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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Köln
Urteil verkündet am 08.05.2009
Aktenzeichen: 20 U 165/08
Rechtsgebiete: BB-BUZ, AGBG


Vorschriften:

BB-BUZ § 2
BB-BUZ § 7
AGBG § 5
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die Berufung der Beklagten gegen das am 29. August 2008 verkündete Urteil des Landgerichts Aachen - 9 O 219/05 - wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages abwenden, sofern nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird zugelassen.

Gründe:

I.

Die Parteien streiten um die Verpflichtung der Beklagten zur Fortzahlung von Leistungen aus einer Berufsunfähigkeitszusatzversicherung, die die Beklagte im Wege des Nachprüfungsverfahrens eingestellt hat.

Die Klägerin unterhielt bei der Beklagten eine seit dem 1. September 2000 laufende fondsgebundene Rentenversicherung mit Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung. Dieser lagen die als Anlage B 1 vorgelegten Bedingungen der Beklagten für die Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung zugrunde. Nachdem die Klägerin im Jahre 2001 mehrere Gehirnblutungen erlitten hatte und am Schädel operiert worden war, erkannte die Beklagte mit Schreiben vom 18. Juli 2002 die Berufsunfähigkeit der Klägerin ab dem 1. November 2001 an. Zu diesem Zeitpunkt befand sich die Klägerin als Kreissekretärsanwärterin in der Ausbildung zur Kreissekretärin, die sie im August 2000 begonnen hatte. Die Klägerin setzte die Ausbildung - unterbrochen durch Krankheitszeiten - fort und war im Rahmen der Ausbildung zuletzt wieder sechs Stunden täglich tätig. Dies teilte sie der Beklagten in einer Selbstauskunft zur Nachprüfung der Berufsunfähigkeit unter dem 26. Juli 2004 mit. Nach Abschluss der Ausbildung im September 2004 arbeitete die Klägerin als Sachbearbeiterin im Kreissozialamt mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 19,25 Stunden. Mit Änderungsmitteilung vom 22. Oktober 2004 kündigte die Beklagte die Einstellung der Berufsunfähigkeitsleistungen zum 1. Dezember 2004 an. Zur Begründung führte sie aus, nach den ihr vorliegenden aktuellen ärztlichen Befundberichten und Stellungnahmen habe sich der Gesundheitszustand der Klägerin soweit gebessert, dass sie ihre frühere Tätigkeit als Kreissekretäranwärterin wieder sechs Stunden täglich ausüben könne.

Die Klägerin hat behauptet, sie sei mindestens zu 50 % berufsunfähig. Sie könne ihre Tätigkeit, die im Bereich "Hilfe zur Pflege" die komplette Sachbearbeitung im mittleren Dienst erfasse, nicht mehr als 3,8 Stunden täglich ausüben. Die Klägerin hat dazu eine ärztliche Bescheinigung des Facharztes für Allgemeinmedizin O. (Bl. 21 d.A.) vorgelegt und zu ihrer Tätigkeit als Kreissekretärin näher vorgetragen.

Sie hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen,

1. an sie rückständige Berufsunfähigkeitsrente für den Zeitraum von Dezember 2004 bis April 2005 in Höhe von 2.776,50 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 13. Mai 2005 zu zahlen;

2. ab Mai 2005 jeweils monatlich im voraus eine laufende Berufsunfähigkeitsrente in Höhe von mindestens monatlich 555,30 € zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat behauptet, die Klägerin könne wieder sechs Stunden täglich tätig sein, und hat sich dazu insbesondere auf den Entlassungsbericht des Klinikums St. Q-P vom 6. Oktober 2004 (Anl. B 9, Bl. 128 ff. d.A.) berufen.

Das Landgericht hat durch Einholung eines schriftlichen Sachverständigengut- achtens Beweis erhoben zur Frage, ob die Klägerin aufgrund einer Besserung des Gesundheitszustandes ihren Beruf als Sachbearbeiterin im Kreissozialamt wieder zu mindestens 50 % ausüben könne. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das psychiatrische Gutachten des Prof. Dr. T und den Bericht über die testpsychologische Zusatzuntersuchung vom 22. September 2006 (Bl. 232 ff. d.A.), die ergänzende psychiatrische Stellungnahme vom 28. Juni 2007 (Bl. 320 ff. d.A.) und das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 4. Juli 2008 (Bl. 355 ff. d.A.) Bezug genommen.

Mit dem angefochtenen Urteil hat das Landgericht der Klage mit der Begründung stattgegeben, der Beklagten sei nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme nicht der Nachweis gelungen, dass sich der Gesundheitszustand der Klägerin gegenüber dem Leistungsanerkenntnis vom 18. Juli 2002 soweit gebessert habe, dass sie in der Lage sei, ihren Beruf als Sachbearbeiterin im Kreissozialamt zu mehr als 50 % wieder auszuüben. Wegen der Einzelheiten der Begründung wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

Hiergegen richtet sich die Berufung, mit der die Beklagte im Wesentlichen gel-tend macht: Das landgerichtliche Urteil sei schon im Ausgangspunkt fehlerhaft, indem es für die Frage, ob der Grad der Berufsunfähigkeit unter 50 % gesunken sei, auf den Beruf der Kreissekretärin im Sozialamt abstelle. Maßgeblich sei nach den Bedingungen allein, ob der Versicherte im Zeitpunkt der Nachprüfungsentscheidung nicht mehr gesundheitsbedingt außerstande sei, seine im Zeitpunkt des Eintritts des Versicherungsfalls tatsächliche berufliche Tätigkeit mehr als halbschichtig auszuüben. Dies sei hier die Tätigkeit als Auszubildende im mittleren Verwaltungsdienst. Fehlerhaft sei ferner die Feststellung des Landgericht, es könne nicht davon ausgegangen werden, dass die Klägerin imstande sei, zu mehr als 50 % als Sachbearbeiterin des Kreissozialamtes tätig zu sein. Soweit die Klägerin in dem von ihr vorgelegten und der Begutachtung durch den Sachverständigen zugrunde gelegten Wochenplan ein Arbeitspensum von 3,8 Stunden täglich bzw. 19,25 Stunden wöchentlich angegeben habe, gehe die Beklagte davon aus, dass dies schon mehr als einer halbschichtigen Tätigkeit einer Sachbearbeiterin des Kreissozialamtes entspreche und die wöchentliche Arbeitszeit einer solchen bei vollschichtiger Tätigkeit bei 38 Stunden oder darunter liege. Die Feststellungen des Sachverständigen seien schon deshalb unzureichend, weil dem Sachverständigen nicht die richtigen Fragen gestellt worden seien und er die aktuelle Tätigkeit der Klägerin zugrunde gelegt habe. Sie seien aber auch im Übrigen nicht überzeugend. Sie seien nicht vereinbar mit dem Bericht des Neurologischen Interdisziplinären Behandlungszentrums L vom 18. Dezember 2002 bzw. 14. Januar 2003 (Bl. 284 d.A.) und dem Abschlussbericht der S-Reha-Klinik St. Q-P vom 6. Oktober 2004 (Bl. 129 ff. d.A.). Sie seien ferner insofern in sich widersprüchlich und nicht nachvollziehbar, als der unauffällige psychische Befund des Gutachters nicht zu seiner Auswertung der testpsychologischen Verfahren passe. Schließlich habe das Landgericht sich unzureichend mit dem von der Beklagten eingeholten medizinischen Gutachten des Privatgutachters Dr. I. auseinander gesetzt, das im Gegensatz zu den Erkenntnissen des gerichtlichen Sachverständigen stehe.

Die Beklagte beantragt,

das angefochtene Urteil abzuändern und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil und vertritt ergänzend die Auffassung, die Änderungsmitteilung der Beklagten vom 22. Oktober 2004 entspreche nicht den Anforderungen, die die Rechtsprechung an eine solche stelle.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg.

Die Beklagte hat die Berufsunfähigkeitsleistungen zu Unrecht eingestellt.

Voraussetzung für die Einstellung der Berufsunfähigkeitsleistungen ist gemäß § 9 (1) der Bedingungen der Beklagten für die Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung, dass eine Berufsunfähigkeit im Sinne von § 1 der Bedingungen nicht mehr vorliegt. Berufsunfähigkeit liegt gemäß § 1 (1) der Bedingungen vor, wenn die versicherte Person infolge Krankheit, Körperverletzung oder Kräfteverfalls, die ärztlich nachzuweisen sind, voraussichtlich mindestens sechs Monate ununterbrochen zu mindestens 50 % außer Stande ist, ihrem zuletzt vor Eintritt dieses Zustands ausgeübten Beruf nachzugehen. Übt die versicherte Person nach Eintritt dieses Zustandes eine andere, ihrer Ausbildung und Erfahrung sowie bisherigen Lebensstellung entsprechende Tätigkeit aus und ist sie dazu auf Grund ihrer gesundheitlichen Verhältnisse zu mehr als 50 % in der Lage, liegt gemäß § 1 (2) der Bedingungen keine Berufsunfähigkeit vor.

1. Im Rahmen der Prüfung, ob bei der Klägerin Berufsunfähigkeit im Sinne von § 1 der Bedingungen nicht mehr vorliegt, stellt sich zunächst die Frage, welche Tätigkeit dafür zugrunde zu legen ist. Die Klägerin war, als sie am 1. November 2001 berufsunfähig wurde, in der Ausbildung zur Kreissekretärin. Diese Ausbildung hatte sie in dem Zeitpunkt, in dem die Änderungsmitteilung der Beklagten erfolgte, abgeschlossen. Seither ist sie in dem erlernten Beruf als Kreissekretärin im Kreissozialamt tätig. Bezogen auf die Tätigkeit in der Ausbildung zur Kreissekretärin dürfte der Wegfall der Berufsunfähigkeit kaum zu verneinen sein. Die Klägerin hat selbst vorgetragen, in der Ausbildung zuletzt (seit Dezember 2003) wieder in der Lage gewesen zu sein, sechs Stunden täglich zu arbeiten. Dass sich ihre Leistungsfähigkeit seither verschlechtert hat, ist weder ersichtlich noch vorgetragen. Bezogen auf die Tätigkeit als Kreissekretärin im Kreissozialamt kommt es dagegen auf die Würdigung der vorliegenden ärztlichen Stellungnahme, insbesondere des vom Landgericht eingeholten Sachverständigengutachtens an.

Nach Auffassung des Senats ist auf die Tätigkeit der Klägerin als Kreissekretärin im Kreissozialamt abzustellen.

Bezugspunkt für die Beurteilung der Berufsunfähigkeit ist nach dem ausdrücklichen Wortlaut in § 1 (1) der Bedingungen der Beklagten der "zuletzt vor Eintritt dieses Zustands [der Berufsunfähigkeit] ausgeübte Beruf". Das ist grundsätzlich die konkrete Berufstätigkeit, so wie sie sich zuletzt in gesunden Tagen dargestellt hat. Wie dies dann zu beurteilen ist, wenn es sich bei dieser Tätigkeit um eine Ausbildung handelt, ist allerdings zweifelhaft.

Unproblematisch ist noch der Ausgangspunkt, dass - wenn eine Versicherung - wie hier - in einem Vertrag ohne Sonderklauseln einen Auszubildenden gegen Berufsunfähigkeit versichert, damit zumindest stillschweigend der Berufsbegriff auf die Ausbildung ausgedehnt wird, letztere mithin wie ein Beruf anzusehen ist (OLG Zweibrücken, VersR 1998, 1364; OLG München, VersR 2005, 966; Voit/Knappmann in: Prölss/Martin, Versicherungsrecht 27. Aufl. § 2 BUZ Rdn. 11; Voit/Neuhaus, Berufsunfähigkeitsversicherung 2. Aufl. 2009 F Rdn. 34).

Umstritten ist aber, ob bei der Beurteilung der Berufsunfähigkeit allein auf die Ausbildungstätigkeit oder ob und inwieweit im Hinblick darauf, dass die Ausbildung der Verwirklichung eines bestimmten Berufsziels dient, auf den angestrebten Beruf abgestellt werden muss (vgl. dazu Voit/Neuhaus, aaO Rdn. 35 f.). Der Bundesgerichtshof hat diese Frage, soweit ersichtlich, bislang nicht entschieden. Das OLG München stellt allein auf die konkrete Tätigkeit in der Ausbildung ab (OLG München VersR 2005, 966). Die Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung sei keine "Karriere-Versicherung", die das Risiko des Versicherten abdecke, dass er aus gesundheitlichen Gründen eine künftige berufliche Besserstellung nicht erreichen könne. Versichert sei allein der Status des Versicherten. Eine zukünftige berufliche Tätigkeit könne nicht einmal dann als ausgeübter Beruf im Sinne von § 2 BB-BUZ verstanden werden, wenn insoweit bereits ein Arbeits- oder Anstellungsvertrag vorliege (OLG München aaO; vgl. auch OLG Hamm RuS 1990, 355). Nach Auffassung des OLG Zweibrücken (RuS 1999, 390) hängt die Frage, auf welche Tätigkeit abzustellen ist, von den Umständen des Einzelfalls, insbesondere der Dauer der vorgehabten Ausbildung und der bereits absolvierten Zeit bis zum Wegfall der Leistungsfähigkeit ab. Danach wäre desto eher auf den angestrebten Beruf abzustellen, je weiter die Ausbildung fortgeschritten ist. Wie danach im vorliegenden Fall zu entscheiden wäre, in dem im Zeitpunkt des Eintritts der Berufsunfähigkeit die Hälfte der vorgesehenen Ausbildungszeit von zwei Jahren absolviert war, ist fraglich. Nach den Umständen des Einzelfalls hat auch das OLG Koblenz in einem Urteil vom 17. Dezember 1993 (RuS 1994, 195) entschieden, das darüber hinaus eine gewisse Neigung dahingehend hat erkennen lassen, generell bei Bestehen eines Ausbildungsverhältnisses für die Frage der Berufsunfähigkeit die Anforderungen und die die Lebensstellung prägenden Umstände der vollen Ausübung des angestrebten Ausbildungsberufs für die Beurteilung ausschlaggebend sein zu lassen oder sie jedenfalls mit zu berücksichtigen. Begründet wird dies im Urteil des OLG Koblenz damit, dass aus der Sicht des Versicherungsnehmers der Versicherer, der mit einem Auszubildenden eine Berufsunfähigkeitsversicherung abschließe, diesem nicht nur Schutz gegen den vollständigen Wegfall jeder Möglichkeit zur Berufstätigkeit versprechen dürfte, sondern gerade auch Schutz gegen den Wegfall der Möglichkeit, den mit der begonnenen Ausbildung beschrittenen beruflichen Lebensweg fortführen zu können (so auch OLG Dresden VersR 2008, 1251). Dieser Gesichtspunkt dürfe es jedenfalls rechtfertigen, auch unter Heranziehung von § 5 AGBG, die Voraussetzungen für den Eintritt der versicherten Berufsunfähigkeit in solchen Fällen nicht zu eng zu interpretieren (OLG Koblenz aaO).

Hinzu kommt im vorliegenden Fall, dass die Frage nach dem richtigen Bezugspunkt für die Beurteilung der Berufsunfähigkeit sich nicht im Rahmen der Ausgangsentscheidung über die Anerkennung der Berufsunfähigkeit stellt, bei der diese Frage schon deshalb keine entscheidende Rolle spielte, weil die Klägerin damals unstreitig auch bezogen auf die Ausbildungstätigkeit berufsunfähig war. Sie stellt sich vielmehr im Rahmen des Nachprüfungsverfahrens in einem Zeitpunkt, in dem die Ausbildung nach erfolgreichem Abschluss beendet ist und auch nicht mehr fortgesetzt werden kann und die Klägerin in konsequenter Fortsetzung des mit der Ausbildung beschrittenen beruflichen Lebenswegs in dem erlernten Beruf tätig ist.

Das Landgericht hat in diesem Fall die Auffassung vertreten, bei der Ausgangsentscheidung über die Berufsunfähigkeit sei auf die Tätigkeit in der Ausbildung abzustellen gewesen. Es hat dann aber gemeint, bei der zu beurteilenden Nachprüfungsentscheidung sei das anders. Es sei sinnwidrig, die Klägerin nach erfolgreich beendeter Ausbildung den Versicherungsnehmer darauf zu verweisen, er müsse "die Ausbildung fortsetzen".

Die Auffassung des Landgerichts ist - abgesehen davon, dass die vom Landgericht weiter gegebene Begründung aus § 1 (2) der Bedingungen der Beklagten nicht trägt, weil diese Bestimmung die hiervon zu unterscheidende Frage-stellung der Verweisung regelt - nachvollziehbar. Sie ist aber aus Sicht des Senats kaum mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (VersR 2000, 171) vereinbar, nach der der Begriff der Berufsunfähigkeit in BB-BUZ §§ 2 und 7 inhaltlich deckungsgleich ist, eine Differenzierung im Prüfungsmaßstab bei Eintritt von Berufsunfähigkeit einerseits und deren Fortbestand andererseits nicht in Betracht kommt. Der untrennbare Zusammenhang zwischen § 2 und § 7 BB-BUZ, mit dem der Bundesgerichtshof diese Deckungsgleichheit begründet hat, besteht in gleicher Weise zwischen §§ 9 und 1 der Bedingungen der Beklagten, so dass danach wohl auch hier von Deckungsgleichheit ausgegangen werden müsste.

Der Senat geht vor dem Hintergrund dieser Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs davon aus, dass die Anforderungen der Tätigkeit als fertige Kreissekretärin nur zu berücksichtigen sein können, wenn und soweit sie auch bei der Ausgangsentscheidung über die Berufsunfähigkeit zu berücksichtigen wären. Er vertritt in dieser Frage mit dem OLG Koblenz (RuS 1994, 195) und Voit/Neuhaus (aaO Rdn. 36) die Auffassung, dass die Anforderungen der vollen Ausübung des angestrebten Ausbildungsberufs schon bei der Beurteilung des Eintritts der Berufsunfähigkeit während der Ausbildung zu berücksichtigen sind, weil es mit Sinn und Zweck der Berufsunfähigkeitsversicherung, so wie sie der Versicherungsnehmer verstehen muss, schlecht vereinbar wäre, einen Versicherungsnehmer in einer Ausbildung als berufsfähig anzusehen, die zu einem Beruf führt, den er nicht ausüben könnte. Danach muss zumindest in einem Fall wie dem vorliegenden, in dem die Ausbildung ein ganz konkretes Ausbildungsziel vor Augen hat, dieses Ausbildungsziel, also der angestrebte Beruf, Maßstab für die Beurteilung der Berufsunfähigkeit sein.

2. Dass die Klägerin die Tätigkeit als Kreissekretärin zu mehr als 50 % ausüben könnte, lässt sich nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme nicht feststellen.

Einer Tätigkeit zu 50 % entspräche derzeit - entgegen der Annahme der Beklagten in der Berufungsbegründung - eine wöchentliche Arbeitszeit von 20,5 Stunden, mithin eine tägliche Arbeitszeit von 4,1 Stunden. Ausweislich der Angaben auf der Internetseite des R. Kreises, bei dem die Klägerin tätig ist (www.R.-kreis.de), beträgt die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit derzeit 41,0 Stunden.

Der gerichtliche Sachverständige ist in seinem Gutachten zu dem Ergebnis gekommen, die Klägerin könne die Tätigkeit als Kreissekretärin nicht mehr als 3,8 Stunden täglich ausüben.

Das Landgericht ist diesem Gutachten zu Recht gefolgt. Die von der Beklagten gegen die Überzeugungskraft des Gutachtens vorgebrachten Argumente greifen nicht durch.

Das Gutachten ist zunächst in sich schlüssig und widerspruchsfrei.

Der Sachverständige stützt sein Ergebnis zum Einen auf die Auswertung der Ergebnisse der durchgeführten testpsychologischen Zusatzuntersuchung. Diese Auswertung setzt sich ausführlich mit den einzelnen Testergebnissen auseinander, macht die daran geknüpften Schlussfolgerungen seitens des Sachverständigen transparent und führt gut nachvollziehbar und in sich schlüssig zu der vom Sachverständigen vorgenommenen Bewertung der Leistungsfähigkeit der Klägerin. Die Auswertung lässt erkennen, dass dem Sachverständigen die von der Beklagten hervorgehobene Möglichkeit einer Manipulation der Testergebnisse durch den Probanden durchaus bewusst ist und er deshalb auch besonderes Augenmerk auf Anzeichen für eine Simulation gerichtet hat. Ausgehend von diesem Bewusstsein legt der Sachverständige überzeugend dar, dass und warum die Testergebnisse selbst so weitgehend gegen ein Simulationsverhalten der Klägerin sprechen, dass aus seiner Sicht die Durchführung des von der Beklagten vermissten Symptomvalidierungs-tests nicht erforderlich war. So ist es ohne weiteres nachvollziehbar, dass die durchweg vergleichsweise hohe Leistungsgüte bei vergleichsweise geringer Arbeitsgeschwindigkeit und der überdurchschnittliche Wert in den zeitunabhängigen Aufgaben des Hamburg-Wechsler Intelligenztests für Erwachsene gegen Simulationstendenzen sprechen (Bl. 255 f.). Diese Feststellungen des Sachverständigen decken sich zudem mit seinem klinischen Eindruck, der keine Hinweise auf eine Simulationstendenz ergab (Bl. 257 d.A.). Dass der Sachverständige vor diesem Hintergrund dem diskret erniedrigten Skalenwert in der Lügenskala keine ausschlaggebende Bedeutung beigemessen hat (Bl. 257 d.A.), ist ohne Weiteres nachvollziehbar.

Die Ergebnisse der testpsychologischen Zusatzuntersuchung stehen - jedenfalls unter Berücksichtigung der Ausführungen des Sachverständigen in der mündlichen Anhörung (Bl. 359 d.A.) - auch nicht im Widerspruch zu dem psychiatrischen Gutachten. Der Beklagten ist zuzugeben, dass die Ausführungen des Sachverständigen zum psychischen Befund in seinem psychiatrischen Ausgangsgutachten: "Der Antrieb war nicht gestört, die Probandin wirkte gegen Ende des Gespräches und der Untersuchung etwas müde. ... Die Konzentration war gut. ..." auf den ersten Blick gegen eine Leistungseinschränkung der Klägerin sprechen. Der Sachverständige hat aber auch durchaus zu Recht darauf hingewiesen, dass es sich bei dem Gespräch und der Testpsychologischen Untersuchung um unterschiedliche Situationen handelt, die dem-entsprechend die Konzentration unterschiedlich fordern. Ein echter Widerspruch ergibt sich aus den unterschiedlichen Feststellungen daher nicht.

Richtig ist, dass das psychiatrische Gutachten keinerlei Hinweise darauf enthält, wann das dem psychischen Befund zugrunde liegende Gespräch stattgefunden hat, wie lang eine etwaige Pause nach vorherigen Untersuchungen war, wie lange das Gespräch gedauert hat und welche Anhaltspunkte sich aus diesem Gespräch in Bezug auf die Leistungsfähigkeit ergeben. Soweit der Sachverständige in seiner ergänzenden psychiatrischen Stellungnahme vom 28. Juni 2007 ausführt, in dem Gespräch habe die Konzentrationsfähigkeit der Klägerin nach etwa 45 Minuten abgenommen, so dass eine eingeschränkte Belastbarkeit im ärztlichen Gespräch festgestellt worden sei, welche sich in der testpsychologischen Untersuchung bestätigt habe (Bl. 324 d.A.), ist der Wert dieser Aussage fragwürdig, nachdem sie in das Ausgangsgutachten in keiner Weise Eingang gefunden hat und im Zeitpunkt der ergänzenden Stellungnahme 1 1/2 Jahre seit den Untersuchungen vergangen sind.

Durchgreifende Bedenken gegen die Überzeugungskraft des gerichtlichen Gutachtens folgen daraus gleichwohl nicht. Die Begutachtung bietet in ihrer Gesamtheit - unter Berücksichtigung des in dem Bericht über die testpsychologische Zusatzuntersuchung auch geschilderten klinischen Eindrucks nebst Verhaltensbeobachtung (Bl. 260 d.A.) - eine ausreichende und überzeugende Entscheidungsgrundlage.

Das Gutachten des gerichtlichen Sachverständigen ist auch weder mit dem Bericht des Neurologischen Interdisziplinären Behandlungszentrums L vom 18. Dezember 2002 bzw. 14. Januar 2003 (Bl. 181 ff. d.A., Bl. 284 ff. d.A.) noch mit dem Abschlussbericht der S-Reha-Klinik St. Q-P vom 6. Oktober 2004 (Bl. 129 ff. d.A.) unvereinbar. Auch wenn es in dem Bericht des Neurologischen Interdisziplinären Behandlungszentrums L heißt, die neuropsychologische Abschlussdiagnostik habe keine Beeinträchtigungen mehr gezeigt, geht aus diesem Bericht zugleich hervor, dass durchaus - tagesformabhängig - auch weiterhin Leistungseinschränkungen bestanden (Bl. 188 d.A.). Bei Abschluss der damaligen Rehabilitationsmaßnahme erschien eine weiter neuropsychologische Intervention nicht notwendig. Der Klägerin wurde aber bei weiterhin auftretenden Schwierigkeiten in der Schule angeraten, eine ambulante neuropsychologische Therapie durchzuführen (Bl. 196 d.A.). Eine Aussage zur Arbeitsfähigkeit der Klägerin als Kreissekretärin enthält der Bericht nicht. In dem Abschlussbericht der S-Reha-Klinik St. Q-P vom 6. Oktober 2004 heißt es abschließend zwar (Bl. 135 d.A.), die letzte berufliche Tätigkeit als Verwaltungswirtin und Beamtin beim Kreissozialamt sei leidensgerecht und auch weiterhin bis zu sechs Stunden pro Tag ausführbar. Dieser Aussage kann aber schon deshalb keine maßgebliche Bedeutung beigemessen werden, weil aus dem Bericht nicht recht hervorgeht, von welcher Tätigkeit der Klägerin die Gutachter hierbei ausgegangen sind. Nach dem eigenen Vortrag der Klägerin müsste der Aufenthalt in der S-Reha-Klinik mit dem Ende der Ausbildung zusammengefallen sein. Danach soll die Ausbildung bis September 2004 gedauert haben. In der Arbeits- und Berufsanamnese (Bl. 130 d.A.) heißt es, die Klägerin sei seit Juni 2004 als Beamtin beim Kreissozialamt mit sechs Stunden täglich bei 30 Wochenstunden tätig. Im Bericht über das Neurologische Konsil/Dr. K vom 21. September 2004 (Bl. 133 d.A.) heißt es, die Patientin sei zur Zeit für eine Halbtagstätigkeit als Sachbearbeiterin beim Kreissozialamt beschäftigt. Hier heißt es, abgesehen davon, zugleich, dies müsse bei einer wohlwollenden Umgebung auch weiterhin möglich sein (Bl. 133 d.A.). Diese Aussage, die wohl nur dahingehend verstanden werden kann, dass allenfalls eine halbschichtige Tätigkeit möglich ist, wäre mit einem Verständnis der oben formulierten Aussage dahingehend, dass die Ausübung der Tätigkeit als Kreissekretärin sechs Stunden täglich möglich wäre, nicht zu vereinbaren. Schließlich ist dem - seinerseits nicht glücklich formulierten - Schreiben der S-Reha-Klinik vom 18. Februar 2005 (Bl. 361 d.A.) zu entnehmen, dass lediglich eine etwa halbschichtige Tätigkeit gemeint sein sollte.

Das Gutachten des gerichtlichen Sachverständigen steht schließlich nicht in Widerspruch zu den Ausführungen des Privatgutachters Dr. I. in seiner gutachtlichen Stellungnahme vom 16. Oktober 2006 (Bl. 291 ff. d.A.) und seiner ergänzenden Stellungnahme vom 23. Juli 2007 (Bl. 340 ff. d.A.). Herr Dr. I. hat in diesen Stellungnahmen keine eigene Bewertung der Leistungsfähigkeit der Klägerin aufgrund eigener Erkenntnisse vorgenommen, was ihm auch allein nach Aktenlage ohne eigenen Eindruck von der Klägerin nicht möglich sein dürfte. Er hat sich im Wesentlichen darauf beschränkt, die Schlüssigkeit und Nachvollziehbarkeit des gerichtlichen Gutachtens in Abrede zu stellen. Die von ihm und ihm folgend von der Beklagten gegen die Schlüssigkeit und Nachvollziehbarkeit des Gutachtens vorgebrachten Argumente greifen jedoch - wie vorstehend ausgeführt - nicht durch.

III.

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf § 97 Abs. 1, § 708 Nr. 10, § 711 ZPO.

IV.

Die Revision wird gemäß § 543 Abs. 2 ZPO im Hinblick darauf zugelassen, dass die über den konkreten Streitfall hinaus bedeutsame, streitentscheidende Rechtsfrage, ob und gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen bei der Beurteilung der Berufsunfähigkeit eines im Zeitpunkt der Eintritts der Berufsunfähigkeit Auszubildenden auf die Anforderungen des mit der Ausbildung angestrebten Berufs abzustellen ist, bislang höchstrichterlich nicht entschieden und die obergerichtliche Rechtsprechung dazu nicht einheitlich ist.

V.

Der Streitwert für die Berufung wird auf 26.099,10 € festgesetzt.

Ende der Entscheidung

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