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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Köln
Beschluss verkündet am 01.02.2008
Aktenzeichen: 2 Wx 3/08
Rechtsgebiete: GmbHG, BGB


Vorschriften:

GmbHG § 38
GmbHG § 79
BGB § 242
Die vom einzigen Geschäftsführer und Mehrheitsgesellschafter einer GmbH erklärte Amtsniederlegung kann rechtsmissbräuchlich und damit unwirksam sein, wenn dieser nicht gleichzeitig einen neuen Geschäftsführer bestellt.
Tenor:

Die weitere Beschwerde der Beteiligten zu 2) vom 19. Dezember 2007 gegen den Beschluss der 4. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Aachen vom 7. Dezember 2007 - 44 T 21/07 - wird zurückgewiesen.

Gründe:

1.

Die als alleinige Geschäftsführerin eingetragene Beteiligte zu 2) begehrt gemäß notarieller Anmeldung vom 22. Mai 2007 (Urkundenrolle-Nr. xxx/2007T des Notars Dr. U in B) ihre Löschung als Geschäftsführerin im Handelsregister. Insoweit macht sie geltend, sie habe am 22. Mai 2007 wirksam ihr Amt niedergelegt. Zuvor hatte am 3. Mai 2007 eine Gläubigerin der Gesellschaft einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Gesellschaft gestellt. Mit Beschluss vom 10. August 2007 hat das Registergericht Aachen die Anmeldung zurückgewiesen. Gegen diesen Beschluss hat die Beteiligte zu 2) mit Schriftsatz ihres Verfahrensbevollmächtigten vom 28. August 2007 Beschwerde eingelegt, die das Landgericht mit Entscheidung vom 7. Dezember 2007 zurückgewiesen hat. Hiergegen richtet sich die weitere Beschwerde der Beteiligten zu 2) vom 19. Dezember 2007.

2.

a)

Die - an keine Frist gebundene - weitere Beschwerde der Antragstellerin ist verfahrensrechtlich nicht zu beanstanden (§§ 27, 29 FGG).

b)

In der Sache hat das Landgericht unter anderem ausgeführt: Das Registergericht habe zu Recht die Anmeldung zurückgewiesen. Die Amtsniederlegung sei wegen Rechtsmissbrauch unwirksam. Die Beteiligte sei zwar nicht Allein-, sondern nur Mehrheitsgesellschafterin. Doch seien die obergerichtlich aufgestellten Grundsätze der Anlehnung der Eintragung einer rechtsmissbräuchlichen Amtsniederlegung des einzigen Geschäftsführers und Alleingesellschafters auch auf den vorliegenden Sachverhalt anzuwenden. Die Umstände würden dafür sprechen, dass es der Beschwerdeführerin gerade darum gehe, die Handlungsunfähigkeit der Gesellschaft gezielt herbeizuführen und unter Ausnutzung ihrer Mehrheitsbeteiligung auch in Zukunft aufrechtzuerhalten. So sei zum Zeitpunkt der Amtsniederlegung die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Gesellschaft beantragt worden. Auch in der Folgezeit habe die Beteiligte zu 2) keine Versuche unternommen, eine Handlungsunfähigkeit der Gesellschaft durch Bestellung eines neuen Gesellschafters oder durch Einberufung einer Gesellschafterversammlung zu beheben.

c)

Diese Ausführungen halten der dem Senat obliegenden rechtlichen Nachprüfung stand. Die Kammer hat mit zutreffenden Erwägungen die Voraussetzungen der Eintragung der Niederlegung des Amtes als Geschäftsführerin verneint, weil die Erklärung der Beteiligten zu 2) hier keine Wirksamkeit entfaltet.

Zwar ist die von dem Geschäftsführer einer GmbH erklärte Amtsniederlegung selbst dann wirksam, wenn objektiv kein wichtiger Grund vorliegt und wenn sich der Geschäftsführer auch nicht auf das Bestehen eines solchen beruft (BGHZ 78, 82 = NJW 1980, 2415; BGHZ 121, 257 = NJW 1993, 1198; BGH, NJW 1995, 2850). Dies gilt jedoch nicht im Falle eines Rechtsmissbrauchs. Ein solcher liegt regelmäßig vor, wenn es sich bei dem niederlegenden Geschäftsführer um den einzigen handelt, dieser zugleich alleiniger Gesellschafter ist und davon absieht, einen neuen Geschäftsführer für die Gesellschaft zu bestellen (BayObLGZ 1981, 266 [269]; BayObLGZ 1992, 253 [254]; BayObLGZ 1999, 171 = FGPrax 1999, 186; OLG Düsseldorf, FGPrax 2001, 82; OLG Hamm, OLGZ 1988, 411; OLG Zweibrücken, FGPrax 2006, 132; Lohr, RNotZ 2002, 164 [167] m.w.N.; Lohr, DStR 2002, 2173 [2176] m.w.N.; Lutter/Hommelhoff, GmbHG 16. Auflage 2004, § 38 Rdnr. 42; Scholz/Schneider, GmbHG 9. Auflage 2000, § 38 Rdnr. 90; s.a. Palandt/Heinrichs, BGB 67. Auflage 2008, § 242 Rdnr. 72). Dies verlangt das Interesse des Rechtsverkehrs an der Handlungsfähigkeit der Gesellschaft, die anderenfalls vollständig beseitigt würde. Grund für die Missbilligung der Amtsniederlegung in derartigen Fällen ist die Zurückstellung überwiegender Interessen anderer Beteiligter durch den Versuch, sich der freiwillig übernommenen Verantwortung für die Gesellschaft (§ 43 GmbHG) und aller weiteren Pflichten zu entledigen, die besonders in wirtschaftlich schwierigen Situationen der Gesellschaft an das Amt des Geschäftsführers geknüpft sind (BayObLG, FGPrax 1999, 186; OLG Düsseldorf, FGPrax 2001, 82).

Der Senat schließt sich dieser Auffassung an. Die teilweise in der Literatur vertretene gegenteilige Ansicht, dass diese "Sonderbehandlung" des Gesellschafter-Geschäftsführers einer Ein-Mann GmbH nicht gerechtfertigt und dessen Amtsniederlegung generell wirksam sei (Altmeppen/Roth, GmbHG, 5. Auflage 2005, § 38 Rn. 77 f.; Wachter, GmbHR 2001, 1129 [1133]), überzeugt nicht. Es ist vielmehr angesichts der Personenidentität von Geschäftsführungs- und Willensbildungsorgan in der Gesellschaft im Interesse der Rechtssicherheit geboten, höhere Anforderungen an die Amtsniederlegung des Gesellschafter-Geschäftsführers zu stellen (OLG Zweibrücken, FGPrax 2006, 132 [132 f.]). Anderenfalls könnte dieser nach freiem Belieben das Vermögen der Gesellschaft dem Zugriff der Gläubiger entziehen, indem er die Gesellschaft durch Amtsniederlegung handlungsunfähig macht (OLG Zweibrücken, FGPrax 2006, 132 [132 f.]; Lohr, RNotZ 2002, 164 [168 ff.]; ders, DStR 2002, 2173 [2177 ff.]).

Diese Grundsätze hat die Kammer zutreffend auf den vorliegenden Sachverhalt angewendet. Die Beteiligte zu 2) ist zwar nicht Alleingesellschafterin der GmbH; vielmehr hält sie als Mehrheitsgesellschafterin einen Geschäftsanteil von 33.700,00 DM bei einem Stammkapital von 50.000,00 DM, und es gibt noch einen weiteren Minderheitsgesellschafter. Jedoch setzt die Annahme eines Rechtsmissbrauchs einer Amtsbeendigung nicht zwingend die Stellung des Geschäftsführers als Alleingesellschafter voraus. Auch bei einer Mehrpersonen-GmbH kann eine Amtsniederlegung des Alleingeschäftsführers in gleicher Weise zu einer Handlungsunfähigkeit der Gesellschaft führen. Richtigerweise muss vielmehr darauf abgestellt werden, ob in dem Einzelfall der niederlegende Gesellschafter-Geschäftsführer - insbesondere durch seine Mehrheitsbeteiligung - einen solchen Einfluss auf die Geschicke der Gesellschaft hat, dass die durch seine Entscheidung ausgelöste Handlungsunfähigkeit nicht anderweitig behoben werden kann. Sofern dies der Fall ist, macht es keinen Unterschied, ob der das Amt niederlegende Geschäftsführer Alleingesellschafter ist oder aber als Mehrheitsgesellschafter die Geschicke der GmbH lenkt. Entsprechend hat das Kammergericht (OLGR 2001, 234) die Eintragung der Amtsniederlegung wegen Rechtsmissbrauchs in einem Fall abgelehnt, in dem die beiden Gesellschaftergeschäftsführer einer GmbH ihr Amt niederlegten, ohne zugleich einen neuen Geschäftsführer zu bestellen. Ebenso hat das OLG Dresden (NotBZ 2005, 112) die Gründsätze für die Amtsniederlegung von Aufsichtsrat und Vorstand einer AG in der Krise der Gesellschaft angewendet.

Verfahrensfehlerfrei hat das Landgericht anhand der gesamten Umstände festgestellt, dass mit der Amtsniederlegung die Interessen anderer Beteiligter am Rechtsverkehr in rechtsmissbräuchlicher Weise verletzt werden. Die Antragstellerin ist Mehrheitsgesellschafterin sowie alleinige Geschäftsführerin und hat keinen neuen Geschäftsführer bestellt, so dass eine aktive und passive Handlungsunfähigkeit der Gesellschaft eingetreten ist. Zudem hat sie als Mehrheitsgesellschafterin keine Gesellschafterversammlung mit dem Ziel der Bestellung eines neuen Geschäftsführers einberufen. Zwar ist es grundsätzlich nicht Aufgabe des niederlegenden Geschäftsführers, für einen Nachfolger in seinem Amt zu sorgen. Indes kann auch von einem Mehrheitsgesellschafter - wie bei einem Alleingesellschafter - in besonderen Fällen verlangt werden, dass er als Gesellschaftergeschäftsführer der sich aus §§ 6, 46 Nr. 5 GmbHG ergebenden Verpflichtung nachkommt und sich um die Bestellung eines neuen Geschäftsführers bemüht, wenn er (ohne wichtigen Grund) nicht mehr selbst Geschäftsführer sein will. Solche besonderen Umstände liegen hier vor. Zum Zeitpunkt der Amtsniederlegung war bereits ein Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Gesellschaft gestellt worden. Dies stellt sich gerade als besonders schwierige wirtschaftliche Situation der Gesellschaft dar, in der von dem Gesellschaftsgeschäftsführer erwartet werden kann, dass er seiner Verpflichtungen genügt und sich nicht seiner Verantwortung entzieht (vgl. auch OLG Düsseldorf, FGPrax 2001, 82). Gerade während des Insolvenzeröffnungsverfahrens muss die Gesellschaft mit Blick auf die aus §§ 97, 101 InsO sich ergebenden durch das gesetzliche Vertretungsorgan zu erfüllenden Auskunfts- und Mitteilungspflichten der Insolvenzschuldnerin einen organschaftlichen Vertreter haben, der bei der GmbH der Geschäftsführer ist (§§ 35 Abs. 1 GmbHG, 101 Abs. 1 Satz 1 InsO). Rechtsmissbrauch liegt zudem auch deshalb vor, weil nach den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen des Landgerichts es der Beteiligten zu 2) im Hinblick auf den zeitnah gestellten Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens gerade darum ging, durch die Amtsniederlegung die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Gesellschaft zu verzögern.

Auf die Möglichkeit der Bestellung eines Notgeschäftsführers entsprechend § 29 BGB kann vorliegend nicht verwiesen werden. Zum einen wurde die Notlage gerade erst durch die Amtsniederlegung der Antragstellerin ohne die gleichzeitige Bestellung eines neuen Geschäftsführers in rechtsmissbräuchlicher Weise herbeigeführt. Zum anderen erscheint die Bestellung eines Notgeschäftsführers für den dazu Ausgewählten vorliegend unzumutbar, da - nachdem der Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der GmbH am 17. Januar 2008 mangels Masse abgelehnt wurde - auch keine Mittel für dessen Vergütung zur Verfügung stehen dürften (vgl. dazu auch BayObLGZ 1981, 266 [268]; OLG Zweibrücken, FGPrax 2006, 132 [133]).

Da das Landgericht zudem keine Umstände festgestellt hat, die der damit offenkundigen Rechtsmissbräuchlichkeit der Amtsniederlegung ausnahmsweise entgegenstehen könnten (dazu BayObLGZ 1999, 171 = FGPrax 1999, 186; OLG Düsseldorf, FGPrax 2001, 82), haben die Vorinstanzen die Eintragung zu Recht abgelehnt.

d)

Da die Vorinstanzen somit die Eintragung der Amtsniederlegung aus den vorstehend angeführten Gründen rechtsfehlerfrei abgelehnt haben, kommt es hier nicht darauf an, ob der Hilfsüberlegung des Landgerichts beigetreten werden kann, dass die Beteiligten zu 2) dann, wenn sie ihr Amt wirksam mit sofortiger Wirkungen niedergelegt hätte, überhaupt (noch) berechtigt wäre, die Beendigung ihrer Vertretungsbefugnis infolge Amtsniederlegung selbst zur Eintragung in das Handelsregister anzumelden. Eine Stellungnahme des Senats zu dieser Frage ist deshalb nicht veranlasst.

3.

Eines Ausspruchs über die Kosten des Verfahrens bedarf es nicht, da der Beschwerdeführerin die Beteiligte zu 1) nicht als Gegnerin gegenübersteht.

Geschäftswert des Verfahrens der weiteren Beschwerde: 3.000,00 € (§§ 131 Abs. 1, 30 KostO).

Ende der Entscheidung

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