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Gericht: Oberlandesgericht Köln
Beschluss verkündet am 24.08.2004
Aktenzeichen: 2 Ws 383/04
Rechtsgebiete: StPO, ZPO, RPflG


Vorschriften:

StPO § 143
StPO § 153 Abs. 2
StPO § 464 a Abs. 2 Nr. 2
StPO § 464 b S. 3
StPO § 467
ZPO § 104 Abs. 3 S. 1
ZPO § 567
RPflG § 11 Abs. 1
RPflG § 21 Nr. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die sofortige Beschwerde wird auf Kosten des Beschwerdeführers verworfen.

Gründe: Die nach § 464 b S.3 StPO, §§ 104 Abs. 3 S. 1, 567 ZPO, §§ 21 Nr. 1, 11 Abs. 1 RPflG zulässige sofortige Beschwerde ist nicht begründet. Nach der Auslagenentscheidung des nach § 153 Abs. 2 StPO ergangenen Einstellungsbeschlusses der 11. gr. Strafkammer des Landgerichts Köln vom 02.06.2004 - Az 111-4/04 - trägt die Staatskasse die notwendigen Auslagen des (früheren) Angeklagten und jetzigen Beschwerdeführers. Der als Wahlverteidiger des Beschwerdeführers tätig gewesene Rechtsanwalt M. hat mit Schriftsatz vom 04.06.2004 Wahlverteidigergebühren von 999,40 EUR zur Festsetzung angemeldet. Durch den angefochtenen Beschluß sind die aus der Staatskasse zu erstattenden Gebühren und Auslagen jedoch nur auf 423,17 EUR festgesetzt worden. Die Differenz (von 576,23 EUR) entspricht den Gebühren und Auslagen, die der als Pflichtverteidiger des Beschwerdeführers tätig gewesene Rechtsanwalt G. aus der Staatskasse erhalten hat. Diese hat der Rechtspfleger mit der Begründung in Abzug gebracht, dass dem Beschwerdeführer nur die Kosten eines Rechtsanwalts zu erstatten seien. Mit seiner gegen diese Entscheidung fristgerecht eingelegten sofortigen Beschwerde, der der Rechtspfleger nicht abgeholfen hat, erstrebt der Beschwerdeführer die ungekürzte Festsetzung der Wahlverteidigergebühren mit der Begründung, dass das Landgericht die Bestellung von Rechtsanwalt G. zum Pflichtverteidiger entgegen § 143 StPO nicht zurückgenommen habe, nachdem sich Rechtsanwalt M. als Wahlverteidiger bestellt habe; diesem stünden daher die Wahlverteidigergebühren in vollem Umfang zu. Mit diesem Vorbringen hat der Beschwerdeführer keinen Erfolg. Der Rechtspfleger ist zutreffend von dem Grundsatz ausgegangen, dass nach §§ 467, 464 a Abs. 2 Nr. 2 StPO grundsätzlich nur die Kosten für einen Rechtsanwalt erstattungsfähig sind, wenn der Staatskasse die notwendigen Auslagen des Beschuldigten zur Last fallen. Dies gilt auch im Falle einer Beiordnung eines Rechtsanwalts als Pflichtverteidiger; neben diesem ist eine Wahlverteidigung nicht mehr "notwendig" (allg. Meinung, vgl. Senat 10.02.98 - 2 Ws 676/97 = StV 98,621; 09.08.02 - 2 Ws 191/02 = JurBüro 02,595 je m.w.N., ebenso OLG Düsseldorf JurBüro 02, 594) Dieser Grundsatz läßt zwar im Anschluß an die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 28.03.1984 - 2 BvR 275/83 ( NJW 84,2403) unter Berücksichtigung der Besonderheiten des Strafverfahrens, in dem das Recht auf freie Verteidigerwahl zu beachten ist, Ausnahmen zu. Einen Ausnahmefall hat der Senat in seiner Rechtsprechung mehrfach bejaht, wenn dem Beschuldigten ohne dessen Veranlassung neben der Wahlverteidigung ein Pflichtverteidiger zu Zwecken der Verfahrenssicherung "aufgedrängt" wird (Senat 10.02.98 - 2 Ws 676/97 = StV 98,621 und 09.06.04 - 2 Ws 183/04) Ein weiterer Ausnahmefall kann anzunehmen sein, wenn die Bestellung des Pflichtverteidigers entgegen § 143 StPO nicht zurückgenommen wird. Auch dann kann ein Beschuldigter durch Überbürdung der zusätzlichen Kosten eines Pflichtverteidigers - worauf die Entscheidung des Rechtspflegers hinausläuft - in seinen Verteidigungsrechten unzumutbar beeinträchtigt sein ( vgl. OLG Frankfurt NStZ 98, 287; Meyer-Goßner, a.a.O. § 464 a Rn 13, KK-Franke, StPO, 5.A., § 464 a Rn 13 je m.w.N. ). Die Entpflichtung des Pflichtverteidigers kommt nach gefestigter Rechtsprechung, der auch der Senat folgt, jedoch nicht in Betracht, wenn ein unabweisbares Bedürfnis dafür besteht, den Pflichtverteidiger neben dem Wahlverteidiger tätig bleiben zu lassen, etwa dann, zu befürchten ist, dass der Wahlverteidiger das Mandat alsbald wegen Mittellosigkeit des Angeklagten wieder niederlegen werde (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 47.A., § 143 Rn 2; KK-Laufhütte, StPO, 5.A., § 143 Rn 3 je m.w.N.) . Derartiges war hier nach dem Gang des Verfahrens - entgegen dem Vorbringen des Beschwerdeführers - sehr wohl zu befürchten : Der arbeitslose frühere Angeklagte, der in einer Obdachlosenunterkunft lebt und nach den Angaben bei seiner polizeilichen Vernehmung am 02.11.2003 mtl. 240 EUR Sozialhilfe zur Verfügung hatte, hatte sich zunächst durch Rechtsanwältin N. anwaltlich vertreten lassen, die jedoch bereits mit Schriftsatz vom 06.11.2003 die Niederlegung des Mandats anzeigte, das der Beschwerdeführer ihr unter dem 01.12.2003 entzogen hatte. Sodann meldete sich mit Bestellungsschriftsatz vom 01.12.2003 Rechtsanwalt G. als neuer Wahlverteidiger und wurde durch Beschluss vom 11.12.2003 zum Pflichtverteidiger bestellt. Nachdem sich unter dem 13.02.2004 Rechtsanwalt M. als - inzwischen dritter - Wahlverteidiger gemeldet hatte, bat der Beschwerdeführer mit 2 Schreiben vom 15.04. und 04.05.2004 um die Entpflichtung von Rechtsanwalt G. als Pflichtverteidiger und - sinngemäß - um die Bestellung von Rechtsanwalt M. als neuer Pflichtverteidiger, was durch den Vorsitzenden der Strafkammer mit Schreiben vom 20.04. und 10.05.2004 (mit zutreffender Begründung) abgelehnt wurde. Zuvor hatte Rechtsanwalt G. mit Schriftsatz vom 08.03.2004 bereits daraufhingewiesen, dass ein Widerruf seiner Bestellung aus wichtigem Grund - etwa wegen gestörten Vertrauensverhältnisses - nicht gerechtfertigt sei, und dass im Falle der Rücknahme seiner Bestellung gem. § 143 StPO wegen der Mittellosigkeit des früheren Angeklagten die Gefahr bestehe, dass dann Rechtsanwalt M. seine Bestellung zum Pflichtverteidiger beantragen werde. Vor diesem Hintergrund vermag die Erklärung von Rechtsanwalt M., er hätte auch im Falle der Entpflichtung von Rechtsanwalt G. seine Beiordnung nicht beantragt und den Beschwerdeführer "trotzdem" verteidigt, die Befürchtung nicht auszuräumen, dass es anders gekommen wäre. Die Annahme, dass Rechtsanwalt M. das Risiko auf sich genommen hätte, den Beschwerdeführer ohne Bezahlung zu verteidigen, hält der Senat für lebensfremd. Darüber hinaus konnte nach dem Verhalten des Beschwerdeführers auch nicht ausgeschlossen werden, dass dieser - ohne dass Rechtsanwalt M. darauf hätte Einfluss nehmen können - über kurz oder lang auch mit der Verteidigung von Rechtsanwalt M. nicht mehr einverstanden sein, ihm das Mandat entziehen und noch einen weiteren Verteidiger wählen würde. Nach alledem hat der Vorsitzende der Strafkammer vorliegend von der Rücknahme der Pflichtverteidigerbestellung zu Recht abgesehen. Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1 StPO.

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