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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Köln
Beschluss verkündet am 21.01.2008
Aktenzeichen: 2 Ws 33/08
Rechtsgebiete: StPO


Vorschriften:

StPO § 116 Abs. 4
StPO § 116 Abs. 4 Nr. 3
StPO § 230 Abs. 2
StPO § 304 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Der Haftbefehl des Landgerichts Köln vom 18.12.2007 -102-44/07 - wird aufgehoben.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens und die dem Angeklagten darin entstandenen notwendigen Auslagen trägt die Staatskasse.

Gründe:

I.

Das Landgericht Köln hat gegen den Angeklagten mit - nicht rechtskräftigem - Urteil vom 20.12.2007 wegen Vergewaltigung in Tateinheit mit sexuellem Mißbrauch einer Schutzbefohlenen eine Freiheitsstrafe von 3 Jahren 6 Monaten verhängt. Gegen den auf freiem Fuß befindlichen Angeklagten hat die Strafkammer am 18.12.2007 - dem ersten Hauptverhandlungtag, zu dem der Angeklagte verspätet erschienen war - Haftbefehl erlassen, aufgrunddessen er sich seither in Untersuchungshaft befindet.

Wegen der Tat, die Gegenstand der Verurteilung wie auch des Haftbefehls ist (Vergewaltigung der eigenen zur Tatzeit am 27.03.2004 16-jährigen Tochter), war bereits am 29.03.2004 durch das Amtsgericht Köln Haftbefehl ergangen, aufgrunddessen der Angeklagte am selben Tage in Untersuchungshaft genommen wurde. Am 20.04.2004 wurde der Angeklagte unter einer Meldeauflage und Anordnung eines Kontaktverbotes von der Untersuchungshaft verschont, nachdem zuvor die Staatsanwaltschaft eine am 30.03.2004 zum Landgericht erhobene Anklage zurückgenommen hatte. Nachdem die Meldauflage mit Beschluss des Ermittlungsrichters vom 17.11.2004 abgemildert worden war, hob das Schöffengericht Köln, bei dem am 20.01.2006 erneut Anklage erhoben worden war, den Haftbefehl mit Beschluss vom 07.05.2007 "im Hinblick auf die lange Verfahrensdauer" auf. In der Hauptverhandlung vom 20.08.2007 beschloß das Schöffengericht wegen nicht ausreichender Strafgewalt die Verweisung der Sache an das Landgericht, das - wie eingangs dargestellt - am 18.12.2007 (erneut) Haftbefehl erließ, gegen den der Angeklagte mit Verteidigerschriftsatz vom 08.01.2008 Beschwerde eingelegt hat, der die Strafkammer mit Beschluss vom 09.01.2008 nicht abgeholfen hat.

II.

Die gem. § 304 Abs. 1 StPO zulässige Beschwerde ist begründet. Der Haftbefehl vom 18.12.2007 kann keinen Bestand haben. Das Landgericht hat nicht bedacht, dass ein neuer Haftbefehl mit Rücksicht auf den aufgehobenen früheren Haftbefehl nur unter den Voraussetzungen des § 116 Abs. 4 StPO hätte ergehen dürfen. Es entspricht ganz allgemeiner Auffassung, der auch der Senat folgt, dass bei Aufhebung eines außer Vollzug gesetzten Haftbefehls im Erlaß eines neuen Haftbefehls sachlich eine Anordnung nach § 116 Abs. 4 StPO liegt, die nur unter den dort bezeichneten Voraussetzungen zulässig ist (vgl Senat 03.01.97, StV 97,139; 09.10.07 - 2 Ws 535/07; Meyer-Goßner, StPO, 50. Aufl., § 116 Rndnr. 22 m.w.N.)

Daran fehlt es hier. Ein Widerrufsgrund iSd § 116 Abs. 4 StPO ist in dem Haftbefehl nicht angegeben und ergibt sich auch sonst nicht aus den Akten. Die Verspätung des Angeklagten am 1. Hauptverhandlungstag gibt in dieser Beziehung nichts her und hätte allenfalls Anlaß für einen Haftbefehl nach § 230 Abs. 2 StPO gegeben.

Sämtliche anderen vom Landgericht für die Annahme der Fluchtgefahr angeführten Gesichtspunkte waren seit langem bekannt. Auch die Verurteilung kann die erneute Inhaftierung des Angeklagten nicht rechtfertigen. Ein neu hervorgetretener Umstand iSv § 116 Abs. 4 Nr. 3 StPO kann darin schon deswegen nicht gesehen werden, weil die Strafkammer den Haftbefehl bereits vorher erlassen hat. Davon abgesehen trägt auch die Begründung des Landgerichts nicht, der Angeklagte habe lediglich mit einer Bewährungsstrafe gerechnet. Mit einer Verurteilung entfällt die durch die Haftverschonung (bzw. hier durch die Aufhebung des Haftbefehls) begründete Vertrauensgrundlage nur, wenn es zu einer weit höheren Strafe kommt als bei der Verschonung erwartet. Davon kann hier nicht die Rede sein. Keine der früheren Haftentscheidungen enthält zur Straferwartung irgendwelche Ausführungen. Davon abgesehen mußte sich der Angeklagte nach Aufhebung des früheren Haftbefehls eher auf eine höhere Strafe einrichten, nachdem das Schöffengericht das Verfahren wegen nicht ausreichender Strafgewalt an das Landgericht verwiesen hatte. Gleichwohl hat er sich dem Verfahren gestellt, wobei anzumerken bleibt, dass die ausgeurteilte Strafe noch in die Strafgewalt des Schöffengerichts gefallen wäre.

Hiernach war der Haftbefehl mit der sich aus entsprechender Anwendung des § 467 StPO ergebenden Kostenfolge aufzuheben.

Ende der Entscheidung

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