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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Köln
Urteil verkündet am 19.12.2000
Aktenzeichen: 22 U 144/00
Rechtsgebiete: GmbHG, BGB, ZPO


Vorschriften:

GmbHG § 64 Abs. 1
GmbHG § 64 Abs. 1 S. 2
GmbHG § 64
GmbHG § 64 Abs. 2
BGB § 823 Abs. 2
BGB § 852 Abs. 1
BGB § 249
BGB § 291
BGB § 849
BGB § 288
BGB § 246
ZPO § 542 Abs. 2 S. 2
ZPO § 542 Abs. 2
ZPO § 92 Abs. 2
ZPO § 97 Abs. 1
ZPO § 708 Nr. 2
ZPO § 711
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT KÖLN IM NAMEN DES VOLKES TEILVERSÄUMNISURTEIL- UND SCHLUSSURTEIL

22 U 144/00 7 O 8/00 LG Bonn

Anlage zum Protokoll vom 19.12.2000

Verkündet am 19.12.2000

Biermann, JAng'e als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle

In dem Rechtsstreit

pp.

hat der 22. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln auf die mündliche Verhandlung vom 28. November 2000 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. Müller, die Richterin am Oberlandesgericht Eickmann-Pohl und den Richter am Oberlandesgericht Dr. Törl

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung des Klägers wird das am 31. Mai 2000 verkündete Urteil der 7. Zivilkammer des Landgerichts Bonn - 7 O 8/00 - wie folgt abgeändert und neu gefaßt:

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 22.506,92 DM nebst 4 % Zinsen aus folgenden Beträgen zu zahlen:

aus 210.000,00 DM vom 12.01. bis zum 18.04.1996,

aus 210.019,60 DM vom 19. bis zum 29.04.1996,

aus 140.019,60 DM vom 30.04.1996 bis zum

20.02.1997,

aus 140.929,13 DM vom 21.02. bis zum 02.04.1997,

aus 140.989,23 DM vom 03. bis zum 27.04.1997,

aus 141.028,03 DM vom 28.04. bis zum 15.12.1997,

aus 141.992,76 DM vom 16. bis zum 28.12.1997,

aus 142.038,06 DM vom 29.12.1997 bis zum 04.02.1998,

aus 138.426,92 DM vom 05.02. bis zum 21.06.1998,

aus 151.009,19 DM vom 22. bis zum 23.06.1998,

aus 108.840,56 DM vom 24.06. bis zum 08.07.1998,

aus 110.880,56 DM vom 09.07. bis zum 18.08.1998,

aus 111.118,67 DM vom 19.08. bis zum 01.11.1998,

aus 112.213,97 DM vom 02. bis zum 25.11.1998,

aus 113.222,59 DM vom 26.11.1998 bis zum 18.04.1999,

aus 113.306,69 DM vom 19. bis zum 27.04.1999,

aus 100.573,69 DM vom 28.04. bis zum 18.05.1999,

aus 97.489,59 DM vom 19.05. bis zum 06.08.1999,

aus 97.735,19 DM vom 07.08. bis zum 13.09.1999,

aus 101.980,79 DM vom 14. bis zum 30.09.1999 und aus 22.506,92 DM seit dem 01.10.1999.

Im übrigen wird die Klage abgewiesen. Das weitergehende Rechtsmittel des Klägers wird zurückgewiesen.

Von den Kosten des Rechtsstreits werden dem Kläger 85 % und der Beklagten 15 % auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Dem Kläger wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung i.H.v. 16.000,00 DM abzuwenden, sofern nicht die Beklagte vor einer Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Sicherheit kann auch geleistet werden durch Bürgschaft eines als Zoll- oder Steuerbürge anerkannten Kreditinstitutes mit Sitz in Deutschland. Für den Kläger ist das Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand:

Der Kläger nimmt die Beklagte, seine geschiedene Ehefrau, als frühere Geschäftführerin der Fa. A. A. Bauberatungs-GmbH wegen Verletzung der Konkursantragspflicht in Anspruch. Die Eröffnung des Konkurses über das Vermögen der Fa. A. A. Bauberatungs-GmbH (nachfolgend: Gemeinschuldnerin) hat das Amtsgericht Siegburg am 24.08.1999 mangels Masse abgelehnt.

Der Gesellschaftszweck der Gemeinschuldnerin bestand u.a. darin, Bauinteressenten zum Kauf von Okal-Fertighäusern anzuwerben. Zur Bebauung mit Okal-Fertighäusern bot sie den Interessenten auch Baugrundstücke an, die sie zuvor von Dritten erworben hatte.

Der Kläger gewährte der Gemeinschuldnerin zum Kauf eines Grundstücks in N. mit notariellem Darlehensvertrag vom 12.01.1996 ein Darlehen in Höhe von 210.000,00 DM, das vom 15. Januar 1996 an mit 8 % zu verzinsen war. Die Fälligkeit der Darlehensrückzahlung wurde für den 15. Januar 1997 vereinbart.

Das erworbene Grundstück wurde in Parzellen aufgeteilt und sollte mit Okal-Fertighäusern bebaut werden. Die Rückzahlung des Darlehens sollte mittels der Kaufpreiserlöse erfolgen. Im Jahr 1996 konnte nur ein Grundstück mit einem Okal-Fertighaus veräußert werden. Aus dem Kauferlös erhielt der Kläger am 30. April 1996 70.000,00 DM.

Das Darlehen war durch eine Grundschuld in Höhe von 145.000,00 DM gesichert worden, die von der Raiffeisenbank an den Kläger abgetreten wurde. Nachdem weitere Darlehensrückzahlungen der Gemeinschuldnerin nicht erfolgten, betrieb der Kläger die Zwangsversteigerung der beiden noch unbebauten Grundstücke. Diese wurden dem Kläger im Juni 1998 für ein Gebot von 42.526,13 DM zugeschlagen und von ihm am 01.10.1999 - weiterhin unbebaut - zu einem Preis von 122.000,00 DM veräußert.

Die Jahresabschlußbilanz der Gemeinschuldnerin hatte 1994 einen nicht durch Eigenkapital gedeckten Fehlbetrag von 27.798,94 DM sowie Verbindlichkeiten in Höhe von 120.632,95 DM aufgewiesen. 1995 hatte der Fehlbetrag 79.824,23 DM betragen und die Höhe der weiteren Verbindlichkeiten belief sich auf 430.371,26 DM.

Der Kläger ist der Ansicht gewesen, ihm stehe ein Schadensersatzanspruch gegen die Beklagte als Geschäftsführerin der Gemeinschuldnerin zu, da diese gewußt habe, daß die Gemeinschuldnerin bereits zum Zeitpunkt der Darlehenshingabe überschuldet und damit konkursreif gewesen sei. Die Überschuldung ergebe sich aus den Bilanzen der Gemeinschuldnerin. Er selbst habe keinen Einblick in die wirtschaftlichen Verhältnisse der Gemeinschuldnerin gehabt.

Die von der Gesellschafterin A. A. und dem Zeugen K.-H. A. im Jahre 1995 geleisteten Bürgschaften über 375.000,00 DM seien nicht werthaltig gewesen. Im übrigen zählten Bürgschaften nach seiner Ansicht nicht zu den Aktivposten einer Überschuldungsbilanz.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 148.719,81 DM nebst 13 % Zinsen aus 136.153,12 DM seit dem 04.01.2000 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat behauptet, die Gemeinschuldnerin sei zur Zeit der Darlehenshingabe nicht konkursreif gewesen. Sie hat die Ansicht vertreten, daß zwischen der rechnerischen Überschuldung und der rechtlichen Überschuldung unterschieden werden müsse. Zum Zeitpunkt der Darlehenshingabe habe für die rechnerisch überschuldete Gemeinschuldnerin eine positive Fortbestehensprognose bestanden.

Außerdem treffe den Kläger hinsichtlich eines etwaig eingetretenen Schadens ein Mitverschulden. Denn dem Kläger seien die wirtschaftlichen Verhältnisse der Gemeinschuldnerin bekannt gewesen; der Kläger habe um den Bestand und Gewinn der Gemeinschuldnerin als Ehemann der Beklagten und aus eigenen Geschäftsverbindungen mit der GmbH gewußt.

Im übrigen hat die Beklagte die Einrede der Verjährung erhoben.

Mit dem angefochtenen Urteil, auf das wegen aller weiteren Einzelheiten Bezug genommen wird, hat das Landgericht die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat die Kammer im wesentlichen ausgeführt:

Die Beklagte habe nicht gegen die Konkursantragspflicht verstoßen. Zur Zeit der Hingabe des Darlehens sei die spätere Gemeinschuldnerin nicht im Rechtssinne überschuldet gewesen. Zwar habe ihre Bilanz für 1995 einen Fehlbetrag von knapp 80.000,00 DM ausgewiesen. Die Beklagte habe aber Umstände dargelegt, aus denen sich ergebe, daß sie eine positive Fortbestehensprognose für die Gemeinschuldnerin habe stellen dürfen (Einzelheiten: S. 7 u. 8 des Urteils, Bl. 92 f). Angesichts dessen habe den Kläger als Neugläubiger die Beweislast für das Fehlen einer positiven Fortbestehensprognose getroffen; hierzu habe der Kläger aber Beweis nicht angetreten.

Gegen dieses Urteil hat der Kläger form- und fristgerecht Berufung eingelegt und sein Rechtsmittel auch rechtzeitig begründet. Er macht geltend:

Erst im Rahmen des Scheidungsverfahrens zwischen den Parteien habe er durch einen Schriftsatz der Gegenseite vom 12.11.1996 von den Schulden der Gemeinschuldnerin erfahren sowie von der Tatsache, daß deren Geschäftstätigkeit derart gering gewesen sei, daß für die (jetzige) Beklagte dort "nichts mehr zu tun war" (Berufungsbegründung S. 2, Bl. 113). Im Berufungsverfahren des damaligen Unterhaltsprozesses habe er dann Ende 1997 erfahren, daß die Gemeinschuldnerin nicht nur 1994, sondern auch in den Jahren 1995 und 1996 Verluste gemacht habe und auch für 1997 weitere Verluste machen werde. Aufgrund der Zahlen für 1994 und 1995, die der Beklagten (einer gelernten Steuerfachgehilfin) aufgrund ihrer Buchführungstätigkeit für die Gesellschaft bekannt gewesen seien, hätte diese bereits vor Abschluß des Darlehensvertrages Konkursantrag stellen müssen. Die Beklagte habe keine Umstände vorgetragen, die es gerechtfertigt hätten, das Unternehmen trotz Überschuldung fortzuführen. Aus ihrem Vortrag ergebe sich nicht, daß die Gemeinschuldnerin etwa Fertighäuser hätte vorfinanzieren müssen. Auch werde mit Nichtwissen bestritten, daß die Gemeinschuldnerin normalerweise gewissermaßen auf Vorrat Grundstücke gekauft, also das Risiko von deren Vermarktung übernommen hätte. Der vorliegende Fall sei insoweit eine Ausnahme gewesen. Hinzu komme, daß sich die Überschuldung der Gemeinschuldnerin im Laufe des Jahres 1995 dramatisch verschlechtert habe. Auch in der Folgezeit seien die Zahlen immer schlechter geworden, die GmbH habe nur deshalb letztlich bis 1999 fortbestanden, weil die Beklagte diese Gesellschaft pflichtwidrig am Leben erhalten habe; Geschäftsvorfälle, die es gerechtfertigt hätten, an das Überleben der Gesellschaft zu glauben, seien nicht vorgetragen (S. 4, Bl. 115).

In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat ist der Prozeßbevollmächtigte der Beklagten nicht aufgetreten. Der Kläger beantragt,

unter Abänderung des angefochtenen Urteils nach dem erstinstanzlichen Schlußantrag zu erkennen und ein Versäumnisurteil zu erlassen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung des Klägers hat in der Sache teilweise Erfolg.

I.

Der Kläger hat gegen die Beklagte Anspruch auf Schadenersatz nach §§ 823 Abs. 2 BGB, 64 Abs. 1 GmbHG a.F. i.H.v. 22.506,92 DM nebst Zinsen. Insoweit hat gegen die säumige Beklagte gemäß den §§ 542 Abs. 2 S. 2, 301 ZPO Teilversäumnisurteil erlassen werden müssen. Das - nach § 542 Abs. 2 ZPO als von der Beklagten zugestanden anzusehende - Vorbringen des Klägers zum Anspruchsgrund und zur Schadenshöhe bis zum vorerwähnten Betrag ist schlüssig. Die Berechnung der Anspruchshöhe findet sich in Abschnitt II der Entscheidungsgründe dieses Urteils.

Der Senat weist aber vorsorglich darauf hin, daß auch eine Prüfung der Sach- und Rechtslage unter Berücksichtigung des von der Beklagten im Berufungsverfahren angekündigten Sachvertrages zum gleichen Ergebnis geführt hätte.

Die Beklagte hat nämlich auch danach gegen ihre Pflichten als Geschäftsführerin der A. GmbH schuldhaft verstoßen, indem sie für diese Gesellschaft nicht rechtzeitig Konkursantrag gestellt hat.

Im einzelnen:

1. Nach § 64 Abs. 1 GmbHG ist der Geschäftsführer einer GmbH (u.a.) im Falle der Überschuldung der Gesellschaft verpflichtet, ohne schuldhaftes Zögern Konkursantrag (seit 01.01.1999: Insolvenzantrag) zu stellen.

a) Diese Vorschrift ist Schutzgesetz im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB (allgemeine Meinung, zuletzt BGHZ 126, 181 = NJW 94, 2220, 2222 l. Sp.). Sie schützt auch Gläubiger, die ihre Forderung erst nach Eintritt des Zeitpunktes der Konkursantragspflicht erworben haben (sog. Neugläubiger). Ansprüche dieser Gläubiger sind nach der neueren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (a.a.O. 2222 ff), der sich der Senat anschließt, auf vollen Schadenersatz gerichtet. (Sog. Altgläubiger erhalten demgegenüber nur den Betrag an Schadensersatz, um den sich die Konkursquote in Folge verspäteter Konkursantragstellung verringert hat, sog. Quotenschaden.).

b) Zur Erfüllung seiner Pflicht aus § 64 Abs. 1 S. 2 GmbHG hat der Geschäftsführer die wirtschaftliche Lage des Unternehmens laufend zu beobachten (BGH a.a.O. 2224 r.Sp.) und sich bei Anzeichen einer Krise durch Aufstellung eines Vermögensstatus einen Überblick über den Vermögensstand der Gesellschaft zu verschaffen. Stellt sich dabei eine rechnerische Überschuldung heraus, dann muß er prüfen, ob sich für das Unternehmen eine positive Fortführungsprognose stellt (BGH a.a.O. und BGHZ 119, 201, 214 = NJW 92, 2891, 2894 l.Sp.). Eine solche positive Prognose kann gestellt werden, wenn eine überwiegende Wahrscheinlichkeit dafür spricht, daß die Gesellschaft trotz ihrer jetzigen wirtschaftlichen Krise ihre Verbindlichkeiten jedenfalls in nächster Zukunft (bis zum Ende des nächsten Geschäftsjahres) wird erfüllen können (vgl. Lutter-Hommelhoff § 64 GmbHG, 15. Aufl., Rn. 11).

Im Prozeß hat der Geschäftsführer die Umstände darzulegen, aus denen sich die Prognose ergeben haben soll (BGH NJW 94, a.a.O., 2224 r.Sp.); ob er insoweit auch die Beweislast trägt, hat der BGH a.a.O. offengelassen.

2. Diesen Anforderungen genügt das angekündigte Vorbringen der Beklagten entgegen der Auffassung der Kammer nicht.

a) Als Geschäftsführerin der späteren Gemeinschuldnerin hat die Beklagte deren Bücher geführt. Wie der Kläger unwidersprochen vorträgt, hatte sie dafür als gelernte Steuerfachgehilfin auch hinreichend Kenntnisse. Dann waren ihr die wirtschaftlichen Verhältnisse der Gesellschaft - wie sie ebenfalls nicht in Abrede stellt - letztlich genau bekannt.

b) Schon ab 1994 war die Gesellschaft rechnerisch gesehen überschuldet. Das ist unstreitig. Im Jahr 1995 verschlechterte sich die Situation noch weiter. Spätestens in diesem Jahre war die Gesellschaft aufgrund der bis dahin erwirtschafteten Verluste in der Krise. Nun mußte die Beklagte tätig werden. Als Geschäftsführerin war sie nach den oben genannten Grundsätzen gehalten, einen Vermögensstatus zu erstellen, um sich Gewißheit über die Vermögenslage des Unternehmens zu verschaffen, falls sie diese nicht schon aus ihrer Tätigkeit als Geschäftsführerin und Buchhalterin gewonnen hatte.

Spätestens dadurch hätte sich die rechnerische Überschuldung der GmbH herausgestellt.

c) Dann mußte die Beklagte eine Prognoseentscheidung zur Fortführbarkeit des Unternehmens treffen. Dazu mußte sie prüfen, ob eine überwiegende Wahrscheinlichkeit dafür sprach, daß die GmbH in absehbarer Zeit, hier also bis Ende des nächsten Geschäftsjahres, also Ende 1996, in der Lage sein werde, ihre fälligen Verbindlichkeiten zu begleichen.

Eine solche Prognoseentscheidung hat sie ersichtlich nicht getroffen. Jedenfalls ist dazu nicht hinreichend vorgetragen worden.

aa) Von der Geschäftstätigkeit der Beklagten ist zunächst nur vorgetragen worden, daß sie für das Projekt S. in 1994 von der Bundesrepublik Deutschland vier Parzellen für gut 205.000,00 DM gekauft hatte (Bl. 33). Im Mai 1995 hat sie davon eine Parzelle verkauft; das Geld ist nicht der Gesellschaft zugeflossen, sondern an die Bundesrepublik Deutschland gegangen. Im Sommer ist dann eine Grundschuld eingetragen worden. Offenbar ist dies zur restlichen Finanzierung des Kaufes der vorerwähnten Grundstücke geschehen. Damit sind weitere Schulden durch Zinsen entstanden. Im Dezember 1995 hat die Gesellschaft dann eine weitere Parzelle verkauft. Auch dieses Geld ist in der Folgezeit, offenbar im Frühjahr 1996, nicht etwa der GmbH zugeflossen, sondern dem Kläger, der sich bereits Anfang 1995 zur Gewährung eines Darlehens verpflichtet hatte (Bl. 34).

bb) Zu den sonstigen Aktivitäten der Gesellschaft ist zunächst - abgesehen von der Erwähnung eines weiteren Projekts in N. (Berufungserwiderung S. 3, Bl. 148) - nicht vorgetragen worden. Auf den Hinweis des Senates vom 09.11.2000 hat die Beklagte im Schriftsatz vom 28.11.2000 (Bl. 160 ff.) dann ergänzend vorgetragen. In diesem Schriftsatz heißt es, die GmbH sei auch in den Jahren 1995 bis 1999 geschäftlich aktiv gewesen; sie habe Umsätze durch Hausverkäufe gemacht und dadurch Provisionen verdient; deren Höhe ergibt sich aus den diesem Schriftsatz beigefügten Aufstellungen (Bl. 171 ff.).

Auch wenn die dort mitgeteilten Zahlen zugunsten der Beklagten als richtig unterstellt werden, läßt sich daraus für die Beklagte nichts herleiten. Denn die Zahlen verhalten sich lediglich über die Einnahmen der GmbH; sie sind aber für die Frage, ob die Beklagte als Geschäftsführerin dieser GmbH seinerzeit eine positive Prognose vertretbarerweise hat erstellen dürfen, nicht aussagekräftig. Zur Beurteilung dieser Frage würde es eines Vermögensstatus der Gesellschaft zu den jeweiligen Zeitpunkten bedürfen.

Einen Vermögensstatus der Gesellschaft hat die Beklagte ersichtlich zu keiner Zeit erstellen lassen. Soweit sich die Beklagte auf die Bilanz bzw. den Jahresabschluß 1995 beruft, ist das nicht von Bedeutung, da diese Zahlenwerke erst lange nach der Darlehensgewährung des Klägers erstellt worden sind.

cc) Damit hat die - insoweit darlegungspflichtige - Beklagte nicht nachvollziehbar dargetan, ihren Geschäftsführerpflichten entsprechend den vorerwähnten Vorgaben der höchstrichterlichen Rechtsprechung nachgekommen zu sein. Deshalb muß der Senat davon ausgehen, daß ihr Verhalten pflichtwidrig gewesen ist. Um Fragen der Beweislast im Rahmen des objektiven Tatbestandes einer Pflichtverletzung der Beklagten geht es deshalb im Streitfall nicht.

d) Die Beklagte hat auch schuldhaft gehandelt. Davon ist jedenfalls auszugehen. Denn die Beklagte müßte sich exkulpieren (BGH NJW 94 a.a.O., 2224 r.Sp.). Das hat sie nicht getan. Der bloße Hinweis auf die - später erstellte - Bilanz ist - wie bereits erwähnt - ungeeignet.

e) Zu Unrecht hält die Beklagte dem Kläger ein Mitverschulden vor.

Die Beklagte behauptet in diesem Zusammenhang, der Kläger sei über alle Umstände im Unternehmen der GmbH unterrichtet gewesen. Er habe auch mit ihrem Vater (seinem Schwiegervater) in ständigem Gesprächskontakt gestanden.

Dies ist letztlich unerheblich. Denn die Beklagte behauptet ja, nach ihrer Einschätzung sei das Unternehmen nicht überschuldet gewesen. Wenn sie also den Kläger informiert haben sollte, dann kann sie ihm auf der Grundlage dieser damaligen Einschätzung nur genau dies gesagt haben. Also hatte der Kläger nur die Information, die GmbH habe zwar Schulden, aber dies sei nicht so schlimm. Der Kläger mußte nicht durchschauen, daß diese Information auf einer fehlerhaften Prognose beruhte.

f) Bei dieser Sachlage ist der geltend gemachte Anspruch auch nicht verjährt. Schadenersatzansprüche nach §§ 823 Abs. 2 BGB, 64 GmbHG verjähren in einer Frist von 5 Jahren, §§ 64 Abs. 2, 43 Abs. 4 GmbHG (vgl. OLG Saarbrücken NJW-RR 2000, 180 f.). Im übrigen wäre auch die dreijährige Frist des § 852 Abs. 1 BGB vor Klageerhebung nicht abgelaufen. Kenntnis vom Schaden hat der Kläger erst 1997 im Zusammenhang mit dem damals anhängigen Scheidungsverfahren erlangt.

II. Die über den zugesprochenen Betrag von 22.506,92 DM hinausgehende Berufung hat durch streitiges Schlußurteil (unechtes Versäumnisurteil) zurückgewiesen werden müssen, weil das Vorbringen des Klägers einen höheren als den zuerkannten Betrag (zuzüglich Zinsen) nicht rechtfertigt (§ 542 Abs. 2 S. 2, 2. Halbsatz ZPO).

Zur Schadenshöhe gilt nämlich folgendes:

Der Kläger ist nach § 249 BGB so zu stellen, wie er stehen würde, wenn die Beklagte ihre Geschäftsführerpflicht erfüllt hätte. Es handelt sich um den Ersatz des sogenannten negativen Interesses.

Hätte die Beklagte ihre Pflichten erfüllt, dann hätte sie seinerzeit bereits Konkursantrag gestellt. Dann hätte der Kläger zum einen das Darlehen an die Gesellschaft nicht gegeben. Deshalb können die vom Kläger in seiner Forderungsaufstellung vom 3. Januar 2000 angesetzten Vertragszinsen im Wege des Schadensersatzes nicht berücksichtigt werden.

Zum anderen hätte der Kläger aber auch nicht in der Folgezeit zwei der ursprünglich vier Parzellen aus S. im Wege der Zwangsversteigerung erwerben können. Insoweit hat er in seiner Forderungsaufstellung zur Schadensberechnung den Ersteigerungserlös berücksichtigt, dies bereinigt um entstandene Kosten. Aber die Grundstücke sind mehr wert gewesen. Dazu hat der Beklagte in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat nach vorangegangenem Hinweis auch eingeräumt, die Grundstücke am 1. Oktober 1999 zu einem Preis von 122.000,00 DM veräußert zu haben. Der Senat geht davon aus, daß dies auch der Wert zur Zeit der Ersteigerung gewesen ist. Jedenfalls ist dieser Wert dem Kläger zugeflossen.

Er ist deshalb im Wege der Vorteilsausgleichung mit dem Schaden des Klägers zu verrechnen.

Er beruht nämlich zum einen auf der gleichen Ursache wie der Schadenseintritt, nämlich letztlich dem Verhalten der Beklagten.

Es liegt zum anderen auch adäquate Kausalität vor. Denn es war naheliegend, daß der dinglich gesicherte Kläger durch Ersteigerung und spätere Veräußerung der Grundstücke den - erfolgreichen - Versuch unternahm, den ihm entstandenen Verlust teilweise zurückzuführen.

Die Anrechnung führt im Streitfall auch nicht zu einer unbilligen Entlastung der Beklagten als Schädigerin (vgl. zu diesem Kriterium Palandt-Heinrichs Rdn. 120 vor § 249 BGB, m.N.). Zwar kann im Einzelfall von der Anrechnung eines Vorteils abzusehen sein, der einem Geschädigten daraus erwächst, daß er eine Sache in der Zwangsversteigerung unter Wert ersteigert (vgl. RGZ 80, 155, 159 ff.; Palandt-Heinrichs a.a.O. Rdn. 130). Das gilt aber nicht, wenn die Ersteigerung - wie hier - durch den Geschädigten als Grundpfandgläubiger und zu dem Zweck erfolgt, die Sache alsbald wieder zu veräußern, um den eingetretenen Schaden teilweise auszugleichen. In diesem Fall fehlt es an einem inneren Grund, den solcherart entstandenen Vorteil nicht anzurechnen; die Versagung des Vorteilsausgleichs könnte sonst dazu führen, daß der Geschädigte am Schadensereignis letztlich "verdient", was mit Sinn und Zweck des Schadenersatzes nicht zu vereinbaren wäre (vgl. BGH, VersR 1967, 187, 189; Soergel-Mertens, BGB, 12. Aufl., vor § 249 Rn. 236; Staudinger-Schiemann, BGB, 14. Aufl., § 249 Rn. 150). Gegenzurechnen sind andererseits die Kosten, die der Kläger ausweislich der vorerwähnten Aufstellung vom 03.01.2000 und der weiteren - in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat vorgelegten - Aufstellung vom 20.11.2000 für den Erwerb und zur Vorbereitung der Veräußerung der Grundstücke hat aufwenden müssen.

Auf dieser Grundlage ergibt sich folgende Schadensberechnung:

Datum Betrag Anlaß Saldo Ab 16.01.96 210.000,00 DM

210.000,00 DM 19.04.96 + 19,60 DM Gerichtsvollzieherkosten 210.019,60 DM 30.04.96 - 70.000,00 DM Rückzahlung 140.019,60 DM 21.02.97 + 909,53 DM Pfändungs- und Überweisungsbeschluß 140.929,13 DM 03.04.97 + 60,10 DM Gerichtsvollzieherkosten 140.989,23 DM 28.04.97 + 38,80 DM " 141.028,03 DM 16.12.97 + 964,73 DM Pfändungskosten 141.992,76 DM 29.12.97 + 45,30 DM Gerichtsvollzieherkosten 142.038,06 DM 05.02.98 - 3.663,44 DM Aufrechnung mit Provisionsansprüchen 138.374,62 DM 05.02.98 + 52,30 DM Gerichtsvollzieherkosten 138.426,92 DM 22.06.98 + 11.019,80 DM Anliegerbeiträge 149.446,72 DM

+ 1.562,47 DM Gerichtskosten Zwangsversteigerung 151.009,19 DM 24.06.98 - 42.526,13 DM Befriedigungserklärung des Klägers 108.483,06 DM ohne Datum + 357,50 DM Gebühr für die Erteilung des Zuschlages 108.840,56 DM 09.07.98 + 2.040,00 DM Grunderwerbssteuer 110.880,56 DM 19.08.98 + 238,11 DM Gebühr Zwangsversteigerung 111.118,67 DM 02.11.98 + 1.095,30 DM Notarkosten 112.213,97 DM 26.11.98 + 1.008,62 DM Gebühr Zwangsversteigerung 113.222,59 DM 19.04.99 + 84,10 DM Gerichtsgebühr 113.306,69 DM 28.04.99 - 12.733,00 DM Aufrechnung mit Unterhaltsansprüchen 100.573,69 DM 19.05.99 - 3.084,10 DM Zahlung 97.489,59 DM 07.08.99 + 60,60 DM Gerichtsvollzieherkosten 97.550,19 DM 23.08.99 + 185,00 DM Baugenehmigung 97.735,19 DM 14.09.99 + 4.245,60 DM Maklercourtage 101.980,79 DM 01.10.99 - 79.473,87 DM erzielter Kaufpreis der Grundstücke abzüglich des Betrages vom 24.06.1998 22.506,92 DM.

III.

Der Zinsanspruch ergibt sich aus den §§ 288, 291, 849, 246 BGB. Da die Beklagte deliktisch haftet, hat sie den dem Kläger entzogenen Geldbetrag für die Zeit ab der Zahlung mit dem gesetzlichen Zinssatz zu verzinsen. § 849 BGB ist auch anwendbar, wenn einem Geschädigten Geld entzogen worden ist (vgl. BGHZ 8, 288, 298 = NJW 53, 499, 500; OLG München, OLGZ 1970, 457 f.; Staudinger-Kreft, § 849 BGB Rdnr. 2). Für die Ansetzung eines höheren Zinssatzes fehlt es an Anhaltspunkten. Der Vertragszins kann - wie bereits erwähnt - nicht herangezogen werden, da die Beklagte nur Ersatz des sogenannten negativen Interesses schuldet, also gerade nicht den Zustand herzustellen hat, der bestehen würde, wenn der Vertrag ordnungsgemäß durchgeführt würde. Die neue Fassung des § 288 BGB, die seit Mai 2000 in Kraft ist, ist auf den Streitfall nicht anwendbar (vgl. Art. 229 EGBGB).

Darin liegt nicht etwa eine Überschreitung des Klageantrages. Der Kläger hat zwar in der Klageschrift lediglich eine Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von Zinsen aus 136.153,12 DM seit dem 04.01.2000 beantragt. Dem liegt aber seine Aufstellung vom 03.01.2000 zugrunde. In dieser Aufstellung sind - zu Unrecht - Vertragszinsen von 13 % seit Gewährung des Darlehens enthalten. Darin sind - als Minus - auch die hier zugesprochenen Zinsen aus § 849 BGB enthalten.

Die prozessualen Nebenentscheidungen ergeben sich aus den §§ 92 Abs. 2, 97 Abs. 1, 708 Nr. 2 u. 10, 711 ZPO.

Dabei war eine Sicherheitsleistung nur insoweit festzusetzen als es um eine etwaige Zwangsvollstreckung der Beklagten geht; denn der Urteilsausspruch zugunsten des Klägers ist prozessual ein Versäumnisurteil.

Streitwert des Berufungsverfahrens: 148.719,81 DM.

Die Beschwer des Klägers liegt oberhalb der Revisionssumme. Für die Beklagte ist die Frage der Beschwer nicht von Bedeutung, da gegen sie Versäumnisurteil erlassen worden ist, gegen das die Revision nicht eröffnet ist.

Ende der Entscheidung

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