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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Köln
Beschluss verkündet am 22.08.2008
Aktenzeichen: 2 Ws 406/08
Rechtsgebiete: StPO


Vorschriften:

StPO § 472 Abs. 1 Satz 2
StPO § 473 Abs. 4 Satz 2
Bei nachträglich auf das Strafmaß beschränkter und (nur) in diesem Rahmen erfolgreicher Berufung ist über die Kosten der Nebenklage gemäß den §§ 472 Abs. 1 Satz 2, 473 Abs. 4 Satz 2 StPO nach Billigkeitsgesichtspunkten zu entscheiden.
Tenor:

Auf die sofortige Beschwerde der Nebenklägerin vom 26.06.2008 wird die Kostenentscheidung in dem Urteil der 3. kleinen Strafkammer des Landgerichts Köln vom 25.06.2008 - 153-74/08 - dahingehend abgeändert, dass der Angeklagte die notwendigen Auslagen der Nebenklägerin im Berufungsverfahren in vollem Umfang zu tragen hat.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der der Nebenklägerin hierin erwachsenen notwendigen Auslagen trägt der Angeklagte (§ 472 Abs. 1 Satz 1 StPO).

Gründe:

Die Generalstaatsanwaltschaft hat zu dem Rechtsmittel der Nebenklägerin wie folgt Stellung genommen:

I.

"Durch Urteil des Amtsgerichts Köln vom 28.02.2008 617 Ls 106/07 ist der Angeklagte wegen Vergewaltigung zum Nachteil der mit Beschluss vom 27.12.2007 zugelassenen Nebenklägerin (Bl. 257 d.A.) zu einer Freiheitsstrafe von 2 Jahren und 7 Monaten verurteilt worden; zugleich sind dem Angeklagten die notwendigen Auslagen der Nebenklägerin auferlegt worden (Bl. 478 ff. d.A.).

Gegen das amtsgerichtliche Urteil haben die Staatsanwaltschaft Köln am 29.02.2008 (Bl. 507 d.A.) und der Angeklagte am 05.03.2008 (Bl. 517, 543 d.A.) Berufung eingelegt.

Zu der Berufungshauptverhandlung sind die Nebenklägerin und deren anwaltliche Vertreterin geladen worden (Bl. 589 d.A.).

Mit Urteil der 3. kleinen Strafkammer des Landgerichts Köln 153-74/08 vom 25.06.2008 ist - nachdem der Angeklagte, der in der ersten Instanz die Tat bestritten hatte, seine Berufung in der Hauptverhandlung auf das Strafmaß beschränkt hatte (Bl. 634 d.A.) die Berufung der Staatsanwaltschaft Köln verworfen und auf die Berufung des Angeklagten das Urteil des Amtsgerichts Köln unter Aufrechterhaltung des Urteilsspruchs im übrigen dahingehend abgeändert worden, dass der Angeklagte zu einer Freiheitsstrafe von 2 Jahren verurteilt wurde, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde; darüber hinaus hat das Landgericht die notwendigen Auslagen der Nebenklägerin im Berufungsverfahren zu 2/3 dem Angeklagten und zu 1/3 der Nebenklägerin auferlegt (Bl. 636, 638, 656 ff. d.A.).

Gegen die Kostenentscheidung hat die Nebenklägerin mit Schriftsatz ihrer Rechtsvertreterin vom 26.06.2008, eingegangen beim Landgericht Köln am 27.06.2008, Beschwerde eingelegt (Bl. 644 f. d.A.).

Das Landgericht Köln hat mit Beschluss vom 07.07.2008 die Sache zur Entscheidung über die nach seiner Ansicht unzulässige Beschwerde dem Oberlandesgericht Köln vorgelegt (Bl. 661 f. d.A.).

II.

Die Beschwerde der Nebenklägerin die als sofortige nach § 464 Abs. 3 Satz 1 StPO zu behandeln ist ist gemäß §§ 306 Abs. 1, 311 Abs. 1, Abs. 2 StPO form- und fristgerecht eingelegt worden.

Auch ist sie gemäß § 464 Abs. 3 Satz 1 StPO statthaft.

Der Zulässigkeit der Beschwerde steht die Vorschrift des § 464 Abs. 3 Satz 1, 2. Halbsatz StPO nicht entgegen.

Danach ist die sofortige Beschwerde gegen eine Entscheidung über die Kosten und die notwendigen Auslagen unzulässig, wenn eine Anfechtung der in Absatz 1 des § 464 StPO genannten Hauptentscheidung durch den Beschwerdeführer nicht statthaft ist. Dies wird übereinstimmend dahingehend verstanden, dass die Kostenbeschwerde unzulässig ist, wenn die Hauptentscheidung schon nach ihrer Art schlechthin nicht angefochten werden kann oder die betreffende Person grundsätzlich unabhängig von der Frage der Beschwer im Einzelfall zur Einlegung eines Rechtsmittels nicht befugt ist (OLG Hamm Beschl. v. 14.02.2008 2 WS 25/08 VRS 114, 289 f. m.w.N.).

Uneinigkeit besteht in diesem Zusammenhang über die Bedeutung der in § 400 Abs. 1 StPO vorgenommenen Einschränkung des Anfechtungsrechts des Nebenklägers, wonach dieser ein Urteil nicht mit dem Ziel anfechten kann, dass eine andere Rechtsfolge der Tat verhängt wird. Zum Teil wird aus dieser Regelung die Unzulässigkeit der Kostenbeschwerde abgeleitet, insbesondere wenn ein mit der Berufung angefochtenes Urteil durch teilweisen Verzicht oder Teilrücknahme im Schuldspruch rechtskräftig geworden ist und das Berufungsgericht deshalb nur noch zur Frage der den Angeklagten treffenden Rechtsfolgen zu verhandeln und zu entscheiden hat (OLG Frankfurt NStZ-RR 1996, 128; OLG Stuttgart Beschl. v. 22.06.1989 3 Ws 116/89 NStZ 1989, 548).

Zu folgen ist jedoch der wohl überwiegenden Ansicht, wonach es sich bei der Vorschrift des § 400 Abs. 1 StPO lediglich um einen gesetzlich geregelten, generellen Ausschluss der Beschwer des Nebenklägers handelt, der die Statthaftigkeit des Rechtsmittels gegen die Hauptentscheidung ebenso wenig wie eine mangelnde Beschwer im Einzelfall beseitigt und damit die Zulässigkeit der Kostenbeschwerde nicht berührt (OLG Hamm Beschl. v. 19.07.2004 2 Ws 143/04 NStZ-RR 2006, 95 f. m.w.N.; OLG Hamm Beschl. v. 14.02.2008 a.a.O m.w.N.; OLG des Landes Sachsen-Anhalt Beschl. v. 21.09.2001 1 Ws 329/01 ; OLG Stuttgart Beschl v. 02.08.2002 5 Ws 54/02 Justiz 2003, 170 f.; OLG Karlsruhe Beschl. v. 18.09.2003 2 Ws 236/02 NStZ-RR 2004, 120 f.; OLG Celle Beschl. v. 25.09.2007 1 Ws 345/07 ). Durch die Anknüpfung der Unanfechtbarkeit der Kostenentscheidung an den Begriff der Statthaftigkeit in § 464 Abs. 3 Satz 1, 2. Halbsatz StPO bezieht sich die Regelung nicht auf diejenigen Fälle, in denen gegen die Hauptentscheidung zwar an sich ein Rechtsmittel statthaft sind, das Rechtsmittel jedoch mangels Beschwer einem bestimmten Prozessbeteiligten nicht zusteht. Denn es wäre unbillig, einem Nebenkläger für den Fall, dass die Unanfechtbarkeit der Hauptentscheidung allein auf der mangelnden Beschwer beruht, keine Anfechtungsmöglichkeit zu eröffnen, weil die fehlende Beschwer in der Hauptentscheidung nicht mit einer solchen der verbundenen Kosten- und Auslagenentscheidung einhergehen muss (OLG Köln Beschl v. 11.08.2006 1 Ws 17-20/06 ; OLG des Landes Sachsen-Anhalt a.a.O.; OLG Celle a.a.O.).

Die demnach zulässige Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg.

Entsprechend der Regelungen der §§ 472 Abs.1, 473 Abs. 4 Satz 2 StPO sind dem Angeklagten die notwendigen Auslagen der Nebenklägerin uneingeschränkt aufzuerlegen. Anlass aus Billigkeitsgründen eine wie vom Landgericht ausgesprochene Verteilung vorzunehmen, besteht vorliegend nicht.

Ob dem Angeklagten bei vollem Erfolg seines auf das Strafmaß beschränkten Rechtsmittels die Auslagen des Nebenklägers im Rechtsmittelverfahren aufzuerlegen sind, wird nicht einheitlich beurteilt (vgl. dazu: OLG des Landes Sachsen-Anhalt a.a.O m.w.N.). Während § 472 Abs.1 StPO ersichtlich nur für das erstinstanzliche Verfahren konzipiert ist, regelt § 473 Abs.1 Satz 2 StPO das Tragen der Auslagen des Nebenklägers nur für ein erfolgloses oder zurückgenommenes Rechtsmittel. Daraus, dass das Gesetz den Angeklagten bei vollem Erfolg seines beschränkten Rechtsmittels hinsichtlich der Verfahrenskosten und seiner eigenen Auslagen wie einen Freigesprochenen behandelt, wird zum Teil geschlossen, dass dies auch hinsichtlich der Auslagen des Nebenklägers zu gelten habe und der Angeklagte sie deshalb nicht tragen müsse (OLG Celle a.a.O. m.w.N.).

Es ist aber der im Vordringen begriffenen Auffassung zuzustimmen, dass auch in derartigen Fällen die §§ 472 Abs.1, 473 Abs. 4 Satz 2 StPO anzuwenden sind mit der Folge, dass dem Angeklagten grundsätzlich die Auslagen des Nebenklägers aufzuerlegen sind, wovon ganz oder zum Teil abgewichen werden kann, wenn dies unbillig erscheint (vgl. dazu OLG Celle a.a.O. m.w.N.; OLG des Landes Sachsen-Anhalt a.a.O. m.w.N.). Denn nur so können Wertungswidersprüche vermieden werden. § 473 Abs. 4 Satz 2 StPO sieht ausdrücklich vor, dass eine Verteilung der Auslagen des Nebenklägers nach Billigkeitsgesichtspunkten erfolgen kann; Teilerfolg und voller Erfolg sind aber häufig schwer voneinander abzugrenzen, zumal der volle Erfolg des Angeklagten nicht mit dem vollen Unterliegen des Nebenklägers einhergehen muss (OLG Celle a.a.O.).

Der in erster Instanz noch bestreitende Angeklagte hat seine zunächst uneingeschränkt eingelegte Berufung erst in der Hauptverhandlung auf das Strafmaß beschränkt und war nur im Rahmen der Beschränkung erfolgreich. Hinzu kommt, dass dieser Teilerfolg (vgl. OLG des Landes Sachsen-Anhalt a.a.O.) im Wesentlichen darauf beruhte, dass der Angeklagte in der Berufungsverhandlung durch die Beschränkung zum Ausdruck gebracht hat, dass er die Tat nicht mehr bestreitet, die Nebenklägerin um Entschuldigung gebeten hat und die nahezu 9-monatige Untersuchungshaft strafmildernd berücksichtigt wurde. Aufgrund der zunächst uneingeschränkten Berufung zu deren Hauptverhandlung die Nebenklägerin und ihre Vertreterin geladen wurden bestand für die Nebenklägerin ein berechtigtes Interesse, sich an der Hauptverhandlung zu beteiligen, sodass keine Umstände ersichtlich sind, die es entsprechend §§ 472 Abs.1 Satz 2 oder 473 Abs.4 StPO unbillig erscheinen ließen, den Angeklagten mit den notwendigen Auslagen der Nebenklägerin im Berufungsverfahren zu belasten (vgl. OLG Düsseldorf Beschl. v. 27.03.1992 2 Ws 100/92 ; OLG Celle Beschl. v. 23.04.1999 3 Ws 120/99 NdsRpfl 1999, 325 f.)."

Dem stimmt der Senat zu.

Die Frage , ob die Kostenbeschwerde trotz der Einschränkung des Anfechtungsrechts des Nebenklägers in § 400 Abs. 1 StPO zulässig ist, hat auch der Senat früher schon bejaht, weil die Beschränkung des § 464 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 2 StPO nicht gilt, wenn das Rechtsmittel einem bestimmten Prozessbeteiligten nur mangels Beschwer nicht zusteht , wie dies bei der Einschränkung in § 400 Abs. 1 StPO - anders als nach § 400 Abs. 2 Satz 2 StPO ( "Der Beschluss .... ist unanfechtbar") - der Fall ist (Senat 9.10.2001 - 2 Ws 441/01 -). Soweit der Senatsentscheidung vom 30.06.2006 (2 Ws 295/06) eine andere Auffassung zu entnehmen ist, wird daran nicht festgehalten.

Ende der Entscheidung

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