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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Köln
Urteil verkündet am 22.08.2006
Aktenzeichen: 22 U 73/06
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 254 Abs. 2 S. 1
BGB § 280
BGB §§ 307 ff
BGB § 313 Abs. 1
BGB § 313 Abs. 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Köln vom 14.3.2006 - 16 O 682/03 - abgeändert und wie folgt neugefasst:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits hat der Kläger zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Die zulässige Berufung der Beklagten hat in der Sache Erfolg.

Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Schadensersatz in Form entgangenen Gewinns aufgrund der Schließung des Verbrauchermarkts für die Monate Mai bis Juli 2003.

Im einzelnen:

1.

Ein Schadensersatzanspruch aus dem Gesichtspunkt des Wegfalls der Geschäftsgrundlage ist nicht gegeben.

a)

Zum einen haben die Parteien zur Überzeugung des Senats eine Pflicht der Beklagten, während der Dauer des Untermietverhältnisses, den Verbrauchermarkt zu betreiben, nicht zur sog. Geschäftsgrundlage gemacht. Unter einer solchen versteht man die bei Abschluss des Vertrags zu Tage getretenen, dem anderen Teil erkennbar gewordenen und von ihm nicht beanstandeten Vorstellungen der einen Partei oder die gemeinsame Vorstellung beider Parteien von dem Vorhandensein oder dem künftigen Eintritt bestimmter Umstände, sofern der Geschäftswille der Parteien auf diesen Vorstellungen aufbaut (BGH, NJW 2001, 1204). Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt. Denn die Parteien haben in § 2 Ziff. 3 und in § 10 Ziff. 1 des Mietvertrags eine Regelung zu der Betriebspflicht getroffen. Sie haben die Problematik einer Betriebspflicht gesehen, jedoch eine Betriebspflicht einseitig nur für den Kläger als Mieter bestimmt. Im Umkehrschluss ist daraus abzuleiten, dass die Betreiberpflicht auf Vermieterseite nicht besteht und auch nicht zur Geschäftsgrundlage geworden ist.

b)

Des weiteren begründet ein Wegfall der Geschäftsgrundlage keinen Schadensersatzanspruch. Als Rechtsfolge kommt entweder die Anpassung des Vertrags gemäß § 313 Abs. 1 BGB oder der Rücktritt bzw. im Fall eines Dauerschuldverhältnisses - wie im vorliegenden Fall - eine Kündigung gemäß § 313 Abs. 3 BGB in Betracht.

2.

Der Kläger kann von der Beklagten auch nicht Schadensersatz wegen Vertragsverletzung nach § 280 BGB verlangen.

a)

Indem die Beklagte bereits vor Beendigung des Untermietverhältnisses den Betrieb ihres Verbrauchermarkts eingestellt hat, hat sie keine sich aus dem Vertragsverhältnis ergebende Pflicht verletzt. Insbesondere war die Beklagte nicht zum Betreiben ihres Verbrauchermarkts verpflichtet. Eine solche Betreiberpflicht haben die Parteien weder ausdrücklich im Mietvertrag vereinbart, noch ist diese durch stillschweigende Vereinbarung begründet worden.

An die Annahme einer konkludent vereinbarten Betriebspflicht sind strenge Anforderungen zu stellen. Es müssen Umstände vorliegen, die sicheren den Schluss auf die Begründung einer Betriebspflicht zulassen (Lindner-Figura, Geschäftsraummiete, München 2006, Kap. 23 Rz 23).

Gerade der Umstand, dass die Parteien ausdrücklich eine Betriebspflicht nur für den Kläger vereinbart haben, spricht jedoch gegen die Annahme einer Betreiberpflicht auf Beklagtenseite.

Zu berücksichtigen ist auch die Risikoverteilung: Grundsätzlich trägt der Mieter allein sein unternehmerisches Risiko. Dazu gehört bei der gewerblichen Miete auch das Risiko, dass der Mieter mit dem Mietobjekt Verluste erwirtschaftet. Dieses Risiko kann der Mieter nicht ohne weiteres auf den Vermieter abwälzen. Eine andere Risikoverteilung ergibt sich auch nicht aus einzelnen Klauseln des Mietvertrags der Parteien.

Auch mit der Eingliederung der angemieteten Verkaufsfläche in die "Vorkassenzone" des Verbrauchermarkts der Beklagten und der damit verbundenen wechselseitigen Profitierung von dem Kundenzulauf des Vertragspartners kann eine Betreiberpflicht der Beklagten nicht begründet werden.

Denn die einseitige Regelung einer Betreiberpflicht des Klägers im Mietvertrag spricht gerade gegen einen entsprechenden Bindungswillen der Beklagten. Ein solcher Bindungswille ist aber Voraussetzung für eine durch stillschweigende Vereinbarung begründete Betriebspflicht.

Dass es sich bei dem Mietvertrag um von der Beklagten verwendete sog. Allgemeine Geschäftsbedingungen handelt, deren Wirksamkeit an den §§ 307 ff BGB zu messen ist, steht der Wirksamkeit einer einseitigen Vereinbarung einer Betriebspflicht nicht entgegen. Allein eine Ungleichbehandlung in dem vorformulierten Mietvertrag führt nicht zu deren Unwirksamkeit. Die Interessen des Klägers sind nämlich dadurch gewahrt, dass jede Vertragspartei - und damit auch der Kläger - gemäß § 2 Ziff. 3 des Mietvertrags die Möglichkeit einer ordentlichen Kündigung mit kurzer Kündigungsfrist hatte. Einen Zeitvertrag haben die Parteien gerade nicht geschlossen, so dass sich der Kläger aufgrund veränderter Umstände kurzfristig aus dem Vertrag hätte lösen können. Dadurch sind seine Interessen gewahrt.

Den Interessen des Klägers hat die Beklagte im übrigen auch dadurch Rechnung getragen, dass sie für den streitgegenständlichen Zeitraum keine Miete geltend gemacht und damit das Mietverhältnis ab Mai 2003 auch faktisch beendet hat.

b)

Zudem haben die Parteien einen Schadensersatzanspruch wegen entgangenen Gewinns auch vertraglich ausgeschlossen. In § 9 Ziff. 3 des Mietvertrags haben sie vereinbart, dass der Beklagten eine Gewährleistung für die Tauglichkeit zum vertragsgemäßen Gebrauch erlassen wird und dass etwaige Schadensersatzpflichten des Vermieters sich nur auf den unmittelbaren Schaden erstrecken, also insbesondere nicht auf entgangenen Gewinn. Dieser vertragliche Haftungsausschluss bezieht sich nicht nur auf Mängel der Mietsache selbst, sondern stellt eine generelle Regelung für eventuelle Schadensersatzverpflichtungen des Vermieters dar.

c)

Ein Schadensersatzanspruch würde auch deshalb ausscheiden, weil der Kläger seiner sich aus § 254 Abs. 2 S.1 BGB ergebenden Schadensminderungspflicht nicht nachgekommen ist. Als Geschädigter war er gehalten, den Schaden zu mindern. Dazu hätte er zumindest den Versuch unternehmen müssen, seine Verkaufsstelle, so wie von der Beklagten mit Schreiben vom 19.3.2003 auch angeboten, unmittelbar in den Eingangsbereicht des Marktes zu verlegen und seinen Geschäftsbetrieb aufrechtzuerhalten. Dass dies von vornherein wirtschaftlich unvernünftig war, liegt nicht auf der Hand. Der Kläger hätte die Möglichkeit gehabt, rechtzeitig seine Kunden von der Weiterführung der Lottoannahmestelle für die Monate Mai bis Juli 2003 mit entsprechenden Werbemaßnahmen zu informieren. Die von dem Kläger in diesem Zusammenhang aufgezeigten Unannehmlichkeiten oder Unwägbarkeiten, wie z.B. Unsicherheit über den vorzuhaltenden Warenvorrat oder mögliche Abverkäufe mit Verlust, verfangen nicht. Diese stellen ein typisches Unternehmerrisiko beim Auslaufen des Mietvertrags dar.

II.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergeht nach §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Es besteht kein Anlass, die Revision zuzulassen (§ 543 ZPO). Weder weicht der Senat von einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs ab, noch besteht wegen grundsätzlicher Bedeutung die Notwendigkeit einer Entscheidung des Revisionsgerichts.

Streitwert des Berufungsverfahrens: 10.969, 00 €

Ende der Entscheidung

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