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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Köln
Beschluss verkündet am 18.02.2005
Aktenzeichen: 2 Ws 7/05
Rechtsgebiete: StPO


Vorschriften:

StPO § 111 k
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT KÖLN BESCHLUSS

2 Ws 7/05

In der Strafsache

hat der 2. Strafsenat des Oberlandesgerichts Köln auf die Beschwerde des Verteidigers des früheren Angeklagten B. gegen den Beschluß der 1. großen Strafkammer des Landgerichts Aachen (61 KLs 11 Js 405/96 - 9/97) vom 27.Oktober 2004 durch die Vorsitzende Richter am Oberlandesgericht Doleisch von Dolsperg sowie die Richter am Oberlandesgericht Scheiter und Dr. Schmidt

am 18. Februar 2005

beschlossen:

Tenor:

I.

In Abänderung der angefochtenen Entscheidung wird der Antrag der W. S. GmbH&Co. KG auf Herausgabe des bei dem früheren Angeklagten B. sichergestellten und beschlagnahmten Geldes in Höhe eines Betrages von 7.597,80 € zurückgewiesen.

II.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der dem Verteidiger des früheren Angeklagten B. - Rechtsanwalt W. - darin entstandenen notwendigen Auslagen trägt die Staatskasse. Die W. S. GmbH&Co. KG tragen ihre notwendigen Auslagen selbst.

Gründe:

I.

Der frühere Angeklagte B. wurde vom Landgericht Aachen am 09.07.1998 wegen Beihilfe zur Untreue in 160 Fällen zum Nachteil der W. S. GmbH & Co.KG ( i.f. nur noch : W. S. ) sowie wegen Missbrauchs von Ausweispapieren in 58 Fällen zu einer Freiheitsstrafe verurteilt. Der Verurteilung lagen systematische Manipulationen von Black-Jack-Spielen im Spielcasino D.-H. im Zeitraum von Februar 1994 bis zum 24.09.1996 zugrunde, an denen Spielbankangestellte und Spieler teilnahmen; B. gehörte zu den Spielern. Nach den Urteilsfeststellungen vereinnahmte die Tätergruppe bei den manipulierten Spielen mindestens 3,24 Mio DM, wovon der frühere Angeklagte B. vereinbarungsgemäß 10 % = 324 TDM erhielt.

Anläßlich seiner Verhaftung am 27.09.1996 wurde bei dem früheren Angeklagten B. u.a. Bargeld iHv 14.860 DM sichergestellt, dessen Beschlagnahme das Amtsgericht Aachen mit Beschluss vom 08.11.1996 anordnete.

Vor dem Landgericht sind zur Frage der Herkunft des Geldes keine Erklärungen abgegeben worden.

Ein Verfall ist im Urteil, das auch keine Ausführungen zu einem Ausschluß des Verfalls wegen Ansprüchen der Geschädigten W. S. enthält, nicht angeordnet worden.

Der Verteidiger des früheren Angeklagten B. - dem dieser gem. Abtretungserklärung vom 03.04.2003 "den Betrag abgetreten" hat - hat mit Schriftsatz vom 06.05.2003 bei dem Landgericht Aachen die Herausgabe des beschlagnahmten Geldes an ihn beantragt.

Die W. S. sind dem Antrag mit Schriftsatz vom 14.10.2004 entgegengetreten unter Hinweis auf einen bei dem Arbeitsgericht Dortmund geführten Rechtsstreit, in dem der frühere Angeklagte B. durch Versäumnisurteil vom 29.05.2000 zur Zahlung von 324 TDM verurteilt worden ist (Az 9 Ca 1814/99).

Die 1. gr. Strafkammer des Landgerichts Aachen hat durch den angefochtenen Beschluss das sichergestellte Geld zur Herausgabe an die W. S. freigegeben. Dagegen richtet sich die Beschwerde des Verteidigers, der die Strafkammer nicht abgeholfen hat.

II.

1.

Gegenstand des Beschwerdeverfahrens ist lediglich die Entscheidung über das Herausgabeverlangen der W. S., das das Landgericht in dem Schriftsatz vom 14.10.2004 gesehen hat. Über den Herausgabeantrag des Verteidigers des früheren Angeklagten B. vom 06.05.2003 - der einen eigenen, gesonderten Verfahrensgegenstand enthält - hat das Landgericht nicht entschieden. Da eine Entscheidung über den Antrag des Verteidigers mit der Beschwerde nicht begehrt worden ist, ist er auch im Beschwerdeverfahren dem Senat nicht angefallen. Die Entscheidung wird von der Strafkammer noch zu treffen sein.

2.

Die so auszulegende Beschwerde ist gemäß § 304 Abs. 1 StPO statthaft und auch sonst zulässig; sie ist auch begründet.

Das Landgericht ist zutreffend von seiner (sachlichen) Zuständigkeit ausgegangen. Jedenfalls dann, wenn wie im vorliegenden Fall nicht lediglich die Herausgabe eines Asservates an den letzten Gewahrsamsinhaber begehrt wird, sondern mit der Freigabe ein Eingriff in die Rechtssphäre anderer Beteiligter in Betracht kommt, ist die Zuständigkeit des zuletzt mit der Sache befassten Gerichts gegeben (vgl. KK-Nack, StPO , 5. A., § 111 k Rn 7 m.w.N.).

3.

Als - nach den Bestimmungen der StPO allein in Betracht kommende - gesetzliche Grundlage für eine Rückgabe des beschlagnahmten Geldes an die W. S. hat das Landgericht im Ausgangspunkt zutreffend § 111 k StPO herangezogen. Die Voraussetzungen dieser Bestimmung liegen entgegen der Auffassung des Landgerichts aber nicht vor.

a)

Grundsätzlich werden nach rechtskräftigem Abschluß des Strafverfahrens sichergestellte Gegenstände an den letzten Gewahrsamsinhaber - bzw. mit dessen Einverständnis auch an einen Dritten - zurückgegeben. Das versteht sich als "actus contrarius" zur Beschlagnahme von selbst, ohne dass dies ausdrücklich geregelt wäre oder werden müsste (BGHZ 72,302; LK-Schäfer § 111 k Rn 2).

Von diesem Grundsatz macht § 111 k StPO eine Ausnahme für den Fall, dass die Sache dem Verletzten durch die Straftat entzogen worden ist, die Gegenstand des Strafverfahrens ist. Dem liegt der Gedanke zugrunde, dass der Staat dem Rechtsbrecher nicht die Früchte seiner Tat sichern darf.

b)

Voraussetzung dieser Ausnahmeregelung ist u.a. die sog. "Stoffgleichheit": Durch die Straftat entzogen im Sinne der Bestimmung des § 111 k StPO sind nur Sachen, die unmittelbar durch die Straftat in den Besitz des Täters gelangt sind, wobei insoweit der nach dem Urteil vom 09.07.1998 verwirklichte Straftatbestand der (Beihilfe zur) Untreue grundsätzlich in Betracht kommt (vgl. KK-Nack aaO, § 111 k Rn 49).

Jedoch muß erwiesen sein, dass die Sache dem Verletzten durch die Tat entzogen worden ist. Hierfür sind die Feststellungen eines etwa ergangenen Urteils, sonst die Aktenlage maßgeblich; Ermittlungen oder Beweiserhebungen finden nicht statt (LK-Schäfer, aaO, Rn 10; Meyer-Goßner, StPO, 47. A., § 111 k Rn 6,7).

c)

Vorliegend steht aufgrund des Urteils zwar die Straftat - Beihilfe zur Untreue - und wohl auch ein Mindest-Schaden der W. S. fest. Der Nachweis, dass gerade das sichergestellte Bargeld aus den manipulierten Spielen herrührt, kann aber weder anhand des Urteils noch anhand des sonstigen Akteninhalts geführt werden. Das Urteil des Landgerichts vom 09.07.1998 enthält zur Herkunft des beschlagnahmten Geldes keinerlei Feststellungen. Weder ist der Verfall des Geldes nach § 73 Abs. 1 Satz 1 StGB angeordnet, noch ist hiervon zum Schutz von Ansprüchen des Verletzten nach Satz 2 abgesehen worden.

Der frühere Angeklagte B. war berufsmäßiger Spieler und hat - und zwar in erheblichem Umfang - auch an legalen Spielen teilgenommen. Das ergibt sich aus den Feststellungen des Urteils des Landgerichts vom 27.08.1998 gegen die frühere Mitangeklagte "Dealerin" U.. Danach hielt sich B. von November 1993 bis zum 26.09.1996 an 272 Tagen in der Spielbank auf, ist aber nur für die Teilnahme an manipulierten Spielen an 160 Tagen verurteilt worden. In den Jahren 1995 und 1996 hielt B. sich an 54 Tagen in der Spielbank auf, ohne dass seine Teilnahme an manipulierten Spielen festgestellt werden konnte.

Es muß demnach davon ausgegangen werden, dass der frühere Angeklagte B. aus legalen Spielen Gewinne erzielen konnte und auch tatsächlich erzielt hat, wenn auch zu deren Höhe nichts festgestellt worden ist. Dass B. bei seiner Festnahme im Besitz von Bargeld in der hier in Rede stehenden Größenordnung war, ist vor diesem Hintergrund kein zwingendes beweiskräftiges Indiz dafür, dass das Geld gerade aus manipulierten Spielen stammte. Eine Zuordnung des Geldes zu illegalen Spielen einerseits und legalen Spielen andererseits ist nicht möglich.

d)

Der Senat setzt sich mit dieser Bewertung nicht in Widerspruch zu seiner Entscheidung vom 03.07.1998 - 2 Ws 259/98 -, mit der die Freigabe beschlagnahmter Gelder an einen weiteren Mittäter (A. D.) abgelehnt worden war. Denn D. hatte eingeräumt, dass er aus den angeklagten Straftaten erlangte Gewinne auf beschlagnahmte Konten eingezahlt hatte. Damit stand in dem gegen ihn gerichteten - damals noch nicht abgeschlossenen - Verfahren fest, dass die Gelder aus den ihm zur Last gelegten Straftaten herrührten und für eine Zurückgewinnungshilfe zu Gunsten der Geschädigten in Betracht kamen.

3.

Der Ausgang des Rechtsstreits zwischen den W. S. und dem früheren Angeklagten B. vor dem Arbeitsgericht Dortmund ist für die Entscheidung im vorliegenden Beschwerdeverfahren ohne Belang und muß deswegen nicht abgewartet werden.

Einen dinglichen Anspruch auf Herausgabe des beschlagnahmten Geldes, der Grundlage für eine Rückgabeanordnung nach § 111 k StPO sein könnte, machen die W. S. in dem Rechtsstreit vor dem Arbeitsgericht nicht geltend.

Ein Zahlungstitel - den die Westdeutschen Spielbanken in Gestalt des nach § 62 Abs. 1 Satz 1 ArbGG kraft Gesetzes vorläufig vollstreckbaren Versäumnisurteils des Arbeitsgerichts Dortmund vom 29.05.2000, durch das B. zur Zahlung von 324 TDM an die W. S. verurteilt wurde, im übrigen bereits seit geraumer Zeit besitzen - kommt hingegen als Grundlage für eine Rückgabeanordnung nach § 111 k StPO nicht in Betracht. Die Bestimmung soll nicht allgemein dem Verletzten die Durchsetzung von aus der Straftat erwachsenen Schadensersatzansprüchen gegen den Täter erleichtern. Die geschädigten W. S. sind insoweit auf den Weg der Zwangsvollstreckung aus dem erwirkten Versäumnisurteil zu verweisen; ob die Zwangsvollstreckung im Hinblick auf die Abtretung des beschlagnahmten Geldes noch erfolgreich durchgeführt werden kann, hat der Senat nicht zu entscheiden.

4.

Nach alledem kommt die Herausgabe des Geldes an die W. S. nicht in Betracht mit der Folge, dass in Abänderung des angefochtenen Beschlusses der hierauf gerichtete Antrag zurückzuweisen war.

5.

Die Kostenentscheidung beruht auf entsprechender Anwendung des § 467 StPO.

Ende der Entscheidung

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