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Gericht: Oberlandesgericht Köln
Beschluss verkündet am 22.07.2004
Aktenzeichen: 2 X (Not) 32/04
Rechtsgebiete: DONW, BNotO


Vorschriften:

DONW § 55 Abs. 3
DONW § 55 Abs. 3 Satz 1
DONW § 55 Abs. 3 Satz 3
DONW § 55 Abs. 3 Satz 4
DONW § 55 Abs. 3 Satz 5
BNotO § 96 Satz 1
BNotO § 99
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Vorsitzender Richter am Landgericht N wird von seinem Amt als Untersuchungsführer in dem Disziplinarverfahren gegen den Betroffenen - I G 1108 - abberufen.

Gründe: I. Das Justizministerium des Landes Nordrhein-Westfalen leitete mit Verfügung vom 20.09.1999 gegen den Betroffenen das später von dem Beteiligten zu 1) übernommene förmliche Disziplinarverfahren ein. Zum Untersuchungsführer wurde der Beteiligte zu 3) bestellt, der seinerzeit Vorsitzender einer kleinen Strafkammer und mit 0,2 Richterpensum in der Verwaltung des Landgerichts Siegen (Notaraufsicht) tätig war. Inzwischen ist er Vorsitzender der Schwurgerichtskammer und einer allgemeinen großen Strafkammer. Bis Juni 2003 wurde das Disziplinarverfahren zunächst nicht weiter betrieben, weil gegen den Betroffenen in im wesentlichen gleicher Sache ein Strafverfahren anhängig war, das durch freisprechendes Urteil des Amtsgerichts Siegen vom 17.04.2001 am 06.05.2003 nach Rücknahme der von der Staatsanwaltschaft eingelegten Berufung rechtskräftig abgeschlossen wurde. Mit Schreiben vom 30.10.2003 teilte der Beteiligte zu 3) mit, dass das Disziplinarverfahren auf absehbarer Zeit wegen seiner Überlastung im Hauptamt nicht gefördert werden könne. Seit Januar 2002 verhandele er in der Schwurgerichtskammer eine Umfangssache, die bis vorerst Juni 2004 terminiert sei. Daneben sei der "normale" Kammerbetrieb zu leisten mit zeitweise ganztägigen Hauptverhandlungen in Haftsachen an in der Regel 4 - 5 Wochentagen, was sich in 2004 voraussichtlich nicht ändern werde. Unter Berücksichtigung der Zeiten für die Vorbereitung auf die Hauptverhandlungen und die Dezernatsarbeit verbleibe keine Zeit, das Disziplinarverfahren zu fördern. Mit Bericht vom 09.01.2004 bestätigte der Präsident des Landgerichts Siegen unter Bezugnahme auf ein weiteres Schreiben des Beteiligten zu 3) vom gleichen Tag diese Darstellungen und führte weiter aus, dass neben dem erwähnten Umfangsverfahren weitere Hauptverhandlungen, darunter mehrere Haftsachen mit jeweils einer größeren Zahl von Verhandlungstagen bereits terminiert seien bzw. unmittelbar vor der Terminierung stünden. Im Hinblick darauf beantragt der Beteiligte zu 2) mit am 04. Februar 2004 beim Senat eingegangenen Schriftsatz, den vom Justizministerium des Landes Nordrhein-Westfalen mit Verfügung vom 17.09.1999 bestellten Untersuchungsführer Herrn Vorsitzenden Richter am Landgericht N von seinem Amt abzuberufen. Der Betroffene hat mit Schriftsatz vom 29.04.2004 mitgeteilt, dass Einwendungen gegen die Auswechslung des Untersuchungsführers nicht erhoben werden. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die teilweise beigezogenen Akten des Disziplinarverfahrens I G 1108 Bezug genommen. II. Der Beteiligte zu 3) war gemäß § 55 Abs. 3 Satz 5 DONW i.V.m. § 96 Satz 1 BNotO aus wichtigem Grunde wegen dienstlicher Überlastung durch den Senat (§ 99 BNotO, § 55 Abs. 3 Satz 5 DONW) abzuberufen. Aufgrund der vom Beteiligten zu 1) glaubhaft gemachten Umständen, die durch den Inhalt der beigezogenen Akten bestätigt werden, ist der Beteiligte zu 3) dienstlich überlastet, worin ein wichtiger Grund für seine Abberufung als Untersuchungsführer liegt. Die Abberufung eines Untersuchungsführers in Disziplinarverfahren ist gemäß § 55 Abs. 3 Sätze 4 und 5 DONW (hier i.V.m. § 96 Satz 1 BNotO) nur unter engen Voraussetzungen zulässig, denn kraft der ihm verliehenen Unabhängigkeit bei der Durchführung der Untersuchung steht ein Wechsel des Untersuchungsführers unter dem Schutz des entsprechend anwendbaren Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG, wonach niemand seinem gesetzlichen Richter entzogen werden darf (vgl. BVerwGE 93, 151 ff., BVerwGE 113, 32 ff.). Vor diesem Hintergrund und um die in § 55 Abs. 3 Satz 1 DONW ausdrücklich normierte Unabhängigkeit und Weisungsungebundenheit des Untersuchungsführers zu gewährleisten, sind die Anforderungen, die an das Vorliegen eines wichtigen Grundes für eine Abberufung des Untersuchungsführers gemäß § 55 Abs. 3 Satz 5 DONW zu stellen sind, hoch anzusetzen. Dem hat der Gesetzgeber in formeller Hinsicht dadurch Rechnung getragen, dass die Entscheidung über die Abberufung des Untersuchungsführers der Disziplinarkammer zugewiesen ist, der in Disziplinarsachen gegen Notare gemäß § 99 BNotO der Senat für Notarsachen des Oberlandesgerichts entspricht. In materieller Hinsicht ist erforderlich, dass der Abberufungsgrund von ähnlichem Gewicht ist wie die übrigen in § 55 Abs. 3 DONW genannten Gründe. Das ist der Fall, wenn - wie hier - der Untersuchungsführer in seinem Hauptamt dienstlich überlastet ist (amtliche Begründung LT NW - 6. WP - Drucks.Nr. 1176, Seite 65; OVG Nordrhein-Westfalen OVGE 33, 237, 240). Einer solchen Wertung steht nicht entgegen, dass Disziplinarsachen aus dem Gebot der Fürsorge folgend für jede damit befasste Stelle eilbedürftige Angelegenheiten sind und dementsprechend nur ein Untersuchungsführer bestellt werden darf, der auch in der Lage ist, diese Aufgabe mit Vorrang vor den Aufgaben seines Hauptamtes zu erledigen. Im Hauptamt ist der Untersuchungsführer ggfls. angemessen zu entlasten (vgl. BVerwGE 93, 151 ff. m.w.N.). Gerade in den Fällen, in denen ein Richter zum Untersuchungsführer bestellt worden ist, ist indessen zu berücksichtigen, dass ein solcher Untersuchungsführer auch in seinem Hauptamt unabhängig und weisungsungebunden ist und gleichermaßen wie in dem Disziplinarverfahren den in seine geschäftsplanmäßige Zuständigkeit fallenden Strafverfahren gemäß Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG als gesetzlicher Richter verpflichtet. Anders als in den Fällen, in denen ein - weisungsabhängiger - Beamter Untersuchungsführer ist, kann der Richter von seinen Aufgaben im Hauptamt daher nicht ohne weiteres entbunden werden. Da zweifelsohne dem hier anhängigen, bereits seit 1999 geführten Disziplinarverfahren jedenfalls die Haftsachen vorgehen, andererseits aber auch das Disziplinarverfahren im Interesse des Betroffenen, hier insbesondere wegen des bereits seit Mai 2003 rechtskräftigen Freispruches im Strafverfahren, eine eilbedürftige Angelegenheit und daher zu fördern ist, stellt unter den gegebenen Umständen die dienstliche Überlastung des Beteiligten zu 3) einen wichtigen Grund für seine Abberufung dar, der den in § 55 Abs. 3 Satz 3 und 4 genannten Gründen durchaus vergleichbar ist, weil der Untersuchungsführer aufgrund seiner derzeit nicht behebbaren dienstlichen Überlastung tatsächlich und selbst unverschuldet verhindert ist, das Disziplinarverfahren zu fördern. Deshalb war der Beteiligte zu 3) von seinem Amt als Untersuchungsführer in dem Disziplinarverfahren gegen den Betroffenen abzuberufen.

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