Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Köln
Urteil verkündet am 11.12.2001
Aktenzeichen: 22 U 140/01
Rechtsgebiete: HGB, DÜG, ZPO, BGB


Vorschriften:

HGB § 25
HGB § 25 I
HGB § 25 I S. 1
HGB § 25 II
DÜG § 1
ZPO § 296 a
ZPO § 92 II
ZPO § 97
ZPO § 708 Nr. 10
ZPO § 711
BGB § 826
BGB § 288
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT KÖLN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

22 U 140/01

Anlage zum Protokoll vom 11.12.2001

Verkündet am 11.12.2001

In dem Rechtsstreit

pp.

hat der 22. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln auf die mündliche Verhandlung vom 30.10.2001 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. Müller, die Richterin am Oberlandesgericht Eickmann-Pohl und den Richter am Oberlandesgericht Dr. Törl

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Klägerin und unter Zurückweisung ihrer weitergehenden Berufung wird das Urteil der 8. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Köln vom 15.02.2001 - 88 O 99/00 - abgeändert und wie folgt neu gefaßt:

Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 177.619,20 DM nebst 4 % Zinsen aus jeweils 20.416,- DM seit dem 7.9.1998, 7.12.1998, 8.3.1999, 6.4.1999, 6.5.1999, 7.6.1999, 6.7.1999 und 6.8.1999, weitere 4 % Zinsen aus 4.083,20 DM seit dem 8.2.1999 sowie weitere 4 % Zinsen aus 10.208,- DM seit dem 6.9.1999 zu zahlen.

Im übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens in erster und zweiter Instanz trägt die Beklagte.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagte kann die Vollstreckung durch die Klägerin durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Die jeweiligen Sicherheiten können auch durch selbstschuldnerische Bürgschaft einer deutschen Großbank, öffentlich-rechtlichen Sparkasse, Volks- oder Raiffeisenbank erbracht werden.

Tatbestand:

Die Eltern des Geschäftsführers der Beklagten, Frau R. und Herr W. V. mieteten durch auf 10 Jahre befristeten Vertrag vom 6.6.1990 (Anl. K 1) das Gewerbeobjekt der Klägerin in K.-H., H.straße 3, zum Betrieb eines Küchenstudios unter der Bezeichnung "Küchenstudio W. V.". Die am 8.4.1994 gegründete Beklagte, deren alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer der Sohn der Eheleute V. ist, wurde am 28.3.1995 in das Handelsregister eingetragen (Anl. K 3). In der Zeit vom 10.1. bis 5.2.1994 führte der Zeuge W. V., der Inhaber des genannten Küchenstudios, einen Räumungsverkauf durch. Nach Durchführung von Renovierungs- und Modernisierungsmaßnahmen und Ankündigung einer Neueröffnung am 18.3.1994 betrieb die Beklagte in den Geschäftsräumen unter der Bezeichnung "V. Küchen GmbH" den Verkauf von Küchen. Den Mietzins zahlte sie in Absprache mit den Eheleuten V. unmittelbar an die Klägerin.

Da ab September 1998 der Mietzins nicht mehr, bzw. nicht mehr vollständig, gezahlt wurde, erhob die Klägerin Klage gegen die Eheleute V. auf Zahlung der Rückstände für den Zeitraum September 1998 bis September 1999. Durch rechtskräftiges Urteil des Landgerichts Köln vom 12.4.2000 - in Verbindung mit dem Vorbehaltsanerkenntnisurteil des Landgerichts vom 17.11.1999 - 28 0 479/99 - (Anl. K 5 und K 6) wurden die Eheleute V. antragsgemäß zur Zahlung von 177.619,20 DM nebst Zinsen verurteilt. Die Zwangsvollstreckung der Klägerin aus diesem Titel war bisher erfolglos.

Mit der vorliegenden Klage hat die Klägerin die Beklagte für die titulierten Verbindlichkeiten der Eheleute V. aus Schuldbeitritt und aus § 25 HGB in Anspruch genommen.

Die Klägerin hat vorgetragen, die Beklagte hafte für die Mietschulden der Eheleute V. aus einem mit diesen von der Beklagten zu ihren, der Klägerin, Gunsten jedenfalls konkludent vereinbarten Schuldbeitritt. Zudem greife die Vorschrift des § 25 I HGB ein, da die Beklagte das Einzelhandelsgeschäft des Zeugen V. von diesem erworben und unter dessen Firma weitergeführt habe. Die Beklagte habe insbesondere die Geschäftsräume, das Inventar und die Mitarbeiter übernommen, die Eheleute V. arbeiteten beide im Geschäftsbetrieb der Beklagten mit, der Zeuge W. V. sei deren faktischer Geschäftsführer. Die Beklagte habe auch die Firma des Einzelhandelsunternehmens im wesentlichen Kern fortgeführt.

Die Klägerin hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an sie 177.619,20 DM nebst 4 % Zinsen aus jeweils 20.460,- DM seit dem 7.9.1998, 7.12.1998, 8.3.1999, 6.4.1999, 6.5.1999, 7.6.1999 und 6.8.1999, weitere 4 % Zinsen aus 4.083,20 DM seit dem 8.2.1999 sowie weitere 4 % Zinsen aus 10.208,- DM seit dem 6.9.1999, diese Zinsen jeweils bis zum 30.4.2000, danach 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz nach § 1 des Diskontsatz- Überleitungs-Gesetzes vom 9.7.1998 (BGBl. I S. 1242) seit dem 1.5.2000 aus 177.619,20 DM zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat vorgetragen, sie hafte nicht für die Verbindlichkeiten der Eheleute V., zumal diese aus einer Zeit resultierten, als die Einzelfirma des Zeugen W. V. nicht mehr existiert habe und die Eheleute V. als bloße gewerbliche Zwischenvermieter fungiert hätten. Diese hätten nämlich die Geschäftsräume im Einverständnis mit der Klägerin an die Beklagte untervermietet. Der Zeuge W. V. habe im Zusammenhang mit dem Räumungsverkauf das Einzelhandelsgeschäft vollständig liquidiert. Sie, die Beklagte, habe weder Vermögen noch Verbindlichkeiten der Eheleute V. übernommen. Das innere und äußere Erscheinungsbild des Geschäfts habe sie durch erhebliche Umbaumaßnahmen verändert. Der Klägerin sei bekannt gewesen, daß sie, die Beklagte, das Geschäft des Zeugen V., der früher Mitarbeiter der Klägerin gewesen sei, nicht übernommen habe. Sie habe das Geschäft am 18.3.1994 vielmehr neu eröffnet, die Mietzahlungen habe sie auf Anraten ihres Steuerberaters lediglich aus praktischen Gründen unmittelbar an die Klägerin geleistet.

Die Eheleute V. und sie hätten in der Vergangenheit auch wiederholt Mängel der Mietsache gegenüber der Klägerin angezeigt, die die Mängel aber nicht behoben habe.

Mit nicht nachgelassenen Schriftsätzen vom 18. und 22.1.2001 hat die Klägerin Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung beantragt und vorgetragen, sie habe inzwischen die dem Zeugen W. V. gegen die Beklagte zustehenden Ansprüche aus dem von der Beklagten vorgetragenen Untermietverhältnis pfänden und sich diese zur Einziehung überweisen lassen, so daß die Klage jedenfalls aus diesem Grunde begründet sei.

Durch Urteil vom 15.2.2001 - 88 0 99/00 LG Köln, auf das wegen sämtlicher Einzelheiten Bezug genommen wird, hat das Landgericht die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im wesentlichen ausgeführt, ein - auch konkludenter - Schuldbeitritt der Beklagten zu den Mietzinsverbindlichkeiten der Eheleute V. sei nicht erkennbar. Ein Anspruch aus § 25 I HGB bestehe nicht, weil diese Bestimmung auf unternehmensbezogene Dauerschuldverhältnisse nur insoweit anwendbar sei, als solche Ansprüche beim Erwerb des Unternehmens bereits entstanden seien. Den neuen Sachvortrag der Klägerin aufgrund der Pfändung und Überweisung von Untermietzinsforderungen des Zeugen V. und die hiermit begründete Klageänderung hat das Landgericht gemäß § 296 a ZPO unberücksichtigt gelassen.

Gegen dieses ihr am 21.2.2001 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 20.3.2001 Berufung eingelegt, die sie nach entsprechender Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist am 17.5.2001 begründet hat.

Die Klägerin wiederholt und vertieft ihr erstinstanzliches Vorbringen. Sie meint, das Landgericht habe der Klage nach § 25 I HGB stattgeben müssen. Das Handelsgeschäft des Zeugen V. sei in seinem wesentlichen Bestand, insbesondere mit dem "good will", planmäßig auf die Beklagte übergeleitet worden, auch eine Fortführung der alten Firma liege vor, die Beklagte habe sich an die alte Firmenbezeichnung angehängt. Zu Unrecht habe das Landgericht gemeint, § 25 I HGB sei auf Verbindlichkeiten aus Dauerschuldverhältnissen aus der Zeit nach der Geschäftsübernahme nicht anwendbar. Dies könne jedenfalls nicht für unternehmensbezogene Dauerschuldverhältnisse gelten, zumal wenn, wie im vorliegenden Fall, der Verbindlichkeit die Nutzung der Gegenleistung gegenüberstehe.

Hilfsweise stützt die Klägerin ihren Anspruch auf den mit Schriftsatz vom 18.1.2001 vorgetragenen Sachverhalt, nämlich die Pfändung der Untermietzinsansprüche des Zeugen W. V. gegen die Beklagte wegen der gegen diesen titulierten Mietzinsforderungen der Klägerin.

Äußerst hilfsweise stützt die Klägerin ihren Anspruch auf § 826 BGB, weil der Zeuge W. V. der Beklagten in Zusammenwirken mit dieser das Mietobjekt überlassen habe in der festen Absicht, während der letzten 1 1/2 Jahre des Nutzungsverhältnisses keine Miete an die Klägerin zu bezahlen.

Die Klägerin beantragt,

das Urteils des Landgerichts Köln - 88 0 99/00 - vom 15.2.2001 abzuändern und die Beklagte entsprechend dem Schlußantrag der Klägerin in erster Instanz zu verurteilen.

Die Beklagte beantragt,

1.

die Berufung kostenpflichtig zurückzuweisen,

2.

der Beklagten zu gestatten, Sicherheit auch durch die Bürgschaft einer deutschen Großbank, öffentlichen Sparkasse, Volks- oder Raiffeisenbank zu leisten.

Auch die Beklagte wiederholt und vertieft ihr erstinstanzliches Vorbringen. Sie meint, sie hafte nicht nach § 25 I HGB, da es bereits an einer Übernahme des Geschäfts durch sie fehle. Sie trägt vor, nach dem Räumungsverkauf in der Zeit vom 7.2. bis zum 16.3.1994 sei das Geschäft vollkommen geschlossen gewesen. Die Beklagte habe kein einziges Möbelstück von dem früheren Betreiber übernommen. Mitarbeiter der Eheleute V. seien nicht übernommen worden, so insbesondere nicht die Zeugen B. und We.. Die Beklagte habe sich nach der Neueröffnung am 18.3.1994 von Anfang an selbständig ein nunmehr ganz anders firmierendes Geschäft aufgebaut. Es sei ein ganz anderer Verkaufscharakter geschaffen worden, die Beklagte setze auf moderne Möbel. Von der Neuausrichtung her habe auch die Kundenstruktur nicht übernommen werden können. Es habe auch keinen Vertrag über die Übernahme mit den Eheleuten V. gegeben, es habe nichts verkauft werden sollen und die Beklagte habe dementsprechend auch nichts übernommen. Schließlich sei § 25 HGB auf Dauerschuldverhältnisse auch nicht anwendbar. Die Klägerin habe im übrigen der Untervermietung an die Beklagte ausdrücklich zugestimmt. Damit sei klar gewesen, daß die Klägerin ihre Schuldner nicht etwa gegen die GmbH habe austauschen wollen. Auf diese Fallgestaltung passe § 25 HGB nicht.

Die Einstellung der Zahlungen der Miete beruhe darauf, daß die Klägerin die Auflagen hinsichtlich des Brandschutzes des Gebäudes nicht erfüllt habe. Nachdem die Miete zunächst unter ausdrücklichem Vorbehalt weitergezahlt worden sei, habe die Beklagte die Mietzahlungen vollständig eingestellt. Die Vermieter, die Eheleute V., hätten Verständnis hierfür gehabt und sich mit dem vollständigen Einbehalt der Miete durch die Beklagte einverstanden erklärt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der von den Parteien gewechselten Schriftsätze und eingereichten Unterlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte und auch im übrigen zulässige Berufung der Klägerin hat auch in der Sache - mit Ausnahme eines Teils der geltend gemachten Zinsforderung - Erfolg.

I.

Die Klage ist auf der Grundlage des von der Klägerin in erster Linie vorgetragenen Sachverhalts, nämlich der Fortführung des Handelsgeschäfts des Zeugen W. V., des Vaters des Geschäftsführers der Beklagten, durch die Beklagte begründet. Der Klägerin steht gegen die Beklagte gemäß § 25 I S. 1 HGB ein Anspruch auf Bezahlung der durch das rechtskräftige Urteil des Landgerichts Köln vom 12.4.2000 - 28 0 479/99 - titulierten Verbindlichkeiten des Herrn W. V., und zwar gesamtschuldnerisch mit diesem, zu.

Die Beklagte hat nämlich das Handelsgeschäft des Zeugen V. unter der bisherigen Firma fortgeführt.

1.

Voraussetzung für eine Haftung nach § 25 I HGB ist die Fortführung des Geschäfts, es genügt nicht die Firmenfortführung und der hierdurch möglicherweise entstehende äußere Schein einer Geschäftsfortführung. Dabei ist Voraussetzung für eine Übernahme des Geschäfts nicht, daß dieses in seinen sämtlichen Teilen übernommen worden ist, vielmehr nur, daß der den Schwerpunkt des Unternehmens bildende wesentliche Kern übernommen wird, so daß sich der nach außen für den Rechtsverkehr in Erscheinung tretende Tatbestand als Weiterführung des Unternehmens in seinem wesentlichen Bestand darstellt (BGH NJW 1992, 911 f.). Nicht genügt demgegenüber der Wiederaufbau eines zur Zeit der Eröffnung des neuen Betriebes nicht mehr bestehenden Unternehmens mit den früheren Betriebsmitteln der alten Firma, und zwar auch nicht bei Fortführung der Namensfirma, Nutzung derselben Räume und (Neu-)begründung der Geschäftsbeziehungen des früheren Inhabers (vgl. OLG Dresden NZG 2000, 32 f.).

Die Voraussetzungen für eine Fortführung des Unternehmens des Zeugen W. V. durch die Beklagte liegen danach unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände vor.

Die Beklagte hat im Anschluß an die Beendigung der Geschäftstätigkeit des Vaters ihres Geschäftsführers das Unternehmen in denselben Geschäftsräumen wie dieser mit dem gleichen Geschäftsgegenstand, nämlich dem Verkauf von Küchen mit Beratung, Planung, Kundendienst und Montage, unter einer Firmenbezeichnung, die den Namen "V." weiterhin enthielt, und unter Beibehaltung der Telefon- und Telefaxnummer geführt.

Es muß auch davon ausgegangen werden, daß die Beklagte die bestehenden Kunden- und Lieferantenbeziehungen planmäßig fortgeführt hat. Aus den Briefbögen beider Unternehmen ergibt sich nämlich, daß beide "Musterhausküchen" vertrieben haben. Hieraus folgt zwanglos zum einen die Übernahme der Lieferantenbeziehungen des zuvor als einzelkaufmännischen Unternehmens geführten Geschäfts, zum anderen aber auch der Kundenbeziehungen. Soweit die Beklagte hiergegen einwendet, eine Fortführung der Lieferanten- und Kundenbeziehungen sei schon deshalb nicht in Betracht gekommen, weil sie ein völlig neues, modernes Sortiment geführt habe, ist dieses Vorbringen ohne Substanz. Eine Modernisierung des Sortiments, wie sie auch im Rahmen eines laufenden Geschäftsbetriebs von Zeit zu Zeit vorgenommen wird, trägt nur der Wandlung des Zeitgeschmacks der gleichen Käuferschicht und des dementsprechend gewandelten Angebots der Lieferanten Rechnung.

Dementsprechend spricht auch nicht entscheidend gegen eine Fortführung des Geschäfts durch die Beklagte, daß die früher in den Räumen ausgestellten Küchen, die in dem von dem früheren Inhaber durchgeführten Räumungsverkauf vollständig verkauft worden sein sollen, nicht mit übernommen worden sind. Dies bedeutete vielmehr, soweit ersichtlich, nur eine Fortführung des Geschäftsbetriebs mit aktuellerem modernisierten Sortiment. Auch die Durchführung des Räumungsverkaufs als solchem und die kurzfristige Schließung des Geschäfts besagen nichts darüber, daß das als Einzelhandelsgeschäft geführte Unternehmen etwa vollständig beendet und sodann von der Beklagten im Rahmen der Neueröffnung vollständig neu aufgebaut worden wäre. Daß die Durchführung des Räumungsverkaufs nicht nur Gelegenheit bieten sollte, die veraltete Ware ausverkaufen zu können, ist dem Vorbringen der Beklagten nicht hinreichend zu entnehmen. Die Behauptung der Beklagten, das vom Zeugen V. betriebene Unternehmen sei vollständig liquidiert worden, ist ohne Substanz. Das gleiche gilt für ihr Vorbringen, der Klägerin sei bekannt gewesen, daß sie das Geschäft nicht übernehme. Die kurzfristige Schließung des Geschäfts nach Durchführung des Räumungsverkaufs diente, soweit ersichtlich und vorgetragen, nur der Modernisierung und Renovierung der Räume, wie sie auch in einem laufenden Geschäftsbetrieb gelegentlich vorgenommen wird. Für eine Fortführung des Unternehmens spricht in diesem Zusammenhang insbesondere, daß die Beklagte bei der beworbenen "Neueröffnung" mit denselben Abbildungen von Küchen geworben hat wie der frühere Betriebsinhaber bei der Bewerbung des Räumungsverkaufs (Bl. 54, 64 d.A.); auch dies signalisierte dem Geschäftsverkehr Unternehmenskontinuität. Die Bestellungen für das von der Beklagten anzubietende Sortiment sind zudem teilweise bereits Ende 1993 durch die noch in Gründung befindliche Beklagte unter der Anschrift des bisherigen Inhabers vorgenommen worden (Bl. 57 ff. d.A.). Auch dies spricht für eine planmäßige Überleitung des Geschäftsbetriebs in seinem wesentlichen Kern auf die Beklagte.

Schließlich sind auch die im Geschäft tätigen Mitarbeiter im wesentlichen die gleichen geblieben. Unstreitig hat in dem früheren Unternehmen neben dem Vater des Geschäftsführers der Beklagten als damaligem Inhaber der Geschäftsführer der Beklagten als Angestellter gearbeitet; im Betrieb der Beklagten haben sodann deren Geschäftsführer sowie dessen Vater, nunmehr als Angestellter, mitgearbeitet. Ob es zwei weitere Mitarbeiter gab, die im Zuge der Übernahme des Geschäfts durch die Beklagte nicht übernommen worden sind, ist demgegenüber unerheblich.

Unerheblich ist auch, ob zwischen der Beklagten und dem früheren Geschäftsinhaber ein Übernahmevertrag geschlossen und eine Gegenleistung für die Übernahme vereinbart oder gezahlt worden ist. Entscheidend für den Haftungstatbestand des § 25 I HGB ist allein die durch die Firmenfortführung nach außen dokumentierte Kontinuität des in seinem wesentlichen Bestand fortgeführten Unternehmens, nicht aber das interne Vertragsverhältnis, das sogar ganz fehlen kann (vgl. BGH NJW 1992, 911, 912 m.w.N.).

Aus den vorstehenden Umständen in ihrer Gesamtheit ergibt sich aber, daß das Unternehmen durch die Beklagte jedenfalls in seinem wesentlichen Kern übernommen worden ist. Mit der Übernahme des Geschäftsgegenstands, der Geschäftsräume, der Kunden- und Lieferantenbeziehungen und der wesentlichen Mitarbeiter sollte ersichtlich der sich aus den bisherigen Geschäftsbeziehungen ergebende "good will" des Unternehmens und damit dessen wesentlicher Wert und Kern übernommen werden.

2.

Auch die Firma des Einzelhandelsgeschäfts "Küchenstudio W. V." ist durch die Beklagte, die sich "V. Küchen GmbH" nennt, im Sinne des § 25 I HGB fortgeführt worden.

Für die Frage der Fortführung der Firma kommt es nicht auf eine wort- und buchstabengetreue Übereinstimmung zwischen alter und neuer Firma, sondern nur darauf an, ob nach der maßgeblichen Sicht des Verkehrs trotz vorgenommener Änderungen noch eine Fortführung der Firma vorliegt, der Verkehr die neue Firma also mit der alten identifiziert (BGH NJW 1992, 911, 912). Wer den Eindruck der Verlautbarung einer Unternehmenskontinuität und die an sie anknüpfende Rechtsfolge der Haftungskontinuität vermeiden und auch nicht auf die Möglichkeiten des § 25 II HGB zurückgreifen will, muß durch die Wahl einer eindeutig anderen Firma für den notwendigen Abstand von der alten sorgen und darf sich nicht an diese "anhängen". Aus diesem Grunde wird die Firmengleichheit im Sinne des § 25 I S.1 HGB nicht durch Hinzufügung oder Weglassung eines auf eine Gesellschaft hindeutenden Zusatzes ausgeschlossen. Durch die Änderung derartiger Zusätze unter Beibehaltung des Kerns oder prägender Zusätze wird vielmehr die Kontinutität des Unternehmensträgers hervorgehoben, der Verkehr wird hierin nur die Klarstellung sehen, daß das Unternehmen nunmehr von einem neuen Rechtsträger in einer neuen Rechtsform unter der bisherigen Firma fortgeführt werden sollte.

Aus diesem Grunde spielt die Hinzufügung des Zusatzes "GmbH" in der Firmenbezeichnung der Beklagten für die Frage der Firmenfortführung keine entscheidende Rolle. Entscheidend ist vielmehr die Frage, ob der Verkehr die neue und die alte Firma mit ihren prägenden Bestandteilen und Zusätzen als Fortführung der Firma in einer anderen Gesellschaftsform ansieht. Dies ist der Fall. Prägend für die Firmenbezeichnung ist bei beiden Firmen der Name "V." sowie der den identischen Geschäftsgegenstand bezeichnende Zusatz "Küchen" und "Küchenstudio". Der angesprochene Verkehr wird zwanglos hieraus auf eine Fortführung der Firma in einer nun anderen Rechtsform schließen.

3.

Danach haftet die Beklagte für die im Betrieb des Einzelhandelsunternehmens "Küchenstudio W. V." begründeten Verbindlichkeiten. Zu diesen gehören auch die erst nach der Übernahme des Geschäfts durch die Beklagte begründeten Mietforderungen.

Nach inzwischen wohl überwiegender Meinung, der sich der Senat anschließt, haftet der Erwerber nach § 25 I HGB bei unternehmensbezogenen Dauerschuldverhältnissen auch für nach der Übernahme des Geschäfts entstehende bzw. fällig werdende Forderungen. Dies gilt jedenfalls dann, wenn der Erwerber in den Genuß der Gegenleistung kommt (vgl. LG Stuttgart NJW RR 1996, 1378, 1379; Baumbach-Hopt HGB § 25 Rn 11; Lieb in Münchner Kommentar § 25 Rn 81; Heile in Bub-Treier Rn 840; Karsten Schmidt, Handelsrecht, § 8 I 4 c, S. 229, 231; Beuthien NJW 1993, 1737, 1739 f., jeweils m.w.N.). Dabei ist nach Auffassung des Senats die zuletzt genannte Voraussetzung jedenfalls nicht in dem Sinne zu verstehen, daß der Erwerber einen Anspruch auf die Gegenleistung haben müßte. § 25 I S. 1 HGB setzt gerade nicht den Abschluß eines Vertrages des Erwerbers mit dem Gläubiger des früheren Geschäftsinhabers voraus, sondern regelt die Mithaftung für die - bestehen bleibende - Verpflichtung des früheren Inhabers. Die Haftung des Übernehmers für sämtliche im Betrieb des früheren Geschäftsinhabers begründeten Verbindlichkeiten und damit auch aus Dauerschuldverhältnissen entspricht vielmehr dem handelsrechtlichen Sinn des § 25 I S. 1 HGB, der darin besteht, daß der Unternehmenserwerber für den Handelsverkehr überschaubar, also "ohne wenn und aber", einheitlich für sämtliche Verbindlichkeiten haften soll, die auf die Geschäftstätigkeit des früheren Unternehmensinhabers zurückzuführen sind. Hinter § 25 I S. 1 HGB steht der Gedanke, daß derjenige, der die Firma fortführt, dem Handelsverkehr Unternehmens- und damit Haftungskontinuität signalisiert ( vgl. Beuthien a.a.O. S. 1739, 1740; LG Stuttgart NJW RR 1996, 1378, 1379).

Bei dem vorliegenden zwischen der Klägerin und dem Zeugen V. als dem früheren Inhaber geschlossenen Mietvertrag über die Geschäftsräume handelte es sich um ein solches unternehmensbezogenes Dauerschuldverhältnis. Darüberhinaus ist die Beklagte aber auch in den Genuß der Gegenleistung durch Nutzung der Mieträume gelangt. Daß die Beklagte der Klägerin gegenüber keinen vertraglichen Anspruch auf Überlassung der Räume hatte, sondern ein solcher nur gegenüber ihrem Vermieter, dem Zeugen V., bestand, von dem sie daher ihr Recht zum Besitz ableitete, ist, wie ausgeführt, unschädlich. Aus demselben Grunde ist es auch unerheblich, ob die Klägerin sich mit einer Untervermietung an die Beklagte einverstanden erklärt hat. Dieses Einverständnis bezog sich nur auf die Überlassung der Nutzung an die Beklagte bei bestehen bleibender Haftung der Eheleute V. aus dem Mietverhältnis mit der Klägerin, die gerade Voraussetzung für eine Anwendbarkeit des § 25 I HGB ist. Daß die Klägerin vom Fortbestehen des Mietverhältnisses mit den Eheleuten V. ausging und mit der Beklagten keine vertragliche Regelung der Nutzung traf, spricht daher entgegen der Auffassung der Beklagten nicht gegen eine Haftung nach § 25 I HGB, sondern entspricht der durch diese Vorschrift geregelten Haftung, nach der der Übernehmer - gesamtschuldnerisch - neben dem früheren Geschäftsinhaber für dessen Verbindlichkeiten haftet.

4.

Die von der Klägerin gegen die Beklagte geltend gemachten Forderungen gegen den früheren Geschäftsinhaber, den Zeugen W. V., sind rechtskräftig festgestellt. Die Beklagte haftet daher in diesem Umfang.

II.

Auch für die gegen den Zeugen W. V. titulierten Zinsansprüche haftet die Beklagte nach § 25 I S. 1 HGB.

1)

Dabei war der Antrag der Klägerin dahin zu verstehen, daß sie Zinsen entsprechend dem gegen die Eheleute V. erwirkten Titel (Anl. K 5 und K 6) geltend machen will. Die hiervon abweichende Nennung des Betrages von 20.460,- DM anstatt 20.416,- DM sowie die Auslassung des Zinsbeginns 6.7.1999 beruht erkennbar auf einem bloßen Schreibversehen der Klägerin.

2)

Soweit die Klägerin darüber hinaus für die Zeit ab dem 1.5.2000 Zinsen in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz nach § 1 DÜG verlangt, ist der Anspruch nicht begründet. Die Neuregelung des § 288 BGB gilt nach Art 229 I S. 3 EGBGB nur für Geldschulden, die erst nach dem 1.5.2000 fällig geworden sind, während die vorliegend geltend gemachten Forderungen zu diesem Zeitpunkt bereits fällig waren.

III.

Ob die auf dem Hilfsvorbringen der Klägerin beruhende Klageänderung als sachdienlich zuzulassen und der Anspruch auch aufgrund der Pfändung und Überweisung der Untermietzinsforderungen des Zeugen W. V. durch die Klägerin begründet wäre, ist danach nicht Gegenstand der Entscheidung des Senats. Allerdings wäre die Klage, wie der Senat im Termin vom 30.10.2001 ausgeführt hat, auch unter diesem Gesichtspunkt begründet.

IV.

Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 92 II, 97, 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Streitwert für das Berufungsverfahren: 177.619,20 DM

Wert der Beschwer für die Beklagte: über 60.000,- DM

für die Klägerin: unter 60.000,- DM

Ende der Entscheidung

Zurück