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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Köln
Urteil verkündet am 23.11.2004
Aktenzeichen: 22 U 77/04
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 543
BGB § 546 Abs. 1
BGB § 550
BGB § 578
BGB § 580 a Abs. 2
BGB § 862
BGB § 863
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT KÖLN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

22 U 77/04

Verkündet am 23.11.2004

In dem Rechtsstreit

pp.

hat der 22. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln auf die mündliche Verhandlung vom 2. November 2004 durch die Richter am Oberlandesgericht Heidemann und Dr. Törl sowie die Richterin am Landgericht Schmitz

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Beklagten gegen das am 6. April 2004 verkündete Urteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts Köln - 2 O 222/03 - wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens werden der Beklagten auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Beklagten wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung der Kläger durch Sicherheitsleistung in Höhe von 10.000,00 Euro abzuwenden, sofern nicht die Kläger vor einer Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leisten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Die Parteien schlossen am 27.04.2002 mit Wirkung zum 01.06.2002 einen Mietvertrag über ein Ladenlokal in C, das als Bäckerei bzw. Café genutzt werden sollte. Auf den Vertrag nebst Anlage (Bl. 75 ff. d.A.) wird Bezug genommen.

Die Kläger haben geltend gemacht, die Beklagte habe mehrfach die Wasserzufuhr zum Mietobjekt gesperrt; außerdem habe sich der Vater eines der Gesellschafter der Beklagten, ein B P, als Vertreter der Beklagten seit November 2002 an einer Vielzahl von Tagen jeweils mehrere Stunden lang im Ladenlokal aufgehalten, den Kunden der Kläger gegenüber abfällige Äußerungen über die Kläger gemacht und dies trotz Aufforderungen, den Laden zu verlassen, jeweils fortgesetzt. Seit Oktober 2002 erteilte die Beklagte den Klägern eine Vielzahl von Abmahnungen wegen angeblicher Vertragsverletzungen. Außerdem erklärte die Beklagte mehrfach, zuletzt am 01.04.2003, die fristlose Kündigung des Mietverhältnisses.

Die Kläger haben zunächst beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, es zu unterlassen, den Klägern in dem angemieteten Ladenlokal V-str. 27, #### C, das Wasser abzustellen,

die Beklagte zu verurteilen, es zu unterlassen, daß Herr B P grundlos das Ladenlokal betritt und sich dort dauerhaft aufhält.

Die Beklagte hat beantragt,

1.

die Klage abzuweisen,

2.

widerklagend:

die Kläger zu verurteilen, das Ladenlokal im Erdgeschoss des Anwesens V-str. 27 in #### C nebst 2 Kellerräumen, separater Mülltonnen/Containeranlage und Werbefläche an der Fassade geräumt an sie herauszugeben.

Durch Versäumnisurteil vom 23.09.2003 hat das Landgericht der Klage stattgegeben und die Widerklage abgewiesen. Mit dem angefochtenen Urteil hat das Landgericht nach Einspruch der Beklagten das vorerwähnte Versäumnisurteil aufrechterhalten, den Beklagten Ordnungsmittel angedroht und eine nach Schluss der mündlichen Verhandlung eingegangene Erweiterung der Widerklage als unzulässig verworfen.

Auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil wird Bezug genommen.

Mit der Berufung erstrebt die Beklagte weiterhin die Abweisung der Klage. Außerdem verfolgt sie die Widerklage weiter, soweit sie auf Räumung und Herausgabe des Objektes gerichtet ist. Die als unzulässig verworfene Erweiterung um einen Zahlungsantrag ist nicht Gegenstand des Berufungsverfahrens.

Die Beklagte macht geltend, das Mietverhältnis sei durch Kündigung beendet worden.

Es lägen bereits die Voraussetzungen für eine fristlose Kündigung vor, da die Kläger die Bäckerei nicht in eigener Person betrieben, sondern durch Frau Q (Berufungsbegründung S. 2 ff, Bl. 298 ff. d.A.). Im übrigen sei die Kündigung aber auch als ordentliche Kündigung wirksam, da bei Abschluss des Mietvertrages die Schriftform nicht eingehalten worden sei (S. 4 ff. Bl. 300 ff. d. A.).

Sie beantragt,

unter teilweiser Abänderung des Urteils des Landgerichts Köln vom 06.04.2004 - 2 0 222/03 - die Klage abzuweisen und auf die Widerklage die Kläger als Gesamtschuldner zu verurteilen, das im Erdgeschoss des Anwesens V-str. 27 in #### C gelegene Ladenlokal nebst zwei Kellerräumen, separater Mülltonnen/Containeranlage und Werbefläche an der Fassade zu räumen und geräumt an sie herauszugeben.

Die Kläger beantragen

Zurückweisung der Berufung.

Sie machen geltend, die Voraussetzungen einer fristlosen Kündigung lägen nicht vor. Frau Q sei lediglich als Angestellte/Filialleiterin der Kläger im Geschäft tätig (Berufungserwiderung S. 2 Bl. 307 d. A.).

Die Kündigung könne auch nicht in eine ordentliche Kündigung umgedeutet werden; die Schriftform sei im Übrigen gewahrt. Zumindest könne sich die Beklagte, die den Mietvertrag mit Anlagen gestellt habe, nicht auf einen etwaigen Formmangel berufen (S. 3 ff, Bl. 308 ff. d. A.).

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

Die zulässige Berufung der Beklagten hat in der Sache keinen Erfolg. Das angefochtene Urteil entspricht der Sach- und Rechtslage. Die Klage ist unbegründet, während die Widerklage - soweit sie im Berufungsverfahren noch weiterverfolgt wird - unbegründet ist.

1.

Die Kläger haben gegen die Beklagte Anspruch auf Unterlassung der von ihnen geltend gemachten Besitzstörungen nach § 862 BGB.

Unstreitig hat die Beklagte mehrfach die Wasserzufuhr zum Mietobjekt abgesperrt. Ebenso ist unstreitig, daß sich der als Zeuge benannte B P (Vater eines der Gesellschafter der Beklagten) in einer Vielzahl von Fällen im Geschäft der Kläger aufgehalten, dort abfällige Äußerungen über die Kläger gemacht und dies trotz der - mehrfachen - Aufforderung, den Laden zu verlassen, jeweils fortgesetzt hat.

Dieses Verhalten des Herrn B P stellt eine Besitzstörung dar, die von den Klägern nicht hingenommen werden muß. Das Verhalten des Herrn P muß sich die Beklagte, die dessen Auftreten in ihrem Namen, insbesondere die Abfassung von Schreiben auf ihrem Briefkopf, seit Beginn des Mietverhältnisses geduldet hat, zurechnen lassen.

Der Einwand der Beklagten, die Kläger müßten aufgrund der von der Beklagten erklärten Kündigung das Objekt ohnehin räumen, ist eine petitorische Einrede im Sinne des § 863 BGB. Er wäre nur dann beachtlich, wenn die von der Beklagten insoweit erhobene Widerklage Erfolg hätte, was aber nicht der Fall ist.

2.

Denn die Beklagte hat gegen die Kläger keinen Anspruch auf Räumung und Herausgabe des Mietobjektes nach § 546 Abs. 1 BGB (es gilt das Mietrecht in der seit Herbst 2001 gültigen Fassung, da der Mietvertrag im Jahr 2002 abgeschlossen worden ist, vgl. Art. 229 § 3 EG BGB). Die von der Beklagten ausgesprochene Kündigung hat das Mietverhältnis nicht aufgelöst.

a)

Die Beklagte beruft sich zu Unrecht auf eine fristlose Kündigung nach § 543 BGB.

Im Berufungsrechtszug stützt sie diese Kündigung nunmehr darauf, die Kläger hätten den Gebrauch der Mietsache vertragswidrig einer dritten Person, nämlich der Frau Q (offenbar Ehefrau oder Schwester eines der Kläger), übertragen (§ 298 f. d.A.).

Die Kläger halten entgegen, Frau Q sei lediglich als ihre Angestellte in der Bäckerei tätig (§ 307 f. d. A. mit Bezugnahme auf den Anstellungsvertrag Bl. 311 d. A.).

Dieses Vorbringen der Kläger hat die Beklagte nicht zu widerlegen vermocht. Soweit sich die Beklagte darauf beruft, seinerzeit habe Frau Q hinsichtlich des Ladenlokals ein Gewerbe angemeldet, ist das für das Rechtsverhältnis der Beklagten zu den Klägern ohne Bedeutung. Die Gewerbeanmeldung betrifft Regelungen des öffentlichen Rechts. Mit ihr läßt sich das Vorbringen der Kläger, Frau Q sei im Verhältnis zu ihnen lediglich angestellte Geschäftsführerin gewesen, nicht widerlegen.

b)

Außerdem machen die Beklagten geltend, die erklärte Kündigung sei jedenfalls als ordentliche Kündigung wirksam.

Kündigungsgrundlage wäre dann § 580 a Abs. 2 BGB. Eine Kündigungsfrist wäre abgelaufen. Gleichwohl ist das Mietverhältnis auch nicht durch ordentliche Kündigung beendet worden.

aa)

Die Kläger ziehen bereits in Zweifel, ob die von den Beklagten erklärte fristlose Kündigung in eine ordentliche Kündigung umgedeutet werden könnte. Diesen Zweifel teilt der Senat nicht. Zwar kann nicht schlechthin jedwede fristlose Kündigung in eine fristgerechte umgedeutet werden. Ist dem Kündigungsschreiben - wie hier - nicht der Hinweis zu entnehmen, daß die Kündigung hilfsweise auch als ordentliche Kündigung ausdrücklich erklärt sein soll, so ist Voraussetzung einer Umdeutung jedenfalls, daß für den Kündigungsgegner eindeutig erkennbar ist, daß das Vertragsverhältnis vom Kündigenden auf jeden Fall beendet werden soll (vgl. BGH NJW 81, 976, 977 r.Sp.; Palandt-Heinrichs, § 140 BGB, Rdnr. 11; ebenso für den Fall der Kündigung eines Dienstverhältnisses, BGH NJW 98, 76).

Diese Voraussetzung liegt aber hier vor: Den Kündigungserklärungen war eine Vielzahl von Abmahnungen der Beklagten vorausgegangen, in denen zum Teil auch die Kündigung bereits angedroht worden ist (Bl. 86 ff. d. A.). Aufgrund dessen war für die Kläger klar erkennbar, daß die Beklagten mit ihren sodann mehrfach erklärten Kündigungen das Mietverhältnis auf jeden Fall und mit jeder rechtlich möglichen Begründung beenden wollten, weil sie mit der Führung des Bäckerei-Betriebes durch die Kläger nicht einverstanden waren.

Unter diesen Umständen ist eine Umdeutung der fristlosen in eine fristgerechte Kündigung möglich. bb)

Eine ordentliche Kündigung ist aber hier gleichwohl ausgeschlossen, da es sich um einen auf bestimmte Zeit geschlossenen Mietvertrag handelt. Der Auffassung der Beklagten, der Vertrag gelte gemäß §§ 550 , 578 BGB als auf unbestimmte Zeit geschlossen, da die gesetzliche Schriftform nicht eingehalten sei, folgt der Senat nicht.

(1)

Zunächst trifft es nicht zu, dass - wie die Beklagten geltend machen, die Vertretungsverhältnisse im Mietvertrag nicht ausreichend zum Ausdruck gebracht worden (Bl. 300 ff. ).

Im "Rubrum" des Mietvertrages (Bl. 75 d.A.) ist als Vermieter angegeben:

"A-P-UMLAND GbR, ..., vertreten durch B. H. P".

Damit ist ersichtlich der Vater des Gesellschafters S P als Alleinvertreter der GbR bezeichnet worden. Dieser hat den Mietvertrag auch unterschrieben. Da er nicht Gesellschafter der Beklagten ist, unterliegt es keinem Zweifel, daß er diese Vertragserklärung im Namen der Gesellschaft abgegeben hat. Für das von der Beklagten geäußerte Bedenken, es werde nicht hinreichend deutlich, ob P aufgrund einer Alleinvertretungsmacht oder lediglich als Gesamtvertreter der Gesellschaft zusammen mit dem Gesellschafter A gehandelt hat, besteht keine hinreichende Grundlage. Zwar hat Herr A den Mietvertrag ebenfalls unterschrieben. Damit hat aber ersichtlich lediglich dem Umstand Rechnung getragen werden sollen, daß dieser Gesellschafter in § 4 des Mietvertrages (Bl. 76 d.A.) als "Verwalter" bezeichnet worden ist, auf dessen Konto die Zahlung der monatlichen Mieten erfolgen sollte.

Auf dieser Grundlage sind die Vertretungsverhältnisse auf seiten der Vermieterin in ausreichendem Maße im Vertrag kenntlich gemacht worden.

Im Übrigen gilt:

Wenn der nach Auffassung der Beklagten bestehende Zweifel - entgegen der Auffassung des Senates - nicht aufgelöst werden könnte, würde es in gravierendem Maße gegen Treu und Glauben verstoßen, wenn sich die Beklagte, die unstreitig den Mietvertrag "gestellt" hat und insbesondere die Fassung des "Rubrums" und des § 4 des Vertrages herbeigeführt hat, sich nunmehr auf eine nicht hinreichende Kennzeichnung von Vertretungsverhältnissen berufen könnte. Die Beklagte selbst hat es zu verantworten, daß Herr B P im Vertrag als ihr Vertreter bezeichnet worden ist und er den Vertrag unterschrieben hat. Gleiches gilt für die Fassung von § 4 des Vertrages. Sähe man hier Unklarheiten, so gingen diese zu Lasten allein der Beklagten. Daraus darf die Beklagte im nachhinein keinen Vorteil ziehen.

(2)

Soweit die Beklagte zum anderen geltend macht, die Anlagen zum Mietvertrag seien nicht mit der Vertragsurkunde verbunden und auch nicht unterzeichnet, kommt es darauf nicht an. Die körperliche Verbindung von Vertragsurkunde und Anlagen ist nach neuerer Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes nicht mehr Voraussetzung für die Einhaltung der gesetzlichen Schriftform. Es genügt die wechselseitige Bezugnahme im Vertrag und in der jeweiligen Anlage; auch wenn es daran fehlt, ist selbst das unschädlich, wenn die Anlage nur erläuternde Ergänzungen zum Vertrag oder unwesentliche Nebenbestimmungen enthält (vgl. BGH WUM, 99, 516 ff. = NJW 99, 2591 f.).

(a) Vorgelegt ist lediglich die Anlage zu § 26 des Mietvertrages (Bl. 77 ff. d. A.). Diese Anlage ist im Mietvertrag vielfach in Bezug genommen. Die Anlage selbst verweist in allen Punkten auf die Regelungen im Mietvertrag.

Damit genügt sie der gesetzlichen Schriftform.

(b)

Es gibt ersichtlich auch weitere Anlagen, die aber nicht vorgelegt worden sind.

(aa)

Es handelt sich zum einen um Fotos. Diese Fotos enthalten aber keine rechtlich verbindlichen Regelungen. Sie dienen nur der Beschreibung des Mietobjektes. Selbst wenn hier nicht auf den Vertrag Bezug genommen sein sollte, ist das rechtlich unschädlich.

Gleiches gilt, soweit ein Plan als Anlage zum Mietvertrag genommen worden ist (vgl. BGH WUM 1999, 516, 517, r. Sp).

(bb)

Außerdem gibt es eine ins einzelne gehende Regelung über Nebenkosten.

Aber auch dies steht der Wahrung des Schriftformerfordernisses nicht entgegen.

Über Nebenkosten verhält sich bereits die Regelung in § 3 Nr. 2 des Mietvertrages.

Dort ist auch der Betrag der Vorauszahlungen genannt. Die Anlage kann also nur ergänzende Erläuterungen enthalten. Solche Erläuterungen können auch außerhalb des eigentlichen Mietvertrages erfolgen (BGH a.a.0.).

Die Berufung der Beklagten hat nach allem keinen Erfolg haben können.

Die prozessualen Nebenentscheidungen ergeben sich aus den §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Es besteht kein Anlaß, die Revision zuzulassen (§ 543 ZPO). Weder weicht der Senat von einer Entscheidung des Bundesgerichtshofes ab, noch erfordert der Fall wegen grundsätzlicher Bedeutung eine Entscheidung des Revisionsgerichtes.

Streitwert des Berufungsverfahrens:

1. Klage: 4.000,00 Euro

2. Widerklage: 18.897,35 Euro (3.080,00 DM x 12).

Die Streitwerte von Klage und Widerklage sind nicht zusammenzurechnen, § 19 Abs. 1 Satz 3 GKG.

Die Beschwer der Beklagten liegt oberhalb von 20.000,00 Euro (§ 8 ZPO).

Ende der Entscheidung

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