausgeblieben. Eine Verspätung um 55 Minuten ist erheblich. Das zieht auch die Beschwerde nicht in Zweifel.

Die Verspätung des Angeklagten ist auch nicht genügend entschuldigt. Entscheidend ist insoweit darauf abzustellen, ob es dem Angeklagten nicht zugemutet werden konnte, pünktlich vor Gericht zu erscheinen. Dass er infolge von Schmerzen daran gehindert war, macht er selbst nicht geltend. Er beruft sich nur darauf, verschlafen zu haben, weil er in der Nacht wegen Schmerzen keine Nachtruhe gefunden habe. Gerade dann war aber von ihm zu erwarten, dass er sich einen Wecker stellte oder auf sonstige Weise sein rechtzeitiges Aufwachen sicherstellte. Im Übrigen fehlt jede Konkretisierung, die eine Überprüfung seines Vorbringens ermöglichen würde. Es ist völlig offen, wann genau und wo eine entsprechende Operation durchgeführt worden ist. Auch ist nicht dargetan, dass er einen Arzt aufgesucht hat, wozu bei akuten postoperativen Schmerzen hinreichender Anlass bestanden hätte. Schließlich hat der Angeklagte auch in der zuvor stattgefundenen Hauptverhandlung gegenüber dem Gericht in keiner Weise auf bestehende Beschwerden hingewiesen. Der Angeklagte ist zwar nicht verpflichtet, seine Entschuldigung glaubhaft zu machen oder nachzuweisen. Er muss aber zumindest konkrete Tatsachen vortragen, die eine weitere Überprüfung erlauben. Das ist auch innerhalb der vom Senat eingeräumten Möglichkeit zur ergänzenden Stellungnahme nicht geschehen.

Die Anordnung von Zwangsmitteln war auch erforderlich, um die Durchführung der Hauptverhandlung sicherzustellen, da bei verständiger Würdigung der Umstände nicht erwartet werden konnte, dass der Angeklagte pünktlich zu den Fortsetzungsterminen erscheinen würde. Wie er selbst eingeräumt hat, hat er noch in der Woche vor Beginn der Hauptverhandlung regelmäßig gekifft. Nach dem insoweit maßgeblichen Eindruck des Vorsitzenden der 2. großen Strafkammer war der Angeklagte bereits an den vorangegangenen Tagen der Hauptverhandlung müde und antriebsarm, was sich bekanntlich mit einem vorangegangenen Konsum von Rauschmitteln durchaus vereinbaren lässt.

Der Erlass des Haftbefehls war auch verhältnismäßig, um die Durchführung der Hauptverhandlung sicherzustellen. Zwar scheidet die Anordnung der Haft aus, wenn die weniger einschneidende Maßnahme einer Vorführung ausreicht. Vorliegend ist aber zu berücksichtigen, dass sich die Hauptverhandlung über mehrere Tage erstreckt. Es ist aus organisatorischen Gründen unzumutbar, einen Angeklagten, der nicht in der Lage ist, rechtzeitig aufzustehen, regelmäßig vorführen zu lassen. Zudem ist im Hinblick auf den Drogenkonsum des Angeklagten nicht einmal gewährleistet, dass er am Morgen vor dem Termin zu Hause angetroffen werden kann. Hinzukommt, dass sich die Haft nur auf wenige Tage erstrecken wird, da das Ende der Hauptverhandlung alsbald zu erwarten ist. Nach Mitteilung des Vorsitzenden der zuständigen Strafkammer vom 7.7.2008 ist die Urteilsverkündung planmäßig für den 10.7.2008 vorgesehen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 473 Abs. 1 StPO.

Ende der Entscheidung

Zurück