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Gericht: Oberlandesgericht Köln
Beschluss verkündet am 10.09.2004
Aktenzeichen: 2 Ws 370/04
Rechtsgebiete: StPO, BRAGO, ZPO, RPflG, StGB


Vorschriften:

StPO § 464 b S. 3
StPO § 464 d
StPO § 465
StPO § 467
BRAGO § 7
BRAGO § 11
BRAGO § 12 Abs. 1
BRAGO § 83
BRAGO § 84
BRAGO § 88
ZPO § 104 Abs. 3 S. 1
ZPO § 567
ZPO §§ 916 ff
RPflG § 11 Abs. 1
RPflG § 21 Nr. 1
StGB § 73
StGB § 73 a
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

1.

Dem Beschwerdeführer werden - unter Verwerfung der sofortigen Beschwerde im übrigen - über die in dem angefochtenen Beschluß festgesetzten Beträge hinaus notwendige Auslagen iHv weiteren 555,50 EUR aus der Staatskasse erstattet.

2.

Die Gebühr für das Beschwerdeverfahren wird auf 4/5 ermäßigt.

Die dem Beschwerdeführer im Beschwerdeverfahren entstandenen notwendigen Auslagen werden zu 1/5 der Staatskasse auferlegt, während sie im übrigen von ihm selbst zu tragen sind.

3.

Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 2.957,01 EUR festgesetzt.

Gründe: I. Der Beschwerdeführer war wegen unerlaubten Handels mit Betäubungsmitteln in 2 Fällen angeklagt. Er wurde durch rechtskräftiges Urteil des Landgerichts Aachen vom 09.01.2003 wegen des Besitzes von rd. 256 g Haschisch und 6,758 g Marihuana zu einer Bewährungsstrafe von 6 Monaten verurteilt. Vom Vorwurf der Beteiligung an einem weiteren Drogengeschäft, das eine Menge von rd. 70 kg Haschisch und Marihuana zum Gegenstand hatte, wurde der Beschwerdeführer hingegen freigesprochen. Nach dem Tenor der Auslagenentscheidung in dem vorbezeichneten Urteil kann der Beschwerdeführer die Erstattung seiner notwendigen Auslagen verlangen, soweit er freigesprochen wurde. In den Urteilsgründen werden unter Ziff. VI. die §§ 465, 467 StPO als Grundlage der Kostenentscheidung genannt und wird des weiteren folgendes ausgeführt : " Die Kammer geht dabei davon aus, dass das Verhältnis zwischen Freispruch und Verurteilung eine Belastung des Angeklagten Genter mit 1/4 der Kosten und notwendigen Auslagen rechtfertigt, während 3/4 der Staatskasse aufzuerlegen sind." Rechtsanwalt G. als Wahlverteidiger des Beschwerdeführers hat mit Schriftsatz vom 13.01.2003 notwendige Auslagen und Kosten iHv 4.643,40 EUR zur Festsetzung angemeldet, die sich u.a. aus den Höchstgebühren nach §§ 83,84 BRAGO für das Vorverfahren (mit Erhöhung wegen Haft) iHv 452,40 EUR und die Hauptverhandlung iHv 780 EUR zusammensetzen. Außerdem wird eine "10/10 Gebühr gem. §§ 88,7,11 BRAGO" nach einem Gegenstandswert von 242.392,00 EUR iHv 2.052 EUR geltend gemacht, zu deren Begründung ausgeführt wird, dass sich die Tätigkeit des Verteidigers auch auf den Beschluß des AG Aachen vom 29.05.2002 bezogen habe, durch den gegen den Beschwerdeführer der dingliche Arrest in Höhe des o.a. Betrages angeordnet worden ist. Durch den angefochtenen Beschluß hat der Rechtspfleger nach Anhörung des Bezirksrevisors die notwendigen Auslagen mit 2.242,22 EUR ermittelt und davon 3/4 = 1.686,39 EUR festgesetzt. Die Absetzung von insgesamt 2.957,10 EUR beruht im wesentlichen darauf, dass der Rechtspfleger die Gebührenerhöhung nach § 88 BRAGO für unberechtigt gehalten hat. Dem dagegen von dem Pflichtverteidiger Rechtsanwalt K. eingelegten (wohl aufgrund der veralteten, unzutreffenden Rechtsmittelbelehrung auf dem vom Rechtspfleger verwendeten Vordruck irrig als "Erinnerung" bezeichneten) Rechtsmittel, mit dem die Auslagenfestsetzung in vollem Umfang erstrebt wird, hat der Rechtspfleger nicht abgeholfen und die Sache dem Senat zur Entscheidung vorgelegt. Wegen der Einzelheiten, insbesondere der Zusammensetzung der geltend gemachten sowie der festgesetzten Beträge und der Begründung für die teilweise Ablehnung des Antrags wird auf den Schriftsatz des Verteidigers vom 13.01.2003, die Beschlüsse des Rechtspflegers vom 24.10. und 11.12.2003 sowie auf den Beschwerdeschriftsatz vom 03.11.2003 verwiesen. II. Das nach § 464 b S.3 StPO, §§ 104 Abs. 3 S.1, 567 ZPO, §§ 21 Nr. 1, 11 Abs. 1 RPflG zulässige Rechtsmittel, bei dem es sich seit der Neuregelung des Beschwerderechts durch das 3. Gesetz zur Änderung des Rechtspflegergesetzes vom 06.08.1998 um eine sofortige Beschwerde handelt, ist zum Teil begründet. Nicht zu beanstanden ist es allerdings, dass der Rechtspfleger die angemeldeten Gebühren dem Grunde nach lediglich zu 3/4 festgesetzt hat. Das entspricht der - bindenden - Kostenentscheidung im landgerichtlichen Urteil, der zufolge - wie zwar dem Tenor nicht unmittelbar, aber doch in Verbindung mit den Ausführungen unter Ziff VI. der Urteilsgründe im Wege der Auslegung zu entnehmen - eine nach § 464 d StPO zulässige Bruchteilsentscheidung getroffen worden ist. Eine Auslagenverteilung nach Bruchteilen ist insbesondere auch bei einem Teilfreispruch, wie er hier erfolgt ist, zulässig (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 47.A., § 464 d Rn 2). Mit Erfolg wendet sich der Beschwerdeführer aber dagegen, dass der Rechtspfleger eine Gebührenerhöhung nach § 88 BRAGO versagt hat. Die Voraussetzungen der Bestimmung sind insoweit erfüllt, als Rechtsanwalt G. als Wahlverteidiger des Beschwerdeführers tätig war und der hier zur Sicherung des Wertersatzverfalls gem. §§ 73, 73 a StGB angeordnete dingliche Arrest zu den in § 88 BRAGO angesprochenen "verwandten Maßnahmen" zählt. Die Bestimmung enthält keinen selbständigen Gebührentatbestand, sondern erlaubt, sofern der Gebührenrahmen der §§ 83 ff BRAGO nicht ausreicht, die Tätigkeit des Verteidigers angemessen zu honorieren, bei den in § 88 BRAGO genannten Tätigkeiten die Überschreitung der Höchstgebühr. Sie kommt nur in Betracht, wenn bereits die übrige (d.h. nicht auf die Einziehung oder verwandte Maßnahmen gerichtete) Tätigkeit bereits den Ansatz der Höchstgebühr oder nahe der Höchstgebühr rechtfertigt. Reicht schon eine innerhalb des Gebührenrahmens liegende Gebühr aus, die gesamte Tätigkeit des Verteidigers angemessen zu entgelten, ist eine Überschreitung des Gebührenrahmens nicht zulässig. Allerdings ist für die Anwendung des § 88 BRAGO nicht erforderlich, dass der Verteidiger hinsichtlich der Einziehung besondere Tätigkeiten entfaltet; es genügt, dass er sich um Abwendung der Bestrafung bemüht. Eine Überschreitung des Gebührenrahmens wird in der Regel nur bei besonders hohen Gegenstandswerten - bei denen auch ein entsprechend hohes Haftungsrisiko des Rechtsanwalts besteht - in Betracht kommen. Dabei braucht die in § 88 BRAGO vorgesehene Grenze des § 11 BRAGO nicht in jedem Fall erreicht zu werden, sondern kann auch unterschritten werden (vgl. Gerold/Schmidt/Madert, BRAGO, 15. A., § 88 Rn 6; Fraunholz in Riedel/Sußbauer, BRAGO, 8. A., § 88 Rn 10; Hartmann, Kostengesetze, 33. A., § 88 Rn 11 ). An diesen Maßstäben gemessen erscheint dem Senat im vorliegenden Fall eine Gebührenerhöhung gerechtfertigt, die allerdings hinter der erstrebten Höchstgrenze des § 11 BRAGO deutlich zurückbleiben muß. Der Rechtspfleger hat - in Übereinstimmung mit der Stellungnahme des Bezirksrevisors - für das Vorverfahren und die Hauptverhandlung jeweils die Höchstgebühr der §§ 83, 84 BRAGO festgesetzt. Die dem zugrundeliegende Rahmengebührenbestimmung des Verteidigers gem. § 12 Abs. 1 BRAGO war bereits durch den "übrigen" Verteidigungsaufwand gerechtfertigt, jedenfalls nicht unbillig. Denn es handelte sich angesichts des Gewichts der Anklagevorwürfe und der daraus resultierenden Straferwartung um eine Sache von überdurchschnittlicher Bedeutung. Die Verteidigung erforderte angesichts der tatsächlichen Schwierigkeiten, die der Fall aufwies, ebenfalls überdurchschnittlichen Aufwand. Dass die wirtschaftlichen Verhältnisse des Beschwerdeführers eher bescheiden sind, hindert den Ansatz der Höchstgebühr nicht, weil insoweit nicht sämtliche Merkmale des § 11 BRAGO überdurchschnittlich sein müssen (vgl. Gebauer/Schneider, BRAGO, § 12 Rn 54; Hartmann aaO § 12 Rn 15; Gerold/Schmidt/Madert aaO § 12 Rn 10, je m.w.N.). Die Höchstgebühr reicht jedoch nicht aus, um den Verteidigungsaufwand unter Einschluß der Tätigkeit im Bezug auf die Arrestanordnung ausreichend zu vergüten. Der Beschwerdeführer weist insoweit zu Recht auf den hohen Arrestbetrag von 242.329 EUR sowie darauf hin, dass in Vollziehung der Arrestanordnung auf seinem Grundstück bereits eine Sicherungshypothek eingetragen worden war, und dass ihm bei Verwertung des Grundstücks der wirtschaftliche Ruin gedroht hätte. Andererseits kann wegen der Vorläufigkeit der Arrestanordnung der Gegenstandswert nicht mit dem Arrestbetrag gleichgesetzt werden. Insoweit ist vielmehr entsprechend der Praxis im Arrestverfahren (vgl. dazu Schneider/Herget, Streitwertkommentar für den Zivilprozeß, 11. A., Rn 266 ff) nach den §§ 916 ff ZPO eine Bruchteilsbewertung vorzunehmen, so dass als Gegenstandswert ein Betrag von bis zu 1/3 (= 80.776 EUR) angesetzt werden kann. Schon danach käme eine Gebührenerhöhung nur bis zum Betrag von 1.277 EUR in Betracht. Aber auch dieser Betrag erscheint dem Senat überhöht angesichts dessen, dass ein besonderer Umfang bei dem insoweit entfalteten Verteidigungsaufwand nicht festgestellt werden kann. Die Befassung mit den einschlägigen Gesetzesbestimmungen versteht sich von selbst, und die Notwendigkeit von Gesprächen mit dem Vater des Beschwerdeführers und dem mit der Grundstücksübertragung befasst gewesenen Notar erschließt sich dem Senat ohne nähere Angaben dazu, was Inhalt dieser Gespräche war, nicht. Die mit der Strafkammer auch im Zusammenhang mit der Arrestanordnung geführten Gespräche bedeuten aber immerhin einen zusätzlichen zeitlichen und sonstigen Aufwand, den der Senat für das Vorverfahren mit der Hälfte einer vollen Gebühr nach § 11 BRAGO bei einem Gegenstandswert von 80.766 EUR ansetzt, das sind 638,50 EUR. Die Überschreitung des Gebührenrahmens kommt grundsätzlich für jede Gebühr der §§ 83 ff BRAGO in Betracht (vgl. Gebauer/Schneider, a.a.O., § 88 Rn 22). Vorliegend ist sie aber nur für die Gebühr des § 84 BRAGO angemessen. Denn in der Hauptverhandlung hat die Arrestanordnung nach der aufgrund der im Vorfeld geführten Besprechungen erzielten Übereinkunft, wie sie sich aus dem Protokoll der Hauptverhandlung vom 09.01.2003 ergibt, keine Rolle mehr gespielt. Die erhöhte Gebühr von 638,50 EUR war nach der Kostenentscheidung nochmals um 1/4 auf 478,88 EUR zu kürzen. Im Urteil ist zwar gegen den Beschwerdeführer auf einen Verfall nicht mehr erkannt worden. Jedoch lässt die bindende Kostenentscheidung insoweit eine Differenzierung nicht zu. Die mit der Auslagenverteilung nach Bruchteilen verbundene Pauschalierung bringt mit sich, dass sie sich für den Beschuldigten teils nachteilhaft, teils aber auch vorteilhaft auswirken kann. Das ist hinuzunehmen. Erstattungsfähig sind mithin über die Höchstgebühren hinaus - zuzüglich MwST - weitere 555,50 EUR . Entsprechend hat der Senat den angefochtenen Beschluss abgeändert, während die Beschwerde im übrigen zu verwerfen war. Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 4 Satz 1 StPO.

Ende der Entscheidung

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