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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Köln
Urteil verkündet am 01.04.2003
Aktenzeichen: 22 U 196/02
Rechtsgebiete: BGB, ZPO


Vorschriften:

BGB § 535
ZPO § 519
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT KÖLN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

22 U 196/02

Anlage zum Protokoll vom 01. April 2003

Verkündet am 01. April 2003

In dem Rechtsstreit

pp.

hat der 22. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln auf die mündliche Verhandlung vom 21. Januar 2003 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. Müller, den Richter am Oberlandesgericht Dr. Törl und die Richterin am Landgericht Dr. Jung-Walpert

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der - beiden - Beklagten wird das am 13. August 2002 verkündete Urteil der 5. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Köln - 85 O 69/02 - abgeändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen werden der Klägerin auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Klägerin wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung der Beklagten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages abzuwenden, sofern nicht die Beklagten vor einer Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leisten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Die Klägerin nimmt die Beklagten auf Zahlung von erhöhtem Mietzins für die Zeit vom 01.04.1998 bis zum Ende des gewerblichen (Unter-) Mietverhältnisses am 31.12.2001 in Anspruch. Die Beklagte zu 1. war in dieser Zeit Untermieterin der Klägerin; diese stützt die Mieterhöhung auf eine Wertsicherungsklausel in § 6 des Untermietvertrages (Anlage K 1, Seite 4).

Das Landgericht, auf dessen tatsächliche Feststellungen im angefochtenen Urteil Bezug genommen wird, hat die Beklagten antragsgemäß verurteilt. Dagegen richtet sich die Berufung. In der Berufungsschrift ist als "Beklagte und Berufungskläger" aufgeführt die "X N GmbH" (Bl. 90/91 d. A.). Der Berufungsschrift ist als Anlage eine Ausfertigung des angefochtenen Urteils des Landgerichts Köln beigefügt gewesen (Bl. 91 d. A.).

Die Beklagten machen geltend:

Berufungsführer seien beide Beklagten. Daß in der Berufungsschrift nur die Beklagte zu 2 aufgeführt sei, beruhe auf einem Schreibversehen.

Die von der Klägerin mit Schreiben vom 01.04.1999 begehrte Mieterhöhung rückwirkend zum 01.04.1998 habe in der Wertsicherungsklausel des Untermietvertrages keine hinreichende Grundlage. Wollte man § 6 des Untermietvertrages in dem von der Klägerin gewünschten Sinn auslegen, wäre die vertraglich vereinbarte Miete nur noch "Makulatur". Die vertragliche Vereinbarung sei vielmehr dahin auszulegen, daß für eine Mieterhöhung nur Tatsachen berücksichtigt werden können, die nach Vertragsunterzeichnung eingetreten seien (Berufungsbegründung Seite 3, Blatt 104). Im übrigen bestünden Bedenken gegen die Wirksamkeit der Wertsicherungsklausel. Außerdem sei nicht zu erkennen, daß überhaupt ein berechtigtes Mieterhöhungsbegehren im Sinne der Klausel seitens der Hauptvermieterin (Erbengemeinschaft G) vorliege (Seite 4, Blatt 105). Die von der Klägerin geltend gemachte Erhöhung sei auch treuwidrig. Die Miete des Hauptmietvertrages sei seit 1994 unverändert geblieben, was die Beklagten nicht gewußt hätten. Sie hätten davon ausgehen dürfen, daß die im Hauptmietvertrag vereinbarte Miete "auf aktuellem Stand" gewesen sei und sich nur künftige Änderungen auswirken könnten (Seite 5, Blatt 106). Die Klägerin hätte sie darauf hinweisen müssen, daß ein Anpassungsbegehren der Hauptvermietern in beträchtlicher Höhe jederzeit zu erwarten gewesen sei (Seite 6, Blatt 107).

Der Berufungsantrag lautet auf Abänderung des angefochtenen Urteils und Abweisung der Klage.

Die Klägerin beantragt

Zurückweisung der Berufung.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil. (Einzelheiten: Blatt 114 ff. d.A.)

Außerdem macht sie geltend, Berufungsklägerin sei ausschließlich die Beklagte zu 2), da nur sie in der Berufungsschrift aufgeführt sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

Die Berufung beider Beklagten ist zulässig und hat auch in der Sache Erfolg.

A.

Berufungsführerinnen sind - entgegen der Auffassung der Klägerin - beide Beklagten.

Im Ansatz zutreffend verweist die Klägerin zwar darauf, daß in der Berufungsschrift vom 19. September 2002, die am Montag, dem 23. September 2002 im Original - fristgerecht - beim Berufungsgericht eingegangen ist, als "Berufungskläger" nur die "X N GmbH", also die Beklagte zu 2., bezeichnet worden ist. Die Berufungsschrift muß aber dahin ausgelegt werden, daß beide Beklagten Berufung haben einlegen wollen.

Wie die Klägerin mit Recht ausführt, ist wesentlicher Bestandteil der Berufungsschrift die Angabe, für welche Partei Berufung eingelegt werden soll. Diese Anforderung dient der Rechtssicherheit und der Rechtsklarheit. Aber eine Berufungsschrift kann auslegungsfähig sein; zur Auslegung sind alle Unterlagen heranzuziehen, die dem Berufungsgericht bis zum Ablauf der Berufungsfrist vorgelegt worden sind. Dies entspricht der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. z. B. BGH NJW 1993, 2943, 2944 l. Sp.; 96, 320; 99, 1554 f). Dieser Rechtsprechung schließt sich der Senat an.

Danach ist unter anderem das der Berufungsschrift beigefügte Urteil des erstinstanzlichen Gerichts zur Auslegung dieser Berufungsschrift heranzuziehen (vgl. z. B. BGH NJW 92, 2413 - l. Sp.; 99, 1554 f).

Im Streitfall ist vor Ablauf der Berufungsfrist mit dem Original der Berufungsschrift auch eine Ausfertigung des angefochtenen Urteils beim Senat eingereicht worden.

Das Urteil des Landgerichts ist am 21. August 2002 den Prozessbevollmächtigten der Beklagten zugestellt worden (Empfangsbekenntnis Bl. 87 d. A.). Das Original der Berufungsschrift ist am 23. September 2002, einem Montag, beim Berufungsgericht eingegangen (Bl. 91 d. A.), was rechtzeitig war. In der Berufungsschrift ist vermerkt, eine Ausfertigung des angefochtenen Urteils werde mit der Bitte um Rückgabe beigefügt. Auf der Berufungsschrift befindet sich ein Vermerk der Geschäftsstelle des Oberlandesgerichts vom 25. September 2002, aus dem sich ergibt, daß diese Urteilsausfertigung antragsgemäß zurückgesandt worden ist, was weiter zeigt, daß sie entsprechend der Angabe in der Berufungsschrift tatsächlich vorgelegt worden war.

Bei Berücksichtigung des Inhaltes des angefochtenen Urteils ergibt die Auslegung der Berufungsschrift, daß Berufungsführerinnen beide Beklagten sind. Die Beklagte zu 2., die X N GmbH, ist die Komplementärgesellschaft der Beklagten zu 1., der X N GmbH & Co. KG. Eine Berufung der Beklagten zu 2. allein, also ohne Mitwirkung der Kommanditgesellschaft, wäre sinnlos gewesen. Denn wäre die Verurteilung der Beklagten zu 1., also der Kommanditgesellschaft, rechtskräftig geworden, hätte die Berufung der Beklagten zu 2), also der GmbH, wegen der Regelung der §§ 128, 161 HGB erfolglos bleiben müssen, weil die Beklagte zu 2. als persönlich haftende Gesellschafterin der Beklagten zu 1. für eine gegen diese rechtskräftig festgestellte Forderung ohne weiteres hätte haften müssen. Deshalb war es im Streitfall nicht nur aus Kostengründen (vgl. BGH NJW 92, 2413 - r. Sp. -), sondern der Sache selbst wegen allein sinnvoll, daß beide Beklagten gegen das landgerichtliche Urteil Berufung einlegten, um eine Abweisung der Klage insgesamt, also gegen beide Beklagten zu erreichen. Daß dies mit der Einlegung der Berufung beabsichtigt war und nur infolge eines Schreibversehens nicht beide Beklagten als Berufungsklägerinnen aufgeführt sind, ergibt sich hier zusätzlich auch aus dem bereits in der Berufungsschrift angekündigten Antrag, unter Abänderung des Urteils "die Klage" abzuweisen. Die Berufungsschrift kann deshalb bei Heranziehung des angefochtenen landgerichtlichen Urteils nur dahin ausgelegt werden, dass Berufungsführerinnen beide Beklagten haben sein sollen und sind. Dies hat auch die Klägerin und Berufungsbeklagte so aufgefaßt, wie sich daraus ergibt, daß sie in den bis zur mündlichen Verhandlung vor dem Senat eingereichten Schriftsätzen jeweils im vorangestellten Kurzrubrum die "X N GmbH & Co. KG u. a." als Berufungskläger aufgeführt hat (Bl. 93, 114, 131, 132 d. A.).

B.

Die Berufung hat auch in der Sache Erfolg. Die Klage ist unbegründet.

Die Klägerin hat gegen die Beklagten keinen Anspruch auf Zahlung von Mieterhöhungsbeträgen. Ein solcher Anspruch ergibt sich nicht aus § 6 des Untermietvertrages vom 07.07./09.09.1997 (Anlage K 1 zur Klageschrift). Diese Klausel lautet:

"Der Untervermieter ist berechtigt, die berechtigten Mietzinserhöhungen des Hauptmieters bzw. des Eigentümers in voller Höhe und zum gleichen Anpassungszeitpunkt an den Untermieter vollständig weiterzugeben."

Die dort in Bezug genommene Wertsicherungsklausel des Hauptmietvertrages zwischen der Erbengemeinschaft G und der T-Handels-AG vom 17.05./23.08.1991 (Anlage K 6) hat der Beklagten damals nicht vorgelegen. Die Beklagte hat einen Zugang dieser Vertragsurkunde bestritten. Die Klägerin hat auf die Frage des Senats erklären lassen, sie habe keine Unterlagen darüber, daß der Hauptmietvertrag der Beklagten zugänglich gemacht worden sei. Solches sei allerdings üblich. Aufgrund dieses Vorbringens läßt sich nicht feststellen, daß im Streitfall der Hauptmietvertrag der Beklagten zugänglich gemacht worden ist. Was allgemein üblich sein mag, muß nicht in jedem Einzelfall auch so durchgeführt worden sein. Im übrigen hat die Klägerin noch in 1. Instanz mit Schriftsatz vom 13.06.2002 vorgetragen, es sei nicht Aufgabe der Klägerin gewesen, "über § 6 des Mietvertrags hinaus noch irgendwelche Hinweise zu erteilen" (Bl. 45 d. A.).

Die vorerwähnte Klausel in § 6 des Untermietvertrages kann eine Mieterhöhung der von der Klägerin geltend gemachten Art nicht begründen. Sie lautet zwar dahin, die Klägerin sei berechtigt, Mietzinserhöhungen des Hauptvermieters bzw. des Eigentümers nicht nur in voller Höhe, sondern auch zum "gleichen Anpassungszeitpunkt" weiterzugeben. Aber daraus konnte und musste die Beklagte nicht den Schluss ziehen, daß es der Klägerin möglich sein sollte, Erhöhungen des Mietzinses bereits rückwirkend zum Beginn der ersten Mietzinszahlung verlangen zu können. Die Beklagte durfte vielmehr die Klausel dahin verstehen, daß Erhöhungstatbestände, die vor Abschluß des Untermietvertrages eingetreten waren, bereits bei Berechnung des Untermietzinses berücksichtigt worden waren. Das von der Klägerin angeführte Urteil des Oberlandesgerichts Bremen vom 18.02.1988 (Anlage K 18) betrifft einen anderen Sachverhalt; insbesondere war dort bei Vertragsschluß die Wertsicherungsklausel aus dem Hauptmietvertrag wörtlich wiedergegeben worden. Die Entscheidung ist deshalb für den Streitfall nicht von Bedeutung. Gegenstand einer Mieterhöhung hätten nach dem hier maßgebenden Verständnis der Beklagten zu 1) als Empfängerin des von ihr angenommenen Untermietangebots der Klägerin (§ 133 BGB) nur solche Erhöhungstatbestände sein können, die vor Abschluss dieses Vertrages ihren Anfang genommen hatten und nach Abschluß des Untermietvertrages zu einer Mieterhöhung führen konnten. Einen Erhöhungstatbestand dieser Art hat die Klägerin nicht vortragen können. Selbst wenn man von der in § 6 des Hauptmietvertrages geregelten Erhöhung des Lebenshaltungsindexes um 10 % und weiterhin davon ausgeht, die T-Handels-AG als Vermieterin der Klägerin habe dieser mit Wirkung ab 01. Januar 1996 eine Mieterhöhung um 7 % in Rechnung stellen dürfen, ist nicht ersichtlich, daß in der Zeit zwischen dem 01.01.1996 und dem Erhöhungsverlangen vom 01.04.1999 oder auch nur bis zum Ende des Untermietvertrages zum Jahresende 2001 ein erneuter Erhöhungstatbestand dergestalt eingetreten wäre, der auch zu Lasten der Beklagten eine Mieterhöhung um 7 % gerechtfertigt hätte und dies dementsprechend hätte geltend gemacht werden können (vgl. Schriftsätze der Beklagten vom 03.01.2003, Bl. 126 ff d. A. mit Anlagen und der Klägerin vom 15.01.2003, Bl. 135 ff d. A.).

Die Berufung hat deshalb Erfolg mit der Folge, daß die Klage hat abgewiesen werden müssen.

Die prozessualen Nebenentscheidungen ergeben sich aus den §§ 91, 708 Nr. 10., 711 ZPO.

Es besteht kein Anlaß, die Revision zuzulassen (§ 543 ZPO). Der Senat weicht nicht von der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes ab. Er wendet vielmehr hinsichtlich der Auslegung der Berufungsschrift eine gefestigte Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes auf den Streitfall an. Auch im übrigen hat die Sache weder grundsätzliche Bedeutung, noch besteht Anlaß zu einer Entscheidung des Revisionsgerichtes zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung.

Streitwert des Berufungsverfahrens und Urteilsbeschwer der Klägerin: 54.650,30 €.

Ende der Entscheidung

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