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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Köln
Beschluss verkündet am 16.08.2005
Aktenzeichen: 2 Ws 345/05
Rechtsgebiete: StPO, StGB


Vorschriften:

StPO § 81g
StGB § 263
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT KÖLN BESCHLUSS

2 Ws 345/05

In der Strafsache

hat der 2. Strafsenat des Oberlandesgerichts Köln auf die Beschwerde des Verurteilten gegen den Beschluss der 2. großen Strafkammer des Landgerichts Bonn vom 01.06.2005 - 22 B 14/04- durch die Vorsitzende Richterin am Oberlandesgericht Doleisch von Dolsperg, den Richter am Oberlandesgericht Scheiter und den Richter am Oberlandesgericht Dr. Schmidt

am 16. August 2005

beschlossen:

Tenor:

Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben.

Der Antrag der Staatsanwaltschaft Bonn auf Entnahme von Körper-zellen, deren molekulargenetische Untersuchung zur Feststellung des DNA-Identifizierungsmusters sowie dessen Speicherung in der Datei des Bundeskriminalamtes wird abgelehnt.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens sowie die hierin entstandenen notwendigen Auslagen des Verurteilten fallen der Staatskasse zur Last.

Gründe: I.

Der Beschwerdeführer wurde am 27.04.2005 durch das Landgericht Bonn - 22 B 14/04 - wegen Betruges unter Einbeziehung früherer Verurteilungen rechtskräftig zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und zehn Monaten verurteilt, wobei als Einzelstrafe für den Betrug ein Jahr und 6 Monate verhängt wurden.

Nach den Feststellungen des Landgerichts vereinbarten der Beschwerdeführer und der Zeuge L. mit dem Geschädigten, diesem 20 neue Laptop-Computer zu einem Gesamtpreis von 8.400 € zu verkaufen, wobei dem Geschädigten angesichts des niedrigen Kaufpreises bewusst war, dass es sich um Hehlerware handelte. Nachdem der Beschwerdeführer den vereinbarten Geldbetrag erhalten hatte, gab er vor, die Übergabe der Laptops zu veranlassen, entfernte sich jedoch in ein Parkhaus, wo bereits der Zeuge L. in einem PKW wartete, mit dem beide gemeinsam davonfuhren. Der Geldbetrag wurde vereinbarungsgemäß zwischen ihnen geteilt.

Auf Antrag der Staatsanwaltschaft hat die 2. große Strafkammer des Landgerichts Bonn mit Beschluss vom 01.06.2005 - 22 B 14/04 - angeordnet, dass dem Beschwerdeführer Körperzellen entnommen, diese zur Feststellung des DNA-Identifizierungsmusters molekulargenetisch untersucht und anschließend gespeichert werden.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Beschwerde des Verurteilten. Die Strafkammer hat dem Rechtsmittel durch Beschluss vom 04.07.2005 nicht abgeholfen.

II.

Die gemäß § 304 Abs. 1 StPO statthafte und auch im übrigen zulässige Beschwerde ist begründet. Die in § 81 g StPO normierten Voraussetzungen für eine DNA-Identitätsfeststellung sind nicht erfüllt.

Gemäß § 81 g Abs. 1 StPO dürfen zum Zwecke der Identitätsfeststellung in künftigen Strafverfahren dem Beschuldigten, der einer Straftat von erheblicher Bedeutung, insbesondere eines Verbrechens, einer gefährlichen Körperverletzung, eines Diebstahls in besonders schwerem Fall oder einer Erpressung oder einer Straftat gegen die sexuelle Selbstbestimmung verdächtig ist, Körperzellen entnommen werden, wenn wegen der Art oder Ausführung der Tat, der Persönlichkeit des Beschuldigten oder sonstiger Erkenntnisse Grund zu der Annahme besteht, dass gegen ihn künftig Strafverfahren wegen einer vorgenannten Straftat zu führen sind.

Im Falle des Beschuldigten gilt § 2 Abs. 1 DNA-IFG, wonach gegen einen bereits rechtskräftig Verurteilten unter denselben Voraussetzungen Maßnahmen nach § 81 g StPO durchgeführt werden können wie gegen einen Beschuldigten.

Nach dem Gesetzeswortlaut berechtigt bereits der einmalige Tatverdacht einer Katalogtat im Sinne der Vorschrift zur Feststellung des genetischen Musters des Betroffenen. Vorliegend ist jedoch die Voraussetzung einer Straftat von erheblicher Bedeutung nicht erfüllt.

Das von dem Beschwerdeführer begangene Betrugsdelikt ist nicht im Wortlaut des § 81 g StPO und auch nicht in den in der Anlage zu § 2 c DNA-IFG aufgeführten Straftatbeständen enthalten. Dieser Katalog stellt allerdings keine abschließende Regelung dar (BVerfG NJW 01,2320,2321; Löwe-Rosenberg, StPO, 25. Aufl., § 81 g Rn 22; Meyer-Goßner, StPO, 48.A., § 81 g Rn 7a;). Jedoch sind bei den in § 81 g StPO bzw. in der Anlage zu § 2 c DNA-IFG nicht aufgeführten Straftatbeständen an die Annahme einer Straftat von erheblicher Bedeutung hohe Anforderungen zu stellen (Löwe-Rosenberg a.a.O.). Bei Maßnahmen nach § 81 g StPO ist das Interesse des Staates an der Aufklärung von Straftaten gegen das verfassungs-rechtlich geschützte Recht des Betroffenen auf informationelle Selbstbestimmung aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art 1 Abs. 1 GG abzuwägen. Das schließt aus, eine Entnahme von Körperzelle als rein präventive Routinemaßnahme durchzuführen.

Erforderlich für die Annahme einer Straftat von erheblicher Bedeutung ist, dass die Anlasstat mindestens dem Bereich der mittleren Kriminalität zuzurechnen ist, den Rechtsfrieden empfindlich stört und dazu geeignet sein muß, das Gefühl der Rechtssicherheit der Bevölkerung erheblich zu beeinträchtigen (vgl. BVerfG NJW 01,879,880).

Diese Voraussetzungen sind hier im Hinblick auf die Anlasstat nicht gegeben. Der von dem Beschwerdeführer begangene Betrug ist nicht geeignet, das Gefühl der Rechtssicherheit der Bevölkerung erheblich zu beeinträchtigen. Denn dem Geschädigten war aufgrund der Umstände bewusst, dass es sich bei den angekauften Laptops um Hehlgut handelte. In einem solchen Fall wird das Gefühl der Rechtssicherheit der Bevölkerung nicht in gleicher Weise tangiert wie es der Fall wäre, wenn ein rechtstreuer Käufer geschädigt würde.

Darüber hinaus spricht auch das Verständnis von dem in § 112 a Abs. 1 Nr. 2 StPO verwendeten vergleichbaren Begriff einer "die Rechtsordnung schwer beeinträchtigenden Straftat" gegen die Annahme, dass es sich bei der Anlasstat um eine Straftat von erheblicher Bedeutung handelt. Eine "die Rechtsordnung schwer beeinträchtigenden Straftat" im Sinne des § 112 a Abs. 1 Nr. 2 StPO wird nur angenommen, wenn die Tat in ihrem Unrechtsgehalt etwa dem besonders schweren Fall des Diebstahls nach § 243 StGB entspricht (Meyer-Goßner, a.a.O., § 112 a Rn 7; Pfeiffer, StPO, 5. Aufl., § 112 a Rn 3).

Der Senat hat für den Anwendungsbereich des § 112 a StPO bereits entschieden, dass nur Betrugstaten, die einen besonders schweren Fall im Sinne des § 263 Abs. 3 StGB darstellen, als die Rechtsordnung schwer beeinträchtigende Straftat angesehen werden können (vgl. Senat 28.01.2000 - 2 Ws 26/00-).

Die hier allein in Betracht kommende Variante der Herbeiführung eines Vermögensverlustes großen Ausmaßes im Sinne des § 263 Abs. 3 S.2 Nr. 2 StGB ist jedoch nicht verwirklicht. Sie setzt voraus, dass die Schadenshöhe außergewöhnlich hoch ist (Tröndle/Fischer, StGB, 52.A., § 263 Rn 122). Der BGH hat die Grenze erst bei einem Betrag von 50.000 € als erreicht angesehen (BGH NJW 04,169). Im vorliegenden Fall ist der von dem Geschädigten erlittene Vermögenslust von 8.400 € jedenfalls nicht als außergewöhnlich hoch anzusehen.

Ob nach dem Gesetz zur Novellierung der forensischen DNA-Analyse vom 12.08.2005 - BGBl I 2360 -, das die Voraussetzungen für die Entnahme von Körperzellen neu gefasst hat, von einer Straftat von erheblicher Bedeutung auszugehen wäre, kann offen bleiben. Das Gesetz tritt erst zum 01.11.2005 in Kraft.

Ebenso bedarf keiner Entscheidung, ob mit einer Anordnung nach § 81 g StPO hier nicht auch der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz verletzt würde, weil deliktstypisch am Tatort keine Körperspuren zu erwarten sind, die in künftigen Strafverfahren zum Zwecke der Identitätsfeststellung verwendet werden können (vgl. dazu die Anforderungen in der Gesetzesbegründung zu § 81 g StPO, BT-Drucksache 13/10971, S.5; BVerfG vom 16.03.2001 - BvR 138/01). Bei Betrugsdelikten drängt sich derartiges jedenfalls nicht auf ( so auch KK-Senge, StPO, 5.Aufl., § 81 g Rn 4; Meyer-Goßner, a.a.O., § 81 g Rn 7a; aA LG Freiburg NJW 01,3720,3721 ).

Der angefochtene Beschluss war somit aufzuheben und der Antrag der Staatsanwaltschaft auf Entnahme von Körperzellen, deren Analyse und Speicherung abzulehnen.

Die Kostenentscheidung beruht auf entsprechender Anwendung der §§ 465, 467 StPO.

Ende der Entscheidung

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