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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Köln
Urteil verkündet am 10.10.2006
Aktenzeichen: 22 U 74/06
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 535
BGB § 581
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Das Versäumnisurteil des Senats vom 20.6.2006 - 22 U 74/06 - wird aufrechterhalten.

Die weiteren Kosten des Rechtsstreits werden der Beklagten auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Beklagten wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung des Klägers - auch aus dem genannten Versäumnisurteil - durch Sicherheitsheitsleistung in Höhe von 10.000,00 Euro abzuwenden, sofern nicht der Kläger vor einer Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Der Antrag der Beklagten vom 23.6.2006 auf Gewährung einer Räumungsfrist bis zum 30.6.2007 wird zurückgewiesen.

Gründe:

I.

Der Kläger nimmt die Beklagte auf Räumung und Herausgabe von Wohn- und Geschäftsraum in Anspruch. Die Parteien schlossen am 25. Mai 2001 einen als Pachtvertrag bezeichneten Vertrag über Räume einer Frühstückspension sowie über Wohnräume im Haus I-Straße 107 A in S; auf den Vertrag nebst anliegenden Plänen wird Bezug genommen (Anlage zur Klageschrift, Bl. 5 ff., 8).

Nach einer Vereinbarung der Parteien vom 31.05./28.11.2003 beträgt der Pachtzins jeweils inklusive Nebenkosten insgesamt 1.900,00 €, und zwar für die Pension 900,00 € und für die Wohnung 1.000,00 € (Bl. 9 d. A.).

Mit Anwaltsschreiben vom 16.06.2005 erklärte der Kläger die "Kündigung des Pachtvertrages" zum Ablauf des 31.05.2006 (Bl. 10 ff. d. A.). Der Kläger hat geltend gemacht, der Vertrag sei insgesamt als Pachtvertrag abgeschlossen und so gewollt gewesen; im übrigen überwiege die gewerbliche Nutzung. Die Beklagte hat dem gegenüber die Auffassung vertreten, die Wohnnutzung sei überwiegend.

Das Landgericht hat sich der Auffassung der Beklagten angeschlossen und deshalb die Klage als unzulässig abgewiesen. Auf die tatsächlichen Feststellungen in seinem Urteil wird Bezug genommen.

Mit der Berufung hat der Kläger seine Rechte weiter verfolgt. Er hat geltend gemacht:

Zu Unrecht habe das Landgericht seine sachliche Zuständigkeit verneint. Die Frage, welcher Vertragstypus vorliege, sei in erster Linie nach dem Willen und den Erklärungen der Vertragsparteien im Zeitpunkt des Vertragsschlusses zu beurteilen. Nach dem Wortlaut des Vertrages und der Interessenlage der Parteien sei danach im Streitfall insgesamt vom Abschluss eines Pachtvertrages auszugehen.

Der Kläger hat beantragt,

das Urteil des Landgerichts Aachen vom 16.03.2006 - 10 O 465/05 - abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, die im Hause I-Straße 107 a, xxxxx S im ersten Obergeschoss gelegene Pension, bestehend aus fünf Gästezimmern und einem im Erdgeschoss rechts gelegenen Frühstücksraum nebst der dazugehörigen Wohnung im Erdgeschoss links, bestehend aus 4 Zimmern, einem Bad, einem WC, einer Küche und einem Abstellraum, zum 31.05.2006 zu räumen und an den Kläger herauszugeben.

Der Senat hat durch Versäumnisurteil vom 20.6.2006 das angefochtene Urteil des Landgerichts abgeändert und die Beklagte antragsgemäß verurteilt (Bl. 152 f. d.A.).

Mit ihrem Einspruch erstrebt die Beklagte die Zurückweisung der Berufung. Sie macht geltend:

Bei dem Vertragverhältnis der Parteien habe es sich überwiegend um Wohnungsmiete gehandelt (Schriftsatz vom 12.7.2006, Seite 2 ff., Bl. 198 ff. d.A.).

Die Beklagte beantragt,

das Versäumnisurteil aufzuheben und die Berufung des Klägers zurückzuweisen.

Der Kläger beantragt,

das Versäumnisurteil aufrechtzuerhalten.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

Der zulässige Einspruch der Beklagten gegen das Versäumnisurteil des Senats hat in der Sache keinen Erfolg. Denn dieses Versäumnisurteil entspricht der Sach- und Rechtslage.

A. Zur Zulässigkeit der Klage

Das Landgericht hat seine sachliche Zuständigkeit verneint, weil nach seiner Ansicht der Rechtsstreit den Bestand eines Mietverhältnisses über Wohnraum betrifft.

Dies ist in zweifacher Hinsicht unrichtig: Es handelt sich um ein gewerbliches Vertragsverhältnis, und zwar um ein Pachtverhältnis.

Allerdings betrifft der Vertrag vom 25. Mai 2001 (Bl. 5 ff. d. A.) neben den Räumen der Pension auch eine dazu gehörige Wohnung (§ 1 Nr. 1, Bl. 5 d. A.). Er ist gleichwohl insgesamt als gewerblicher Pachtvertrag anzusehen.

Liegt, wie im Streitfall, ein einheitlicher Vertrag vor, durch den teilweise Räume zur bloßen Nutzung (im Streitfall: Wohnung), teilweise zur Fruchtziehung (im Streitfall: Nutzung als Pension) überlassen werden, so ist für die rechtliche Einordnung des Gesamtvertrages (Aufteilung in mehrere Verträge ist nicht möglich: OLG Köln WuM 87, 377) maßgeblich, was der Hauptgegenstand des Vertrages bzw. der wesentliche Vertragszweck ist; dies ist nach dem im Vertrag zum Ausdruck gekommenen Willen der Vertragsparteien im Einzelfall zu ermitteln (vgl. Bub-Treier I Rn. 24, 121; Palandt/Weidenkaff Rn. 16 vor § 535; vgl. auch OLG Köln a. a. O. 378).

Zu Unrecht meint die Beklagte, nach diesen Grundsätzen liege hier insgesamt ein Mietvertrag über Wohnraum vor (zuletzt Bl. 129, 198 ff. d. A.). Der bloße Umstand, dass für die Wohnung ein höheres Brutto-Entgelt vereinbart worden ist als für die Räume der Pension, trägt eine solche Annahme nicht. Vielmehr führen die sonstigen Umstände des Streitfalles zur Annahme eines Pachtvertrags.

Die Parteien haben den Vertrag vom 25.05.2001 ausdrücklich als "Pachtvertrag" und sämtliche überlassenen Räume, auch die Wohnräume, als "Pachtgegenstand" bezeichnet (Bl. 5 d. A.). Auch das von der Beklagten monatlich zu zahlende Entgelt wird insgesamt als "Pachtzins" ausgewiesen, dies ebenfalls auch für die Wohnräume (Bl. 6 d. A.); das ist auch in der Zusatzvereinbarung vom 28.11.2003 (Bl. 9 d. A.) der Fall, auf die sich die Beklagte in ihrer Berufungserwiderung bezieht (Bl. 129 d. A.). Gleiches gilt für die Pachtzeit, die in § 3 des Vertrages einheitlich für alle Räume geregelt ist (Bl. 6 d. A.). Wie die Beklagte in ihrer Klageerwiderung vom 13.01.2006 selbst hat vortragen lassen, hat sie den Vertrag - nach einem Konzept des Klägers - "aufgrund ihrer beruflichen Kenntnisse als frühere kaufmännische Angestellte zu Papier gebracht" (Bl. 40 d. A.); ihr waren also alle Einzelheiten der vertraglichen Vereinbarung bekannt.

Schon damit haben die Parteien hinlänglich zum Ausdruck gebracht, insgesamt ein Pachtverhältnis vereinbaren zu wollen. Soweit die Beklagte darauf verweist, ihre Motivation zum Abschluss dieses Vertrages habe im wesentlichen darin gelegen, für sich und ihre Kinder nach dem Scheitern der Ehe ein Dach über dem Kopf zu finden (Bl. 130 d. A.), steht dies nicht der Einordnung als Pachtvertrag entgegen, da diese Motivation nicht Vertragsinhalt geworden ist (Schriftsatz v. 12.7.2006, S. 2 ff., Bl. 198 ff. d.A.).

Zweck des Vertrages war vielmehr nach § 2 Nr. 1 der vertraglichen Regelung die (Weiter-)Betreibung der Frühstückspension (Bl. 5 d. A.), die zuvor von der damaligen Ehefrau des Klägers betrieben worden war. Daran hatten beide Parteien ein Interesse. Der Kläger deshalb, weil das Weiterbetreiben durch die Ehefrau nicht gewollt war, und die Beklagte, weil sie nach dem Scheitern der Ehe auf der Straße stand. Sie hatte in dieser Situation nicht nur ein Interesse daran, für sich und ihre Kinder ein Dach über dem Kopf zu bekommen, sondern darüber hinaus auch ein - objektives - Interesse daran, sich eine Einkommensquelle zu verschaffen. Dies umso mehr, als ihr Ehemann Unterhalt für sie und die Kinder nicht zahlte (vgl. Bl. 49 d. A.). Im übrigen hatte sie, wie sie in ihrer Klageerwiderung eingeräumt hat (Bl. 46 d. A.), damals auch ein Interesse an der zeitlichen Befristung des Vertrags, die sie nunmehr nicht mehr anerkennen möchte.

Da nach allem der Rechtsstreit nicht das Bestehen eines Mietverhältnisses über Wohnraum zum Gegenstand hat, ist für die sachliche Zuständigkeit der Streitwert maßgeblich. Danach ist hier das Landgericht zuständig gewesen.

B. Zur Sache

Der Kläger hat gegen die Beklagte Anspruch auf Räumung und Herausgabe der Pachträume nach den §§ 581, 546 BGB.

Vereinbart ist ein Zeitpachtvertrag bis zum 31.05.2006 (Bl. 6 d. A.). Diese Vertragszeit hat sich nicht verlängert, da der Kläger den Vertrag, wie das in § 3 Nr. 2 vorgesehen ist, mit Schreiben vom 16.06.2005 (Bl. 10 d. A.), also mehr als sechs Monate vor Ablauf gekündigt hat.

Die Beklagte ist deshalb zur Herausgabe der Räume verpflichtet, so dass die Klage auch begründet ist.

Die prozessualen Nebenentscheidungen ergeben sich aus den §§ 91, 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Es besteht kein Anlass, die Revision zuzulassen (§ 543 ZPO). Weder weicht der Senat von einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs ab, noch erfordert die Rechtssache wegen grundsätzlicher Bedeutung eine Befassung des Revisionsgerichtes.

Streitwert des Berufungsverfahrens: 22.800,00 Euro.

Der Antrag der Beklagten, ihr gemäß § 721 ZPO eine Räumungsfrist bis zum 30.6.2007 zu gewähren (Bl. 164 d.A.), ist unbegründet.

Es braucht nicht entschieden zu werden, ob bei Vorliegen eines gemischten Vertrages wie im Streitfall die genannte Vorschrift entsprechend angewendet werden kann; denn jedenfalls besteht für die Zubilligung einer Räumungsfrist keine Veranlassung, nachdem die Beklagte im Verhandlungstermin vor dem Senat erklärt hat, sie habe sich inzwischen anderweitig Wohnraum beschafft und könne gegen Ende der auf den Senatstermin folgenden Woche die Frühstückspension einschließlich der zugehörigen Wohnräume geräumt an den Kläger zurückgeben.

Ende der Entscheidung

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