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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Köln
Beschluss verkündet am 25.02.2008
Aktenzeichen: 2 Wx 48/07
Rechtsgebiete: FGG, ZPO


Vorschriften:

FGG § 5 Abs. 1
FGG § 73 Abs. 1
FGG § 73 Abs. 2
ZPO § 36
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT KÖLN BESCHLUSS

2 Wx 48/07

In der Nachlaßsache

hat der 2. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters am Oberlandesgericht Schmidt-Eichhorn sowie der Richter am Oberlandesgericht Sternal und Dr. Göbel

am 25. Februar 2008

beschlossen:

Tenor:

Als zuständiges Gericht für die Bearbeitung der Nachlaßsache wird das Amtsgericht Berlin-Schöneberg bestimmt. Ihm bleibt vorbehalten, die Sache aus wichtigem Grund an ein anderes Nachlaßgericht abzugeben.

Gründe:

1. Die Erblasserin, Frau K G, ist am 26. Januar 2007 in Frankreich verstorben. Ihr Ehemann hat die Erteilung eines Erbscheins beantragt, welcher ihn, den Antragsteller, als Alleinerben der Erblasserin ausweist. In dem zu Protokoll des Rechtspflegers bei dem Amtsgericht Euskirchen gestellten Antrag vom 21. Mai 2007 hat er angegeben, es sei unklar, ob der letzte Wohnsitz der Erblasserin Zülpich war oder ob sie in Frankreich gewohnt hat. Zülpich liegt im Bezirk des Amtsgerichts Euskirchen. Durch einen Beschluß vom 14. November 2006 hatte das Amtsgericht Euskirchen eine bis dahin für die Erblasserin geführte Betreuung mit der Begründung aufgehoben, daß die Erblasserin auf Dauer nach Frankreich verzogen sei und daher in Deutschland keiner Betreuung mehr bedürfe.

Mit Verfügung vom 29. Mai 2007 hat der Richter des Amtsgerichts Euskirchen das Nachlaßverfahren mit der Begründung an das Amtsgericht Berlin-Schöneberg abgegeben, daß die Erblasserin mit letztem Wohnsitz in Frankreich verstorben sei. Dieses hat die Sache mit Verfügung vom 11. Juni 2007 an das Amtsgericht Euskirchen "zuständigkeitshalber" zurückgesandt. Die Verfügung vom 11. Juni 2007 ist unter Verwendung eines Vordrucks erstellt, der unvollständig ausgefüllt ist. Insbesondere ist der Textbaustein, das Amtsgericht Schöneberg erkläre sich "für zuständig und überträgt die Bearbeitung der Sache nach - in entsprechender Anwendung von - § 73 Abs. 2 Satz 2 FGG dem Nachlaßgericht in ..." nicht angekreuzt; handschriftlich eingesetzt ist allerdings der Ort Euskirchen. Eingangs der Verfügung heißt es "Die Erblasser(in) hatte seinen / ihren letzten Wohnsitz ggf. im Ausland". Unter der Überschrift "Wichtiger Abgabegrund" ist folgender Text angekreuzt bzw. ausgefüllt: "Nachlaßgegenstände befinden sich im dortigen Gerichtsbezirk. Falls kein Lebensmittelpunkt in Frankreich bestand, gilt weiterhin § 73 I FGG und diese Abgabe ist gegenstandslos".

Mit Beschluß vom 12. September 2007 hat das Amtsgericht Euskirchen daraufhin dem Bundesgerichtshof die Akte zur Bestimmung des zuständigen Gerichts vorgelegt. Es hat die Auffassung vertreten, der Bundesgerichtshof sei "als gemeinsames Obergericht zur Entscheidung der Zuständigkeit berufen".

Mit Verfügung vom 18. September 2007 - X ARZ 289/07 - hat der (stellvertretende) Vorsitzende des X. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs die Sache an das Amtsgericht Euskirchen zurückgegeben. Diese von dem stellvertretenden Vorsitzenden des Senats unterzeichnete Verfügung hat im Original folgenden Wortlaut :

"In Sachen Nachlasssache G

anliegend erhalten anliegend Sie die Akten urschriftlich zurück.

Die Vorlage ist unzulässig. Seit der Änderung des § 36 ZPO durch das Gesetz zur Neuregelung des Schiedsverfahrensrechts vom 22. Dezember 1997 (BGBl. I 3224) ist an die Stelle der Zuständigkeit des Bundesgerichtshofes als des zunächst höheren gemeinschaftlichen Gerichts die desjenigen Oberlandesgerichts getreten, zu dessen Bezirk das zunächst mit der Sache befaßte Gericht gehört (Sen.Beschl. v. 27.10.1998 - X ARZ 876/98, NJW 1999, 221).

Ein nach der Neuregelung noch vorgesehener Ausnahmefall nach § 36 Abs. 3 ZPO liegt nicht vor. Eine Vorlage nach § 36 Abs. 3 ZPO kommt nur in Betracht, wenn ein Oberlandesgericht im Anwendungsbereich des § 36 Abs. 1 ZPO von der Auffassung eines anderen Oberlandesgerichts oder des Bundesgerichtshofs abweichen will (Sen.Beschl. v. 05.10.1999 - X ARZ 247/99, NJW 2000, 80, 81; vgl. auch BT-Drucks. 13/9124, S. 45 f.).

Nach dem eindeutigen Wortlaut des § 36 Abs. 3 ZPO sind dann auch nur die in dieser Bestimmung genannten Oberlandesgerichte zur Vorlage befugt. Eine unmittelbare Anrufung des Bundesgerichtshofes auf Vorlage eines beteiligten Gerichts scheidet deshalb aus (vgl. Sen.Beschl. v. 30.04.2002 - X ARZ 59/02, vgl. auch Zöller/Vollkommer, ZPO, 24. Aufl., § 36 Rdn. 4 a).

Mit freundlichen Grüßen".

Daraufhin hat das Amtsgericht Euskirchen die Sache dem Oberlandesgericht Köln zur Bestimmung des zuständigen Gerichts vorgelegt.

2. Der Senat bestimmt als zuständig das Amtsgericht Schöneberg, dem eine Abgabe an ein anderes Gericht aus wichtigem Grunde gemäß § 73 Abs. 2 Satz 2 FGG vorbehalten bleibt.

a) Das Oberlandesgericht Köln, dem die Sache jetzt vorliegt, ist zur Bestimmung des zuständigen Gerichts berufen. Der Bundesgerichtshof, dem das Amtsgericht Euskirchen die Sache zunächst vorgelegt hatte, obliegt diese Bestimmung dagegen nicht. Dies hat der stellvertretende Vorsitzende des X. Zivilsenats in seiner eingehend begründeten Verfügung vom 18. September 2007 im Ergebnis - allerdings auch nur im Ergebnis - zutreffend erkannt. Gänzlich fehl geht es dagegen, daß dieses Ergebnis in jener Verfügung auf die - mit früheren Entscheidungen des Bundesgerichtshofs und den Motiven des Gesetzgebers begründete - Auslegung des § 36 ZPO gestützt wird. Der stellvertretende Vorsitzende des X. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs hat verkannt, daß § 36 ZPO hier überhaupt nicht anwendbar ist, weil es sich bei der vorliegenden Sache um eine Nachlaßsache (Erbscheinsverfahren) und damit um eine Angelegenheit der Freiwilligen Gerichtsbarkeit handelt. Dies ist selbst bei nur flüchtiger Befassung mit der Sache ohne weiteres aus dem Akteninhalt zu ersehen. Schon die Aufschrift auf den Deckeln der dem Bundesgerichtshof übersandten, jeweils wenige Blatt umfassenden Akten, auf denen in Fettdruck angegeben ist "Akten über die Verfügung von Todes wegen" sowie "Akten über den Nachlaß", aber auch der grüne Farbton dieser Aktendeckel deuten unübersehbar darauf hin.

Im Verfahren der Freiwilligen Gerichtsbarkeit - und daher auch in der vorliegenden Nachlaßsache - ist § 36 ZPO nicht anzuwenden. Der Anwendungsbereich jener Norm beschränkt sich auf die der Zivilprozeßordnung unterliegenden Verfahren (vgl. Zöller/Vollkommer, ZPO, 26. Aufl. 2007, § 36, Rdn. 2 mit weit. Nachw.; auch in der von dem Bundesgerichtshof herangezogenen 24. Aufl. dieses Werks stand nichts anderes). Die Bestimmung des zuständigen Gerichts im Verfahren der Freiwilligen Gerichtsbarkeit ist ausdrücklich in einer anderen Vorschrift, nämlich in § 5 Abs. 1 Satz 1 FGG geregelt. Diese Vorschrift sieht - und zwar nicht erst seit Ende 1997 - vor, daß im Verfahren der Freiwilligen Gerichtsbarkeit bei Streit oder Ungewißheit, welches von mehreren Gerichten zuständig ist, das zuständige Gericht durch das gemeinschaftliche obere Gericht, und falls dies der Bundesgerichtshof ist, durch dasjenige Oberlandesgericht bestimmt wird, zu dessen Bezirk das zuerst angerufene Gericht gehört.

Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt. Zwischen den Richtern des Amtsgerichts Euskirchen und des Amtsgerichts Schöneberg besteht Streit über die Zuständigkeit; beide haben die Bearbeitung der Sache abgelehnt. Zur Entscheidung berufen ist das Oberlandesgericht Köln, weil das in seinem Bezirk gelegene Amtsgericht Euskirchen als erstes mit der Sache befaßt war. Beim Amtsgericht Euskirchen ist das handschriftliche Testament der Erblasserin vom 11. Juli 2998 eröffnet worden, und dort hat der Antragsteller den Erbscheinsantrag gestellt.

b) Derzeit zuständig ist das Amtsgericht Schöneberg. Dies folgt aus § 73 Abs. 2 Satz 1 FGG. Diese Bestimmung begründet die örtliche Zuständigkeit des Amtsgerichts Berlin-Schöneberg für Nachlaßsachen dann, wenn der Erblasser Deutscher ist und zur Zeit des Erbfalls im Inland weder Wohnsitz noch Aufenthalt hatte. Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt. Nach den Angaben des Antragstellers in seinem Erbscheinsantrag vom 21. Mai 2007, an denen zu zweifeln insoweit kein Anlaß besteht, war die Erblasserin, seine Ehefrau, deutsche Staatsangehörige. Sie hielt sich im Zeitpunkt ihres Todes nicht im Inland auf, sondern ist in Frankreich verstorben. Dorthin hatte sie auch ihren Wohnsitz verlegt, wie sich aus dem im Betreuungsverfahren ergangenen Beschluß des Amtsgerichts Euskirchen vom 14. November 2006 ergibt. Hiermit stehen die weiter in Kopie zur Akte gereichten Unterlagen in Einklang, aus denen sich ergibt, daß die Erblasserin nur bis zum 26. August 2006 in einem Altenheim in Zülpich gewohnt hat und dann zu ihrer Tochter nach N in Frankreich verzogen ist.

c) Allerdings kann das Amtsgericht Berlin-Schöneberg eine Nachlaßsache, für deren Bearbeitung es nach § 73 Abs. 2 Satz 1 FGG zuständig ist, nach § 73 Abs. 2 Satz 2, 1. Halbsatz FGG aus wichtigen Gründen an ein anderes Amtsgericht abgeben. Eine solche Abgabe ist nach § 73 Abs. 2 Satz 2, 2. Halbsatz FGG für das Gericht, an das es das Verfahren abgibt, bindend. Auch im Verfahren nach § 5 Abs. 1 FGG findet dann keine Nachprüfung statt, ob wirklich wichtige Gründe für die Abgabe gegeben sind (vgl. KG OLGZ 1966, 127 [129]; KG OLGZ 1979, 257 [260]; OLG Frankfurt, NJW-RR 1998, 367; Bassenge/Roth, FGG / RPflG, 11. Aufl. 2007, § 73 FGG, Rdn. 4; Jansen/Müller-Lukoschek, FGG, 3. Aufl. 2006, § 73, Rdn. 27). Der Gesetzgeber hat diese Regelung im Vertrauen auf eine sachgemäße Würdigung der Umstände des Einzelfalls durch das Amtsgericht Schöneberg getroffen (vgl. BayObLG FamRZ 1992, 464). Ob eine Handhabung, wie sie in der Verfügung dieses Amtsgerichts vom 11. Juni 2007 zutage getreten ist, dieses Vertrauen rechtfertigt, bedarf hier keiner Entscheidung.

Die Bindung nach § 73 Abs. 2 Satz 2, 2. Halbsatz FGG setzt allerdings voraus, daß das Amtsgericht Schöneberg seine örtliche Zuständigkeit nach § 73 Abs. 2 Satz 1 FGG bejaht hat; nur dann ist es zu einer bindenden Abgabe an ein anderes Gericht aus wichtigem Grunde befugt (vgl. OLG Hamm, OLGZ 1975, 413 [415 f.]; OLG Frankfurt, NJW-RR 1998, 367; Bassenge/Roth, a.a.O.; Winkler in Keidel/Kuntze/Winkler, FGG, 15. Aufl. 2003, § 73, Rdn. 35; teilw. mit weit. Nachw.). An dieser Voraussetzung fehlt es hier, denn das Amtsgericht Schöneberg hat in der Abgabeverfügung vom 11. Juni 2007 seine Zuständigkeit nach § 73 Abs. 2 Satz 1 FGG gerade nicht geprüft und bejaht, sondern offen gelassen ("ggf."). Es hat es sogar ausdrücklich für möglich erachtet, daß seine Abgabe auch "gegenstandslos" sein könne. Eine solche Verfügung legt die Zuständigkeit noch nicht bindend fest. Als örtlich zuständiges Gericht ist in dem Zuständigkeitsstreit deshalb - unbeschadet seiner Abgabebefugnis nach § 73 Abs. 2 Satz 2 FGG - das Amtsgericht Berlin-Schöneberg zu bestimmen (vgl. OLG Hamm, OLGZ 1975, 413).

Ende der Entscheidung

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