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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Köln
Urteil verkündet am 16.03.2004
Aktenzeichen: 22 U 148/03
Rechtsgebiete: BGB, InsO


Vorschriften:

BGB §§ 677ff
BGB § 166
InsO § 5
InsO § 130
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT KÖLN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

22 U 148/03

Anlage zum Protokoll vom 16.03.2004

Verkündet am 16.03.2004

In dem Rechtsstreit

hat der 22. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln auf die mündliche Verhandlung vom 3. Februar 2004 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. Müller und die Richterin am Oberlandesgericht Heidemann und Dr. Törl

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung des Klägers wird das am 12. August 2003 verkündete Urteil der 8. Zivilkammer des Landgerichts Aachen - 8 O 185/03 - wie folgt abgeändert und neu gefasst:

Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 8.691,96 € nebst Zinsen in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz seit dem 08.05.2003 zu zahlen.

Die Kosten des Rechtsstreits in beiden Rechtszügen werden dem Beklagten auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Der Kläger hatte gegen seine frühere Arbeitgeberin, die G GbR, aus einem arbeitsgerichtlichen Prozeßvergleich einen Anspruch auf rückständigen Arbeitslohn, von dem noch 17.000 DM offen sind. Als keine Zahlung erfolgte und die Schuldnerin sich in einem anderen Arbeitsgerichtsprozeß als "momentan" zahlungsunfähig bezeichnete, stellte der Kläger Insolvenzantrag.

Das Insolvenzgericht ordnete durch Beschluß vom 11.04.2001 gemäß § 5 InsO die Einholung eines Sachverständigengutachtens zur Aufklärung des Sachverhalts an und bestellte den Beklagten als Gutachter. Dieser setzte sich wegen der Begleichung der Forderung und damit Erledigung des Insolvenzantrags mit der Schuldnerin in Verbindung, die sich bereit erklärte, den Betrag an den Beklagten zur Weiterleitung an den Kläger zu zahlen. Daraufhin gingen im Juni 2001 bei dem Beklagten 17.000 DM ein. Dieser leitete das Geld nicht an den Kläger weiter und veranlaßte die Schuldnerin, nunmehr auf zwei neue Insolvenzanträge anderer Gläubiger weitere Zahlungen zu leisten. Als sich dann im Oktober 2001 umfangreiche Rückstände der Schuldnerin gegenüber der B und dem Finanzamt herausstellten, kam es schließlich am 12.12.2001 zur Insolvenzeröffnung. Der nun auch als Insolvenzverwalter bestellte Beklagte überwies die bei ihm eingegangenen Gelder in die Insolvenzmasse.

Der Kläger nimmt den Beklagten wegen der unterlassenen Weiterleitung der 17.000,- DM an ihn auf Schadensersatz in Anspruch. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen.

II.

Die zulässige Berufung des Klägers, mit der er seine Klage in voller Höhe weiter verfolgt, hat auch in der Sache Erfolg.

Der Kläger hat gegen den Beklagten Anspruch auf Schadenersatz in eingeklagter Höhe.

Dieser Anspruch ergibt sich zwar, wie das Landgericht - insoweit - zutreffend angenommen hat, nicht aus § 826 BGB, da dem Beklagten eine vorsätzliche sittenwidrige Schädigung des Klägers nicht angelastet werden kann. Auch liegen die Voraussetzungen eines Anspruchs aus §§ 823 Abs. 2 BGB, 266 StGB ersichtlich nicht vor.

Der Schadenersatzanspruch folgt aber, worauf der Senat in der mündlichen Verhandlung hingewiesen hat, aus dem Gesichtspunkt der positiven Forderungsverletzung i. V. m. den Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag.

Im einzelnen:

1.

Zwischen den Parteien ist im Jahre 2001 ein gesetzliches Schuldverhältnis zustande gekommen, das nach den Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag zu beurteilen ist, auf das folglich die §§ 681 Satz 2, 667 BGB anzuwenden sind.

a)

Der Beklagte hat mit dem von ihm veranlaßten Einzug der offenen Forderung des Klägers gegen die G GbR ein fremdes Geschäft im Sinne von § 677 BGB geführt. Dieser Forderungseinzug war - wie der Kläger mit Recht geltend macht - nicht Aufgabe des Beklagten, sondern ein Geschäft des Klägers selbst. Nachdem der Kläger wegen seiner offenen Forderung auf Zahlung von ausstehendem Arbeitslohn beim Amtsgericht Aachen die Durchführung des Insolvenzverfahrens beantragt hatte, hat das Insolvenzgericht mit Beschluß vom 11.04.2001 (Bl. 46 f. der Akte 19 IN 169/01 AG Aachen) zur Aufklärung des Sachverhaltes gemäß § 5 InsO angeordnet, es solle ein schriftliches Sachverständigengutachten des Beklagten darüber eingeholt werden,

- ob Sicherungsmaßnahmen zu treffen seien und ggfs. welche,

- ob ein Eröffnungsgrund vorliege und welche Aussichten für eine Fortführung des Unternehmens der Schuldnerin bestünden,

- und ob eine kostendeckende Masse vorhanden sei.

Danach war Aufgabe des Beklagten lediglich, den maßgeblichen Sachverhalt aufzuklären und Feststellungen zu den vorerwähnten Fragen zu treffen. Nichts anderes ergibt sich, soweit der Beklagte in der Berufungserwiderung (dort Seite 4, Bl. 160 d. A.) ausführt, zu seiner Vorgehensweise gemäß den §§ 21 Abs. 1 und 22 Abs. 3 InsO ermächtigt gewesen zu sein. Denn ausweislich des erwähnten Beschlusses des Amtsgerichts Aachen ist es insoweit nur darum gegangen, die Wohn- und Geschäftsräume der Schuldnerin zu betreten und dort Nachforschungen anzustellen, soweit sie zur Aufklärung der Einkommens- und Vermögensverhältnisse erforderlich sind (Bl. 46 d. A. 19 IN 169/01).

Selbst wenn, wie der Beklagte außerdem geltend macht, es in der Praxis üblich sein sollte, daß der vom Gericht beauftragte Sachverständige in dieser Lage des Verfahrens an den jeweiligen Schuldner herantritt, um diesen doch noch zur Zahlung zu veranlassen (Schriftsatz 09.07.2003, Bl. 64), blieb die Zuständigkeit zum Einzug der Forderung beim Kläger, so daß sich der Forderungseinzug für den Beklagten als fremdes Geschäft, zumindest als sogenanntes " auch - fremdes Geschäft" (vgl. dazu Palandt-Sprau, § 677 BGB, Rdnr. 6 m. N.) im Sinne des § 677 BGB darstellte.

b)

Danach war der Beklagte aus § 677 BGB verpflichtet, das auftragslos übernommene Geschäft (den Einzug der Forderung des Klägers) entsprechend dem Interesse des Klägers als "Geschäftsherrn" und dessen wirklichem bzw. mutmaßlichem Willen durchzuführen. Durch den Einzug erlangte Gelder hatte er nach §§ 681 Satz 2, 667 BGB an den Kläger herauszugeben.

2)

Dieser Pflicht ist der Beklagte schuldhaft nicht nachgekommen, was einen Schadenersatzanspruch aus dem Gesichtspunkt der positiven Forderungsverletzung entsprechend dem im Jahr 2001 geltenden bisherigen Schuldrecht zur Folge hat (Palandt-Sprau, 61. Aufl., § 677 Rn. 15).

Rechtsfehlerhaft macht der Beklagte geltend, er sei berechtigt - und sogar verpflichtet - gewesen, von der Schuldnerin für den Kläger eingegangene Gelder solange zurückzuhalten, bis feststand, daß es zur Durchführung eines Insolvenzverfahrens nicht kommen werde.

a)

Einen Rechtssatz des Inhalts, daß der nach § 5 InsO beauftragte Sachverständige vom Schuldner erhaltene und für einen Gläubiger bestimmte Gelder zurückhalten dürfe, um damit die Möglichkeit offen zu halten, eine zukünftige Insolvenzmasse für den Fall zu bilden, daß das Insolvenzverfahren doch noch eröffnet werden sollte (Klageerwiderung Seite 5, Bl. 22 d. A.), gibt es nicht.

Grundlage der Tätigkeit des Beklagten war der Beschluß des Amtsgerichts Aachen vom 11.04.2001, der seinerseits seine Grundlage in § 5 InsO hatte. Diese Vorschrift sieht aber - wie bereits ausgeführt - lediglich vor, daß der gerichtlich beauftragte Sachverständige tatsächliche Feststellungen vorzunehmen hat, und enthält keine Regelungen darüber, wie mit vom Schuldner eingegangenen Geldern zu verfahren ist. Diese Frage ist deshalb nach allgemeinen Vorschriften zu beurteilen, im Streitfall also den bereits genannten §§ 681, 667 BGB. Sie regeln eine - unbedingte - Herausgabepflicht des auftragslosen Geschäftsführers. Ein Zurückbehaltungsrecht kann sich allenfalls aus §§ 273 BGB ergeben; die Voraussetzungen dieser Vorschrift liegen aber im Streitfall unzweifelhaft nicht vor.

b)

Das Verhalten des Beklagten, die von der Schuldnerin G GbR eingegangenen Beträge zunächst zurückzuhalten, war auch nicht durch Gestattung des Insolvenzgerichtes gedeckt.

Ob eine solche Gestattung seitens des Insolvenzrichters überhaupt rechtlich möglich wäre, ist bereits zweifelhaft. Diese Frage braucht aber nicht entschieden zu werden, da der Insolvenzrichter im Streitfall dem Beklagten ausweislich der Insolvenzakte 19 IN 169/01 AG Aachen eine derartige Gestattung nicht erteilt hat.

Der Beklagte hat mit Schriftsatz vom 01.06.2001 dem Insolvenzgericht berichtet, Herr G, Mitgesellschafter der Schuldnerin, habe ihm am 30.05.2001 mitgeteilt, daß "heute" die Forderung des Gläubigers ausgeglichen werde (Bl. 58 d. BA). Mit weiteren zwei Schriftsätzen vom 08.06.2001 hat er ergänzend berichtet, sowohl von der Schuldnerin als auch von deren Kreditinstitut, der Sparkasse C, die Mitteilung erhalten zu haben, daß ein Betrag von 8.000,00 DM gezahlt sei (Bl. 59, 61 d. BA). Er beabsichtige, diesen Betrag "in Erfüllung der mir vom Schuldner und der Sparkasse C bei der Überweisung gemachten Auflagen...an den Gläubigervertreter zur Erledigung des Verfahrens weiterzuleiten" (Bl. 62 d. BA). Dazu erbitte er eine telefonische Stellungnahme. Daraufhin hat ihm das Insolvenzgericht telefonisch mitgeteilt, es sei "mit der im Bericht vom 08.06.2001 vorgeschlagenen Verfahrenweise" einverstanden (Vermerk vom 12.06.2001, Bl. 62 R der BA). Weder aus diesem Hinweis des Insolvenzgerichtes, noch aus dem sonstigen Inhalt der genannten Verfahrensakte ergibt sich, daß der Insolvenzrichter damit einverstanden gewesen wäre, daß der Beklagte die eingegangenen Gelder zurückhalte. Anderes ergibt sich auch nicht, soweit der Beklagte auf S. 4 der Berufungserwiderung geltend macht, er habe seine Aufgabe gerade auch was die vom Kläger beanstandete Vorgehensweise betrifft, in ständiger Abstimmung und mit Billigung des Insolvenzgerichtes wahrgenommen (Bl. 160 d.A.). Aus der Insolvenzakte, auf die sich der Beklagte zum Beweis für diese Behauptung bezieht, lassen sich keine Anhaltspunkte dafür entnehmen, daß es eine solche Abstimmung und Billigung bzgl. des Einbehalts der Gelder gegeben hat.

c)

Eine Berechtigung des Beklagten zur Zurückhaltung von Geldern ergibt sich auch nicht aus einer Treuhandauflage der Schuldnerin. Eine solche hat der Beklagte nicht darzutun vermocht. Das Vorbringen des Beklagten hierzu ist unsubstantiiert und widersprüchlich, teilweise auch verspätet.

aa)

Im Verfahren vor dem Landgericht hat der Beklagte zunächst in der Klageerwiderung (auf Seite 2, Bl. 19 d.A.) vorgetragen, die Schuldnerin habe sich bereit erklärt, Gelder "zur Weiterleitung an den Kläger" zu zahlen.

Auf Seite 5 der Klageerwiderung (Bl. 22 d. A.) hat er sich lediglich darauf berufen, die Weiterleitung eingegangener Gelder an den Kläger sei "solange nicht möglich" gewesen, bis eine Erledigung des Insolvenzverfahrens festgestanden habe. Aus welchem Grunde die Weiterleitung erst dann hat möglich sein sollen, hat er nicht erläutert.

Erst mit einem nachgelassenen Schriftsatz nach Schluß der mündlichen Verhandlung des Landgerichts hat der Beklagte erstmals - ohne Beweisantritt - vorgetragen, im Anschluß an einen weiteren - dritten - Insolvenzantrag, nämlich erst einige Wochen nach Eingang des Geldes, hätten mehrere Gespräche mit dem Schuldner stattgefunden und "zu diesem Zeitpunkt" habe Einigkeit bestanden, daß nichts mehr ausgezahlt werden konnte, sondern das Geld in die Insolvenzmasse fließen müsse (Schriftsatz vom 09.07.2003, Seite 2, Bl. 65 d.A.).

Damit hat der Beklagte in erster Instanz eingeräumt, daß anfänglich bei Zahlung auf die Forderung des Klägers noch keine solche Einigkeit - geschweige denn eine ausdrückliche Anweisung des Schuldners - bestanden hat.

bb)

In der Berufungserwiderung macht der Beklagte geltend, die Schuldnerin habe ihre Zahlungen "selbstverständlich" nicht zwecks Weiterleitung an den Kläger vorgenommen, sondern "ausdrücklich und unmißverständlich zur Abwendung des Insolvenzverfahrens" (Seite 7, Bl. 163 d. A.). Dieses Vorbringen ist mit den bereits zitierten Erklärungen im Insolvenzverfahren und seinem Vorbringen in erster Instanz nicht zu vereinbaren.

cc)

Erstmals in dem ihm vom Senat nachgelassenen Schriftsatz vom 12.02.2004 behauptet der Beklagte unter Beweisantritt (Zeugnis des Herrn G), die Gelder seien ihm von der Schuldnerin treuhänderisch und mit ausdrücklicher Auflage zur Verfügung gestellt worden, sie ausschließlich im Interesse und nur zur Abwendung des Insolvenzverfahrens zu verwenden, sie also nur und erst dann an den Kläger weiterzuleiten, wenn hierdurch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens verhindert werden würde (S. 7 u. 8, Bl. 184 f. d.A.). Dieses Vorbringen ist verspätet im Sinne von § 531 Abs. 2 Nr. 3 ZPO. Es hätte bereits in erster Instanz gebracht werden müssen. Anhaltspunkte dafür, daß dies ohne Nachlässigkeit unterblieben ist, sind nicht ersichtlich.

Das Vorbringen kann auch nicht nach § 531 Abs. 2 Nr. 1 ZPO zugelassen werden. Es betrifft nicht etwa einen Gesichtspunkt, der vom Gericht des ersten Rechtszuges erkennbar übersehen oder für unerheblich gehalten worden ist. Die Frage, aus welchem Grunde der Beklagte die Gelder nicht ausgekehrt, sondern zurückgehalten hat, war bereits im Verfahren vor dem Landgericht ein zentraler Punkt des Prozesses. Sie war auch für den dort in erster Linie geprüften Anspruch aus § 826 BGB von Bedeutung, nämlich sowohl für die Frage einer vorsätzlichen Schädigung, als auch die Beurteilung der Sittenwidrigkeit. Im übrigen hat der Beklagte selbst zu diesem Gesichtspunkt in erster Instanz bereits, wenn auch anders als jetzt, Stellung genommen.

Deshalb kann seinem jetzigen Beweisantritt nicht mehr nachgegangen werden.

3)

Damit verbleibt es dabei, daß der Beklagte verpflichtet war, die von der Fa. G eingegangenen Gelder an den Kläger weiterzuleiten. Dies hat er nicht getan, mit der Folge, daß die Gelder in die Insolvenzmasse geflossen sind, nachdem sich Monate später herausgestellt hatte, dass noch erhebliche Forderungen des Finanzamtes und der B offen waren und die Schuldnerin deshalb zahlungsunfähig geworden war (vgl. Schriftsatz des Beklagten vom 18.10.2001 im Insolvenzverfahren, Bl. 80 d. BA). Dieses Verhalten verpflichtet den Beklagten zum Schadenersatz.

Entgegen der Auffassung des Landgerichts läßt sich dem Anspruch nicht entgegenhalten, der Kläger hätte bei Auskehr der Gelder und der nachfolgenden Eröffnung des Insolvenzverfahrens die erhaltenen Beträge wegen insolvenzrechtlicher Anfechtbarkeit an den Beklagten als Insolvenzverwalter zurückgewähren müssen. Denn die Voraussetzungen der Insolvenzanfechtung und damit des - nur dann - gegen den Kläger gerichteten Einwandes der unzulässigen Rechtsausübung liegen nicht vor. Für den - hier gegebenen - Fall einer kongruenten Deckung richtet sich die Anfechtbarkeit von Rechtshandlungen nach § 130 InsO. Dessen Voraussetzungen sind aber nicht erfüllt.

a)

Maßgeblich ist im Streitfall bezogen auf den Insolvenzantrag des Klägers § 130 Abs. 1 Nr. 2 InsO, da die Auskehr der von G eingegangenen Gelder an den Kläger eine Rechtshandlung gewesen wäre, die nach dem Eröffnungsantrag (des Klägers) vorgenommen worden wäre. Sie wäre nur dann anfechtbar, wenn der Kläger zur Zeit der Auskehr der Gelder an ihn die Zahlungsunfähigkeit der Fa. G gekannt hätte oder wenn ihm die Kenntnis seines eigenen Eröffnungsantrags vorgehalten werden könnte. Das ist jedoch nicht der Fall.

aa)

Die Kenntnis von seinem Eröffnungsantrag kann dem Kläger schon deshalb nicht entgegengehalten werden, weil seine diesem Antrag zugrunde liegende Forderung mit der Weiterleitung des Geldes an ihn beglichen und sein Eröffnungsantrag damit erledigt gewesen wäre.

bb)

Ebensowenig hätte dem Kläger bei bestimmungsgemäßer Weiterleitung des Geldes an ihn noch eine Kenntnis von einer Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin vorgehalten werden können.

Ursprünglich war zwar dem Kläger über seinen damaligen Verfahrensbevollmächtigten gemäß § 166 Abs. 1 BGB bekannt, daß die Schuldnerin in einem Prozeß vor dem Arbeitsgericht Aachen (7 Ca 4379/00) in der mündlichen Verhandlung am 18.01.2001 (Terminsprotokoll vom Verfahrensbevollmächtigten des Klägers zu dessen Insolvenzantrag vorgelegt in Hülle Bl. 12 d.BA) erklärt hatte, es bestehe "momentan" Zahlungsunfähigkeit.

Hiervon mußte der Kläger aber in der Folgezeit nicht mehr ausgehen, da die Schuldnerin nach Stellung des Insolvenzantrags an den Beklagten noch insgesamt 30.000,00 DM gezahlt hat (vgl. dessen Schriftsatz vom 06.09.2001, Bl. 76 d. BA, aber auch Seite 6 der Berufungserwiderung, Bl. 162 d.A.). Vielmehr rechtfertigten diese Zahlungen die Annahme, daß die Schuldnerin wieder Einnahmen hatte und die "momentane" Zahlungsunfähigkeit beseitigt war.

Die endgültige Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin hat sich erst später herausgestellt, als auch die B und das Finanzamt Forderungen geltend gemacht haben, die von der Schuldnerin dann nicht mehr haben bedient werden können (Schriftsatz des Beklagten vom 18.10.2001, Bl. 80 d.BA).

Zu dieser Zeit hätte die Auskehr der bis zum 29.06.2001 beim Beklagten für den Kläger eingegangenen Gelder aber bereits längst erfolgt sein müssen.

b)

Eine Anfechtbarkeit ergibt sich auch nicht, soweit es um die späteren Insolvenzanträge anderer Gläubiger als des Klägers geht.

aa)

Die Insolvenzantragsteller C.D. und I.E. haben zwar ihre Anträge am 13. bzw. 18.06.2001 gestellt; beide Anträge sind am 20.06.2001 bei Gericht eingegangen (Verfahren 19 IN 414 u. 533/01 AG Aachen). Es ist aber nicht ersichtlich, daß der Kläger in dem Zeitpunkt, als das für ihn bestimmte Geld an ihn hätte weitergeleitet werden müssen, nämlich Ende Juni bzw. Anfang Juli 2001, von diesen beiden Eröffnungsanträgen wußte.

Die Kenntnis seines damaligen Verfahrensbevollmächtigten, der auch von den beiden anderen Gläubigern mandatiert war und für diese die Eröffnungsanträge vom 13. und 18.06.2001 einreichte, muß sich der Kläger nicht gemäß § 166 BGB zurechnen lassen. Denn eine solche Wissenszurechnung kommt nach dieser Vorschrift nur in der dem Vertreter übertragenen Angelegenheit in Betracht, nicht aber wenn - wie hier - der Vertreter die Kenntnis bestimmter Umstände bei der Ausführung eines anderen, von einem Dritten übertragenen Mandats erlangt hat (vgl. BGH, ZIP 1991, 39, 41; OLG Düsseldorf, NJW-RR 1997, 718; Palandt-Heinrichs, § 166 Rn. 9; Standinger-Schilken, § 166 Rn. 4).

bb)

Aus der fehlenden Wissenszurechnung folgt zugleich, daß dem Kläger die Forderungen der Gläubiger D. und E. auch nicht im Zusammenhang mit einer eventuellen Kenntnis von der Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin entgegengehalten werden können. Selbst wenn ihm aber deren Forderungen bekannt gewesen wären, hätte er hieraus nicht auf Zahungsunfähigkeit der Schulderin schließen müssen, da im Anschluß an die beiden neuen Eröffnungsanträge ebenfalls Zahlungen auf diese Forderungen an den Beklagten erfolgt sind.

cc)

Anträge weiterer Gläubiger bzw. das Hervortreten weiterer Forderungen, die letztlich zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens geführt haben, liegen zeitlich nach der - unterstellten - unverzüglichen Auskehr der Gelder an den Kläger, so daß als Anfechtungsgrundlage insoweit nur § 130 Abs. 1 Nr. 1 InsO in Betracht kommen könnte.

Hier ist aber schon nicht ersichtlich, dass der Kläger die erst im Herbst hervorgetretenen Tatsachen, die zur Annahme der Zahlungsunfähigkeit der Fa. G geführt haben, im maßgeblichen Zeitpunkt (Juni/Juli 2001) gekannt hat.

Es verbleibt deshalb dabei, daß der Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger Schadenersatz zu leisten.

4)

Der Höhe nach beläuft sich der Schaden auf 17.000,00 DM, was der Klageforderung von 8.691,96 € entspricht.

Zu Unrecht macht der Beklagte geltend, ein Schaden des Klägers sei zumindest teilweise entfallen, weil der Kläger Konkursausfallgeld hätte beantragen können und müssen. Diese Überlegung geht schon im Ansatz fehl. Denn ein Antrag auf Gewährung von Konkursausfallgeld setzt schon begrifflich voraus, daß der jeweilige Antragsteller infolge der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens bzw. des Eintrittes einer Insolvenz einen "Ausfall" gehabt hat, weil er als Arbeitnehmer und späterer Insolvenzgläubiger mit seiner Forderung nicht vollständig Befriedigung hat erlangen können. Daran fehlt es im Streitfall schon deshalb, weil der Kläger bei richtigem Verhalten des Beklagten unabhängig vom Insolvenzverfahren volle Befriedigung seines Anspruchs erhalten hätte, diese durch Anfechtbarkeit nicht mehr hätte beseitigt werden können und ihm deshalb ein "Ausfall" im Sinne des Gesetzes nicht entstanden wäre. Im übrigen wäre auch anzunehmen, daß der gegen den Beklagten gerichtete arbeitsrechtliche Lohnanspruch Vorrang vor einer Sozialleistung haben muß.

Der Zinsanspruch ergibt sich aus § 291 BGB.

Der in der Spruchfrist eingegangene Antrag des Klägers vom 18.02.2004, ihm zu dem neuen Vorbringen des Beklagten in dessen nachgelassenem Schriftsatz vom 12.02.2004 ebenfalls einen Schriftsatznachlaß zu gewähren, ist nach dem Inhalt der vorstehenden Entscheidung gegenstandslos.

Die prozessualen Nebenentscheidungen ergeben sich aus den §§ 91, 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Es besteht kein Anlaß, die Revision zuzulassen.

Streitwert des Berufungsverfahrens und Beschwer des Beklagten: 8.691,96 €.

Ende der Entscheidung

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