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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Köln
Beschluss verkündet am 27.01.2006
Aktenzeichen: 2 Ws 37/06
Rechtsgebiete: StGB


Vorschriften:

StGB § 56 f
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT KÖLN Beschluss

2 Ws 37/06

In der Strafsache

hat der 2. Strafsenat des Oberlandesgerichts Köln auf die am 10.01.2006 bei dem Landgericht Bonn eingegangene sofortige Beschwerde des Verurteilten gegen den Beschluss der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Bonn vom 23.12.2005 - 54 StVK 674/05 - durch den die Strafaussetzung zur Bewährung aus dem Strafbefehl des Amtsgerichts Bonn vom 20.08.1998 - 71 Ds 368/98 - widerrufen worden ist, durch die Vorsitzende Richterin am Oberlandesgericht Doleisch von Dolsperg sowie die Richter am Oberlandesgericht Scheiter und Dr. Schmidt

am 27. Januar 2006

beschlossen:

Tenor:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Die Strafe aus dem Strafbefehl des Amtsgerichts Bonn vom 20.08.1998 - 71 Ds 368/98 - wird erlassen.

3. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der hierin dem Verurteilten entstandenen notwendigen Auslagen trägt die Staatskasse.

Gründe:

I.

Gegen den Verurteilten verhängte das Amtsgericht Bonn mit Strafbefehl vom 20.08.1998 eine Freiheitsstrafe von 4 Monaten wegen eines im Jahre 1996 begangenen gemeinschaftlichen Betrugs, die auf drei Jahre zur Bewährung ausgesetzt wurde. Aufgrund neuerlicher Straftaten (Diebstahlsdelikte, Fahren ohne Fahrerlaubnis) wurde die Bewährungszeit durch Beschlüsse des Amtsgerichts Bonn vom 07.03.2000. 05.04.2002 und 17.11.2004 um jeweils ein Jahr bis - zuletzt - zum 23.11.2004 verlängert. Am 30.05.2005 - rechtskräftig seit 07.06.2005 - verurteilte das Amtsgericht Bonn den Beschwerdeführer wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis in zwei Fällen (Tatzeiten : 13. bis 17.09.2004 und 19.12.2004) zu einer nicht zur Bewährung ausgesetzten Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Monaten, die der Beschwerdeführer derzeit verbüßt. Diese Verurteilung hat das Amtsgericht Bonn in dem angefochtenen Beschluss zum Anlass für den Widerruf der Strafaussetzung zur Bewährung im Strafbefehl aus dem Jahre 1998 genommen. Der Verurteilte hat gegen die Entscheidung des Amtsgerichts sofortige Beschwerde eingelegt.

II.

Die gem. § 453 Abs. 2 Satz 3 StPO zulässige sofortige Beschwerde ist begründet. Der Bewährungswiderruf ist zu Unrecht erfolgt. Der Widerruf einer Strafaussetzung nach § 56 f Abs. 1 Nr. 1 StGB setzt voraus, dass der Verurteilte "in der Bewährungszeit eine Straftat begeht". Diese Voraussetzung ist hier nicht erfüllt. Von den zum Anlass für den Widerruf nach § 56 f Abs. 1 Nr. 1 StGB genommenen Straftaten ist zwar diejenige vom September 2004 formal in der durch Beschluss vom 17.11.2004 bis zum 23.11.2004 verlängerten Bewährungszeit begangen worden. Der Verlängerungsbeschluss ist aber nach Ablauf der vorangegangen Verlängerung, die am 23.11.2003 geendet hatte, ergangen. Eine solche an die zuvor festgesetzte Bewährungszeit anschließende Verlängerung ist zwar nach allgemeiner Auffassung auch nach Ablauf der "regulären" Bewährungszeit noch rückwirkend zulässig (vgl BVerfG StV 96,160; KG JR 93, 75; OLGe Düsseldorf StV 94,382; Hamm, StV 98,215; Tröndle/Fischer, StGB, 53.Aufl., § 56 f Rn 16). Straftaten, die in die - jedenfalls zunächst - "bewährungsfreie Zeit" fallen, können jedoch nicht als Anlasstaten im Sinne des § 56 f Abs. 1 Nr. 1 StGB gewertet werden. Denn die Rückwirkung der Verlängerung macht nicht ungeschehen, dass der Verurteilte in der Zwischenzeit tatsächlich nicht unter Bewährung steht. Im Interesse rechtsstaatlicher Klarheit und aus Gründen des Vertrauensschutzes für den Verurteilten kann die Zeitspanne zwischen dem ursprünglichen Ende der Bewährungszeit und dem Erlass eines Verlängerungsbeschlusses nicht als Bewährungszeit im Sinne des § 56 f Abs. 1 Nr. 1 StGB angesehen werden. Der Senat folgt der insoweit in der Rechtsprechung und Kommentierung herrschenden Meinung (vgl OLGe Düsseldorf , Hamm, a.a.O., Stuttgart, StV 98,666; Zweibrücken, NStZ 93,510; KG StV 86,165; Tröndle/Fischer a.aO., Rn 3; Schönke/Schröder-Stree, StGB, 26.Aufl., § 56 f Rn 10; MK-Groß, StGB, § 56 f Rn 19; SK-Horn, § 56 f Rn 9; LK-Gribbohm, StGB, § 56 f Rn 43).

Soweit das BVerfG (a.a.O., ihm folgend OLG München NStZ 99, 638) die Heranziehung einer in "bewährungsfreier Zeit" begangenen Straftat als Widerrufsgrund nicht beanstandet hat, lag dem eine Fallgestaltung zugrunde, in der ein schutzwürdiges Vertrauen des Verurteilten von vorneherein nicht entstehen konnte, weil er noch vor Begehung der neuen Straftat auf eine noch offene Bewährung in anderer Sache hingewiesen worden war. So liegt der Fall hier aber nicht. Zu dem von der Staatsanwaltschaft bereits am 22.01.2004 gestellten Verlängerungsantrag ist der Verurteilte - soweit ersichtlich - erst mit Schreiben vom 24.09.2004 angehört worden. Er hatte die "Anlasstat" jedoch - wenn auch nur wenige Tage zuvor - bereits in der Zeit vom 13. bis 17.09.2004 begangen. Die Tat vom 09.12.2004 lag ohnehin außerhalb der verlängerten Bewährungsfrist.

Bei dieser Sach- und Rechtslage können aus Gründen mangelnder Entsprechung der Straftaten bestehende Zweifel, ob die Verurteilung wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis geeignet ist, zur Korrektur der bei der Strafaussetzung wegen eines Betrugsdelikts ursprünglich gestellten günstigen Prognose zu kommen, offen bleiben.

Da keine Anhaltspunkte bestehen, dass weitere Strafverfahren anhängig sind, die als Anlasstat für einen Widerruf in Betracht kommen könnten, hat der Senat den Straferlass gemäß § 56 g Abs. 1 S.1 StGB selbst ausgesprochen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 467 Abs. 1 StPO.

Ende der Entscheidung

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